"Wenn ich einen journalistischen Text veröffentliche,
so habe ich eine Verantwortung gegenüber dem Leser. ...
Dieses Verantwortungsgefühl scheint
im Journalismus nicht überall Konsens zu sein."
(Gabriele Bärtels - Journalistin -)
Gibt
es Wirtschaftkriminalität unter Justiz-Aufsicht? - Am 15. September
2009 verhandelte der BGH in Leipzig die Urteile im Volkert/Gebauer-Prozess.
- Da sei ein kleiner Rückblick gestattet, d.h. er scheint notwendig.
Wenn
man manchmal im deutschen Rechtssystem auf unerklärliche Zusammenhänge,
Urteile, Entscheidungen trifft, so liegt das schon mal darin begründet,
dass unser Rechtssystem auch von seiner gesamtheitlichen Struktur her
nicht wirklich unabhängig ist. Staatsanwälte sind z.B.
weisungsgebunden. Nicht überall auf der Welt. Aber in Deutschland. Weil
das auch in "meinem Fall" eine Rolle zu spielen scheint, weil im Fall
von "Nürburgring 2009" auch überall der politische Einfluss spürbar
wird, zumal es sich bei der Nürburgring GmbH um eine "Landestochter"
handelt, ist es sicher interessant, mal einen Blick über die
Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz zu werfen. Der meinen Lesern schon
aus den verschiedensten auf meinen Seiten erschienenen Geschichten
bekannte Prof. Selenz hat mal wieder auch für Motor-KRITIK in die Tastatur
gegriffen und sich eines Themas angenommen, das mal im Mittelpunkt
journalistischer Berichterstattung stand, aber heute nur noch ein
Randthema ist. Bei der o.g. BGH-Verhandlung gab es eigentlich auch
nichts Neues. Die bekannten Urteile wurden bestätigt. Darum muss die
folgende Geschichte auch mit einem Rückblick beginnen:Von "Platzhirschen" und ihren Staatsanwälten
09-10-07/01
- Ein Blick zurück auf den Juni des Jahres 2005: Anwalt Wolfgang
Kubicki wird im Zuge der vermeintlich jungen VW-Affäre in Wolfsburg
vorstellig. Er vertritt einen der Beschuldigten - Wolfgang Gebauer. Im
Gespräch mit den VW-Managern glaubt er, seinen Ohren nicht zu trauen.
Man erkärt ihm in aller Seelenruhe: „Die hiesige Staatsanwaltschaft
macht was wir wollen. Die haben wir im Griff. Wir sind hier
Platzhirsch.“ In seinem ganzen Leben habe er noch nie ein solches
Gespraech geführt, so Kubicki.
Und
bei den Staatsanwälten muss er hören: „Wo sollen wir da überhaupt
suchen? Der Konzern ist ja so gross wie eine Stadt“. Kubicki: „Da
mussten wir dann mal selber Beweise sammeln“ (*).
Parallel zu
Kubicki wurde auch ein alter Zeuge des VW-Skandals aktiv (**) -
Polizeispitzel G06. Ihn hatte die Polizei Hannover als V-Mann in die
Rotlichtszene eingeschleust. Allerdings schon im Jahre 2000. G06 hatte
erstaunliche Beobachtungen gemacht und seine Auftraggeber detailliert
informiert. Beispielsweise über Sex- und Drogen-Exzesse bei VW. Auch
der Name von VW-Gesamtbetriebsratschef und VW-Aufsichtsrat Klaus
Volkert findet sich schon 2000 in den Polizeiakten. Bordellbetreiber
Graser organisierte die von VW bezahlten Sex-Treffen. 2001 informierte
die Polizei VW. Aber auch dort blieb man untätig. Jeder Polizei-Novize
weiss indes, dass man sich als Organ einer Aktiengesellschaft nicht in
Bordellen amüsieren darf. Zumindest nicht auf Kosten der Firma.
Bei
VW handelte es sich allerdings um eine Firma unter staatlicher
Kontrolle. Da wäre ein Sex-Skandal fatal für das Ansehen der
Landesregierung als Gesellschafter gewesen. In Hannover war bereits der
Preussag-Skandal aktiv vertuscht worden. Die WestLB/Preussag-Gruppe
hatte hochrangige Politiker beider grossen Parteien in unsäglichste
Abhängigkeit gebracht. Man funktionierte dazu u. a. einen Jet zum
Bordell um. Damit war die Justiz komplett abgeschaltet. Die Folge:
Konkurs der Babcock Borsig AG,
tausende Arbeitslose,
5 Milliarden Euro Finanzschaden.
Auch
den Fall VW liess man laufen. Graser lieferte später sogar die Damen
für das VW-Konzern-Bordell in Braunschweig. Wirtschaftskriminalität
quasi unter Justiz-Aufsicht. Verständlich also, dass Spitzel G06 sauer
war, als er in der Presse las, was sich bei VW abgespielt hatte. Das
wussten er und die heimische Justiz schon seit Jahren. G06 verlangte
Nachschlag. Ein Polizei-Spitzel wird nach dem Wert seiner Information
bezahlt. Führt diese zu offiziellen Ermittlungen, erhöht sich sein
Salaer. Und G06 wollte wissen,
warum die Justiz untätig blieb.
„Reichte
der Filz bis in Justizkreise“, fragte der STERN**. Fakt ist, dass es
die VW-Affäre nach 2000 nie gegeben hätte, wenn die Justiz auch nur
ansatzweise korrekt gearbeitet hätte. Ein „Ermittlungsverfahren wegen
des Verdachts der Urkundenunterdrückung“ (Aktenzeichen 1141 UJS
63508/05) verlief im Sande. Der Vorgang landete schliesslich in
Braunschweig - bei den Staatsanwälten der Platzhirsche... -
Am
16. Januar 2008 warf Kubicki diesen Staatsanwälten dann in Braunschweig
sogar öffentlich Strafvereitlung im Amt vor. Niemand stoppte den kecken
Anwalt. Die Anwälte des Staates veränderten lediglich ihre
Gesichtsfarbe und schwiegen be- bzw. ge-treten. Auch über diesen
einmaligen Eklat in einem deutschen Gerichtssaal berichtete m.W. nur
die Braunschweiger Zeitung***.
Deutsche Staatsanwälte sind - wie
in der Nazizeit - weisungsgebunden und werden von der Politik
kontrolliert. Polit-Skandale, wie der bei VW, werden unter den immer
noch tiefbraunen Polit/Justiz-Teppich geschoben. Der Deutsche
Richterbund spricht explizit von „Regierungskriminalität“ (HAZ
11.08.2003) und fordert, die Weisungsgebundenheit deutscher
Staatsanwälte aufzuheben.
Der Richter am Finanzgericht
Niedersachsen, Norbert Schlepp, stellte zu diesem Krebsgeschwür des
deutschen Rechtssystems fest: „Diese Anordnungsbefugnis der Exekutive
gegenüber den Staatsanwälten hat in den Jahren ab 1933 dazu geführt,
dass Verbrechen der Nationalsozialisten nicht strafrechtlich geahndet
wurden. Die weisungsgebundenen Staatsanwälte durften derartige
Verbrechen nicht anklagen. Das Rechtssystem, das damals die
Staatsanwälte an ihrer Arbeit gehindert hat, existiert als solches
immer noch.“
In dieser braunen Sollbruchstelle des deutschen
Rechtssystems haben Platzhirsche ihre Staatsanwälte im Griff - zum
Schaden der Allgemeinheit. - Und das nicht nur in Niedersachsen.
MK/Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
* Braunschweiger (BS) Zeitung 04.09.2009
** STERN 44/2005
*** BS Zeitung 17.01.2008
PS: Weil
es sicherlich eine Reihe von Lesern geben wird, die die obige
Geschichte für "gut erfunden" halten, füge ich noch eine
Internet-Adresse an, wo Sie nach dem Anklicken auf die
Kurzfassung eines TV-Interviews mit dem Autoren der obigen Geschichte
zum Thema der Weisungsgebundenheit deutscher Staatsanwälte und zu den konkreten Folgen dieser Sollbruchstelle in unserem Rechtssystem stoßen werden: http://www.youtube.com/watch?v=ODdVOP4jn4M#
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