ACHTUNG! - Hier folgt eine Geschichte aus dem Jahre
1985, die den meisten Lesern unbekannt sein wird, weil sie "damals"
zwar auch in "Motor-KRITIK", aber einer gedruckten Version erschienen
ist. - War "Motor-KRITIK" vor fast 25 Jahren anders? - Brachte das
Internet einen Fortschritt? - Oder hat sich der Journalismus in (fast)
25 Jahren verändert?
Eigentlich - so
denke ich - bin ich in meiner Art gleich oder ähnlich geblieben. Ich
habe schon als Journalist versucht, Dinge die unter der Oberfläche
schlummerten, ein wenig hervor zu holen. So habe ich auch "damals" -
1985 - einen Besuch der IAA (Internationale Automobil-Ausstellung) in
Frankfurt zum Anlass genommen, mir ein paar Gedanken zu diesen oder
jenen damals (?) aktuellen Fragen zu machen. Manche davon scheinen
heute noch aktuell zu sein, wurden von der Industrie noch nicht
beantwortet. - Oder? - Aber lesen Sie zunächst, was ich am 23.
September 1985 veröffentlichte:
Gedanken während eines IAA-Spazierganges
09-06-05/02.
- Wenn Menschen älter werden, verändern sie sich, bekommen Falten im
Gesicht, manche Konturen werden härter, andere weicher. Ganz anders als
bei Automobilen.
Wenn
Automobile älter werden, äußert sich das so: Sie haben sich nicht
verändert. Jede Falte ist so wie vor Jahren, jede Kontur wie "damals".
Insgesamt passt das dann nicht mehr so sehr in die Zeit.
Doch es gibt auch Automobile, an denen die Zeit scheinbar spurlos vorrüber geht. Ein seltener Fall.
Ich
musste daran denken, als mir bei meiner Wanderung durch die Hallen der
IAA bewusst wurde, dass z.B. der an sich junge Mercedes 190 schon älter
wirkt, dass man einen (Schrägheck-) Kadett als so jung empfindet, wie
er tatsächlich auch ist, aber ein Polo schon richtig alt aussieht. Das
gesamte VW-Programm wirkt vom Design her ein wenig angestaubt. Auch
BMW-Automobile machen äußerlich einen stark angegrauten Eindruck. Gibt
es eigentlich noch das vom Design, von seiner Karosse, her zeitlose
Automobil?
Ich habe nur eins gesehen: Der Fiat Uno wirkt immer
noch frisch und jung und wird wohl auch in einigen Jahren immer noch
karosseriemäßig aktuell sein. - Wirklich eins der wenigen zeitlosen
Automobile.
***
Die Reihe der
Neukonstruktionen, die zwar theeoretisch bleifreies Superbenzin
vertragen, aber trotzdem unser EURO-SUper nicht mögen, wird in der
nächsten Zeit noch größer werden.
EURO-Super hat - wie bekannt -
95 Oktan (ROZ). Der neue Honda Accord, mit seinem
Dreiventil-Einspritzmotor, verträgt z.B. auch grundsätzlich bleifreies
Superbenzin. Aber nur solches mit 97 Oktan. Das gibts aber nur drüben
in Amerika. Auf diesem USA-Markt ist eine Reihe von Automobilmotoren
abgestimmt. Wenn die nun nach Europa kommen, steht deren
Verträglichkeit von bleifreiem Superbenzin nur auf dem Papier. Weil
wir, soweit es die Qualität von bleifreiem Superbenzin betrifft,
verglichen mit Amerika, eben nur so eine Art Entwicklungsland sind. Hat
daran vorher niemand gedacht?
***
Eine
der wichtigsten Neuheiten der IAA: die serienmäßig verzinkten Karossen
des Audi 100/200. Es war interessant, einmal den Ingenieuren der
Audi-Konkurrenz zuzuhören, die die Vor- und Nachteile der
vollverzinkten Karosse am Audi-Stand diskutierten. Da wurde über
mögliche Schwierigkeiten beim Lackieren gesprochen und... - Aber das
waren alles nur Einwände, die sich dann im Gespräch wieder auflösten.
Was bei meinem Zuhören haften geblieben ist: Man bezweifelt, ob das
Verzinken der ganzen Karosse ganz ohne Lücken möglich ist. Die
Schwierigkeit soll sein, auch alle Ecken, wo die Karosseriebleche
aufeinander stoßen, gut zu verzinken. Man erinnerte daran, dass auch
Porsche keine Karosse voll verzinkt, dass auch... -
Ich meine: Besser eine Karosse zu 99,5 Prozent verzinkt, als 100 Prozent gar nicht.
***
Natürlich
habe ich auch vor dem Porsche 959 gestanden und - mich ein wenig
gewundert, wie begeistert die Leute davor stehen. Ich finde den Wagen
optisch wenig reizvoll, technisch natürlich sehr interessant. Der
größte Reiz scheint für die meisten der Betrachter vom Preis
auszugehen. Und man kann ihn auch schon nicht mehr bestellen, da die
vorgesehene Stückzahl (200 Stück) längst ausverkauft ist. So kann sich
so mancher dann auch leicht damit schmücken, dass er erklärt: "Ich
hätte ihn ja gerne noch bestellt. Aber er war schon ausverkauft." -
Dieser Porsche ist als Automobil so interessant wie ein Picasso und
Rubens zusammen. Er zeigt die Grenzen in die eine und die andere
Richtung auf. - Vom Geld wollen wir nicht sprechen.
***
Eine
ganz andere Art von Automobilen war mit keinem neuen Modell vertreten,
glänzte praktisch durch Abwesenheit: Das Einstiegs-Automobil. Ich
rechne dazu alle Automobile bis zur 10.000 Mark-Grenze. Obwohl um alle
Marktsegmente, auch die kleinsten bemmüht, wird diese besondere Art von
Automobil von der Automobilindustrie vernachlässigt. An 10.000 Mark
kann man natürlich auch keine 10.000 Mark verdienen. Aber bei dem
Können der deutschen Ingenieure müsste es doch möglich sein, einen
modernen Nachfolger der Citroen "Ente" zu bauen.
Die japanische
Motorradindustrie wäre sicherlich froh, wenn sie die zu einem solchen
Fahrzeug passenden Antriebseinheiten in möglichst großer Stückzahl
liefern könnte. Man muss ein solches Fahrzeug auch nicht unbedingt mit
elektrischen Fensterhebern, Zentralverriegelung und Check-Control
ausstatten. Haben unsere Ingenieure eigentlich verlernt, Automobile zum
Fahren, ganz einfach zur zuverlässigen Fortbewegung von A nach B zu
bauen? - Oder werden sie von den Kaufleuten gebremst?
Was man
heute unter "Einstiegsmodell" in unseren Breiten versteht, zeigt
Porsche mit seinem Einstiegsmodell, dem Nachfolger des Porsche 924:
rund 42.000 Mark sind dafür auf den Händlertisch zu legen.
***
Während
die deutsche Industrie vom technologischen Vorsprung spricht und die
japanischen Mitbewerber auf diesem Gebiet mit einer Handbewegung als
"Billigheimer" abtut, gibt es gerade dort die größten Fortschritte. Wo
gibts bei einem lieferbaren europäischen Großserien-Automobil das
"denkende Fahrwerk" schon zu kaufen? - Mitsubishi hat es.
Vergleicht
man überhaupt die Fahrwerktechnik der unterschiedlichen Fabrikate, so
schneiden die Japaner nicht unbedingt schlecht ab und sehen
trotzdem, soweit ich sie bisher fahren konnte, nicht so gut aus.
Nehmen
wir das Beispiel Honda. Dort gibt es den Civic und ab IAA auch beim
Accord technisch sehr aufwändig konstruierte Fahrwerke, die von diesem
Aufwand her vergleichbaren deutschen Frottrieblern weit überlegen sind.
Aber
in Sachen Fahrwerkabstimmung sind die Japaner offensichtlich nicht
routiniert genug, hier scheint es für sie Probleme zu geben, die auch
mit modernsten Computern nicht zu lösen sind.
Bei VW in
Wolfsburg wird man sich sic.herlich jedesmal ins Fäustchen lachen, wenn
man sieht, mit welch großem Aufwand die Japaner so wenig erreichen.
Tatsächlich
ist der VW Golf auch in Sachen Fahrwerk ein Weltmeister: es gibt wohl
kein in der Herstellung billigeres Fahrwerk auf der Welt. Und es gibt
kaum eins (in der vergleichbaren Klasse), das besser wäre.
***
Es
war interessant, auf den Ständen jenen Leuten zu lauschen, die ohne das
Presse-Schild am Revers oder einen anderen "Ausweis", der dann den
Träger einer bestimmten Firma zuordnen ließ, in den IAA-Hallen
unterwegs waren. Oft waren es führende Ingenieure und Manager aus
Automobil- und Zuliefererwerken, die sich bei einem Rundgang einen
Überblick verschafften und ihn auch - so sich zwei Bekannte trafen -
diskutierten.
Preisgespräch zwischen einem Entwicklungsingenieur
und einem Zulieferer. Der Ingenieur: "Ich rechne nicht in Preisen,
sondern in Kosten." - Der Zulieferer: "Aber schaun Sie sich doch einmal
den Aufpreis für die Servolenkung an, den ihr Werk nimmt. Sie wissen
doch, was die bei uns kostet." - Der Ingenieur lenkt ein: "Wir werden
uns sicher auch hier ein wenig umstellen müssen, zumal wir gerade
feststellen, dass wir auf bestimmten Märkten unsere Modelle gleich in
einer anderen Grundausstattung hätten liefern müssen. In diesem
Zusammenhang werden wir auch die Sonderausstattungspakete in ihrer
Zusammensetzung und in ihren Preisen überarbeiten."
Ich schreibe
hier mit ABsicht nicht, wo es demnächst Änderungen geben wird, obwohl
ich weiß, wer hier mit wem sprach. Denn eigentlich sollten alle Firmen
einmal ihre Preispolitik überdenken. Während jede Firma gerne für sich
in Anspruch nimmt, im Hinblick auf die technische Entwicklung der
Automobile zu agieren, ist man gleichzeitig stolz darauf, dass man im
Hinblick auf die preisliche Entwicklung immer nur reagiert. Warum
sollte man etwas verschenken, so lange es der Markt hergibt?
Aber
man könnte sich mit einer Neuordnung von Grundpreisen und Preisen für
Ausstattungspakete schon gegenüber dem Käufer profilieren, was sich
nicht unbedingt nachteilig auf die Zulassungszahlen auswirken würde.MK/Wilhelm
Hahne
PS: Nun noch ein aktueller Leserbrief aus dem Jahre 2009:
Hallo Herr Hahne,
ach ist es schön, daß mal jemand ganz offen u. humorvoll (teils
sarkastisch) über ein in meinen Augen tolles Auto schreibt.
Ich fuhr 19 Jahre einen VW Passat Variant Kombi u. jetzt seit 3 Jahren
einen älteren immer wieder reparaturbedürftigen Mazda 626 Kombi mit
Gasanlage.
Gestern habe ich mich nach längerem Umschauen und immer wieder
Resignieren bei den Preisen für deutsche Autos, für den von Ihnen
beschriebenen 7500€ Dacia Sandero entschlossen u. auch gekauft. Nach
Lesen ihres Berichtes freue ich mich nun noch mehr darauf, ihn in ca. 3
Monaten geliefert zu bekommen. :-D
Als alleinerziehende Frau u. Mutter mit Teilzeitjob u. Putzstelle habe
ich keine Möglichkeit die hiesige Wirtschaft anzukurbeln. Ich sehe es
auch garnicht ein, denn mein Hemd und das meiner Kinder geht mir vor -
vor dem von Politikern, Managern u. anderen netten Menschen, die für
diese Krise verantwortlich sind.
Ich brauche diesen ganzen Schnickschnack anderer Autos nicht, sondern
ein verläßliches Gefährt - um damit von A nach B zu kommen und um auch
Platz für die Dinge zu haben, die man z.B. auf einem Campingplatz braucht.
Ich habe die Rückbank umgeklappt u. es passt problemlos auch der neue
Gartenzaun hinein, den ich aber sicherlich gut verpacke, um dieses tolle
Auto nicht innen zu verkratzen. Ich fuhr immer einen Kombi, doch der
Sandero hat nicht viel weniger Platz als mein Mazda mit der Gasanlage und
bei dem Spritverbrauch wird sie mir wahrscheinlich nicht mal fehlen.
Ich werde immer neugieriger auf den Sandero u. bedanke mich bei Ihnen
ganz herzlich für den offenen und Mut machenden Bericht zum einfacheren
aber soliden Auto, das obendrein auch noch äußerlich sehr ansprechend ist.
Ich bekomme ihn übrigens in marineblau.
Mit freundlichen Grüßen
Es
gibt in diesem Jahr dann wieder eine IAA. - Ich werde darüber
berichten. - Ich bin selbst gespannt, was mir nach dem Besuch der
Hallen in Frankfurt - und den langen Wegen dort - dazu einfallen wird.
- Wird es viel anders als 1985 sein?
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