"Kurz vor Schluss" in "Auto-BILD" Nr. 16 und eine
Reaktion: Über "kalte Krieger", die andere wieder an "Nacktschnecken im
Salatbeet" erinnern und "heiße Leserbriefschreiber" deren Zusendung
dann in der Tiefkühltruhe landet
"Auto-BILD" war auf
Seite 88 sehr sachlich, berichtete von einem Brief der Firma Porsche an
den Bürgermeister einer nordschwedischen Stadt: Arjeplog. Dort tanzt
der Bär. Natürlich zur Winterzeit. Dann sind nämlich die Testfahrer
aller wichtigen Automobilfirmen dieser Welt - aber besonders unseres
Landes - dort, wo es richtig kalt ist. Da geht es dann z.B. um das
Losbrechmoment der Stoßdämpfer bei mehr als 20 Grad Minus, oder um die
Klärung der Frage, ob bei Kolonnenfahrt und lockerem Schnee die Kühler
so verstopfen können, dass es vielleicht den Motoren zu heiß wird.
Natürlich geht es auch um die Erprobung von so genannten
Sicherheitssystemen. Wer aber mit Sicherheit zu dieser Jahreszeit auch
da oben in Nordschweden ist: eine immer größer werdende Gruppe von
"Erlkönigjägern". Der Industrie wird das langsam zu viel. Sagt sie. Und
droht z.B. dem Bürgermeister von Arjeplog in andere Regionen dieser
Welt mit den Testfahrten auszuweichen. Man solle das bitte abstellen. -
Aber wie? - Porsche und BMW hatten - so schreibt "Auto-BILD" - vorher
schon mal gedroht, mit den Testfahrten nach China oder Russland
auszuweichen. - Echte Drohungen oder nur die (vorgeschobene) Erklärung
dafür, wenn man in nächster Zeit weniger nach Arjeplog (und andere
nordische Regionen) kommt? - Denn klar ist: die Industrie will
(muss) sparen. Klar ist auch: es gibt Verträge, z.B. mit schwedischen
Hotels. Sie zu brechen kostet Geld. Einen Grund rechtzeitig
vorschieben, heißt billiger aus den Verträgen aussteigen.
"Schreiben Sie uns"
09-04-24/08
- Mit dieser Aufforderung endet die "Auto-BILD"-Geschichte. Und einer
der Leser hat das ernst genommen und wirklich geschrieben. Dann hat man
auch telefoniert. Und der Leser hat erfahren müssen, dass sein Brief
mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht veröffentlicht wird, weil... - Und
dann kommen Argumente, die ähnlich wie die von Porsche und BMW klingen.
Da ist der "Auto-BILD"-Leser schon sauer. Und er sendet den Brief an "Motor-KRITIK". Ich darf ihn hier veröffentlichen:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Interesse habe ich Ihren
Artikel über Porsche und die Prototypenjäger gelesen. Da ich über
Jahrzehnte dasselbe betrieben habe ( auch in Zusammenarbeit mit Auto
Bild) möchte ich dazu folgend Stellung nehmen:
Über die Reaktion
von Porsche muss man sich nicht wundern. Zu meiner Zeit erfuhren die
Hersteller erst von meiner Anwesenheit am Tatort, wenn die Bilder in
der jeweiligen Zeitung veröffentlicht wurden. Heute stellen sich die
sogenannten Prototypenjäger auf die Straße und behindern den
Verkehr, die Arbeit der Ingenieure und gefährden sich teilweise auch
selbst. Es nimmt zum Teil Formen an, die mit Legalität nichts mehr
zu tun haben, nur um an das (angeblich) große Geld zu kommen.
Als
Hersteller würde ich mir auch nicht gefallen lassen, dass z.B. Teile
abgeschraubt oder auch abgerissen werden, oder man in mein Gelände
einbricht. Die Zeit der guten Scoop-Photos ist sowieso schon seit
Jahren vorbei.
Mit freundlichen Grüßen
Ich
verstehe den Kollegen, der sich auf dem "Erlkönigsektor" wirklich gut
auskennt. Mir gegenüber äußerte er sich am Telefon noch deutlicher,
verglich das gruppenweise Auftreten der modernen
"Erlkönigjäger"-Generation mit denen von Nacktschnecken im
Salatbeet. Dieser Vergleich ist treffend. Die Nacktschnecken sind
gierig auf die Salatblätter. Die "Erlkönigjäger" sind gierig nach
Selbstbestätigung. Eine falsche Selbsteinschätzung lässt sie vor die
"Erlkönige" springen, bis zu einer Tankstelle nachfahren, wo der
"Erlkönig" tanken muss. Und die "action" ist dann wie im Film. - Im
Mittelpunkt steht der "Erlkönigjäger", das Subjekt, nicht das Objekt. -
Beim Beobachten komme ich mir vor," wie im falschen Film".
Tatsächlich
gab es eine Zeit, wo ein "Erlkönigjäger" während seiner Arbeit
gar nicht auffiel. Er war, er blieb unauffällig. Das waren die Leute
mit Hintergrundwissen, die heute der Schrecken jeder Redaktion sind.
Denn es kann ja nicht sein, dass irgendein "Erlkönig"-Fotograf mehr von
Automobilen versteht und weiß, als ein festangestellter Redakteur einer
bedeutenden Zeitschrift, eines mit einer bedeutenden Visitenkarte
ausgestatteten "Fachmannes".
Die moderne Digitalkamera hat für
eine Flut von "Erlkönigfotografen" gesorgt, die die Redaktionen mit
Exklusivfotos zuwerfen. - Aber was können die damit anfangen? Manchmal
sind nur Details wichtig. - Aber welche? Wo war denn zum neuen
Heckflügelsystem des kommenden Porsche Panamera zum ersten Mal etwas zu
lesen (und auch zu sehen!), gab es also eine umfassende Darstellung des
Systems?
Ich könnte Ihnen von den ersten Versuchsfahrten der
BMW-Testfahrer mit einem Gefährt auf der Basis einer Alfa-Plattform
berichten. Aber was soll das? - Diese Kombination wird (nach Aussagen
von Dr. Reithofer) niemals kommen. - Was soll's also? - Für mich
bedeutet das Hintergrundwissen. Wie z.B. auch die Einflussnahme von
Runflatreifen auf das Gewicht von Serien-BMWs. - Wer könnte von den
modernen "Erlkönigfotografen" dazu etwas sagen? - Obwohl sie bei den
Versuchen - wie ich auch - dabei waren.
Diese großen Herden von
Erlkönig-Fotografen bevölkern nun also auch zu den allseits bekannten
Testzeiten die Region um den Nürburgring. Und sie fotografieren und
fotografieren. - Während ich z.B. feststelle, was denn der neue
Scirocco, ein Zweiliter, der zum 24-Stunden-Rennen öffentlich
dargestellt wird, denn nun wirklich wiegen wird. - Es ist enttäuschend:
mehr als 1.400 Kilogramm. So wie der Golf GTI (mit seinem
Seriengewicht) eigentlich kein GTI mehr ist, so wird auch die kommende
Scirocco-Version kein Sportwagen mehr sein. Aber man wird ihn so
"verkaufen". Und man wird versuchen, den Begriff "Sportwagen" über die
Leistung, die PS-Zahl zu definieren. Wie das an jedem gut besetzten
Stammtisch oder auch im Kegelklub geschieht.
"Erlkönigjäger" der
neuen Generation interessiert das alles nicht. Und würden nicht die
Automobilfirmen ihre "Erlkönige" so auffällig tarnen, dann würden sie
von einer Reihe von "Beobachtern" erst gar nicht erkannt. Ich habe
manchmal den Eindruck, dass es den Firmen nicht darum geht die
Testfahrten geheim zu halten, sondern dass sie daran interessiert sind,
in der Öffentlichkeit damit eine gewisse Wirkung zu erzielen. Würden
sie sonst so einen aufwand für eine "auffallende Tarnung" (!) treiben?
Darum
sollte man vielleicht den in "Auto-BILD" zitierten Brief von Porsche
nicht so ernst nehmen. Das heißt, in Arjeplog muss man das schon. Denn
der Brief sagt ja nur voraus, was den Entwicklern in Weissach schon
seit einiger Zeit klar ist: die Entwicklungszeiten für neue Modelle
werden gekürzt, abgebaut. Und damit auch die Testfahrtzeiten in
Nordschweden gekürzt. Und damit können dann auch die bereits
abgeschlossenen Verträge mit Hotels und Restautrants nicht eingehalten
werden. Und da sind das dann die "Erlkönigjäger" schuld.
Zur
Argumentation sind die also - wenigstens - noch geeignet. Wenn ich auch
der Meinung des Briefschreibers (s.o.) bin, dass das Niveau der "Jäger"
sehr abgesunken ist. Und das Niveau des "Wildes" wird in Zukunft
absinken. Weil man dem nicht mehr die notwendige Zeit für eine richtige
Entwicklung gönnt. Bevor man es auf die "Verbraucher" los lässt.
Auch
hier am Nürburgring stehen die "Industriewochen" vor dem AUS. - Für das
nächste Jahr sehe ich aus der Sicht des Rennstreckenbetreibers
schlechte Zeiten für eine Streckenvermietung an die Industrie kommen.
Das - soweit es hier den Nürburgring betrifft - nicht nur aus Gründen,
die bei der so genannten "Wirtschaftskrise" zu suchen sind, sondern
auch in der Organisation der Industriewochen begründet liegen. Dr.
Kafitz wird das nicht aufregen, weil er das nicht begreifen kann. -
Wenn denn das auch "in die Hose geht" kann er immer noch argumentieren,
dass er darum ja - natürlich! - eine Investition von um 300 Mio Euro
(mit Straßenverlegung, Kreisverkehr, Brücken, Heizkraftwerk, und, und,
und) muss schließlich eine Begründung erfahren.
Wenn gar nichts
mehr geht, kann Dr. Kafitz sich immerhin noch mit der Achterbahn
vergnügen. - Wobei die sicherlich - nach dem Aufbau - auch noch eine
gewisse Testzeit benötigen wird. Vielleicht könnte man die auch tarnen
und dan die "Erlkönigjäger" zum Ring bestellen. Für Exklusivfotos. -
Für "Auto-BILD" natürlich, mit denen die Nürburgring GmbH angenehm
kooperiert.MK/Wilhelm
Hahne
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