10-12-15/01
- Ganz
unter dem Zeichen der 30-jährigen „Erfolgsgeschichte“ des
Audi-Allradantriebs steht die „auto motor und sport“-Ausgabe 20/2010.
Für den Aufpreis von einem Euro ist sogar eine Sonderausgabe mit Audi Quattro Werbe-CD erhältlich.
"Aufpreis"-Beipack-CD zur "ams"-Ausgabe Nr. 20/2010 Bereits
auf Seite drei beginnen die Lobeshymnen. „Die phantastischen Vier“ - so
schwärmerisch betitelt
Chefredakteur Bernd Ostmann seinen Leitartikel. Wobei die “Vier“
doppelt fett hervorgehoben sind, damit auch wirklich jeder auf den
ersten Blick sieht, was Sache ist. Im Text selbst sind in
konzentrierter Form all die Meinungen und Klischees über den
Allradantrieb enthalten,
die diesem zu seinem Mythos verholfen haben. Und nicht nur das. Mit dem
Mythos Allrad untrennbar verbunden ist natürlich die lebende Legende
Ferdinand Piech, um dessen Verdienste um die Marke Audi und VW sich
ebensolche Mythen und Märchen ranken wie um den Allradantrieb.
Bernd
Ostmann hat mit seinen Lesern leichtes Spiel. Selbst wenn sie die Zeit,
in der die entscheidenden Weichen gestellt wurden noch persönlich
miterlebten, gerät vieles über einen langen Zeitraum von 30 Jahren
wieder in Vergessenheit. Außerdem ist den meisten Menschen der
Blick hinter die Kulissen verwehrt. Sie beziehen ihre Informationen aus
den Medien, die aber im Falle von wichtigen Werbeträgern alles andere
als unvoreingenommen berichten. - Leider. - Höchste Zeit, die
Allrad-Historie einmal von allen Seiten zu beleuchten und mit einigen
Irrtümern, Märchen und Legenden aufzuräumen. - Wenden wir uns einmal mit nüchternem Blick dem Thema Allrad zu:
Die Allradstückzahlen Das Säulendiagramm auf Seite drei von „ams“ zeigt höchst eindrucksvoll die weltweiten Stückzahlen des Allradantriebs.

Allein
Toyota baut jährlich über 1 Million von dieser Sorte. Allerdings
vermittelt das Bild nur die halbe, ein Stückchen der Wahrheit. Man kann eben eine Aussage
auch manipulieren, ohne falsche Zahlen zu verwenden. - Damit wäre dann
eine Absicht verbunden. Man kann solche "Zweckstatistiken" auch einfach
nur verwenden, weil es sie gibt. - Weil man es selbst nicht besser weiß
oder beurteilen kann?
•
So sind die Audi Stückzahlen doppelt angesetzt. Einmal als Bestandteil
des VW-Konzerns und zusätzlich als eigene Audi-Säule. (Aber wer merkt das
schon?)
• Die Stückzahlen von 2010 sind geschätzt. Sie wurden nur
deshalb verwendet, weil die Zahlen von 2009 deutlich schlechter
aussehen. (Schätzungen, auch Fehleinschätzungen, kann man nicht übel nehmen.)
• Die Prognosewerte von 2015 sind reine Spekulation. Sie sollen offensichtlich den Vorzeige-Erfolgstrend untermauern. (Große Zahlen, bzw. "hohe Säulen" überzeugen immer.)
•
Um das Bild von dieser „Zweckgrafik“ abzurunden fehlt der Vergleich mit
den Stückzahlen einer vollständigen Jahresproduktion aller Fahrzeuge - aller Firmen. (Insgesamt also eine "schwache" Grafik.)
Das
folgende Diagramm ist von diesen - nennen wir es mal - tendenziösen Kunstgriffen bereinigt
und spiegelt den wahren Sachverhalt in der Allradszene genauer wieder, relativiert die obigen Angaben.

Um
den vermeintlichen Allradboom richtig einschätzen zu können, muss man
den Trend über mehrere Jahre beobachten und analysieren. Man muss auch Dinge im Zusammenhang betrachten. Dann stellt
man fest, dass der Anstieg der letzten Jahre in erster Linie auf den
steigenden Anteil von SUVs zurückzuführen ist. Bei den Limousinen
verlagert sich gerade der Allrad-Schwerpunkt in Richtung Luxusklasse,
bei sinkenden Stückzahlen insgesamt. Bei den SUVs geht der Trend in die
Gegenrichtung, nämlich zu kleineren Fahrzeugmodellen, von denen viele
auch (also parallel) mit dem sich steigender Beliebtheit erfreuenden
Einachsantrieb angeboten werden. Alles in allem keine rosigen
Zukunftsaussichten für vier angetriebene Räder, kein Hoffnungsschimmer am Markt-Horizont.
Die Vorgeschichte „ams“
lässt die Audi quattro Geschichte vor dreißig Jahren beginnen. Diese
Zahl markiert aber lediglich den Produktionsstart des Audi Quattro mit
Fünfzylindermotor und 200 PS. Die eigentliche Geschichte
beginnt aus fachlicher Sicht aber schon wesentlich früher, nämlich mit der Entscheidung, den Audi
100 C1 von 1968 mit Frontantrieb zu bauen. Und zwar mit einem vor der
Vorderachse längs eingebauten Motor. An dieser folgenschweren
Entscheidung war Ferdinand Piech (noch) nicht beteiligt.
Piech
zeichnete erst für die dritte Generation Audi 100 C3 ab 1982 allein
verantwortlich. Piech war seit 1975 Entwicklungsvorstand. Ihm verdankt
Audi die entscheidende Weichenstellung, in der automobilen Oberklasse
weiterhin auf den Frontantrieb zu setzen. Wie sich herausstellen
sollte, eine ziemlich weitreichende Fehlentscheidung. Zu diesem Schritt
ermutigte ihn sicherlich der Erfolg der frontgetriebenen Audi 50 und
80, sowie der VW-Modelle Polo, Golf und Passat. Ein weiterer Grund ist
in der Fortführung des Markenmerkmals Frontantrieb bei den
Horch-Modellen zu sehen, deren Erbe die Marke Audi schon durch die
Namensgebung dokumentiert.
Audi 100 C3 von 1982 mit dem
(damaligen) Weltrekord cW-Wert von 0,30. Länge läuft war das
entsprechende Schlagwort. Gut zu erkennen der große Überhang vorne. Aber
diese Entscheidung, übrigens gegen nicht unbeträchtliche Audi-interne
Widerstände, sollte Konsequenzen für Audi bis in die heutige Zeit
hinein haben. Die meisten „revolutionären“ Entwicklungen die
danach kamen, waren im Prinzip lediglich Verzweiflungsschritte, um die
Nachteile des so umgesetzten Frontantriebs wenigstens einigermaßen zu
kompensieren. Mit einer an Besessenheit grenzenden Sturheit gelang es
Piech, aufwändigste Maßnahmen zu entwickeln und in Serie zu bringen die
allesamt nur ein Ziel hatten, das Frontantriebskonzept zu
rechtfertigen. Er schaffte es, nicht nur die Zweifler zum Schweigen zu
bringen, sondern der Öffentlichkeit diese Hilfsmaßnahmen auch noch als
technischen Fortschritt zu verkaufen. (Auch BMW scheint von Piech
inzwischen überzeugt worden zu sein: Es gibt nun
Frontantriebs-Denkansätze - und etwas mehr - bei BMW!)
Um unliebsame Kritik aus
den eigenen Reihen zu unterbinden, bediente sich Piech schon damals
nicht immer der feinsten Methoden. Bekanntermaßen hat sich daran nichts
geändert. Sein hartes Regiment im Stile eines Alleinherrschers führt
Martin Winterkorn – im Auftrag seines Herrn - kongenial fort.
So
kann man aus dem Audi-Lager vernehmen, dass der Begriff
„Standardantrieb“ nach wie vor auf dem Index steht, und als Audi
Mitarbeiter tut man gut daran, ihn nicht zu verwenden.
Die Entscheidung für Allrad Um
die Entstehungsgeschichte des Allradantriebs ranken sich gleich mehrere
Anekdoten. Eine davon handelt von einer Vergleichsfahrt auf
winterlicher Fahrbahn, bei der ein VW Iltis – ein für die „Wehrmacht“
entwickelter Geländewagen - alle Fronttriebler nach Belieben versägte.
VW Iltis, der Urvater des Audi Allradantriebs Bei einer anderen Gelegenheit demonstrierte Piech die Überlegenheit des Frontantriebs gegenüber dem
Heckantrieb und gleichzeitig die des Allradantriebs gegenüber diesen
beiden Antriebssystemen bei dem Versuch, einen bewässerten
Grashügel zu erklimmen. Mit letzterem schlug er die zwei Fliegen
Frontantrieb und Allrad mit einer Klappe. Sehr geschickt, kann man da
nur sagen. Aber auch sehr gefährlich. - Übrigens wurde zur einer anderen
Zeit (als heute) die Version verkündet, dass eine Audi-Entwicklergruppe so
Ferdinand Piech von dem Allradprinzip überzeugt habe. - Das passte
vielleicht „damals“ auch besser.
Ganz
entscheidend sind bei
diesem Test das Fabrikat des Hecktrieblers, die Bereifung, die Beladung
und damit die Gewichtsverteilung. Sicherlich ist ein Opel B Kadett oder
ein BMW 2002 den Fronttrieblern an Traktion unterlegen, aber bei
Beladung bergauf sieht die Sache schon ganz anders aus. Dann nämlich
kehren sich die Achslasten um und die „Heckschleuder“ wird zum
Traktionswunder, während der Frontantrieb hilflos mit den Vorderrädern
scharrt. Ich erinnere mich, dass ich mit einem vollbeladenen DKW
3=6-Kombi einen Teil des Wurzenpasses rückwärtsfahrend erklimmen
musste. Vorwärts ging nichts mehr. (max. Steigung 18 Prozent und dazu
damals z.T. eine unbefestigte Straße.)
Traktion Frontantrieb bei Beladung problematisch Achslastverteilung Audi A8:
60% leer 40%
45% beladen 55% Achslastverteilung BMW 5er:
50% leer 50%

40% beladen 60% Fahrer
eines B-Kadett oder BMW 2002 wissen es. Der berühmte Sack Zement im
Kofferraum (es können in ländlichen Gegenden auch Kartoffeln sein)
wirkt wahre Wunder und ein damit „ausgerüsteter“ Opel Kadett bereitet
auf Schnee und Eis sogar mit 45 PS unglaublichen Fahrspaß. Aber ist es
wirklich so enorm wichtig, dass man auf Schnee und Eis möglichst
schnell unterwegs sein kann? Wie oft kommt man als Normalfahrer in die
Verlegenheit, einen feuchten Grashügel erklimmen zu müssen? (Für
junge Leser: Opel baute den Kadett "damals" tatsächlich zunächst als
Hecktriebler!)
Unter
heutigen Bedingungen würde ein ähnlicher Test keinen Sinn mehr machen.
Zur Ehrenrettung von
Audi muss man nämlich zugeben, dass die Winterreifen damals nur den
Namen mit ihren heutigen Gegenstücken gemein hatten, jedoch bei weitem
nicht die heute messbare Traktion. Die Reifenentwicklung kann in den
letzten dreißig Jahren enorme Fortschritte vorweisen was die Traktion
anbetrifft, und zwar auf allen denkbaren Reibwerten. Ein weiterer
Schritt zu mehr Traktion
ist die bei gut ausgelegten Hecktrieblern angestrebte
Achslastverteilung von 50 zu 50 Prozent bei leerem Fahrzeug. Und nicht
zu vergessen, die Antriebsschlupfregelung, die ähnlich wie eine
Differentialsperre das Durchdrehen eines Antriebsrades auf glattem
Boden verhindert. (Unter ungünstigen Voraussetzunge übrigens auch so
lange, bis ein
Fahrzeug zu einem
Stehzeug wird.)
Da fällt es
zunehmend schwerer, die Mehrkosten, das Mehrgewicht und den
Mehrverbrauch eines Allradantriebs zu argumentieren. Die Anfahrten zu
den Skigebieten sind bestens geräumt, darauf
achten schon die Wintersportorte. Und was ist mit den kilometerlangen
Staus, die sofort entstehen, wenn auch nur ein paar Schneeflocken
fallen? Peinlicherweise steht der Allradler dann genauso hilflos in der
Schlange wie jeder andere. Auf der Autobahn sind die Stau-Verursacher
fast ausschließlich querstehende LkW. Auf den übrigen Straßen bilden
Auffahrunfälle den Schwerpunkt, die aber auch kein noch so perfekter
Allradantrieb verhindern kann.
Der Erfolg von Audi Presse
und Medien sind sich einig: Ferdinand Piech hat die Marke Audi zum
Erfolg geführt. In der Tat ist Audi über die Jahre kontinuierlich
gewachsen. Vergleicht man aber Audi mit dem schärfsten Konkurrenten,
nämlich BMW, so hat Audi das Nachsehen. Waren in den 70er Jahren die
beiden Marken noch in etwa gleichauf was Größe und Image anbetrifft, so
hat Audi in der Folge mehr und mehr an Boden verloren. Erst in jüngster
Zeit konnte die Marke wieder aufholen, allerdings unter massiver
Verwendung von Gleichteilen aus dem VW-Konzern, dem Audi seit den 70er
Jahren angehört.
Hingegen hat BMW es geschafft, über all die
Jahre selbstständig zu bleiben, obwohl schon oft eine Übernahme
prophezeit wurde. Wesentlichstes Element des Erfolges ist eine geniale
Modellpolitik, der Audi lange Zeit nicht Paroli bieten konnte.
Ausschlaggebend für die Performance der Marke BMW war die konsequente
Anwendung des Standardantriebs. Er ermöglichte all die attraktiven
Modelle und Eigenschaften, die dem Frontantrieb verwehrt blieben,
insbesondere dem Piech`schen Konzept mit dem Motor längs vor der
Vorderachse.
Die Modellpolitik In dem Bestreben, die
Modellpalette nach oben, über den Audi 100 hinaus zu erweitern, wurde
der Audi 200 kreiert. Von Anfang an haftete dem aber der Makel an,
lediglich ein modifizierter Audi 100 zu sein. Also kein echtes
Oberklassefahrzeug, sondern eine „verkleidete“ Mittelklasse-Limousine.
Da halfen auch kein Turbolader und keine Vierventiltechnik mit einer
Motorleistung von maximal 220 PS, um BMW 5er und 7er auch nur
ansatzweise Paroli bieten zu können. Im Gegenteil. Mit diesem
Pseudo-Premiumfahrzeug wurde das Image von Audi als
Mittelklasse-Hersteller für eine sportlich weniger ambitionierte
Käuferschicht zementiert.
Audi 200 quattro 20V (1989–1991) Um
die vorhandene Leistung wirklich auf die Straße bringen zu können,
musste der Audi 200 Allradantrieb bekommen. Von dieser Zeit an war
Allrad ein typisches Merkmal aller Audi-Modelle mit mehr als 150 PS.
Die
Hauptkonkurrenten auf der BMW Seite waren Fünfer und Siebener. Claus
Luthe, der schon an der Design Ikone NSU Ro 80 maßgeblich beteiligt war,
gelang es, mit BMW E32, E34 und E36 eine Modellfamilie auf die Beine zu
stellen, die weltweit ohne Beispiel war. Stimmige Proportionen, ein
elegantes und trotzdem stattliches Auftreten, und natürlich nicht zu
vergessen die überragenden Motoren (von Alex von Falkenhausen) - so
wurde BMW zur Premium-Marke, der Audi seitdem nacheifert.
BMW
E32 von 1986. Die Motorenpalette reichte vom Dreiliter-Sechszylinder
bis zum Fünfliter-Zwölfzylinder. Da hatte Audi nichts entgegenzusetzen.
BMW E34 M5 von 1988. Hubraum 3,5 Liter, Leistung 315 PS. Auch hier hatte Audi keine passende Antwort verfügbar. Audi bemühte sich in Folge heftig, das „Hosenträgerimage“ wieder los zu werden. Sie engagierten sich
im Motorsport und brachten zu den einzelnen Modellen jeweils sportliche
Ableger auf den Markt. Trotzdem dauerte es unverhältnismäßig lange, bis
sich der Audi A8 als gleichwertiger Konkurrent zu Mercedes S-Klasse und
BMW Siebener etablierte. Wirklich gelungen ist es erst mit der zweiten
Generation ab 2002. - Und weil BMW Fehler machte.
Sportlicher Ableger des A8 ist der S8 ab 2006; V10-Motor mit 450 PS Eines
kann man jedoch an der Vorgehensweise von Herrn Piech lernen. Wenn es
darum geht, bestimmte Interessen durchzusetzen, entwickeln Ingenieure
ein kreatives Potential, das sie bei der Fahrzeugentwicklung schon mal
gerne vermissen lassen. Nichts ist leichter als durch geschickte
Auswahl der Testobjekte und der Umgebung sowie durch entsprechendes
Präparieren das Testergebnis in die richtige Richtung zu lenken. (Wenn es
der jeweilige „Lenker“ für richtig hält.) Ferdinand Piech beherrschte
diese Methode in seiner Zeit bei Audi wie kein Zweiter.
Die Motoren Was
könnte die Situation von Audi im Duell mit BMW treffsicherer
beschreiben als die Fabel vom Hasen und Igel? Wobei Audi die Rolle des
Hasen und BMW die Igelrolle zukommt. Was immer Audi in der
Vergangenheit auch unternahm, BMW war schon da. Sechs-, Acht- und
Zwölfzylindermotoren - bei BMW keine Exotik sondern Alltag. Da konnte
Audi sich noch so sehr anstrengen, der Frontantrieb vereitelte lange
Zeit ein adäquates Motorenprogramm.
Ein längs vor der
Vorderachse eingebauter Motor mit Frontantrieb vereinigt eben die
Nachteile von Frontantrieb und Standardantrieb. Vom Frontantrieb erbt
er die hohe Vorderachslast und die Antriebseinflüsse auf die gelenkten
Räder. Der Heckantrieb steuert den Nachteil der notwendigen Umlenkung
des Kraftflusses auf die Antriebsräder mittels Kegelraddifferential und
dem damit verbundenen Reibungsverlust bei.
VW setzte bei Golf und Passat den Motor quer unter die Haube. Das entlastet die Vorderachse und
nutzt die geringere Reibung des Stirnraddifferentials. Allerdings
unterliegt der Quereinbau noch größeren Restriktionen was die
Motorgröße anbetrifft als der Längseinbau, und war deshalb für Audi in
den Topmodellen keine Option.
Der Fünfzylinder Bei
Fahrzeugen mit Frontantrieb kommt es darauf an, den Motor so kurz wie
möglich zu konstruieren, egal ob Quer-oder Längseinbau. Eigentlich
bilden Vierzylindermotoren die sinnvolle Obergrenze dieser
Fronatantreibs-Konzepte. Audi bzw. Piech wollte aber im Modellangebot
BMW nicht nachstehen. Der versuchsweise Einbau eines
Sechszylinder-Reihenmotors in einen Audi endete in einem Desaster. Das
Auto war schlichtweg unfahrbar. (Ich habe die ersten Fahrversuche –
auch hier am Nürburgring beobachten können.) So
kam es zur Entwicklung des Fünfzylindermotors, der entsprechend kürzer
baute und deshalb die Vorderachse nicht ganz so stark belastete.
Fünfzylinder Reihenmotor von Audi Die
von Audi propagierte Formel 5 = 6 ging aber nicht auf. Im Hinblick auf
die Laufruhe konnte das Audi Produkt mit den seidenweich und
turbinenartig laufenden BMW-Reihensechszylindermotoren nicht
konkurrieren. Auch in der Leistung war der Abstand riesengroß.
Einbauraumseitig auf zwei Liter Hubraum limitiert war Audi gezwungen,
den Fünfzylinder mit einem Turbolader auf 200 PS aufzupäppeln. Gegen
die BMW Aggregate des 535i mit 3,5 Liter Hubraum und 185 PS sowie gegen
das M5-Aggregat mit 286 PS hatten sie dennoch keine Chance.
Später perfektionierte BMW das Sechszylinder Prinzip mit dem Motor des M3. Auch dagegen hatte
Audi anfangs kein Rezept. Erst später, als das Audi Pendant zur
BMW-M-Technik ins Laufen kam, gelang es, durch Turboaufladung
leistungsmäßig zu BMW aufzuschließen.
BMW Sechszylinder Saugmotor des M3; 3,2 Liter Hubraum, 321 PS bei 7400 U/min Dazu noch eine kleine Anmerkung: Die maximale
Motorleistung in PS (oder kW) ist nur eine Seite der Medallie, wichtig ist die
Drehmomentkurve, die auch etwas über die Alltags-Fahrbahrkeit des mit
dem jeweiligen Motor ausgestatteten Fahrzeugs aussagt.
Der VR-6 von Audi/VWBevor
man sich einem weiteren „Höhepunkt“ im VW-Audi-Motorprogramm widmet,
dem W12-Motor, ist vorher ein Blick auf das VR-Prinzip angebracht. 1992
setzte VW im Golf III einen VR6 benannten Motor ein. Dieser Zwitter aus
Reihen-und V-Motor hatte bei sechs Zylindern einen Hubraum von 2,8
Litern und eine Leistung von 174 PS. Durch die verschachtelte Bauweise
baut er nicht länger als ein Vierzylinder-Reihenmotor.
Prinzip des VR-6 Motors Traurige
Berühmtheit erlangte dieser Motor wegen der großen thermischen
Probleme, die trotz mehrfacher Überarbeitungen nie vollständig
beseitigt werden konnten. Der Motor war nicht unbedingt vollgasfest.
Außerdem war der Golf mit diesem Motor das Paradebeispiel für ein
Fahrverhalten mit zu hoher Vorderachslast. Der Golf GTI mit
aufgeladenem Vierzylindermotor war dem Golf VR6 in allen Belangen
überlegen - in den Fahrleistungen, der Straßenlage und im Verbrauch.
(Wobei der Verbrauch in der Warmnlaufphase, der von der so genannten
Fachpresse selten gemessen wird, geradezu sensationell hoch war.)
In Summe war der VR6 Motor eine Fehlentwicklung, die jedem anderen
Unternehmen schwer geschadet und dem Entwicklungschef den Kopf gekostet
hätte.
Die W-Motoren Was könnte kürzer sein als ein Sternmotor? Diese Überlegung war vermutlich die Geburtsstunde der sogenannten W-Motoren.
BMW-Sternmotor der JU 52 Echte
W-Motoren haben drei Zylinderbänke, die auf eine gemeinsame Kurbelwelle
arbeiten. Bei VW und Audi handelt es sich aber um einen Doppel-VR-Motor
mit zwei in V-Form auf eine gemeinsame Kurbelwelle wirkenden
VR-Zylinderbänken, also eigentlich ein Vierfach-V-Motor. Da fehlt nicht
mehr viel zu einem vollständigen Stern. Sie wurden von Piech
favorisiert, der die Entwicklung auch auf den Prüfständen in Wolfsburg durch
persönliche Besuche – und Ratschläge – begleitete.
Das
Ergebnis der Koppelung von zwei VR6-Motoren ist der W12-Motor, der in
VW-Touareg, VW-Phaeton, Audi-A8 und Bentley zum Einsatz kommt.
W-12 Motor mit 6 Liter Hubraum und 450 PS Dieser Motor übernahm sämtliche unangenehmen Eigenschaften des VR-Prinzips, insbesondere den
bescheidenen thermischen Wirkungsgrad, der sich in einem nicht mehr
zeitgemäßen Verbrauch niederschlägt. Nur die Machtfülle und der Wille
eines Ferdinand Piech konnte das Projekt bis zum Serieneinsatz
durchboxen. Diese geradezu krampfhaften Bemühungen, das Audi-Konzept in
der automobilen Oberklasse zu etablieren, wären in keinem anderen
Unternehmen möglich gewesen.
Damit war aber Zylinderfetischist
Piech mit seinem Latein noch lange nicht am Ende. Den vorläufigen
Höhepunkt des (nennen wir es) „Motorenwahns“ markiert der Bugatti
W16-Motor, bei dem zwei VR8-Motoren V-förmig zu einem 16-Zylinder
Aggregat vereinigt sind. Ganze Geschwader von Ingenieuren versuchten
jahrelang verzweifelt, die Thermik in den Griff zu kriegen -was ihnen
aber bis heute noch nicht vollständig gelungen ist. (Ich habe „damals“
von meinen Eindrücken aus dem Versuchsbetrieb am Nürburgring
entsprechend berichtet.)
Aber das Thema Bugatti ist eine
eigene Seite im Buch der Piechschen „Heldentaten“. Ettore Bugatti dreht
sich vermutlich im Grabe um, ebenso wie Walter Owen Bentley und
Ferruccio Lamborghini wenn sie sehen würden, wozu Ferdinand Piech ihre
Namen aktuell missbraucht.
W16 Motor des Bugatti Veyron mit vier Turboladern. Später verbesserte Audi seine Situation mit echten V-Motoren in V6-, V8-und V10-Ausführung.
Das Fahrverhalten Frontantrieb
untersteuert, Heckantrieb übersteuert. So jedenfalls lautete die Formel
bis in die 90er Jahre. Die extremsten Vertreter der jeweiligen Zunft
waren Audi und Porsche. Bei Porsche sitzt der Motor hinter der
angetriebenen Hinterachse und beschert dem Fahrzeug eine Hinterachslast
von 65 Prozent. Die Folge ist ein problematisches Fahrverhalten vor
allem im Grenzbereich. Daher stammt der Begriff „Heckschleuder“. Nicht
selten wurden ungeübte Porsche-Fahrer beim Versuch des Powerslides von
ihrem eigenen Heck überholt. Das passierte z.B. schon gerne bei
deutlichen Lastwechseln in einem kleinen Gang in engen Kurven. Ich habe
bei einem Reifen-Testtag in Vallelunga/Italien erlebt, dass ich am Ende
dieses Tages der einzige Journalist war, der sich beim Einbiegen ins
„Infield“ mit einem Porsche nicht gedreht hatte. (Rezept: Ich machte
beim Einbiegen keinen Lastwechsel, sondern fuhr sozusagen „langsam“ in
die Kurve und beschleunigend hinaus.)
Den Vorwurf eine
„Heckschleuder“ zu sein, die konnte man den Audi 100 Modellen nun
wirklich nicht machen. Sie besaßen dank der extrem hohen Vorderachslast
einen stoischen Geradeauslauf und kümmerten sich wenig um Lenkbefehle.
Man musste sie regelrecht in die Kurve zwingen, wobei heftiges Schieben
über die Vorderräder auftrat. Dieses Verhalten ist zwar sicherer als
ihr Gegenteil (bei der Heckschleuder), aber es erstickt jeglichen
Fahrspaß bereits im Keim. Außerdem kann man nach kurzer Zeit das
Wimmern der jeweils heillos überforderten Vorderräder nicht mehr
ertragen.
Dass es auch anders geht bewies ausgerechnet der Konkurrent BMW, dessen Modelle einer ausgewogenen
Gewichtsverteilung schon damals recht nahe kamen. Sie zeigten, dass
Kurvenfreudigkeit und sicheres Fahrverhalten keinen Widerspruch
darstellen müssen.
Da war natürlich im Falle von Audi guter
Rat teuer, im wahrsten Sinne des Wortes. Jetzt schlug nämlich die
Geburtsstunde des Audi Quattro. Ferdinand Piech zauberte scheinbar den
Allradantrieb aus dem Hut. (Seine Techniker waren ihm dabei
behilflich.) Der Trick war, durch die Verteilung der Antriebsmomente
auf beide Achsen die Vorderräder von Arbeit zu entlasten und
gleichzeitig ein ausgewogeneres Fahrverhalten zu bewirken - zumindest
in der Theorie. Mit dem Kunstgriff Allrad versuchte man also mehrere
Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich die übertragbare Leistung
zu erhöhen und ein ausgeglichenes Fahrverhalten zu erzeugen. Das gelang
auch teilweise, auch wenn die erste Generation des Allradantriebs noch
mit erheblichen Problemen zu kämpfen hatte.
Das Hauptproblem der Audi Quattro Philosophie war und ist ausnahmsweise nicht die hohe Vorderachslast,
sondern die niedrige Hinterachslast. Mit Moment beaufschlagt
kann die Hinterachse ihre stabilisierende Funktion nicht mehr
wahrnehmen, und neigt beim Bremsen und bei Lastwechseln in der Kurve
zum blitzartigen Ausbrechen. Audi musste erkennen, dass allein durch
ein simples Antreiben der Hinterräder die typischen Probleme nicht zu
lösen waren. Also musste noch weiter entwickelt und verbessert werden.
Das hatte das Entstehen allerhand aufwändiger mechanischer und
mechatronischer Systeme zur Folge, mit denen die Verteilung der Momente
situationsgerecht auf die vier Räder geregelt werden kann.
Die niedrige Hinterachslast und die damit verbundenen niedrigen Seitenführungskräfte bescherten Audi
auch noch einen weiteren Problemfall: die Unfallserie des Audi TT.
Geringste aerodynamische Seitenkräfte reichten aus, um bei
Ausweichmanövern mit leichtem Bremsen oder Lastwechseln das Heck
blitzartig zum Ausbrechen zu bringen. Für den überraschten Normalfahrer
nicht beherrschbar.
Fahrdynamischer Problemfall Audi TT von 1998 ohne Heckspoiler Die Traktion Die
enorme Traktion des Allradantriebs war eher ein Nebeneffekt, wenn auch
ein höchst willkommener. Auf Schnee, Schotter und nasser Straße konnten
die „normalen“ Front-und Hecktriebler nicht mithalten. In den
Anfangszeiten des Allradantriebs wurde dies so manchem Versuchsfahrer
zum Verhängnis, vor allem bei Testfahrten auf Schnee-und Eisfahrbahnen.
Vier angetriebene Räder suggerieren dem Zweiradantrieb gewohnten Fahrer
einen deutlich besseren Fahrbahnreibwert als tatsächlich vorhanden. Das
böse Erwachen stellte sich spätestens beim Anbremsen der nächsten Kurve
ein, denn beim Bremsen verhält sich eben auch ein Allradler wie ein
ganz gewöhnliches Auto.
Im Falle des Audi Quattro kommt das miserable Handling des kopflastigen Konzeptes erschwerend hinzu.
Das Auto ließ sich nur mit Gewalt um winterliche Kurven zwingen. Sehr
schnell waren die Allradler vor allem für eines bekannt: Wenn sie einen
Abflug machten, dann aber richtig. Sich so tief in die Schneehaufen
reinzubohren, das schaffte kein anderes Auto. Beim Versuch, sich wieder
rauszuwühlen, gruben sie sich erst richtig fest. Abschleppdienste und
Werkstätten hatten Hochkonjunktur.
Ferdinand Piech, immer auf
der Suche nach Argumenten pro Allrad, meinte anfangs noch, sich
Winterreifen sparen zu können. Weit gefehlt. Für ein Allradfahrzeug
sind gute Winterreifen eine Überlebensgarantie. Das hat Audi auch sehr
schnell erkannt und von den Piech-Vorstellungen war später auch nicht
mehr die Rede. Mit den heutigen Traktions-und Regelsystemen und den
wesentlich besseren Reifen sind diese Probleme „Schnee von gestern“.
Wobei
an dieser Stelle vielleicht noch etwas zum Thema Breitreifen gesagt
werden muss: Ich denke dabei nicht nur an das deutlich höhere Gewicht
der (zu) großen Räder und (zu) flachen Reifen, der auch wegen des – ich
nenne es mal - „Bremswegfetischismus“ unserer „Fachpresse“ entstanden
ist. Der K(r)ampf um Zentimeter im Bremsweg und Millisekunden in der
Fahrdynamik führte zur Entwicklung von Super-Breitreifen mit optimalem Grip.
Aber nur auf trockenem Asphalt bei mehr als 20 Grad Celsius. Schon bei
10 Grad verlieren diese Reifen erheblich an Haftvermögen. Bei Null Grad
sind sie bereits aus der Sicht von Fachleuten unfahrbar. Auf Schnee und
Eis sind diese Reifen dann wirklich hochgradig lebensgefährlich. Statt
Winterreifen anzuordnen, gehörten diese Reifen verboten, zumindest von
September bis Mai. - Aber kann man von „Verkehrs-Beamten“ fachgerechte,
sinnvolle Lösungen erwarten? Doch nur „wirtschaftlich sinnvolle“
Lösungen, ausgelöst von den Lobbyisten der entsprechenden
Industriegattung. Die aber oft selbst auch nicht wissen, was sie
eigentlich anstoßen. Weil sie nur das anstoßen, zu dem sie selbst angestoßen
werden. - Aber weiter beim Basisthema dieser Geschichte, Allrad:
Der Rallyesport Wo
ließe sich die überlegene Traktion besser demonstrieren als beim
Rennsport auf (überwiegend) lockerem Untergrund, dem Rallyesport. Gute
Rallyefahrzeuge hatten damals Heckantrieb. Auf Eis, Schnee und Schotter
hatten sie Mühe, ihre Kraft auf den Boden zu bringen. Da halfen auch
noch so viele PS nichts, wenn beim Herausbeschleunigen aus engen Kehren
wertvolle Sekunden verschenkt wurden. Die Audi Quattro spielten den
Hecht im Karpfenteich und waren von Anfang an konkurrenzfähig. Mit
einer Einschränkung: Das galt nur für die oben erwähnten Fahrbahnen
mit niedrigem Reibwert. Auf überwiegend trockenem Asphalt konnten sie
ihren Vorteil nicht ausspielen.

Der Urquattro von 1980 So
konnte Walter Röhrl 1982 mit seinem eigentlich leistungsmäßig
unterlegenen Opel Ascona die Rallye-Weltmeisterschaft gegen heftige
Audi-Konkurrenz gewinnen. In diese Zeit fällt aber auch sein berühmter
Ausspruch mit dem „dressierten Affen“ am Steuer. Er wird leider immer
noch von unbedarften Journalisten zitiert, so auch von Bernd Ostmann,
obwohl er Walter Röhrl lediglich aus Frust über die überlegene Traktion
seiner Hauptkonkurrenten herausrutschte. Gnadenlos, wie die Medien nun
einmal sind, wurde Walter Röhrl sogar Frauenfeindlichkeit unterstellt,
weil einer der beiden Audi Quattro von Michéle Mouton pilotiert wurde,
und zwar sehr erfolgreich. (Ich habe mich „damals“ übrigens zu dem
Thema „dressierter Affe“ mit Walter Röhrl hier im
Nürburgring-Sporthotel - so hieß das „damals“ - unterhalten, weiß um
die Differenz zwischen seiner Meinung und der öffentlichen
Darstellung.)
1983 lief es für Audi nicht viel besser. Die neu entwickelten Lancia 037, perfekte Rennmaschinen mit
einer Leistung von mehr als 300 PS, fuhren den Audis um die Ohren, den
richtigen Untergrund vorausgesetzt. Walter Röhrl wurde mit diesem
Wundertier immerhin Vizeweltmeister, knapp hinter Hannu Mikkola auf
Audi Quattro. Im Nachhinein bezeichnet er das „Monster“ als bestes
Rallyeauto aller Zeiten. Heckmittelmotor längs eingebaut und extremer
Leichtbau waren die erfolgreichen Merkmale dieses Fahrzeugs. Eine
Fahrmaschine pur, die sich spielerisch fahren ließ, und mit der das
Rallyefahren außerordentlich Spaß machte. Für Röhrl ein richtiges
„Spielzeug“.
Lancia 037 Rally, die kompromisslose Fahrmaschine. Heckantrieb, Mittelmotor, Roots-Kompressor, 310 PS, 1000 kg Ganz
anders der Audi Quattro. 1984 stieg Walter Röhrl bei Audi ein, und
lernte die Tücken des Audi Konzepts erst einmal richtig kennen. In
seinem Buch „Aufschrieb“ schildert er das Audi Fahrverhalten
folgendermaßen: „… ich fuhr das erste Mal den Quattro im Wettbewerb,
und ich wäre fast verzweifelt. An jedem Eck ging es geradeaus.“ „Den
Quattro musste ich mit der zehnfachen Lenkarbeit (wie beim Lancia
037) und unheimlicher Brutalität ins Eck zwingen. Das war für mich als
Ästhet ein Spiel mit dem Holzhammer, um Welten uneleganter als mit
meinem Lancia 037.“ Walter Röhrl versäumte es damals nicht, Michéle
Mouton nachträglich seine Hochachtung vor ihrer fahrerischen Leistung
auszusprechen. (Was aktuell nicht verhindern konnte, dass Frau Mouton
bei einer Demonstrationsfahrt beim „Race of Champions“ in Düsseldorf
einen der inzwischen Seltenheitswert besitzenden Audi quattro S1 aufs Dach legte.)
Als ob die Probleme noch
nicht groß genug waren, verkürzte Audi 1984 beim Sport Quattro den
Radstand von 2,52 Meter auf mickrige 2,20 Meter. Walter Röhrl war
geschockt: „Der wird nicht funktionieren.“ Und so war es auch. Die
Verkürzung des Radstandes hatte nur einen Hintergrund, nämlich eine
bessere Gewichtsverteilung. Obwohl sehr schnell klar war, dass sich
Audi mit dieser Strategie auf dem Holzweg befand, wurde das Projekt mit
Gewalt durchgezogen. Anscheinend stammte die Idee von sehr weit oben in
der Hierarchie (unschwer zu erraten von welcher Stelle) und durfte
deshalb nicht in Frage gestellt werden.
Audi Kurz-Quattro von 1984 mit schwierigem Fahrverhalten. Allrad, Frontmotor, Turbolader, 306 PS, 1300 kg Walter
Röhrl: „Der Fünfzylinder-Vierventiler des „Kurzen“ war ein
Leistungshammer - er lag aber
leider am falschen Platz im Auto, nämlich vor der Vorderachse.“ Und
weiter: „Mit dem „Kurzen“ war nichts drin. Der schwere Motor vor der
Vorderachse, der kurze Radstand, die Lenkunwilligkeit, das plötzliche
Übersteuern, der brutale Krafteinsatz des Motors.“ „Mir wurde ganz
anders, als ich den Peugeot 205 sah. Das war ein Rallyeauto! Langer
Radstand, kein Überhang, ein Motor, der untenraus ging wie die Hölle.“
Christian
Geistdörfer schildert die Allianz Röhrl -Audi folgendermaßen: „Dies
(der Umstieg auf Audi) war, so meine ich, für Walter die größte
Herausforderung seiner Karriere. Er meisterte sie mit größter Bravour.“
„Audi als Erfinder und Wegbereiter des Vierradantriebs war technisch
ins Hintertreffen geraten.“ „Walter und ich waren uns einig: Audi hatte
technisch den Anschluss verpasst. Aber Dr. Piech, damals technischer
Vorstand bei Audi, kam nach Griechenland und überredete Walter bei
einem Abendessen zu einem langfristigen Engagement.“ 1987 bedauerte er:
„Sang und klanglos hatte sich der Wegbereiter des Vierradantriebs aus
dem Rallyesport verabschiedet.“
Soviel zum Thema Audi und Allrad. Aus der Not eine Tugend gemacht, die Gunst der Stunde genutzt,
zwei Weltmeisterschaften gewonnen mit dem Allrad-Überraschungseffekt,
und sofort zurückgezogen, als selbst Piech einsehen musste, dass mit
dem unterlegenen Konzept kein Staat mehr zu machen war. Traktion allein
ist eben nicht alles. Erst ein stimmiges Gesamtkonzept macht aus einem
Allradfahrzeug im Rallyesport ein Siegerauto.
Allrad bei der Rallye Dakar Auch
in der Rallye Dakar dominieren Allradfahrzeuge. In erster Linie SUVs,
von den Werken mit horrendem Aufwand vorbereitet. Sie haben mit den
Serienprodukten nicht mehr das Geringste zu tun. Der Zweck heiligt die
Mittel, denn hier geht es ausschließlich um das Prestige der Marke. Die
letzten Jahre war es der von dem Piech-Zögling Martin Winterkorn
geleitete VW-Konzern (!), der immer neue Runden im Rüstungswettkampf
einläutete. Aber auch andere Marken möchten sich gerne allradseitig
profilieren.

Race Touareg für die Rallye Dakar; Gewicht 1,8 Tonnen Zum
Glück für diese Schwerkraftfahrzeuge geht es bei dieser und ähnlichen
Wettfahrten hauptsächlich geradeaus. Es gibt aber dennoch ernsthafte
Konkurrenten, die mit wenig aber geschicktem Einsatz den
Werksfahrzeugen das Leben schwer machen. Es sind die Buggies, die mit
ihrem filigranen Leichtbau den Gegenentwurf zu den SUV-Monstern
darstellen. Konsequenter Leichtbau, Heckantrieb und hohe Hinterachslast
sind das Markenzeichen dieser meist von Privatteams eingesetzten
Sportgeräte. Sie sind erheblich einfacher wieder flott zu kriegen, wenn
sie im Sand stecken bleiben, als die Allradler, die sich regelmäßig mit
allen vier Rädern bis zum „Bauch“ in den Sand wühlen.
Erfolgreicher Diesel Buggy eines deutschen Teams. Allrad in der Formel 1 Bekanntlich
finden Formel 1 Rennen auf Asphalt statt, meistens bei trockenem
Wetter. Und große Höhenunterschiede mit Spitzkehren sind auch kaum zu
überwinden. Dennoch brach 1969 das Allradfieber aus. Der Gründe waren
die damals mäßige Reifenqualität und die häufig durchdrehenden Räder.
Gleich vier Teams konstruierten und testeten Autos mit zwei
angetriebenen Achsen.
Allrad Formel 1 Testfahrzeug von Lotus mit Mario Andretti am Steuer Keines
von ihnen kam zum Einsatz. Natürlich hätten sie jeden Start überlegen
gewonnen und in der einen oder anderen Kurve Vorteile gehabt. Die
Freude wäre aber nur von kurzer Dauer gewesen. Durch das Handicap des
hohen Gewichts und die Verluste bei der Kraftverteilung wären sie
unterm Strich chancenlos gewesen. Das Thema ist seit damals endgültig
vom F1-Tisch. Heutige Formel 1 Fahrzeuge verschenken sogar durch eine
Gewichtsverteilung von annähernd 50 : 50 Prozent jede Menge Traktion
zugunsten eines optimalen Kurvenverhaltens. - Man muss sich – in
der Technik wie im Leben – immer entscheiden: Was ist wichtiger?
Das Gewicht In der Presse und den Medien wird immer wieder kolportiert, Ferdinand Piech sei ein überzeugter Anhänger
des Leichtbaus. Und in der Tat, die Aluminium Karosserie des 1994
eingeführten Audi A8 ist auf seine Initiative zurückzuführen. Mit
keiner Fußnote wird aber erwähnt, dass mit dem Materialleichtbau in
erster Linie das Mehrgewicht des Allradantriebs kompensiert werden
musste.
Audi A8 Aluminium Space Frame Denn
Vierradantrieb ist schwer. Verteilergetriebe, Antriebswellen,
Differential und Achskomponenten addieren sich gut und gerne auf 100
Kilogramm. Die müssen erst beschleunigt werden, weswegen die Quattros
bei gleichen Fahrleistungen einen stärkeren Motor benötigen. Oder bei
gleicher Motorisierung langsamer beschleunigen als die
Einachs-Pendants.
Nachdem
im Audi Fahrzeugprogramm ein Vergleich von identischen Fahrzeugen mit
und ohne Allrad nicht möglich ist, muss für diesen Zweck BMW herhalten.
BMW bietet immer mehr Modelle auch mit Allradantrieb an, gezwungen
durch die Vorliebe der US-Amerikaner für diese Antriebsart. Hier haben
die Marketing-Argumente gegriffen.
Gewichtsvergleich identischer BMW-Modelle mit und ohne Allradantrieb:
Modell: 320d, Leergewicht 1.505 kg
320d XDrive, Leergewicht 1.600 kg = + 95 kg
325i , Leergewicht 1.505 kg
325i XDrive, Leergewicht 1.615 kg = + 110 kg
Zum
Leidwesen von Audi verbessert die Alu-Karosserie die Gewichtsverteilung
nur minimal. Der schwere Motor schlägt jetzt sogar prozentual noch
stärker zu Buche. Was sich aber verschlechtert ist der Komfort, denn
Aluminium dämpft Schwingungen wesentlich schlechter als Stahl. Ein Teil
der Gewichtseinsparung wird so durch notwändige zusätzliche Dämm- und
Dämpfungsmaßnahmen wieder aufgefressen.
Die Luftfederung Entgegen
der landläufigen Meinung verbessern Luftfedern per se den Komfort
keineswegs. Ihre segensreiche Wirkung entfalten sie erst dann, wenn man
es mit einer großen Differenz zwischen leerem und beladenem Zustand zu
tun hat. Wie z. B. bei einem Omnibus; oder eben wie bei einer
Stufenhecklimousine mit Frontantrieb und Motor vor der Vorderachse. Die
prozentuale Schwankung der Hinterachslast ist bedeutend größer als bei
einer Heckantriebslimousine ala BMW.
Vergleich HA-Last-Änderung leer -beladen:Antriebsart:
Allradantrieb
Heckantrieb Leergewicht
2000 kg
2.000 kg
Achslastverteilg. leer VA
HA
VA HA
statisch .........................1.200 kg 800 kg 900 kg 1.100 kg
Achslastverteilg. bei
500 kg Zuladung...........1.300 kg 1.200 kg 1.200 kg 1.500 kg
Prozentuale Zunahme der
Achslast......................
8 % 50 %
22 % 3 6 %
Der bessere Komfort vor allem im leeren Zustand resultiert aus einer für jeden Beladungszustand optimalen
Federrate. Eine Stahlfeder muss auf den voll beladenen Zustand
abgestimmt sein, mit dem Ergebnis, dass sie im leeren Zustand zu hart
und unkomfortabel ist. Warum aber Audi die Luftfeder auch an der
Vorderachse einsetzt, ist nur mit „Wenn schon denn schon“ zu erklären.
Vermutlich soll erst gar nicht der Verdacht aufkommen, dass die
Luftfederung dem Antriebskonzept geschuldet ist.
Eine
Zweiachsluftfederung mit der dazugehörigen Druckluftversorgung wiegt
ca. 30 Kilogramm. Zusammen mit den notwendigen Änderungen an den Achsen
erhöht sich das Fahrzeuggewicht insgesamt
um etwa 50 Kilogramm. Bei Allradlimousinen der Oberklasse wie dem Audi
A8 kommt es darauf auch nicht mehr an - zum Glück für Audi.
Der Verbrauch In
diversen Interviews bei der Einführung des Audi Quattro behauptete
Ferdinand Piech allen Ernstes, der Vierradantrieb sei sparsamer als der
Zweiradantrieb. Er begründete es damit, dass die einzelnen
Antriebselemente nicht mehr das volle Moment übertragen müssten, und
deshalb in Summe ein besserer Wirkungsgrad zustande kommt.
Heute
weiß man es besser. Allradantrieb kostet Leistung und frisst
Kraftstoff. Die vielen zusätzlichen Zahnräder und Lagerstellen erhöhen
die Reibung ganz beträchtlich. Der Mehrverbrauch dadurch liegt in der
Größenordnung von ungefähr sieben Prozent. Doch das ist nur die halbe
Wahrheit. Die Kompensation des höheren Gewichts und der Verluste im
Antriebsstrang durch eine erhöhte Motorleistung fordert ihren Tribut in
Form von weiteren sieben bis zehn Prozent. Gegenüber vergleichbaren
Front-oder Hecktrieblern mit identischen Fahrleistungen verbrauchen die
Allradler um bis zu 15 Prozent mehr Kraftstoff.
Vergleich Fahrleistungen und Verbrauch identischer BMW-Modelle mit und ohne Allradantrieb: Modell
320d 320d
XDrive Höchstgeschw. km/h 235 230
Beschleunigung
0-100
km/h s 7,5
7,9
Elastizität 80-120
km/h; 4. Gang in sec. 5,9 6,2
ECE-Verbrauch
l/100
km
4,7
5,2
Prozentualer
Mehrverbrauch in %
11 %
Modell
325i
325i XDrive
Höchstgeschw.km/h 250 244
Beschleunigung
0-100 km/h in sec 6,7 7,3
Elastizität 80-120
km/h; 4. Gang in sec 7,3 8,3
ECE-VErbrauch
l/100
km
7,2
8,1
Prozentualer
Mehrverbrauch in %
12%Vorbild Natur Die
meisten Tiere haben „Vierradantrieb“. Soweit muss man Ferdinand Piech
recht geben, wenn er behauptet, dass in der Tierwelt relativ wenige auf
zwei Beinen unterwegs sind. Daraus aber ein Argument für Allradantrieb
abzuleiten ist schlichtweg falsch. Sehen wir uns ein paar richtig
schnelle Exemplare auf vier Beinen an. Was fällt auf? Es ist die
überproportional ausgebildete “Heckpartie“. Der Antrieb bei diesen
„Rennmaschinen“ sitzt hinten.

Für Höchstgeschwindigkeit hat die Evolution den Heckantrieb entwickelt. Wissenschaftler
haben kürzlich errechnet, dass Windhunde in der Kurve fast genauso
schnell laufen können wie auf der Geraden, weil sie, im Gegensatz zum
Menschen, die Vorderbeine zur Richtungsänderung benutzen, und damit die
Hinterbeine entlasten. Also hinten antreiben und vorne lenken. Die
Evolution hat das schon ganz gut hinbekommen.
Hinten antreiben, vorne lenken. In der Natur eine Selbstverständlichkeit. Als nächstes werfen wir einen Blick auf Exemplare, die weniger flott unterwegs sind.

Auch im Tierreich gibt es „Allradantrieb“, vor allem bei großen, schweren, kopflastigen Vertretern. Schon
an den Proportionen ist zu erkennen, dass die Vorderbeine hier auch
einen wesentlichen Teil zum Vorankommen beitragen müssen, so stämmig
wie sie ausgebildet sind. Daraus die Formel abzuleiten „Je schwerer
desto mehr Allrad“ erscheint naheliegend. Eines aber steht fest, ein
schnelles Tier mit überwiegend „Frontantrieb“ harrt noch seiner
Entdeckung.
Sportwagen Brauchen sportliche Fahrzeuge
Allradantrieb? Fast können einem die Lamborghini Entwickler leid tun.
Kaum wurden sie von Audi geschluckt, mussten sie ihre Supersportwagen
mit Allrad-, Vierradantrieb bauen. Ein gewichtiges Handicap
gegenüber Ferrari, Porsche und Co. Obwohl sich auch Porsche schon vor
längerem in das Lager der Allradler verirrte. Die Zuffenhausener
dachten ursprünglich, die Spitzenleistung anders nicht kundengerecht
auf die Straße zu bekommen. Ich erinnere mich noch gut der ersten
Testfahrten im 911-Allrad, der sich so fuhr wie ein schlechter
Fronttriebler: Er schob in den Kurven deutlich über die Vorderachse.
Der echte 911er und der GT3 brauchen ihn aber nicht, den zusätzlichen
Antrieb. Für sie ist er nur ein Klotz am Bein. Porsche sollte der Natur
folgen und den Allrad den Dickschiffen Cayenne und Panamera überlassen.
Supersportwagen mit Allradantrieb: Lamborghini Gallardo...
...und Audi R8 - der leider beim Einsatz im Motorsport Anlage-Schwächen deutlich werden lässt.Was
ist mit Lamborghini? Deutet sich hier evtl. ein Umdenken an? Kürzlich
brachte die Firma eine Gallardo-Variante mit Heckantrieb heraus zu
Ehren des altgedienten Testfahrers Valentino Balboni. Balboni, der über
40 Jahre die Lamborghini-Neuentwicklungen getestet und abgestimmt hatte, ist selbst ein
glühender Verfechter des Heckantriebs. Ich bin öfter mit ihm und den
„alten“ Lamborghini-Modellen auf italienischen Straßen im Umfeld von
St. Agatha unterwegs gewesen. Schon viel zu lange musste er inzwischen
unter der Audi-Allradhysterie leiden. Man kann sich lebhaft vorstellen,
welche Schwierigkeiten bei der Genehmigung für dieses neue Modell nur
mit Heckantrieb bei Audi und damit bei VW zu überwinden waren.
Der Gallardo 550-2 mit Heckantrieb sorgte für begeisterte Kritiken. Die
Presseberichte waren ausnahmslos begeistert. Wie könnte es auch anders
sein. Schließlich ist er mit 1380 Kilogramm um 50 Kilogramm leichter
als der normale Gallardo LP 560-4. Der LP 550-2 genannte Ableger fährt
sich erheblich leichtfüßiger, der Komfort ist insgesamt besser, und
selbst bei der Beschleunigung von Null auf 100 km/h ist er nur
unwesentlich langsamer: 3,9 statt 3,7 Sekunden. Was sagt Balboni dazu:
„Ein Sportwagen mit Heckantrieb macht einfach mehr Spaß.“ Die Stückzahl
ist verständlicherweise auf 250 Exemplare begrenzt. Die Audi Strategen
müssten sonst befürchten, dass die Allradler auf der Halde verstauben.
Nicht auszudenken, wenn Lamborghini den Superleggera als Basis genommen hätte. Ausgehend von
1330 Kilogramm wäre das Traumgewicht von 1280 Kilogramm auf der Waage
gestanden. Vielleicht besinnt man sich bei Lamborghini ja noch, baut
zukünftig die Autos zweigleisig und überlässt dem Kunden die
Entscheidung.
In die Verlegenheit einer Wahl bringt ein
anderer Sportwagenhersteller seine Kunden erst gar nicht. Es ist die
Firma Lotus in England. Die Briten vertreten Leichtbau pur und das geht
so: Aluminium-Chassis, Motor vor der Hinterachse, Heckantrieb. Bei einem Leergewicht der Lotus Elise
in der Größenordnung von 800 Kilogramm reicht ein relativ schwacher
(aber auch leichter) Vierzylindermotor für fulminante Fahrleistungen.
Kostenlos mitgeliefert werden eine sagenhafte Handlichkeit und ein
unübertroffener Fahrspaß.
Lotus Elise, ein Beispiel für gelungenen Konzeptleichtbau. Die Sicherheit Allrad ist sicherer als Heckantrieb. Dies behauptet steif und fest Ferdinand Piech im Interview. „Die
oberste Luxusklientel hat das größte Sicherheitsbedürfnis.“ Und braucht
deshalb neben Motoren mit mehr als acht Zylindern auch Allradantrieb.
Bernd Ostmann schließt sich der Meinung von Piech ohne zu zögern an.
„Er (der Allrad) bringt mehr Sicherheit - speziell bei leistungsstarken
Autos.“ Piech und Ostmann haben vollkommen recht, aber nur dann, wenn
wie im Falle von Audi das Basiskonzept nicht stimmt.
Es
braucht schon ein ganzes Geschwader von aufwändigen Regelsystemen, tief
greifenden Fahrwerksmodifikationen und etlichen High Tech-Komponenten,
um dem Allrad seine Untugenden unter
allen Betriebsbedingungen abzugewöhnen. Als da wären Verspannungen,
indifferentes, teilweise kritisches Fahrverhalten im Grenzbereich und
schlechte Bremsstabilität.
Haldex-System von Saab
Torque Vectoring Differential von Audi Von
einem typischen Frontantriebsphänomen bleibt auch ein davon
abgeleiteter Allrad nicht verschont. Es handelt sich um das Brems-und
Kurvenverhalten. Das hat mit einem speziellen Phänomen der Reifen
zu tun. Die übertragbare Kraft nimmt prozentual bei niedrigerer
Flächenbelastung zu. Das bedeutet auf das Fahrzeug übertragen, dass die
möglichen Längs- und Querbeschleunigungen am größten sind, wenn eine
möglichst gleichmäßige Verteilung der Reifenaufstandskräfte im
Grenzbereich stattfindet. (Über die Vorteile eines „vorgespannten“
Reifens – nicht nur bei Querbeschleunigung - habe ich bereits mehrfach
geschrieben. Aber die Industrie hat seit rd. einem Jahrzehnt die aus
dieser Idee möglichen Verbesserungen der Eigenschaften eines Reifens
nicht genutzt. - Vielleicht in 2011?) - Aber nun etwas grundsätzliches
zum Thema Bremsen:
Beim
Bremsen nimmt die Belastung der Vorderräder abhängig von
Schwerpunkthöhe und Radstand durch die dynamische Achslastverlagerung
zu. Bei einer Vollbremsung mit einer Verzögerung von 10 m/s² zerrt eine
Kraft in der Größe des Fahrzeuggewichts am
Schwerpunkt nach vorne.
Die Hinterräder werden entlastet, die Vorderräder belastet. Je nach
Fahrzeugmodell kann man von einer Lastzunahme an der Vorderachse von 10
bis 20 Prozent ausgehen. Das ergibt folgendes Bild:
Zunahme der Vorderachslast beim Bremsen mit Erdbeschleunigung:Antriebsart:
Allradantrieb
Heckantrieb Leergewicht
2000 kg 2.000 kg
VA
HA VA
HA
Achslastverteilung leer statisch 60 % 40 % 45 % 55 %
1.200 kg 800 kg 900 kg
1.100 kg
Achslastverteilung dynamisch 70 % 30 % 55 % 45 %
1.400 kg 600 kg 1.100 kg
900 kg
Fahrzeugelemente,
die die aktive oder passive Sicherheit massiv verbessern, haben sich
über kurz oder lang noch immer durchgesetzt. (Wenn sie wirklich
Sicherheit – und das zuverlässig! - vermitteln.) Oftmals schreibt sie
sogar der Gesetzgeber vor, wie z. B. Vierradbremse oder
Scheibenwischer. Beim Allradantrieb ist die Sache umgekehrt. Bei der
Erteilung der Betriebserlaubnis achtet der TÜV (im Auftrag des KBA) in
erster Linie darauf, ob die Fahrsicherheit trotz Allradantrieb
gewährleistet ist. Eine Allradpflicht ist also aus dieser Ecke nicht zu
befürchten, eher eine Luxussteuer als Ausgleich für die erhöhten
CO2-Emissionen.
Beim
Thema Bremsen mit Allrad muss ich aber
unbedingt noch auf eine Feststellung hinweisen, die ich bei Testfahrt
mit den ersten Audi-Allradmodellen auf der Nürburgring Nordschleife
treffen konnte: Mit einem gesperrten Zwischendifferential (so was
gab's damals) war ich auf einer Runde Nordschcleife um rd. 10 sec
schneller. - Ich habe es mehrfach probiert. - Es gab keinen Zweifel.
Bis ich auf die Lösung kam, die aber auch klar macht, warum das niemals
– auch bei den so toll informierten Fachmagazinen nicht – erwähnt wurde.
Die
Verkoppelung der Räder (durch das Sperren des Zwischendiffernetials)
generierte (zunächst) mehr Bremsleistung. Das Blockieren eines
einzelnen Rades wird jetzt verhindert, weil die sich noch drehenden
Räder dieses Rad quasi mitziehen. - Soweit, so gut – wie auch meine
Nürburgring-Rundenzeiten beweisen. Aber diese Erfahrung gilt nur bei
trockener Straße oder - anders, technischer beschrieben – nur bei
Fahrbahnen mit hohem Reibwert. Bei Nässe wird’s dann kritisch. Bei
Schnee und Eis... - Wenn ich dieses Thema mit ABS-Spezialisten
angesprochen habe, haben die die Augen verdreht.
Versuchen Sie
das mal mit mir nachzuempfinden: Beim ABS-System vergleicht ein Regler
die Drehgeschwindigkeit aller vier Räder, errechnet eine so genannte
„Referenzgeschwindigkeit“ und wenn nun ein einzelnes Rad davon
abweicht, weil der Schlupf zu groß wird, dann wird im dazu
gehörenden Radbremszylinder der Druck abgebaut. Wenn aber die Räder nun
– wie beim Allrad (damals) möglich – miteinander verkoppelt wird, wird
ein einzelnes Rad (verglichen mit der Referenzgeschwindigkeit) nicht
mehr auffällig. Das ABS-System ist zufrieden. Sogar dann noch, wenn
z.B. beim Bremsen auf Eis, alle vier Räder stehen. Dabei stehen nur die
Räder und das Fahrzeug rutscht mit kaum verminderter Geschwindigkeit
geradeaus. - ABS-Systeme sind immer nur so schlau wie ihre Software.
Also nahm man die beim über beim gesperrrten
Zwischendifferential deutlich spürbare Verspannung der Karosse bei
Kurvendurchfahrt gerne zum Anlass... - Sie begreifen? - Denn es gab bei
verkoppelten Rädern noch ein weiters Problem... -
Aber ich will
Sie hier nicht der Problematik von Fachabteilungen langweilen, die
heute bei modernen Allradsystemen kaum noch eine Rolle spielen. - Also
weiter zu Grundsätzlichem:
Die Alltagstauglichkeit Welche Vorteile hat Otto Normalverbraucher vom Allrad? Da wäre zunächst einmal die Traktion zu
nennen. Jäger, Bergbauern, Skiliftbetreiber, Nordlandbewohner und
Eskimos wissen das zu schätzen. Auch für militärische Zwecke,
beispielsweise bei Operationen in der Wüste und unwegsamem Gelände sind
Allradantriebe unbestritten vorteilhaft.
Sehr beliebt in Bergbauernkreisen und Landwirtschaft: Steyr Puch Haflinger


Hier sind Allradfahrzeuge in ihrem Element. Wie aber sieht es für den normalen Mitteleuropäer, den Stadtbewohner, den Bewohner von Ballungszentren
auf der ganzen Welt aus? In Deutschland ist das Fahren auf
unbefestigtem Gelände generell verboten. Schnee bleibt in den Städten
und der Peripherie höchstens einmal für ein paar Stunden liegen. Bei
witterungsbedingtem Verkehrschaos auf der Autobahn steht der Allradler
genauso hilflos im Stau wie jeder andere. Und die Traktionsvorteile bei
Passfahrten beim Herausbeschleunigen aus Spitzkehren wird er nicht sehr
oft nutzen, wenn er dazu vom Fahrkönnen her überhaupt in der Lage ist,
weil ihm sonst die geschätzte Beifahrerin die Lizenz entzieht. Soviel
Vertrauen wie Christian Geistdörfer in die Fahrweise von Walter Röhrl
wird wohl selten jemand für einen verkappten Rallyepiloten am Steuer
aufbringen.
Vielleicht sollte man eher die Nachteile noch
einmal aufzählen. Die Wichtigsten sind: höheres Gewicht, höherer
Verbrauch, kürzere Reichweite, schlechtere Fahrleistungen, schlechterer
Komfort, höherer Preis, mehr Teile und Komponenten die kaputt gehen
können. Und ein Nachteil, der gerne übersehen wird, aber in Zukunft
eine immer größere Rolle spielt: der Wendekreis. Allradfahrzeuge weisen
ebenso wie Frontantriebsfahrzeuge einen um mindestens einen halben
Meter größeren Wendekreis auf als vergleichbare Hecktriebler. Die
Vorzüge eines kleinen Wendekreises weiß nur derjenige richtig zu
schätzen, der schon einmal ein derartiges Fahrzeug besessen hatte.
Hier hilft kein Allrad...

...und auch hier nicht. Die Optik In
der Seitenansicht eines Pkw´s erkennt man auf den ersten Blick, um
welche Antriebsart es sich handelt. Frontantrieb und vom Frontantrieb
abgeleitete Allradantriebe zeichnen sich durch eine weit nach hinten
versetzte Vorderachse aus. Der Abstand zwischen Radhaus und vorderem
Türspalt ist sehr klein. Ein riesiger Vorbau verleiht den Fahrzeugen
auch optisch eine starke Kopflastigkeit. Das verletzt das natürliche
Gefühl für Proportionen, über das (fast) jeder Mensch von Geburt an
verfügt.
Mazda RX8 mit Heckantrieb
Alfa Romeo GT Coupe´ mit Frontantrieb Von jeher versucht Audi durch ein geschicktes Design diesen Nachteil zu kaschieren, was ihnen auch leidlich gelingt.
Audi A8 mit großem Überhang vorne Da
haben es Hecktriebler entschieden besser. Wenn sie in der Lage sind,
die Hinterachse ordentlich zu belasten, beispielsweise durch das
Transaxleprinzip (Getriebe an der Hinterachse), können sie einen langen Radstand und kurze Überhänge
realisieren. Das sieht nicht nur sportlich aus, es wirkt sich obendrein
auf das Fahrverhalten absolut positiv aus.
Stimmige Proportionen beim Maserati Quattroporte. Langer Radstand, kurze Überhänge, Frontmittelmotor, Heckantrieb, HA-Last 55 Prozent dank Transaxle, überragende Agilität und exzellente Straßenlage. Auch unter winterlichen
Bedingungen. (Ja, ich bin ihn auch unter winterlichen Bedingungen
gefahren.)
Gegenwart und Zukunft Die Zeit arbeitet für Audi. Das klingt auf den ersten Blick paradox, wurde doch beim Vergleich der
Vor-und Nachteile dem Allrad ein denkbar ungünstiges Verhältnis
attestiert. Aber Audi ist nicht untätig. Im Gegenteil. Mit größtem
Aufwand wird daran gearbeitet, die typischen Nachteile auszubügeln.
Zusätzlich kommen viele Trends und Entwicklungen dem Audi-Konzept zu
Hilfe, während sie sich beim Standardantrieb eher negativ auswirken.
Dieselmotoren: Da
wäre als erstes der Trend zu Dieselmotoren zu nennen. Dieselmotoren
sind wesentlich schwerer als vergleichbare Benzinmotoren. Audi baut den
Sechszylinder-Dieselmotor in V-Form, während BMW am
Reihensechszylindermotor festhält. Das führt bei allen Modellen, die
BMW mit diesem Motor ausstattet zu einer enorm hohen Vorderachslast,
die leider die Eigenschaften des Standardantriebs signifikant
verschlechtert. Standardantrieb ist nur dann dem Allrad wirklich
überlegen, wenn eine Gewichtsverteilung von annähernd 50 : 50 Prozent
eingehalten werden kann. Davon ist BMW bei einigen Dieselmodellen
inzwischen weit entfernt, und überschreitet teilweise sogar die
kritische Marke von 55 % an der Vorderachse. Durch diese Kopflastigkeit
verliert der Standardantrieb seine Agilität, das spielerische Handling,
und nähert sich im Fahrverhalten den Allrad-und Frontantriebsfahrzeugen
an.
Das Mehrgewicht von 60 kg für den Dieselmotor schlägt voll auf die Vorderachse Modell
330i 330d 330i XDrive 320d XDrive
Leergewicht kg 1.550 1.610 1.650 1.710
Downsizing: Ein weiteres Handicap für den Heckantrieb entsteht durch Downsizing. Im Zuge der Downsizing-Hysterie
werden nicht nur - wie bisher schon - Dieselmotoren sondern auch fast sämtliche Benziner
mitAbgasturbolader und Ladeluftkühler aufgeblasen. Ein längs
eingebauter Reihensechszylinder mit davor angebrachten Kühlelementen
benötigt Raum. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Optik. Im Profil
des neuen BMW-Sechsers sieht man sehr schön, was unter
„Nasenbärenoptik“ gemeint ist. BMW entfernt sich immer mehr von der
eleganten und zugleich sportlichen Linie aus der Zeit vor Chris Bangle
und mutiert endgültig zum mit Anabolika aufgeblasenen Bodybuilder. -
Wenn´s den Leuten gefällt!? - (Sonst kann man es vielleicht als Fußgänger-Schutzmaßnahme argumentieren.)
BMW-Sechser ab 2011 BMW-Sechser ab 2011 Audi
hat diesen Prozess dank dem Gespann Martin Winterkorn und Walter
De´Silva schon hinter sich. Das pummelige Design mit aufgeblähten
Backen und dem martialischen Kühlergrill kommt bei der Audi-Klientel
gut an. Die Verkaufszahlen beweisen es. Aber Audi greift auch tief in
die Trickkiste, um die Nachteile des Frontmotors weiter zu reduzieren.
Das Stichwort lautet „Modularer Baukasten“. Dieser Kunstgriff
verursachte mit Sicherheit Kosten im hohen dreistelligen
Millionenbereich. Er ist aber jeden Cent davon wert, denn er verkürzt
den Vorbau um ganze 15 Zentimeter und entlastet die Vorderachse um zwei
bis drei Prozent - trotz verlängertem Radstand. Das Ergebnis kann sich
sehen lassen, wie das Beispiel A5 überzeugend demonstriert.
Audi A5, mit konzerninternem modularem Baukasten entwickelt Allradtrend bei Limousinen: Die
Erfolge des Allradantriebs in der Ober-und Luxusklasse gehen nicht
spurlos an BMW vorbei. Waren es früher hauptsächlich Modelle der Dreier
und Fünfer Serie, die sich auch als Allradler eines guten Rufs und
hoher Stückzahlen erfreuten - vor allem in den allradbegeisterten USA -
so schwappt die Allradwelle gerade über die Luxusklasse herein. Der BMW
Siebener wird mit Allradantrieb angeboten. Und das ist bei der
bescheidenen Hinterachslast (vielleicht) auch gut so.
Bei
Fahrzeugen mit Heckantrieb wird im Falle der Allrad-Ausstattung der zusätzliche Antrieb auf die
Vorderachse geleitet. Das ist wesentlich unangenehmer und aufwändiger
als das Audi-Konzept. Außerdem muss die Eignung einer Modellfamilie für
Allrad bereits im frühesten Entwicklungsstadium berücksichtigt werden.
Design, Karosserie, Fahrwerk, Lenkung, Bremsen, Reifen, Motor, Getriebe
alles ist auf den additiven Frontantrieb vorzubereiten. Dass das nicht
ohne negative Rückwirkungen auf die Standardvarianten bleiben kann
leuchtet wahrscheinlich sogar jedem Laien ein.
BMW büßt durch die erzwungene (?) Imitation von Audi viel von seinem Konzeptvorteil ein. Eine Gewichtsverlagerung
auf die Hinterachse z.B. durch das Transaxle-Prinzip, wie es Maserati,
Aston Martin und Ferrari demonstrieren, wäre dem sportlichen Anspruch
besser gerecht geworden. Zum Pech für BMW lässt sich eine
Hinterachslast von 55 Prozent als Gegenstück zum Allradantrieb
werbetechnisch schlecht verkaufen. Und der geringere Verbrauch ist der
Klientel in diesen Modellkategorien (immer noch!) herzlich egal.
SUV´s: Landrover
-Toyota -Mitsubishi -BMW, so ungefähr lautet die zeitliche Reihenfolge
beim Erfolg der Sport Utility Vehicle, kurz SUV genannt. BMW verstand
es als erstes Unternehmen, den Fokus vom Gelände auf die Straße zu
richten, und wurde damit zum Wegbereiter einer ungeahnten Erfolgswelle
dieser Fahrzeugkategorie. Warum nicht Audi? In den Regalen von Audi
schlummerten doch alle Ingredienzien für eine schnelle und
kostengünstige Umsetzung des SUV-Gedankens, allem voran der
Allradantrieb. (Meine Meinung: Es gab keinen Reitzle bei Audi.)
So ganz genau kann das ein Außenstehender
aber natürlich nicht beurteilen. Vermutlich war Audi einfach mit anderen
Dingen beschäftigt, nämlich mit den vielen Motor, Fahrwerks-und
Karosserievarianten.
Und so musste man tatenlos mit ansehen,
wie Erzrivale BMW auf dem ureigensten Audi-Terrain der Trendsetter
wurde. Ein Schlag, von dem sich Audi lange Zeit nicht erholte. Im
Grunde genommen wiederholte sich das Spielchen vom Hasen und Igel. BMW
machte mit dem X5 den Anfang, Viel zu spät konterte Audi mit dem
Dickschiff Q7. Mittlerweile lancierte BMW höchst erfolgreich den X3.
Auch hier brauchte Audi viel zu lange, die Antwort Q5 auf den Markt zu
bringen. Aber schon setzt BMW mit dem X1 eine neue Marke. Wo bleibt der Q3?
BMW
als Trendsetter bei SUV´s - Audi als FollowerVorsprung durch Technik? - Müsste es nicht
vielmehr lauten "Rückstand durch technische Spielereien ohne ausgewiesenen Kundennutzen"?
Ferdinand Piech - ein Mann, zwei Gesichter, viele Autos:Bleibt
zum Schluss nur noch übrig, die Leistung von Herrn Piech zu würdigen.
Kritisch zu würdigen versteht sich. Er wird ganz allgemein als
begnadeter Techniker angesehen. Unter dem Eindruck der hier
vorgestellten Allradhistorie muss man sich allerdings fragen, ob nicht
Machthunger und diktatorische Mitarbeiterführung seine technischen
Qualitäten deutlich überlagert haben. Nur mit der Machtfülle eines
Alleinherrschers ließen sich all die technischen Spielereien
durchsetzen die nötig waren, um Audi trotz des Start-Handicaps auf
Augenhöhe mit BMW und Mercedes zu bringen.
Zeitliche Koinzidenz Piech und
Audi, zeitliche Koinzidenz Piech und Audi(Dazu eine kleine
Anmerkung: Wir haben Hinweise auf das erste Allradsystem bei Mercedes
hier nicht einfließen lassen, weil mit dem System zwar die Mercedes-Techniker eine
sehr gute Visitenkarte als Techniker abgegeben haben, aber... - Na ja, die damals
dabei waren, werden sich an unsere Gespräche und Fahrversuche zum diesem Thema
z.B. auf einem Flugplatz erinnern.)
„Was wäre wenn …?“ diese
Frage sollte man sich immer dann stellen, wenn Personen so hoch gelobt
werden, wie das hier der Fall ist. Was wäre, wenn nicht Piech Audi
geführt hätte, sondern jemand anders? Jemand, der die Vorteile des
Heckantriebs in der Oberklasse frühzeitig erkannt hätte? Stünde Audi
nicht schon längst besser da als BMW? Zumal mit der Unterstützung aus
dem VW-Konzern? Haben die vielen Besonderheiten des Piechschen Konzepts
nicht jahrzehntelang die Rendite verhagelt, gemindert?
Nein, natürlich nicht, weil nicht sein kann was nicht sein darf. Die Liste der Abschusskandidaten von
Ferdinand Piech ist lang. Sie mussten ihre Koffer packen, nicht wegen
Erfolglosigkeit, sondern aus einem einzigen Grund: Sie waren auf dem
besten Weg, erfolgreicher zu werden als der Übervater. Und sie
versuchten, einige historische Fesseln des genialen und allein selig
machenden Piech-Konzeptes abzuschütteln. Die prominentesten Opfer
des Piechschen Cäsarenwahns sind Herbert Demel und Franz-Josef Paefgen.
Demel wurde nach Südamerika verbannt, Paefgen zu Bentley strafversetzt.
Bei VW traf der Bannstrahl erst Daniel Goeudevert, später dann Bernd
Pischetsrieder. - Oder man erinnere sich: Zu welchem Zeitpunkt verließ
Chefentwickler (und Vorstandsmitglied) Dipl. Ing. Jürgen Stockmar die
Firma in Ingolstadt? - Und warum?
„Vorsprung durch Technik.“ Wie ist es damit
bestellt? Die Liste der technischen „Highlights“ bei Audi ist lang.
Stromlinienförmige Karosserie, passives Sicherheitssystem Procon Ten,
vollverzinkte Karosserie, Alu Space Frame, permanenter Allradantrieb,
Torsen-Verteilergetriebe, Fünfzylindermotor, Fünfventiltechnik, W-Motor
(= Doppel-VR-Motor), Diesel-Direkteinspritzung. Bei genauerer
Betrachtung erweist sich ein Großteil der Innovationen entweder als
notwendige Folge des Antriebskonzepts Motor längs vor der Vorderachse,
der andere Teil ist wegen Erfolglosigkeit wieder in der Versenkung
verschwunden.
Übrig bleibt die Diesel-Direkteinspritzung, die sich allerdings auf breitester Front durchsetzen konnte.
Leider versäumte es Audi, aus dieser Pionierleistung das gebührende
Kapital zu schlagen. Was Piech anbetrifft, so war sein Fokus auf
großvolumige Motoren für Luxuslimousinen gerichtet, nicht auf den
damals leistungsmäßig noch unterernährten Diesel. Dieser war anfangs
den kleineren und schwächeren Modellen vorbehalten, sozusagen den
ärmeren Verwandten. Außerdem war der Dieselmotor um 100 Kilogramm
schwerer als ein vergleichbarer Ottomotor, und schon aus diesem Grund
der natürliche Feind des Piechschen Allrad-Antriebskonzepts. Erst als
der Dieselmotor dem Benzinmotor mindestens ebenbürtig war, wurde ihm
die Ehre zuteil, mit dem Allradprinzip verheiratet zu werden.
Schon
immer strebte Piech nach Höherem. So auch bei VW. Der Misserfolg des
Audi 200 hielt ihn nicht davon ab, bei VW ähnliches zu versuchen.
Deshalb wurden im ersten Anlauf fast alle Modelle mit den
größtmöglichen Motoren beglückt, egal ob technisch sinnvoll war oder
nicht. Und sie wurden verallradet, nach der gleichen Methode. Etwas
zeitversetzt entstand ein ganz neues Modell, das dem Piechschen
Anspruch nach Größe und Luxus schon näher kam - der „unsägliche“ VW-
Phaeton. In diesen Typ stopfte Piech alles hinein, was aufwändig und
teuer ist. So sollte das Image der Marke VW generell angehoben werden.
Wie angewachsen standen die Modelle auf der Halde der neu errichteten
gläsernen Fabrik. An solchen Misserfolgen hatte sich in der
Vergangenheit schon so mancher Hersteller überhoben. - Aber ganz
ehrlich: Ein schlechtes Automobil war der Phaeton nicht. Nur ein
unpassendes. - Aber wer bei VW durfte das schon begreifen - und laut äußern?
So
reichte das Piech noch lange nicht. Da gab es noch Luft nach oben, und
so mussten klangvolle Namen als Aushängeschild dran glauben - Bentley und Bugatti.
Natürlich beide mit W-Motoren und Allradantrieb - was sonst?
Bentley Continental Super Sports, 630 PS, 329 km/h, 230.000 €
Bugatti
Veyron Super Sport, 1.200 PS, 415 km/h elektronisch abgeregelt,
Kaufpreis 1,65 Millionen € - ohne Überführungskosten.Ob
diese Abenteuer sich je amortisieren trotz der horrenden Preise?
Vielleicht ist das zu kleingeistig und provinziell gedacht. Solche
Steckenpferde und Prestigeobjekte von abgehobenen Managern muss man als
langfristige Investition in das Brand-Shaping betrachten und nicht
durch die Brille des Kaufmanns, oder noch schlimmer, aus der
Froschperspektive von Otto Normalverbraucher. (Mit Absicht wurde hier die Berufsgruppe Techniker/Ingenieure nicht erwähnt.)
Jüngst fiel auch
noch Porsche dem Piech'schen Hunger nach Bedeutung zum Opfer. Da trifft
es sich gut, dass im Porsche Programm bereits jede Menge
Allradfahrzeuge existieren: Cayenne, Panamera und 911 Turbo. Man kann
gespannt sein, wie sich die Obsessionen von Piech und seines
„verlängerten Arms“ Winterkorn auf das Porsche Programm auswirken
werden.
Allradantrieb - ein Spiegel der Gesellschaft In
vielen Bereichen des täglichen Lebens ist ein Auseinanderdriften von
Billigprodukten und Luxusgütern
zu beobachten. Überall bleibt das "vernünftige" Mittelmaß auf der
Strecke. In der Automobilszene herrscht jeweils der gleiche Trend.
Aktuell: Auf der einen Seite wächst der Markt der kostengünstigen
Kleinwagen, im gegenüberliegenden Preisspektrum legen die Luxus-und
Premiumfahrzeuge zu. In der ersten Gruppe spielt der Allradantrieb
keine Rolle, das zweite Marktsegment
wird bald nur noch mit Allradantrieb ausgestattet sein. Solange dieser
Trend anhält werden auch die weltweiten Allradstückzahlen steigen. Es
kann aber auch sehr schnell ein Ereignis eintreten, das dem Allrad das
Wasser abgräbt - eine Wirtschafts-, Öl-, Rohstoff- oder sonstige Krise.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in wenigen Jahrzehnten die
Menschen den Kopf schütteln werden über die sinnlose Verschwendung von
Ressourcen für so überflüssige Dinge wie einen permanenten
Allradantrieb für Fahrzeuge, die zu 100 Prozent auf Asphaltstraßen
bewegt werden.
Techniker sollten sich nicht von einem Mythos
beeinflussen lassen. Wir haben versucht, ein technisches System davon
zu entkleiden.
Sachargumente
– dafür und dagegen – nehmen wir jederzeit gerne von Nutzern und
Technikern entgegen. - Und geben sie unseren Lesern weiter. (Evtl. mit einem kleinen Kommentar.) Dann in 2011. - Guten Rutsch!
MK/Motor-KRITIK-Team