Modell R 1200 GS des Fahrzeugherstellers BMW AG: Mögliches Blockieren der Vorderradbremse ohne Betätigung des Bremshebels. - Was wie ein Wunder scheint, ist bei bestimmten BMW-Motorrädern serienmäßig möglich. - Wirklich.

Eigentlich ist das alles Vergangenheit. BMW möchte nicht mehr darüber sprechen. Das KBA sucht nach Möglichkeiten, nicht darüber sprechen zu müssen. Kollegen möchten darüber nicht mehr schreiben, weil sie das doch schon vor Jahren (einmal) getan haben. Aber eine ganze Reihe von Motorradfahrern ist immer noch mit den BMW-Motorrädern einer bestimmten Serie und Ausstattung im normalen Straßenverkehr unterwegs. Und kann so nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährden. Natürlich müsste man eigentlich merken...- Keine Frage. - Wenn man denn ein wirklicher Motorradfahrer, mit einem Empfinden - eben entsprechender Sensorik - ausgestattet ist. Aber moderne Motorradfahrer... - Die hätten gerne ABS und Antischlupf und einen wirksamen Windschutz und geheizte Griffe und... -  Deutsche Motorradfahrer geben da die Richtung vor. Die neigen nämlich der Marke BMW besonders zu. Weil die Münchner doch bei ihren in Berlin gefertigten Motorrädern einen Kardanantrieb bieten... und weil eine Kette doch "Käse ist"... und weil doch "die Japsen"... - und weil doch auch die Frauen meinen, dass eine BMW... - Wenn nicht eine Harley dann - eine BMW. - Frauen sagen entweder: "Mein Mann fährt Motorrad", was dann schon die Abneigung gegenüber dem gefahrenen Fabrikat spüren lässt, oder sie sagen, "Mein Mann fährt Harley." - Diese Klassifizierung gibt es dann nur noch bei "Mein Mann fährt BMW." - Denn sowohl Harley als auch BMW nehmen - nicht nur bei Frauen, sondern auch beim "gemeinen" Motorradfahrer - einen Sonderstatus ein. - Natürlich! - Und darum kann man auch BMW-Motorradfahrer mit Ergänzungen zur Betriebsanleitung abspeisen und dem KBA verdeutlichen... - Aber lesen Sie doch  bitte einfach die nachfolgende Geschichte. Sie ist so typisch für die Firma BMW des Jahres 2010, weil BMW von heute nicht mehr das ist, was BMW einmal war. - Das ist so. - Und liegt am Management. (Dessen Qualitäten sind aber unabhängig von der Höhe der Vergütung.) - Man muss mal die Frage stellen:

BMW-Motorräder: Alles Premium?

10-03-10/06 Es macht nicht immer Sinn, mit dem Anfang zu beginnen. Manchmal dient es dem Verständnis mehr, wenn man in der Gegenwart beginnt, um dann zu einer Rückblende zu finden, im "Damals" zu argumentieren. Würde ich aber die Geschichte so schreiben, wie ich sie erlebt habe, würde man Rückschlüsse auf die "handelnden Personen" ziehen können. Darum werde ich eine Story um die Fakten weben, die (natürlich nicht die Fakten) meiner Phantasie entsprungen ist, die aber gleichzeitig verdeutlicht, was man sich heute als Hersteller alles leisten kann. - Als Hersteller würde man sagen: Was ich alles machen muss, um Verluste und unangenehme Rechtsprozesse zu vermeiden. - Aber beginnen wir mit den Auswirkungen auf den "Verbraucher". - In diesem (erfundenen) Fall mit den Auswirkungen auf einen Motorradfahrer. - Einen BMW-Motorradfahrer.:

Es ist Samstag.  Heinz und Mona gedenken einen kleinen Ausflug in die nächste größere Stadt zu machen. "Wir gehen mal in Ruhe bumnmeln", sagt Heinz, "und dann richtig schön und gemütlich essen." Während sie im Auto unterwegs sind, meint Heinz: "Ach ja - und weil wir ja praktisch dran vorbei kommen, könnte ich eben bei meinem BMW-Händler vorbeispringen und einen kleinen Halter für einen Handprotektor kaufen, der mir - als ich vorige Tage die Maschine für die erste Frühjahrsausfahrt fertig machen wollte - leider kaputt gegangen ist." - Auf Monas fragenden Blick fügt er hinzu: "Du, mir ist das Motorrad umgefallen. Aber es ist wirklich nur der Halter gebrochen. Eine Kleinigkeit."

Eine halbe Stunde später halten Sie vor dem BMW-Kundendienstbetrieb. Alles BMW-like, alles blinkt. Vor dem Eingang zum Ersatzteillager ist sogar ein Parkplatz frei. "Bin gleich wieder da", sagt Heinz und verschwindet hinter der Tür.

Nach zehn Minuten ist Heinz zurück, setzt sich tief atmend ins Auto, zieht die Tür zu und sagt: "Scheiße. - Den Halter gibt es nicht mehr. Nun muss ich neue Handprotektoren kaufen und die passenden Halter dazu. Der Spaß kostet nun 110 Euro." - Und nach einer kleinen Pause: "Müssen wir eigentlich Essen gehen? - Könnten wir nicht auch zu Hause..." - Mona unterbricht ihn: "Nein. Jetzt habe ich mich auf das Essen gefreut - und auch den kleinen Bummel. Und du machst nun mal wieder mit deinem Motorrad alles kaputt." - Schweigen.

Bevor Heinz den Wagen starten kann, sagt Mona: "Meinst du nicht, dass ich es noch einmal versuchen sollte?" - Heinz lächelnd: "Meinst du vielleicht, dass du als Frau beim Ersatzteilkauf mehr erreichen kannst als ich? - Du wirst doch garnicht ernst genommen."

Mona schweigt ein wenig verärgert und steigt dann kurz entschlossen aus. Sie geht im Kundendienstbereich an die Ersatzteillager-Theke, wo es eine Klingel gibt, wie man sie auch an Hotel-Rezeptionen findet. - Niemand da? - Mona klingelt. Und aus den Tiefen des Ersatzteillagers kommt ein Mitarbeiter des BMW-Betriebs im blauen Kittel. - "Bitte sehr?" - Mona: "Meinem Mann ist das Motorrad beim Putzen umgefallen" - und mit einem Schulterzucken "Männer eben!" - Der Lagermann guckt fragend und Mona ergänzt: "Da ist ihm dann der Halter von dem Handprotektor kaputt gegangen. Jetzt braucht der einen neuen. - Haben Sie den vorrätig?"

Der Mann hinter der Theke lächelt: "Ich denke schon. Aber es kommt darauf an, was Ihr Mann für eine BMW fährt. Noch ein älteres Modell? - Und welches?" - Mona sagt: "Ich kenn' mich da nicht so aus. Das ist so ein Gelände-Ding." - Der Ersatzteil-Fachverkäufer: "Vielleicht eine HP2?" - Mona: "Kann sein. Haben Sie denn dafür einen Halter?" - "Natürlich", sagt der freundliche BMW-Mitarbeiter, geht nach hinten und ist Minuten später mit dem Halter wieder da. - Er hält ihn Mona vor's Gesicht und fragt: "Könnte der das sein?" - Mona strahlt: "Ich glaube, genauso sieht der aus." - Der BMW-Mann nickt zufrieden, schreibt einen Kassenzettel und sagt: "Fünffünfzig, bitte".
 
Mona schluckt, zahlt - und stürmt ins Auto. "Fahr los", strahlt sie Heinz an. "Wir können Essen gehen!"

Eine schöne Geschichte. - Wenn man sie so liest. Man könnte sie auch anders schreiben. Aber dann müsste man im Jahr 2008 beginnen, wo z.B. das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg zum ersten Mal über einen Verkehrsunfall informiert wurde, der als so genannter "Fulda-Fall" dann Eingang in einen Ordner fand, der inzwischen stark, sehr stark angewachsen ist. Nicht nur beim Kraftfahrt-Bundesamt, sondern auch bei BMW.

Das Unfall-Motorrad war nämlich eine BMW R 1200 GS. Für das KBA (Abkürzung für Kraftfahrt-Bundesamt) stellt sich der (Un-)Fall - und der Anlass dazu - so dar:

"Unsachgemäßer Gebrauch, wie Verzurren, Anstoßen gegen Hindernisse beim Rangieren und Parken oder auch das Umfallen des Motorrades können dazu geführt haben, dass einer oder beide Handprotektoren an der Lenkerarmatur verdrehen und dadurch der Handbrems- oder Kupplungshebel leicht betätigt wird. In ungünstigen Fällen können Funktionsstörungen an der Bremse oder Kupplung auftreten."

Nun ist mir das alles nicht neu. Ich habe im Jahre 2008 in unterschiedlichen Geschichten über eigentlich unverständliche Reaktionen von BMW berichtet. Diese Geschichten sind auch heute noch auf diesen Seiten nachzulesen:

"BMW und seine 'TA's'", vom 13. April 2008
"BMW ein 'Papiertiger'?", vom 28. Juni 2008
"Traurig machende Zugabe", vom 28. Juni 2008

Da ist natürlich kein Grund, die Geschehnisse um so genannte Handprotektoren im Jahre 2010 zu vergessen. Also habe ich auch mal BMW angeschrieben. Nach angemessener Pause erhalte ich dann  - in diesem Fall am 3. März - folgende Antwort:

"...vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wir haben Ihre E-Mail an den zuständigen Fachsprecher weitergeleitet. Dieser kontaktiert Sie dann direkt zu Ihrem Thema.
Mit freundlichen Grüßen
BMW Group
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit"

Danach war Stille. Nun wird der entsprechende "Fachsprecher" der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der "BMW Group" einen "Fall" Handprotektoren kaum kennen. Denn der ist eigentlich negativ. Für BMW. Also wird es ihn nicht geben. Die BMW-Presseabteilung ist zu einem Multiplikator von Erfolgsmeldungen verkommen. Da es davon immer weniger gibt, vermeldet man eben Ereignisse wie die Reden von Vorständen, Sponsorunerstützungen von kulturellen Veranstaltungen und ähnliches.  Man wird versuchen die Anfrage zum Thema Handprotektoren auszusitzen. - Schließlich hat die BMW-Motorradabteilung das bis heute auch getan.

Man hat natürlich in der Serie einen neuen Handprotektor eingeführt. Mit neuen Halterungen. Nun alles verdrehfest. - Aber die "alten" Motorräder, die Modelle R 1200 GS, Typ 0307 und Typ 317, sowie R 1200 GS Adventure, Typ 0382 und Typ 0397, mit den Bremssystemen:
die sind z.T. immer noch mit den alten Handprotektoren unterwegs, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen (s.o.) verdrehen können.

Das KBA stellt dazu aktuell - jetzt im Jahre 2010 - fest:

"Die Bremssysteme mit I-ABS 2 (Conti Teves) oder ohne ABS geben dem Fahrzeugführer keine Warnung mittels optischer oder akustischer Warnsignale, wenn durch einen verdrehten Handprotektor der Handbremshebel leicht betätigt wird. Im Falle des I-ABS 2 kommt es nicht zum Blockieren des Vorderrades, sondern zu einer 'geregelten Vollbremsung'. Bei Fahrzeugen mit I-ABS 1 (FTE) ist es durch den Systemselbstcheck möglich, dass der 'Fehler' beim Bremssystem mittels Warnleuchte angezeigt wird und vom Fahrer wahrgenommen werden kann. Ist die Wahrnehmung nicht gegeben, kann es genauso zum Blockieren des Vorderrades kommen wie bei dem Bremssystem ohne ABS-Ausstattung."

Das ist alles wenig beruhigend. Beim KBA hat man das auch erkannt und stellt fest:

"Hinsichtlich der für den Fahrer möglichen Reaktionen auf das vollständige Schließen der Bremse bedarf es keiner Differenzierung zwischen den drei Bremsanlagen, da die plötzliche 'geregelte Vollbremsung' für den Normalfahrer genauso wenig beherrschbar erscheint, wie ein Blockieren des Vorderrades bei Motorrädern ohne ABS."

Das KBA sieht auch eine gewisse Gefahr in den genannten Sachverhalten und beurteilt die so:

"Der herstellerbedingte Mangel stellt eine ernste Gefahr dar und die mit den genannten Protektoren ausgestatteten Motorräder genügen nicht den Anforderungen an die Gesundheit und Sicherheit nach § 4 Geräte- und Produktsicherheitsgesetzt (GPSG). Diese Beurteilung bezieht sich auf die unbeabsichtigte Betätigung des Hebels der Handbremse bei allen drei betroffenen Bremsenausstattungen."

Man muss jedoch berücksichtigen, was vom KBA so formuliert wird:

"Der in Rede stehende Handschutz wurde nicht serienmäßig an allen Maschinen verbaut, war jedoch als Sonderzubehör nachrüstbar, so dass möglicherweise alle im Verkehr befindlichen Maschinen der o.a. Modelle betroffen sein könnten."

Nach Absprache mit dem KBA wurden von BMW folgende Maßnahmen direkt durchgeführt, die auch vom KBA als "ausreichend und geeignet" erachtet wurden. In einer KBA-Darstelung aus 2010 liest sich das so:

"Die BMW AG hat insofern aufgrund der bekannten Vorfälle in einer Ergänzung zur Bedienungsanleitung aufgenommen, dass die Position der Handprotektoren und die möglichen Folgen einer Verdrehung regelmäßig zu überprüfen sind. Des Weiteren wird der Ergänzung der Bedienungsanleitung ein Aufkleber beigelegt, der auf die Freigängigkeit des Handbrems- und Kupplungshebels hinweist und nach Anleitung im Handschutz zu verkleben ist."

Natürlich betrifft das "nur" die "alten" BMW-Motorräder. Bei den seit diesen Vorfällen in Serie hergestellten Neumaschinen wurde ein neuer, aufwändig gestalteter Handprotektor verbaut, der auch andere Halter aufweist. Dieser Handprotektor kann sich nicht mehr verdrehen. Damit kann nicht mehr passieren, was bei "alten" Modellen (wie oben dargestellt) noch aktuell immer der Fall sein kann. Aber auch hier möchte sich BMW durch eine entsprechende Gestaltung des Ersatzteilkatalogs keine Vorwürfe machen lassen: Für die "alten" Modelle gibt es keine "alten" Teile mehr. Wenn also eine "alte Maschine" (wie oben beschrieben) verunfallt, umfällt, dessen Handprotektoren beschädigt werden, dann muss man die neuen Teile verbauen. Mit neuen Haltern. Und das kostet nun mal - wie in meiner erfundenen Geschichte dargestellt - wirklich 110 Euro ohne Montage. Die alten Halterungen  sind lt. Katalog für die alten GS-Modelle nicht mehr lieferbar.

Nun wird aber an der HP2 ein anderer Handschutz (den BMW Handprotektor nennt) verbaut. Der ist das "Ende offen". Dafür gibt es auch den passenden Halter, exakt den, der jetzt an den alten GS-Modellen "verboten" ist. Wenn man also als Fahrer einer alten GS... - Na ja, ich habe die Möglichkeiten ja in meiner Eingangsgeschichte beschrieben. Wer also dem BMW-Ersatzteilmann sagt, dass er einen Halter für die HP2 braucht, bekommt so den alten Halter für das alte GS-Modell. Wenn man aber sagt, dass man einen Halter für die alte GS benötigt, dann wird einem der BMW-Fachmann erklären (müssen!), dass es den nicht mehr gibt.

Aber wer weiß das schon? - Nur BMW-Mitarbeiter und die Leser von Motor-KRITIK. - Auch die Mitarbeiter des KBA sind ahnungslos. Immerhin ist man dort (in Flensburg) der Meinung:

"Da trotz dieser vom KBA als ausreichend und geeignet erachteten Maßnahmen ein Restrisiko nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, ist es zwingend, dass die BMW AG im Rahmen der ihr ohnehin obliegenden Produktbeobachtungspflicht einen Verdacht eines möglicherweise von Hndprotektoren verursachten weiteren Schadensereignisses unverzüglich gegenüber dem KBA zu melden hat."

Wie ernst die BMW AG - Entschuldigung, natürlich muss es "BMW Group" heißen - diese Verpflichtung im Falle der Handprojektoren nimmt, kann man z.B. auch dem zeitlichen Verzug schließen, mit dem die "Group" dann ihre "Groupies" die Anfrage eine Journalisten beantworten lässt: Bis zu diesem Moment, da denn - am 10. März 2010 - diese Geschichte auf meinen Internetseiten veröffentlich wird, hat sich kein "Fachsprecher" bei mir gemeldet.

Man versucht wohl, "den Ball flach zu halten", wenn es um ein kritisches Thema wie Handprotektoren an BMW-Motorrädern geht. - Aber vielleicht gibt es in der BMW Group auch keinen wirklichen "Fachsprecher" mehr.

Darum lassen Sie mich mit der Pointe enden, die oben in meiner "erfundenen" Eingangsgeschichte noch fehlt:

Heinz fährt eine alte R 1200 GS. Gut, dass Mona eine HP 2 nicht von der GS unterscheiden kann. So kann man zusammen Essen gehen. Für 104,50 Euro einschließlich Getränke - wenn es denn sein muss.

Und Heinz muss so auch nicht auf eine "geregelte Vollbremsung" verzichten. - Eventuell! - Aber ein bißchen Risiko ist schließlich überall.
MK/Wilhelm Hahne

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