Fahrleistungsmessungen in Fachzeitschriften: Dazu - exakt zu den Messungen mit Motorrädern - habe ich schon 1977 meine Meinung veröffentlicht. Ich habe das 1985 wiederholt. Und schreibe jetzt in 2009 darüber. - Was sich geändert hat? - Nichts!

Eigentlich weiß bei den Fachzeitschriften kein Redakteur  warum er das macht was er macht. Das wird eben schon immer so gemacht. Der Leser verlangt das so. Warum sollte man etwas ändern was sich bewährt hat?- Niemand fragt nach dem Sinn. Nur die Industrie findet das sinnvoll. Weil sie auch damit ihre Prospekte schmücken kann. - Gibt es überhaupt sinnvolle Messungen? - Man kann sich natürlich darüber streiten, aber eigentlich sollte man längst zu einer anderen Beurteilung von Automobilen und Motorrädern gefunden haben als "unsinnige" Messungen zum Maßstab für den Wert eines Fortbewegungsmittels bei Stammtischgesprächen zu machen. Nun - den Herstellern würde auch gefallen, wenn der Verkaufspreis zum wesentlichen Merkmal einer Bewertung würde. Das Fahrzeug mit dem höchsten Preis ist das beste. - Basta! - Leider ist das nicht so. Ein teures Automobil - s. meine Bugatti-Geschichten - kann auch zur Belastung werden. Und eins der tollen Super-Bikes kann auch seinen Besitzer so unter Druck setzen, dass er - die Erwartungen seines Umfeldes erfüllen wollend - nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Mitmenschen gefährdet. Der Charakter eines Automobils oder Motorrades ist wichtig. Der sollte zum Charakter seines Nutzers passen. - Aber wer kann heute schon den Charakter eines technischen Spielzeugs (selbst Automobile können das sein; Motorräder sind es sowieso) richtig empfinden, einschätzen, schildern? - Und so sind die Medien voll mit 08/15-Testberichten. Aber kann man mit Zahlen wirklich den Charakter eines Automobils oder Motorrades erfassen? - (Das geht übrigens auch bei Menschen nicht.) Lesen Sie nachstehend, was ich bereits 1977 zu einem Teil-Thema, der Beschleunigungsmessung von Null auf 100 km/h bei "Super-Bikes" geschrieben habe:

Objektiv - aber nicht reproduzierbar?

09-08-25/04 -  Zu lesen in Heft 24, "motorrad reisen & sport" (1983!), Seite 20: "Bei einer Außentemperatur von 16 Grad Celsius, 1028 Millibar Luftdruck un einer relativen Luftfeuchtigkeit von 62 Prozent registrierte unsere Lichtschranke für den Sprint von 0 auf 100 km/h den Rekordwert von 2,8 sec."

Das hört sich gut an, ist aber so genau wie die Uhrzeitangabe einer Sonnenuhr. Es wurde nicht mit dem Peislerrad, sondern mit der Lichtschranke die Beschleunigung gemessen! - Die o.a. Beschleunigungsmessung ist demnach ein rechnerischer Wert.

Der Chronist hat zum "Sinn" einer Beschleunigungsmessung bei Motorrädern schon 1977 seine Meinung kundgetan und möchte sie noch einmal (aus "motor magazin" vom 13.4.1977) zitieren:

"Im folgenden nun zu den immer wieder als der absolute Leistungsbeweis zitierten Beschleunigungswerten von 0 auf 100 km/h. Um den Leser selbst zu einer Beurteilung und Einschätzung kommen zu lassen, möchten wir unsere Testfahrten kurz schildern:

Auf einer durch einen Autobahnbau für den Verkehr stillgelegten Landstraße werden unsere Messungen durchgeführt. Natürlich gehören dazu die modernsten Messgeräte im Wert von vielen tausend Mark, um die Beschleunigungswerte so objektiv wie möglich zu ermitteln.

Der Fahrer nimmt in Straßenmitte Aufstellung, hält die Maschine genau senkrecht, stützt sich mit beiden Füßen auf dem Boden ab, beugt den Oberkörper weit vor, bringt den Motor auf eine erhöhte Drehzahl und lässt jetzt - hier im Falle der Suzuki - die Kupplung schnell herein. Der Schlupf wird über das Hinterrad genommen. Die Maschine schießt leicht schwänzelnd wie ein Formel 1 davon. Zurück bleibt eine exakt 13 Meter lange schwarze Beschleunigungsspur vom durchdrehenden Hinterrad. Das war zuviel. Also das Ganze noch einmal. Dabei ist von den Vierzylindern die Suzuki noch am leichtesten zu starten.

Die Honda gibt einige Probleme auf, mit denen bei unseren Messfahrten nur einer unserer Tester perfekt fertig wird. Hier muss bei 6.000 U/min eingekuppelt, dann zunächst die Leistung über die Kupplung genommen werden, um dann nach einigen Metern den Schlupf auf das Hinterrad zu übertragen. Steht das Motorrad nicht ganz senkrecht, bricht es seitlich aus; dann muss ein solcher Versuch querstehend abgebrochen werden.

Zugegeben - das sind genau die extremen Messmethoden, mit denen die Industrie die Werte in den Prospekten hochtreibt. Jedenfalls sind sie von einem normalen Motorradfahrer nicht reproduzierbar und damit im Grunde unsinnig."

Soweit das Zitat. Es hat sich von 1977 bis heute nichts geändert, so dass dieses Zitat unverändert Gültigkeit hat. Nur eins scheint sich zwischen 1977 und 1985 geändert zu haben: Man misst Beschleunigung wieder mit der Lichtschranke und nicht mehr - wie es objektiver wäre - mit dem Peislerrad. Es war der Chronist, der diese exaktere Art der Messung in Deutschland (damals für die AUTO ZEITUNG tätig) einführte. Nun kehrt man in der Branche offensichtlich wieder zurück zu den attraktiveren, errechneten Werten.

Um noch einmal zu dem von "motorrad reisen & sport" geannten Wert "von 0 auf 100 km/h in 2,8 sec" zurückzukommen: Dieser Wert ist tatsächlich von keinem Fahrer der mrs-Redaktion mit objektiven Messgeräten zu reproduzieren. Er gehört  in das Reich der Fabel.

Ich höre jetzt schon die Redakteure argumentieren: Aber der Leser will es doch so. - Ich sage: Nein! - Der Leser möchte sicherlich gerne die subjektive Meinung eines erfahrenen Motorradfahrers über ein Motorrad kennenlernen, aber eine Messung sollte objektiv sein und - reproduzierbar. - Sonst ist sie unsinnig.

MK/Wilhelm Hahne

Weil es mir gerade einfällt... - Bob Lutz sagte mir mal zum Thema Motorrad-Tester: "Wenn ein Tester wirklich erfahren und gut ist, dann ist seine subjektive Meinung zu einem Motorrad schon wieder objektiv." - Bob Lutz mochte "subjektiven Meinungen" dieser Art. Er war immer ein begeisterter Motorradfahrer und wählte seinen Sturzhelm nach einem für ihn besonders wichtigen Kriterium aus: Welcher Helm produziert beim Fahren im Hochgeschwindigkeitsbereich die geringsten Windgeräusche.


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