"Ein Burnout entsteht ja auch dadurch,
dass Sie dauernd alles schlucken
und niemanden verletzen wollen,
dass man anderen ständig erlaubt,
in einen einzugreifen."
(Miriam Meckel in einem "SPIEGEL-Gespräch)


Das Testen von Automobilen: Am Beispiel der Kritierien der international als bedeutend empfundenen Fachzeitschrift "auto motor und sport" verdeutlicht - und mit den Anforderungen "der Neuzeit" verglichen. - Wegen der "Nachhaltigkeit"!


Wenn ich hier folgend den in hoher Auflage produzierten Prospekt-Abklatsch von Industriedarstellungen am Beispiel von "auto motor und sport" darzustellen versuche, dann möge man - bitte - beim Springer-Verlag nicht beleidigt sein. Natürlich ist "Auto-BILD" aus Sicht der Verlagsmanager in Hamburg "die Größte". - Wenn man das an der Auflage misst. Immerhin erscheint "Auto-BILD" auch jede Woche, während die Stuttgarter Konkurrenz nur im Zwei-Wochen-Rythmus erscheint. Für zweimal "Auto-BILD" zahlt man auch weniger als für einmal "auto motor und sport". Aber das ist keine Wertung. Von Bedeutung ist, dass "auto motor und sport" von den leitenden Mitarbeitern der Automobil-Konzerne als "Meinungsbildner" empfunden und - auch so behandelt wird. - Nachdem ich jetzt einmal in meinem Bericht über das "Fahrerlebnis" mit dem ergänzend (neu) motorisierten Toyota iQ die möglichen Verbrauchswerte deutlicher in den Mittelpunkt gestellt habe (und das auch in Zukunft tun werde), möchte ich jetzt einmal darstellen, dass ich das nicht einem plötzlichen Impuls folgend gemacht habe, sondern dieser Entscheidung schon eine aufmerksame Beobachtung des "Marktes" voraus ging. Während unsere "bewährten" Zeitschriften weiter auf Futter für Stammtischthemen setzen. - Schließlich war das ja schon immer so. - Und "von Null auf Hundert" muss sein. Es ist sicherlich auch für einige Käufer von entscheidender Bedeutung, ob ein Automobil 298 oder 303 km/h schnell ist. Aber nicht für einen Autofahrer, der ein Autofahrer ist. Aus Freude am Fahren. Der vielleicht sogar Autofahren kann. - Denn was nutzen die ganzen Zahlen, wenn man mit einem Automobil nicht richtig umgehen kann? - Vom richtigen Umgang sind sogar die Verbrauchswerte betroffen. Das betrifft dann die Kategorie Autofahrer, die nur dann wirklich "Freude am Fahren" haben, wenn dieses Erlebnis mit "Freude am Sparen"  einher geht. -  Was vielen bei der Auseinandersetzung mit den Mess-Kriterien der Industrie (und der Fachpresse) entgeht: Es geht gar nicht mehr um das eigentliche Autofahren, sondern über die Selbstdarstellung mit Werten, die man (als Fahrer) selbst gar nicht mehr nutzen kann. - Auch die nachstehende Geschichte kann nicht endgültig verdeutlichen, was denn eigentlich wirklich... - Trotzdem - auch um den Widerspruch meiner vielen intelligenten Leser herauszufordern - wähle ich für die folgende Geschichte den Titel:

Ist das kleine
"ams" Test-Kriterien-abc
der Maßstab?

10-03-10/01 -  Die Personalchefs großer Industriefirmen würden sich sicherlich gerne eine Liste wünschen, der sie klare Kriterien für die Einstellung von Mitarbeitern entnehmen können. Etwa: Geschlecht männlich, Größe 1,79 m, Gewicht 74,8 kg, Kopfumfang 56 cm, Alter 28 Jahre, Schrittweite 93 cm, usw. - So kann man Menschen in Richtung auf ihre Leistungsfähigkeit in einer bestimmten beruflichen Position nicht beurteilen. Jeder weiß das. Aber viele schauen zunächst in die so genannten "Fachzeitschriften", um vor dem Kauf eines Automobils zu wissen, wie schnell "der denn" von "Null auf Hundert" ist. Hat der auch Klima? - Wie breit sind die Reifen? - Und geht der auch wirklich 200?

Was soll das? - Natürlich kennt jeder das geflügelte  Wort, "Das Bessere ist der Feind des Guten". Leider gibt es - wie oben am Beispiel des Menschen erklärt - keine objektiven Kriterien, nach denen man das Bessere z.B. automatisch dann erhält, wenn man in bestimmten Spalten die dort jeweils eingesetzten Daten durch "bessere" zu optimieren sucht. Jeder Techniker weiß, dass es in der Technik keine wirklich optimale Lösung gibt. Es kommt immer auf die Ansprüche an. Aber gerade darum ist man bei der Automobilindustrie so glücklich, dass es z.B. eine Zeitschrift wie "auto motor und sport" gibt, bei der man schon über Jahrzehnte versucht, den Käufern von Automobilen klar zu machen, worauf es beim Kauf eines Automobils ankommt. So haben die Techniker der Industrie praktisch (auch) eine Liste an der Hand, nach der sie ihre Neukonstruktionen praktisch Punkt für Punkt auslegen können. Das ergibt dann irgendwie - zumindest werden sie's hoffen - dann mal "Das Auto des Jahres" - oder andere zweifelhafte Auszeichnungen einer Automobil-Neukonstruktion, die aber auch (!) keine Gewähr dafür bieten, dass sich eine so hoch gelobte Konstruktion dann im Markt wirklich durchsetzt.

Immerhin kann man dann im Falles eines solchen Falles als Techniker seinen Vorständen klar machen, dass doch wirklich alles exakt an den Kriterien von "auto motor und sport" ausgerichtet war, dass auch durch die Ehrung... - Papperlapapp! - Es gibt nicht nur dumme Autokäufer. Aber leider genug Menchen, die diesen "Fachvergleichen" Glauben schenken. Weil das doch alles so überzeugend ist. - Für die Konstrukteure der Automobilhersteller in jedem Fall.  Und so nimmt dann das Unglück seinen Lauf, weil bei dieser Vorgehensweise die Entwicklung des Automobils in eine gefährliche Richtung abdriftet.

Ich habe mal gleich das Heft 1/2010 des Stuttgarter Verlags zum Anlass meiner Betrachtungen gemacht und möchte ein paar Beispiele anführen:

a) Da werden z.B. für Funktionalität, Innenmaße, Kofferraum, Raumgefühl und Zuladung (= 5 Kriterien, die ich hier in alphabethischer Reihenfolge aufgeführt habe) insgesamt 55 Punkte vergeben. Eine solche Wertung begünstigt eindeutig das Größenwachstum unserer Automobile. Die Auswüchse der Jetztzeit haben also eine Basis, die die Techniker argumentieren können.

b) Die fahrdynamischen Tests (einschl. Bremswegmessungen) bestehen  aus immerhin 15 Kriterien, die optimal 155 Punkte erbringen können. Diese ( Be-)Wertungen hat den Trend zu Breitreifen und unangemessen aufwändigen Fahrwerken nicht nur über die Zeit verstärkt, sondern hat auch hier wohl seine Wurzeln.

c) Die Motoreigenschaften und Fahrleistungen werden in 6 Kriterien dargestellt, gemessen und mit evtl.75 Punkten honoriert. Für den Testverbrauch gesteht dabei "ams" (Entschuldigung nach Stuttgart für die nicht gerne gesehene Abkürzung) dem jeweiligen Automobil (oder seinem Hersteller) aus einem einzelnen Kriterium (!) dann gerade einmal 20 Punkte zu. Das ist nicht ohne Signalwirkung auf die Arbeit der Automobilhersteller geblieben.

Natürlich hat die Arbeit von "ams" in einer bestimmten Phase der Entwicklung auch positive Auswirkungen auf die Entwicklung des Automobils gehabt. Ich denke dabei z.B. an das Crashverhalten. Immerhin gibt es heute weniger Tote im Straßenverkehr als es Selbstmörder gibt, oder als tödliche Unfälle im Haushalt passieren oder... -  Aber wer spricht schon davon?

Das eigentlich Problem besteht inzwischen bei Automobilen darin, dass sie sich iin ihren Eigenschaften zu ähnlich geworden sind. Alle sind mittlerweile - aus der Sicht von Testern - zu gut geworden. Da müssen dann evtl. neue Kriterien "erfunden" werden. Wie wäre es z.B. mit µ-split? - Was dann dazu führt, dass die Testfahrer der Automobilhersteller vor dem Bosch-Testcenter am "Boxberg" Schlange stehen. Denn die bei "ams"(nicht immer) veröffentlichten Messergebnisse wurden z.B. lange Zeit am "Boxberg" gemessen. Folglich haben die Hersteller ihre Neukonstruktionen auf die dort zur Verfügung stehenden Flächen (mit entsprechenden Gripp-Unterschieden) eingestellt. Denn es gibt auch auf diesem Sektor nicht überall die gleichen Gripp-Differenzen. Eigentlich ist allen Konstrukteuren nur etwas klar: Entweder ist ein Automobil in einer solchen Situation (mit unterschiedlichen Gripp-Werten links und rechts) bei einer Bremsung leichter zu beherrschen und man muss einen längeren Bremsweg hinnehmen oder aber man erreicht kürzere Bremswege... - Dann sollte der Fahrer aber schon Autofahren können. Aber wer fragt schon danach? - Der "ams"-Leser liest was das Testteam gemessen hat. Und die Punkte gehen in die Gesamtwertung ein. (Nicht bei jedem Vergleichstest.)

So schafft "ams" die Basis dafür, dass es inzwischen zu fast identischen Endergebnissen bei Vergleichstests kommt. Kein Automobilhersteller kann es sich erlauben, an irgendeiner Stelle aus dem eng gesteckten Kriterien-Rahmen von "ams" heraus zu fallen. Da bringen dann - wie oben schon erwähnt - winzige Verbesserungen an einer Stelle, evtl. gravierende Verschlechterungen an der anderen. Die meisten "innovativen" Fortschritte der Automobilhersteller wirken sich nachteilig auf Gewicht und Kosten aus. Die Kosten versucht man in den Griff zu bekommen, indem man mehr und mehr mechanische Lösungen vernachlässigt, sie durch "elektronische" ersetzt, weil das sehr oft gleichbedeutend mit "weniger Material" und "geringeren Einbaukosten" ist. - So nimmt dann das Unglück - für den Autokäufer - seinen Lauf. In einigen Jahren erst wird ihm klar werden, dass er so immer häufiger zu einem Neukauf von Automobilen praktisch gezwungen ist, weil sein dann derzeitiges Automobil eigentlich schon "Elektronik-Schrott" ist. (Nur ein Anstoß zum Nachdenken: Wissen Sie was die Erneuerung der Airbags in Ihrem Automobil in einigen Jahren kosten wird? - Fragen Sie mal Ihre Werkstatt und stellen dann schon mal den Antrag auf einen Kleinkredit.)

Bei "ams" hat man diese Entwicklung zwar nicht im Griff, versucht ihr aber - so irgendwie - Rechnung zu tragen, indem die Testredaktion die Bewertungskriterien immer weiter aufsplittet. Leider sind dabei die Relationen aus dem Ruder gelaufen, wie ich oben versucht habe darzustellen.

Man sollte sich - nicht nur in Stuttgart - einmal ernsthaft fragen, ob zwischen sechs und acht Airbags noch ein unter allen Unfallmöglichkeiten messbarer Sicherheitszuwachs gegeben ist. Liegt in der Praxis zwischen einem gemessenen Bremsweg (bei einer Vollbremsung!) von 38 oder 39 Metern aus einer Geschwindigkeit von 100 km/h noch ein bewertbarer Unterschied? - Muss die Kopf- und Beinfreiheit auf der Rücksitzbank eines Kompaktfahrzeugs wirklich für Menschen mit einer Größe mit 1,91 m ausgelegt werden? - Wären da 1,95 m nicht angemessener? Oder reichen 1,80 m? Übrigens: Bei welchem Verhältnis von Oberkörper- zur Beinlänge? (So nebenbei: Menschen sind - noch - nicht EU-genormt.)- Wie wichtig ist denn das Innengeräusch bei Top-Speed im 6. Gang wirklich, wenn die tatsächliche Höchstgeschwidngikeit nur im 5. Gang erreicht werden kann und die Durchschnittsgeschwindigkeit auf unseren Straßen - schon wegen der Verkehrsdichte - bei 55 - 65 Kilometer pro Stunde liegt? - Sollte man nicht auf ein paar gewonnene Zehntelsekunden bei den fahrdynamischen Tests verzichten, wenn dafür der Wendekreis spürbar kleiner werden kann? - Muss ein Kofferraum in Leder ausgeschlagen sein, um den Ansprüchen eines "ams"-Testers zu 100 Prozent zu genügen? - Wird nicht bei den Autofahrern ein Gefühl von (trügerischer) Sicherheit erzielt, wenn man sich in der "ams" - wie ich finde - zu übertriebenen Lobpreisungen der aktiven Sicherheitsstandards hinreißen lässt? - Leistet man  mit der Übertonung von Fahrleistung und Sportlichkeit nicht einem rücksichtslosen, aggressiven Fahrstil Vorschub?

Es hat sich in den letzten Jahrzehnten vieles auf dem Sektor "Straßenverkehr" geändert. Natürlich wurde das Straßennetz ausgebaut, aber die Verkehrsdichte wurde trotzdem höher, die Bebauung wurde dichter, das Durchschnittsalter der Neuwagenkäufer verschob sich ein wenig; das verfügbare Budget für einen Neuwagenkauf wurde nicht größer, aber die Finanzierung leichter, weil sich auch das Verhältnis zum Geld "gelockert" hat. Die soziale Akzeptanz des Automobils hat sich verändert, generell, schon weil sich die Infrastruktur, aber auch das Umweltbewusstsein verändert haben.

Sollte man nicht jetzt - gerade unter dem Gesichtspunkt, dass das Automobil heute einem veränderten Umseltbewusstsein entsprechen sollte - nun mal ein paar neue Kriterien zur Beurteilung des Praxisverbrauchs einführen? Der so genannte ECE-Zyklus ist nicht nur seltsam steril, sondern auch weltfremd. Hier entstehen z.B. durch eine eigentlich völlig praxisfremde Getriebeabstufung (oder auch Gesamtübersetzung) reine "Prospektdaten". Hier, exakt an dieser Stelle, müssten jetzt einmal nicht nur "ams", sondern alle Fachzeitschriften ansetzen. Man sollte - möglichst gemeinsam - auf die (natürlich unglaublich klugen) Politiker zugehen, ihnen die Problematik verdeutlichen und mit Nachdruck (!) nun einen modifizierten, praxisgerechteren Verbrauchstest im Interesse der Kunden fordern.

Die Industrie ist mit dem Jetztzustand zufrieden, weil der Automobile auch beim Verbrauch gut aussehen lässt. Auf dem Papier. - Aber in der Praxis...?  - So ist das auch mit anderen, scheinbar "innovativen" Lösungen, die dem Nutzer in der Praxis kaum einen Vorteil bringen, nur den Nachteil von höheren Kosten. - Und die Industrie schreit - und wird dabei von der Fachpresse unterstützt: "Fortschritt hat seinen Preis." - Dabei sollte nicht vergessen werden, dass zwischen Automobilindustrie und Fachzeitschriften (bzw. -Verlagen) inzwischen eine gewisse Abhängigkeit mit hohem Aufwand von Seiten der Automobilindustrie geschaffen wurde. Von dort kommt die Argumentation, dass man diesen Vorteil jetzt nutzen möchte. Zum eigenen Nutzen.

Aber wer denkt dabei an die Autokäufer? Für den kann der immer wieder propagierte "Fortschritt" - wenn er denn praxisgerecht sein soll - auch in eine andere Richtung führen, als derzeit eingeschlagen. Zumal er zu leichteren, unklompizierteren Automobilen führen würde. - Die man sich dann - auch in Zukunft - dann als Nutzer leisten kann.

Da meiner Geschichte als Beispiel ein Test von "ams" vom Jahresanfang diente, lassen Sie mich auch mit einem Beispiel - das vielleicht die Situation beleuchtet - schließen: In einer der letzten Ausgaben (Nr.6/2010) fand sich eine von der "ams"-Redaktion gestaltete Beilage, die "100 Jahre Alfa Romeo" verdeutlichen sollte. Die erste Geschichte in dieser (Werbe-)Beilage ist sinnigerweise betitelt: "Beziehungs-Kisten". - Die letzte Seite zeigt einen Alfa Romeo 8C Spider mit der Schlagzeile: "Ein Mythos wird 100".

Unterschlagen wird aus meiner Sicht, dass Alfa Romeo in dieses Jubiläumsjahr von einem deutschen Chef geführt wird: Harald J. Wester, einem großartigen Techniker, mit einem guten Gespür für richtige Lösungen. - Vielleicht gibt es die darum noch nicht im derzeitigen Alfa Romeo-Programm. - Oder doch?

Warten wir doch die nächsten Alfa-Tests in "ams" ab. - Bei dem Vergleichstest zwischen VW Golf und dem (neuen) Opel Astra, der mir als Vorlage für diese Geschichte diente (bei dem aber insgesamt vier Konkurrenten in dieser Klasse verglichen wurden), siegte übrigens der VW Golf. Er siegte klar. Und das ist gut so. Er ist kürzer als der Opel, hat den größeren Innenraum, bietet den größeren Komfort, weist den günstigsten Testverbrauch auf, hat die übersichtlichste Karosse, ist am leichtesten und überzeugte die Tester mit den ausgewogensten Fahreigenschaften.

Der Golf ist vom Styling her kein modernes Automobil, eher als konservativ in der Linienführung zu bezeichnen. - Ist das vielleicht das Geheimnis seines Erfolges? - Spielen also nicht die von Null-auf-Hundert-Werte eine Rolle?  Ist der Top-Speed ohne Bedeutung? - Was ist also für einen normalen Automobilkäufer wirklich von Praxiswert? - Die veröffentlichten Verbrauchswerte im eigentlich abstrakten ECE-Zyklus?

Oder ist das kleine "Test-abc" von "ams" wirklich der allein selig machende Maßstab? - Ich lese gerne Ihre Meinung und setze mich auch - gerne - mit Ihren Argumenten auseinander..

MK/Wilhelm Hahne


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