11-03-18/01
– Sollten wir die Problematik von oben her beleuchten? Welche
Auswirkungen hat der Bau neuer Straßen auf das Verkehrsaufkommen?
Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Kilometerpauschale und der
durchschnittlichen Entfernung Wohnung -Arbeitsplatz?
Nein! -
Hier soll zur Abwechslung der umgekehrte Weg beschritten werden. An
einem automobilen Einzelbauteil soll demonstriert werden, wie gut
gemeinte Aktionen, Beschlüsse und Entwicklungen sich in ihr Gegenteil
verkehren können. Das gewählte Beispiel-Objekt ist der Reifen.
- Das Bessere ist des Guten Feind
Die
Automobilgazetten werden nicht müde, von den Automobilherstellern immer
das Beste zu verlangen. In aufwendigen Vergleichstests mit
ausgeklügelten Bewertungsschemata beurteilen sie Sicherheit, Verbrauch,
Komfort, Fahrleistungen, Transporteigenschaften, Handling und vieles
andere mehr.
Den Einfluss dieser Testberichte auf die
Automobilentwicklung sollte nicht unterschätzt werden. Der Gewinn eines
solchen Tests gegen härteste Konkurrenz in auflagenstarken Gazetten ist werbewirksam. Also
versuchen die Hersteller dort gut abzuschneiden.
Das hat
Folgen. Die Autos wurden in allen wesentlichen Eigenschaften über die
Jahre hinweg immer „besser“. Zumindest nach Test-Maßstäben. Leider
wurden sie dabei aber auch immer größer, schwerer und teuerer.
Inzwischen
hat der „Fortschritt“ einen gewissen Sättigungsgrad erreicht. Geringe
Vorteile „hier“, werden oft mit erheblichen Nachteilen „da“ erkauft. Im
Bestreben, die Autos nach den Testkriterien auszulegen und nicht nach
den Kundenbedürfnissen, wurden sich die Autos in den letzten Jahren
nicht nur optisch sondern auch technisch immer ähnlicher. Zum wichtigen
Differenzierungsmerkmal ist inzwischen das Markenemblem geworden.Das
stellt die Tester vor die schwierige Aufgabe, aus winzigen
Unterschieden einen möglichst großen Abstand zwischen den Probanden zu
generieren. Das geht nur über eine Verschärfung der Bewertungsmaßstäbe,
die deshalb oft weit über das kundenwertige Maß hinausschießen. Der
verzweifelte Versuch der Hersteller diesen Kriterien immer besser
gerecht zu werden mündet in einem Teufelskreis, der schließlich dem
Kunden mehr schadet als nützt.
Am Reifen soll dieser Sachverhalt hier einmal exemplarisch dargestellt werden.
- Eigenschaften, Aufbau und Herstellung
Der
Reifen eines Automobils soll durch seine Eigenschaften eine möglichst
große Fahrsicherheit garantieren. Aber was bedeutet eigentlich
Fahrsicherheit? Sind es
eine möglichst hohe Querbeschleunigung und ein möglichst kurzer
Bremsweg?
Das sind bestimmt wichtige Aspekte, aber die Liste
ist damit noch lange nicht vollständig. Die Aufgaben eines Reifens sind
umfassender. Er beeinflusst eine ganze Reihe von Fahrzeugkriterien.
Nachfolgende Tabelle macht auf eine Fülle von Parametern aufmerksam,
die vom Reifen beeinflusst werden:
- Fahrdynamik: Kurvengeschwindigkeit, Agilität, Lenkverhalten
- Bremsverhalten: Bremsweg, Bremsstabilität, Bremsleistung
- Fahrsicherheit,:Traktion, Aquaplaning, Geradeauslauf, Spurrillenempfindlichkeit, Nässeverhalten,
Verhalten im Grenzbereich,Wintertauglichkeit
- Fahrkomfort: Federungskomfort, Abrollkomfort, Rollgeräusch
- Energiebedarf: Rollwiderstand, Luftwiderstand, Reifenherstellung
- Kosten: Verschleißverhalten, Lebensdauer
Neben den aus diesen Kriterien erwachsenden Anforderungen hat der Reifen noch weitere
Anforderungen zu erfüllen:
- Tragfähigkeit
- Höchstgeschwindigkeit
- Pannenresistenz
- Reifenherstellung ist Chemie mit einem Schuss Alchemie
So
ein Reifen ist in seinem mechanischen Aufbau, der chemischen
Zusammensetzung und dem Fertigungsverfahren ein unerhört komplexes
Gebilde. Schließlich am Automobil verbaut ist er die einzige "Feder" am
Gesamtobjekt Auto mit vielen Kraftrichtungen. Alle anderen arbeiten in
nur einer Kraftrichtung. Der Reifen jedoch tangential (Gürtel),
vertikal (Radlast) und axial.
Um ein gleichmäßiges, reproduzierbares Ergebnis zu
bekommen, dürfen die vielfältigen Ausgangsprodukte eines Reifens in ihrer
Beschaffenheit keine Abweichungen aufweisen. Bereits geringste
Streuungen führen zu nicht vorhersehbaren Schwankungen in den
Eigenschaften. Ebenso werden höchste Anforderungen an den
Fertigungsprozess selbst gestellt. Alle Parameter, wie Druck,
Temperatur, Dauer der Verarbeitungsschritte müssen penibel eingehalten
werden.
Trotz aufwendigster Rechenverfahren und
Simulationstechniken ist man noch nicht in der Lage, die gewünschten
Eigenschaften zu hundert Prozent im Voraus zu bestimmen. Für die
letzten Feinheiten benötigt man immer noch Experten mit einer
langjährigen Erfahrung im Umgang mit der „schwarzen Magie“.
Werfen
wir einmalt einen Blick auf die Evolution des Reifens von den 60er
Jahren bis heute. Die wohl größte Veränderung im Laufe von 40 Jahren
betrifft das Breitenwachstum. Das Querschnittsverhältnis wandelte sich
vom Ballonreifen zum extremen Niederquerschnittstyp.
Das
Wachstum in die Breite wurde erst ermöglicht durch den Übergang vom
Diagonal- zum Radial- oder Gürtelreifen. Bei letzterem - als Gürtelreifen für einen Personenkraftwagen - besteht die
Karkasse, das tragende Gerüst, aus einem textilen
Teil, der aus mehreren Lagen besteht, die in einem Winkel
von ca. 80° verlaufen, während der "Gürtel" aus
mindestens zwei Lagen Stahlkord gefertigt, im Winkel von ca. 25°
zueinander arbeitet. (Die Winkelangaben beziehen sich immer auf die
Laufrichtung des Reifens, also auf 0°)
Dieser Hang zur Breite hat natürlich Gründe. So verkleinert sich der (so genannte) „Schwimmwinkel“,
verbessern sich Lenkpräzision und Agilität und das Über- oder
Untersteuern wird reduziert. Außerdem werden so weichere
Gummimischungen möglich, über die sich auch Kurvengeschwindigkeiten und
Bremswege verbessern.
- Fahrdynamischer Einfluss des Querschnittsverhältnisses
Die
Auswirkungen des Querschnittsverhältnisses auf die Fahrdynamik unterzog
auto motor und sport einem ausführlichen Test in der Ausgabe 25/2009 an
einem Audi TT. Der Vergleichstest liefert ein eindeutiges Ergebnis: Je
größer das Querschnittsverhältnis, desto besser die Straßenlage.
So
könnte man die reinen Zahlenwerte interpretieren. Aber bitte nicht
vergessen: Je größer Felgendurchmesser und Querschnittsverhältnis sind,
desto kompromissloser sind die Reifen auf Sportlichkeit getrimmt –
unter Vernachlässigung vieler anderer Kriterien. Das betrifft
Steifigkeit, Gummimischung und Profil. Es liegt also nicht nur an der
Geometrie allein.
Für einen relativ kleinen Gewinn an
Fahrdynamik verschlechtert sich signifikant der Komfort, und - lt.
Aussage von ams - verstärkt der größere Reifen auch noch die ohnehin
schon deutlich vorhandenen Lastwechselreaktionen. Unter den negativen
Eindrücken des 19“-Rades und in Anbetracht der immensen Mehrkosten (!)
rät sogar „ams“ von dieser Bereifung ab.
Ein guter Rat, denn
der Normalfahrer kann sehr wohl den Komfortunterschied wahrnehmen, und
zwar tagtäglich und bei jeder Gelegenheit. Ein auf der Rennstrecke
erzeugter fahrdynamischer Gewinn von 0,7 s bzw. 1 % lässt sich auf
öffentlichen Straßen nicht realisieren – zumindest nicht ohne
Inkaufnahme von hohen Sicherheitsrisiken und Übertretung der
Straßenverkehrsordnung.
Sogar der vermeintliche
Sicherheitsgewinn relativiert sich in Anbetracht des immer schmaler
werdenden Grenzbereichs und der schlechteren Fahrzeugbeherrschbarkeit
aufgrund der heftigeren Fahrzeugreaktionen.
Dazu kommen noch
die exorbitant hohen Kosten. Auf den ohnehin schon hohen Preis von
2.300 Euro für die 17“ Räder sind noch einmal 1.200 Euro für die
19-Zöller draufzulegen.
Sportliche
Automobile orientieren sich gerne am Rennsport. Und welches Fahrzeug
möchte nicht als „sportlich“ angesehen werden. Sogar Geländefahrzeuge
und Familienlimousinen sind ohne einen kleineren oder größeren Schuss
Sportlichkeit scheinbar unverkäuflich. Mit dem Blick auf die Rennsportszene
gewinnt man einen guten Eindruck von der Reifenentwicklung auch bei
Serienfahrzeugen. Insbesondere der Tourenwagensport übte einen
unwiderstehlichen Einfluss auf die Gestaltung der Reifen aus. Die
Tendenz zu den extremen Niederquerschnitten nahm dort seinen Anfang.
Das Erkennungsmerkmal der „sportlichen“ Tourenwagen in den 60ern und
70ern waren die an die Karosserie angeschraubten, genieteten oder
geschweißten Kotflügelverbreiterungen. Sie mussten die breiten (zu breiten?) Reifen
abdecken.
Die
Formel 1 war einmal nicht nur richtungweisend für den Rennsport
allgemein, sondern befruchtete auch die Entwicklung der
Serienfahrzeuge. Die Zeiten haben sich geändert. Schuld an der Misere
ist das Streben nach Show. Man spricht inzwischen vom „Formel 1
Zirkus“. Bernie Ecclestone und seine technischen „Berater“ verstehen es
meisterhaft, die Formel 1 und ihre Beteiligten zu disziplinieren.
Penibel wird darauf geachtet, dass kein Team sich einen technologischen
Vorsprung erarbeiten kann. Das Reglement erstickt jeden technischen
Fortschritt im Keim. Die technischen Vorschriften erstrecken sich vom
Motor über das Fahrwerk und die Karosserie bis hin zu den Reifen.
Dieses Vorgehen reduziert die Formel 1 praktisch zu einem Markenpokal.
Besonders
krass betreiben es die Tugendwächter der Formel 1 auf dem Reifensektor.
Die krankhafte Gängelei schlägt hier um ins Lächerliche. Nicht nur,
dass mittlerweile Einheitsreifen vorgeschrieben sind, die alle vom
selben Hersteller kommen. Den Gipfel der Absurdität stellt der Zwang
zum Reifenwechsel dar. Ein Satz Reifen darf nicht mehr einen ganzen
Grand Prix lang am Fahrzeug verbleiben, sondern muss zwangsweise gegen
einen anderen Typ ausgetauscht werden – ein Satz harte Reifen gegen
weiche und umgekehrt. Wie diese idiotische Vorschrift die Kosten senken
und die Spannung erhöhen soll bleibt ein Rätsel. Die Teams müssen ihre
Fahrzeuge auf zwei unterschiedliche Reifentypen abstimmen, was den
Aufwand beträchtlich erhöht, und Glück und Zufall Tür und Tor öffnet.
Der Fachausdruck für diesen Unsinn heißt „Reifenpoker“, der natürlich
die Unfallgefahr erhöht.
Für 2011 wurde der „Irrsinn“ noch
einmal getoppt: Die in der Saison 2011 verwendeten Pirelli-Reifen
halten nicht einmal die halbe Distanz. Mindestens zwei Reifenwechsel
pro Rennen sind damit zu erwarten. Das heißt: Über eine Grand Prix
Distanz verbraucht ein Formel 1 Fahrzeug zusätzlich zu um 240 Litern
Kraftstoff auch noch 12 Reifen. Auf 100 Kilometer umgerechnet sind das
80 Liter und vier Reifen. - Ein vorbildlicher Umgang mit Ressourcen
sieht anders aus.
- Vorbild Formel 1-Räder und Reifen?
Betrachtet
man die Formel 1 Reifen näher, sticht sofort der ballonartige
Reifenquerschnitt ins Auge. Ursächlich ist die aus den 70er Jahren
stammende Limitierung des Felgendurchmessers auf antiquarische 13“.
Dieses Korsett lässt den Reifenentwicklern natürlich keinerlei
Spielraum. Ab 2013 sollen die Felgengrößen bis zu 18“ wachsen dürfen,
wird gemunkelt.
Wie könnte man die Reifenentwicklung der
Formel 1 so beeinflussen, dass sie wieder brauchbare Hinweise für die
Serienentwicklung liefert? Im Wesentlichen sind es vier Elemente, die
den Normalverbraucher interessieren:
- Haftvermögen,
- Verschleißverhalten (Laufleistung),
- Rollwiderstand (CO2-Einfluss)
- und Pannensicherheit.
Das Reglement muss so formuliert werden, dass alle vier Aspekte für den Gewinn eines Grand Prix mit ausschlaggebend werden.
Was
die Laufleistung anbetrifft kann man einen Reifenwechsel natürlich
nicht verbieten. Aber man kann ihn durch eine definierte Standzeit beim
Boxenstopp von beispielsweise 1 Minute erheblich erschweren. Oder durch
die Auflage, dass nur noch ein einziger Mechaniker alle vier Räder
wechseln darf. Nur derjenige hat dann noch eine Siegchance, dessen
Reifen einen ganzen Grand Prix problemlos durchhalten. Und über die
Distanz den Grip nicht verlieren.
Das gilt auch für die
Empfindlichkeit gegenüber Eindringen von Fremdkörpern. Bei jeder noch
so kleinen Feindberührung ist die Rennstrecke übersät mit den
gefürchteten Carbonsplittern, und es kommt zum Wettbewerb verzerrenden
Einsatz des Safety Cars. Diese irregulären Bedingungen würden sich bei
robusten Reifen – wie sie auch bei Serienwagen erwünscht sind -
erübrigen.
Um die Reifen unbeschädigt über eine volle Grand
Prix Distanz zu bringen muss der Fahrer einfühlsam damit umgehen. Das
ergibt gleichzeitig eine Kraftstoff sparende Fahrweise, die für den
Sieg wichtig ist, weil man so das Nachtanken vermeiden kann, das
inzwischen auch verboten ist. Dafür sind die Tankkapazitäten gewachsen.
Bei
einem effizienten Gesamtpaket spielen auch Luft-und Rollwiderstände der
Reifen eine Rolle und der Fokus der Reifenentwicklung richtet sich dann
ganz zwangsläufig auch auf diese Aspekte. Voraussetzung ist, die
Reifendimensionen werden freigegeben und mehrere Hersteller treten in
Konkurrenz zueinander.
Leider
sind andere Rennserien nicht in der Lage, die Lücke die die Formel 1
als „Entwicklungshelfer“ darstellt, zu füllen. In besonderem Maße
gilt das für die DTM, wo ebenfalls alles genauestens vorgeschrieben ist
und bei der die Wettbewerbsfahrzeuge mit den Serienfahrzeugen
außer den Markennamen rein gar nichts zu tun haben. Auch hier handelt
es sich um einen verkappten „Markenpokal“ mit spezifizierten
Reifengrößen, allerdings in den „modernen“ Dimensionen 265/660 R 18
vorne und 285/660 R 18 hinten. Nicht umsonst behauptet Norbert Haug,
ein von der Öffentlichkeit als bedeutend empfundener Repräsentant der
modernen Automobilindustrie: „Die DTM ist die Formel 1 mit Dach.“ - Dem
kann man nur anfügen: „Leider, leider!“
- DTM-Fahrzeug „der Moderne“
An
den begeisternden Tourenwagen Rennsport der 60er und 70er Jahre können
diese Einheitsfahrzeuge nicht anknüpfen. Sie sind von der Serie zu weit
entfernt, als dass sich der Besitzer eines Audi, BMW – ab 2012 neu mit
sechs Fahrzeugen dabei - oder Mercedes damit identifizieren könnte.
Ebenso wie in der Formel 1 wird hier aus Reglementierungswut eine
Riesenchance vertan. Haben wir nicht Markenpokale genug?
- Reifentrend im automobilen Alltag
Bei
der geschichtlichen Betrachtung der Reifendimensionen kann man auf
verschiedene Art und Weise vorgehen. Entweder man verfolgt die Historie
anhand eines einzigen Modells, das seit den 60ern kontinuierlich gebaut
und weiterentwickelt wurde. Oder man vergleicht ein Modell aus den
60ern mit einem leistungsgleichen Modell aus den 10er-Jahren des neuen
Jahrtausends. Lassen Sie uns einmal anders beginnen:
- Golf GTI „damals“ und „Die Beine Ihres Autos“
Der
Golf GTI, als er 1976 erschien, war mit einem 175er-Reifen serienmäßig
ausgerüstet. Und man neigte dazu, „in die Breite zu gehen“. - Aber wie
„breit“ war richtig? - Was war zu breit? - Ich erinnere mich gut an
Versuche auf der Nürburgring-Nordschleife, auf der das einmal in der
Praxis getestet wurde. Wenn „breit“ gut war, musste man mit „breit“
auch schneller sein. Also wurde der damals noch neue Golf GTI mit dem
Serienreifen, einem 175er um die Nordschleife getrieben. Dann wurde das
Fahrzeug umbereift: Es wurde rundum mit 195er-Reifen bestückt.
Wieder
wurde Runde um Runde gedreht. Es gab kein Vertun: Mit dem 195er-Reifen
auf dem GTI war man schneller unterwegs. Also gab es wohl mehr Grip bei
der Kurvendurchfahrt, beim Herausbeschleunigen, beim Bremsen. - Gut!
Also
jetzt noch breiter: 205er Reifen wurden versucht und – die Rundenzeiten
wurden langsamer. - ??? - Offensichtlich erhöhte sich nicht nur der
Rollwiderstand, sondern auch die Aerodynamik verschlechterte sich. Was
wusste man damals schon davon, welche „Strömungsbremse“ ein Reifen in
einem Radkasten sein kann. - Aber man musste hier nichts wissen, man
konnte es messen: Mit einem 205er Breitreifen war man – auf dem
gleichen Fahrzeug (!) - langsamer, als mit einem 195er-Reifen. - Eine
Bestätigung des alten Sprichwortes: Allzuviel ist ungesund.
- Von da an ging es bergab mit der Entwicklung
Vergleicht
man die Fahrzeugdaten von einzelnen Modellreihen der
unterschiedlichsten Fabrikate über die Produktionsjahre, so muss man
ein Größenwachstum bei den Fahrzeugen registrieren, das natürlich auch
für einen Zuwachs an Gewicht sorgte. Das wurde durch
Leistungserhöhungen ausgeglichen, was – auch der Optik wegen – andere,
größere Reifenquerschnitte verlangte. Aber war das der so oft und gern
zitierte automobile Fortschritt?
Wenn z.B. ein BMW Kunde
damals wie heute mit 150 kW zufrieden ist und die
Leistungseskalation nicht mitmachen möchte, musste er über die
Jahre Schritt für Schritt zu immer kleineren Modellen ausweichen, bis
er schließlich in der kleinsten Baureihe angelangt ist.
Man
kann sich leicht vorstellen, wieviel „Freude“ ihm dieser
kontinuierliche Rückschritt bereitet. Noch weniger Freude würde ihm
aber das Mitmachen bei der Hochrüstung bis zum BMW 550i bereiten. Denn
das wäre ein gänzlich anderes Fahrzeug mit einer völlig anderen
Philosophie und Zielgruppe.
Aber was kommt unten herum als Nächstes? Der Kunde ist also beim 1er BMW angekommen. Kommt nun die BMW Nuller-Serie?
- Was das mit den Reifen zu tun hat
Nur
soviel, als das Größenwachstum der Fahrzeuge zu einem nicht geringen
Teil auf dem Breitenwachstum der Räder und Reifen beruht. Dafür auch
ein Beispiel aus dem Premium-Bereich: Alpina B5 Biturbo. Das Alpina
Fahrzeug ist ein optisch und technisch aufgewerteter und
leistungsgesteigerter BMW 550i. - Der bessere BMW?
- Reifenvergleich BMW-Serie zu Alpina B5 Bi-Turbo
Das
Breitenwachstum der Vorderräder stößt mittlerweile an seine Grenzen.
Die breiten „Schlappen“ sind einfach im Radhaus nicht mehr
unterzubringen, wenn der Wendekreis noch einigermaßen akzeptabel sein
soll. Das sportlich orientierte Modellderivat weicht deshalb auf eine
Mischbereifung aus, sofern es sich um ein heckgetriebenes Fahrzeug mit
ausgewogener Achslastverteilung handelt. Beim Alpina B5 Biturbo ist das
der Fall.
Kopflastigen Fronttrieblern steht diese Option nicht
ohne weiteres zur Verfügung. Sie müssten den breiteren Reifen an der
Vorderachse aufziehen, was vereinzelt sogar schon gemacht wird. Zum
Beispiel besitzt der Audi RS3 Modelljahr 2011 an der Vorderachse die
Dimension 235/35 R 19, hinten 225/35 R 19.
Mit
dem Auftreten von leistungsstarken SUV´s auf deutschen Straßen wurde
ein neues Kapitel in den Reifendimensionen aufgeschlagen. Ab sofort
genügt Breite allein nicht mehr, es muss auch ein möglichst großer
Felgendurchmesser damit einhergehen. Der folgende Vergleich zeigt
anschaulich, bis zu welchen aberwitzigen Größenordnungen sich die
„Gelände“-Reifen bereits entwickelten. Das entgegengesetzte Ende der
Skala markiert der Reifen des Fiat Panda.
Wir haben hier – um
nicht die Geschichte ins uferlose wachsen zu lassen – (wie Sie sicher
auch schon bemerkt haben) mögliche Foto- oder Tabellen-Dokumentationen
fehlen lassen. Aber auch so – erinnern Sie sich einfach mal an die
genannten Modelle – müsste Sie dieser Größenvergleich schocken, da er
die Tragik des modernen Automobilbaus veranschaulicht. Die ständige
Hochrüstung von Leistung und Größe führte zu einer riesigen, geradezu
perversen Differenz zwischen den größten und den kleinsten Fahrzeugen.
Wobei auch ein Fiat Panda über alles verfügt, was ein modernes
Automobil braucht, sogar über vier Türen und vier Sitzplätze. Nur ein
entscheidendes Element fehlt ihm: Prestige. Bekanntlich ist der Mensch
bereit, dafür mehr Geld auszugeben als für vieles andere. Darum setzen
andere Firmen auf Premium, versuchen durch entsprechende Aktionen (auch
z.B. Motorsport) ein Image zu erzeugen, dass ihr Produkt aus der Masse
der anderen Anbeiter heraus hebt. Auch optisch. Zum Beispiel über
große, breite Räder und Reifen.
- Was bringen Breitreifen in der Fahrdynamik?
Da
wäre zunächst der „Fetisch“ Bremsweg: Bremswegmessungen erfreuen sich
bei bei der automobilen Fachpresse steigender Beliebtheit. Sie liefern
objektive Zahlenwerte und der Tester ist somit nicht auf sein eigenes,
subjektives Urteilsvermögen angewiesen. Zahlen lügen nicht. Sagt man.
Aus
diesem Grund erweiterte z.B. „ams“ vor einigen Jahren die Zahl der
Bremsmanöver ganz erheblich. Insgesamt 50 Punkte kann ein Fahrzeug mit
optimalen Bremsleistungen nach „ams“- Definition erzielen. Diese
Vorgehensweise täuscht Objektivität aber nur vor, denn die
Subjektivität wird lediglich von der Fahrzeugbeurteilung auf die
Auswahl der Testkriterien und deren Gewichtung verschoben.
Von
Churchill stammt der bekannte Ausspruch: „Traue keiner Statistik, die
du nicht selbst gefälscht hast.“ Fälschung ist hier in den meisten
Fällen gar nicht erforderlich. Die richtige Auswahl der Kriterien und
deren Gewichtung führen ebenfalls zum angestrebten Ergebnis. Die
Bremswegmessungen liefern den besten Beweis für diese These.
- Über die „Objektivität“ der Bremswegmessungen
Zum
Erzielen einer möglichst guten Bodenhaftung in den entscheidenden
Manövern werden die Reifen sorgfältig ausgesucht und vorbereitet. Erst
einmal werden sie auf dem Prüfstand vorsortiert. Rundlauf,
Fertigungsgenauigkeit und andere Kriterien spielen dabei eine Rolle.
Bevor sie mit dem Fahrzeug Bekanntschaft machen, werden sie in der
Profiltiefe auf das gerade noch akzeptable Mindestmaß reduziert. (Ich
habe dazu vor Jahren schon einmal zum Thema „Testwagenvorbereitung“
etwas geschrieben)
Denn wie jeder am Rennsport interessierte
Laie weiß, verhält sich die Bodenhaftung umgekehrt proportional zur
Profiltiefe. Anschließend werden die Reifen einem ausgeklügelten
Einlauf- und Einbremsprozess unterzogen, bevor sie schließlich mit dem
Zielfahrzeug Bekanntschaft machen. Jetzt erst sind sie bereit, zum
eigentlichen Event anzutreten und werden nun den Testern zugeführt.
So
ähnlich präpariert die Formel 1 ihre Reifen vor dem Rennen. Die Rede
ist hier aber nicht vom Rennsport, sondern von den Reifen für
Testfahrzeuge. Das sind jene Fahrzeuge, die die Automobilhersteller den
Testern kostenlos zur Verfügung stellen. Zugegeben, der Vergleich zur
Formel 1 hinkt. Denn in der Formel 1 gibt es nur einen Hersteller und
eine Größe. Das vereinfacht die Prozedur. Bei den Testfahrzeugen
dagegen müssen die Autobauer aus der Palette der freigegebenen
Reifenhersteller erst einmal denjenigen auswählen, der im Moment gerade
die besten fahrdynamischen Eigenschaften aufweist. Außerdem kommt es
darauf an, den breitesten zulässigen Reifen zu nehmen, auch wenn dieser
nur als Sonderausstattung verfügbar ist.
Ich habe schon erlebt,
dass ich einen Testwagen mit der sehr guten (weil harmonisch dazu
passenden) Reifenausstattung eines bestimmten Herstellers erhielt, der
in umfangreichen Versuchen auf der Nürburgring-Nordschleife diesen
Reifen als den besten für das entsprechende Modell herausgefunden
hatte. Nur: Dieser Reifen wurde in der Serie gar nicht verbaut, war gar
nicht lieferbar. - ??? - Der Abteilung Einkauf war dieser Reifen zu
teuer! - Was aber die Presseabteilung nicht hinderte, die Testwagen für
die Presse mit diesem Fabrikat auszustatten. - Das nur als
(hoffentlich) Extrembeispiel.
Cosí fan tutti - so machen es
alle, und wer nicht mitmacht, wird gnadenlos in Vergleichstests mit
schlechten Noten abqualifiziert. So entbrennt bei den Reifenherstellern
ein gnadenloser Kampf um die beste Bodenhaftung und die besten
Handlingeigenschaften. Denn diese Kriterien entscheiden, ob sie bei den
Automobilherstellern als Lieferant in Frage kommen. Und wie so oft, hat
mal dieser mal jener die Nase vorn. Einmal ist es Pirelli, dann wieder
sind es Dunlop, Michelin, Bridgestone oder andere, die in der „Szene“
als die „Besten“ gehandelt werden. - Natürlich muss auch – s. Beispiel
oben – der Preis stimmen!
Die Folgen für die Reifenentwicklung
sind absehbar. Eine steife Karkasse, eine weiche Gummimischung der
Lauffläche, eine geringe Profiltiefe und wenig Profilaussparungen, das
sind schon einmal wichtige Grundvoraussetzungen für ein gutes
Abschneiden in den fahrdynamischen Untersuchungen. Zu diesen zählen die
verschiedenen Ausweichtests, der Slalom und der Handlingkurs in
Hockenheim. Und nicht zu vergessen, die Bremswegmessungen.
- Bremswege im Fahrzeugvergleich
Bremswege
sind Reifensache! Je breiter und größer der Reifen, desto kürzer der
Bremsweg. Mit diesem simplen Wissen kann man den Ausgang von
Bremsweg-Vergleichsmessungen zweier oder mehrer Fahrzeugmodelle mit
großer Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Schauen Sie selbst mal in die
Ergebnisse von Vergleichstests. (Hinweis: Im „Testjahrbuch“ von
„ams“ gibt es z.B. einen Vergleich zwischen Opel Astra und VW Golf.)
- Bremswegvergleiche in der Kompaktklasse
Spielen
denn die Bremsen und das Bremsregelsystem ABS bei den Bremswegmessungen
überhaupt keine Rolle? Doch, natürlich! Die Bremsen selbst müssen
ausreichend dimensioniert sein, um den Kraftschluss der Reifen optimal
auszunutzen, und um bei thermischer Belastung nicht in das Fading zu
geraten. Und das Anti-Blockier-System soll einerseits möglichst wenig
Bremsweg verschenken, andererseits bei µ-split-Bremsungen und in der
Kurve eine gute Bremsstabilität gewährleisten.
Für die
Erfüllung der ersten Forderung nach einer mehr als ausreichenden
Dimensionierung der Bremsanlagen sorgte ams in der Vergangenheit durch
regelmäßige Bremsenvergleichstests. Die Palette der Tests ergänzen sie
bei diesen Gelegenheiten um einige Prozeduren, die die Bremsen
leistungsmäßig bis an die Grenzen belasten. Bei den Standardmanövern
der Fahrzeugtests ist das in der Regel nicht mehr der Fall, dazu sind
die Bremsen zu großzügig dimensioniert.
Zu Hilfe kommt der
Autoindustrie die Tendenz zu immer größeren Felgendurchmessern, und
dies sogar in zweierlei Hinsicht. Zum Einen vergrößert sich mit dem
Felgendurchmesser der Einbauraum der Bremsen. Ein größerer
Bremsscheibendurchmesser bedeutet aber einen größeren wirksamen
Hebelarm der Bremsbacken. Der zweite Effekt ist eine bessere
Bremsenkühlung durch eben diese größeren Bremsscheiben und durch eine
bessere Luftdurchströmung der großen Felgen.
- Gibt es große Unterschiede bei den Bremsanlagen?
Vergleicht
man die Bremsanlagen unterschiedlicher Fahrzeuge aus dem gleichen
Segment, stellt man eine weitgehende Übereinstimmung aller Bauteile
fest. (Wie man überhaupt feststellen kann, dass sich die Fahrzeuge
immer mehr ähneln.) Dies liegt z. T. daran, dass sich die anbietende
Bremsenindustrie auf einige wenige Hersteller beschränkt, die am
liebsten identische Komponenten in Golf, Astra, Focus usw. einbauen
würden. Eine von den Kosten gesteuerte Tendenz, die sich an vielen
Stellen im Fahrzeug wiederfindet, nicht nur bei den Bremsen.
Weitere
Treiber dieser Vereinheitlichungstendenz sind die Fahrzeughersteller,
die bei den Komponenten ihrer Autos aus Wettbewerbsgründen gerne
mehrere Lieferanten vorhalten, die sie dann gegeneinander ausspielen
können. Dazu dürfen sich die Bauteile und Systeme nur marginal
voneinander unterscheiden.
Das Paradebeispiel für diesen
Sachverhalt ist das ABS/ESP-System. Auf dem Weltmarkt sind nur eine
Handvoll Hersteller die in der Lage, ein solches System anzubieten.
Dazu gehören z.B. Bosch und Conti (vormals Teves). Im Laufe der Jahre
wurden sich die Systeme nicht nur in ihren Grundfunktionen sondern auch
äußerlich zum Verwechseln ähnlich.
- Der Einfluss von ABS/ESP-Systemen
Ein
kurzer Ausflug in die Bremsen-und ESP-Technik soll verdeutlichen, dass
die Unterschiede im Bremsweg nicht von den reinen Hardware-Komponenten
der Bremsanlage herrühren. Zwar können noch kleinere Differenzen
aus unterschiedlichen Prioritäten bei der Abstimmung des
ABS/ESP-Systems resultieren. Der eine Hersteller legt vielleicht mehr
Wert auf Bremsweg, der andere auf Bremsstabilität. Aber ebenso wie bei
der Hardware sind auch bei der Betriebssoftware die Unterschiede nur
noch marginal.
Keinesfalls darf man einen weiteren möglichen
Einfluss unterschlagen. Es handelt sich um das Fahrzeug selbst. Je
länger der Radstand, je tiefer der Schwerpunkt und je gleichmäßiger die
Achslastverteilung, desto einfacher wird die Bremsenauslegung. Und
desto kürzer kann der Bremsweg unter allen Betriebsbedingungen
ausfallen, z.B. beim Bremsen in der Kurve oder auf µ-split. Fahrzeuge
mit geringer Eigenstabilität wie der Smart oder die SUV´s sind hier
definitiv im Nachteil.
Vorder-
und Hinterachse sind bei den jeweiligen Serienprodukten nicht immer
gleich (50 : 50) belastet. Selbst bei einer grundsätzlich optimalen
Gewichtsverteilung verändert sich die beim Bremsen durch die dann
auftretende dynamische Achslastverlagerung so, dass die Hinterachse
weniger Bremskräfte übertragen kann, weil sie entlastet ist. Das wird
noch deutlicher, wenn man Automobile in Bergab-Passagen optimal
abzubremsen versucht. In einer Serienabstimmung gehen hier die
Ingenieure kein Risiko ein, dass heißt, dass der Hinterachse immer
weniger Bremskraft zugesteuert wird, als sie vertragen kann. Erhält sie
nämlich unter bestimmten Umständen zuviel, so sind unkontrollierte
Dreher vorprogrammiert, die von den Fahrzeuglenkern nicht beherrscht
werden können. Andererseits erklärt sich so z.B. das hervorragende
Bremsvermögen eines hecklastigen Porsche 911, weil hier immer noch in
kritischen Bremspassagen an der Hinterachse der zum Bremsen notwendige
Bodenkontakt vorhanden ist. - Es ist also beim Bremsen Grip gefragt. Auch an der Hinterachse.
- Damit wären wir bei der Bedeutung des Reifens
Wenn
nun alle maßgeblichen Bremsen-und Fahrzeugeinflüsse auf den Bremsweg
ausgeschlossen sind, bleibt nur noch der Reifen als bestimmendes
Element übrig. Und von den Reifenparametern wiederum sind im
wesentlichen Gummimischung und Aufstandsfläche für den Bremsweg
verantwortlich. Daraus erklärt sich z. T. die Tendenz zum
Durchmesser-und Breitenwachstum der Reifen. Denn mit diesen beiden
Größen korreliert die Aufstandsfläche. Gleichzeitig nehmen auch
Flächeninhalt der Lauffläche und Verschleißvolumen zu, was die
Möglichkeit eröffnet, eine weichere und damit haftfähigere
Gummimischung einzusetzen. In Summe ergeben sich also enorme
Bremswegvorteile für Breitreifen mit großem Durchmesser – aber nur
unter idealen Bedingungen, wie wir versuchen werden zu verdeutlichen.
Wer
schon einmal eine Formel 1 Übertragung auf RTL über sich ergehen ließ,
weiß über die Reifenproblematik Bescheid. Die beiden hinreichend
bekannten Kommentatoren werden nicht müde, immer wieder die
Reifenproblematik breitzutreten. Im Prinzip geht es immer um das
Gleiche. Die Reifen funktionieren nur in einem bestimmten, engen
Temperaturfenster. Deshalb warten die Reifen mit Heizdecken schön
eingepackt und vorgewärmt auf ihren Einsatz, damit sie der Pilot nach
dem Reifenwechsel nicht erst langwierig auf Betriebstemperatur bringen
muss. Aber der Fahrer muss aufpassen, die Reifen im Eifer des Gefechts
nicht zu überhitzen, denn sonst bauen sie rapide an Haftvermögen ab. Es
entstehen dann die gefürchteten „Körner“, das sind kleine Gummiklumpen,
die sich von der Lauffläche lösen, und auf denen der Reifen wie auf
Kugellagern anfängt zu rutschen. Was die möglichen Beschleunigungen
weiter verringert.
- Ist ein „körnender“ Formel 1 Reifen von Bedeutung für die Serie?
Der
größte Unterschied tritt beim Test bei Serien-Automobilen bei der
„Bremsung warm“ auf. Um einmal den Vergleich Golf/Astra (s. Hinweis aufs
„Testjahrbuch) zu nutzen: Der Bremsweg beim VW Golf verlängert sich
erwartungsgemäß, was die Interpreten bei „ams“ auf die nachlassende
Bremswirkung schieben. Eine Bremse erwärmt sich durch wiederholtes
scharfes Abbremsen und verliert dann durch das sogenannte Fading an
Wirkung, so steht es in jedem Lehrbuch für Bremsen.
Aber was
passiert beim Opel Astra? Paradoxerweise verkürzt sich hier der
Bremsweg um fast einen halben Meter. An dieser Stelle sollte sogar den
Testern von „ams“ klar geworden sein, dass diese Veränderungen nichts
mit der Hardware „Bremse“ zu tun haben kann: In beiden Fällen
resultiert der Unterschied aus den Reifen:
Ähnlich wie
Rennreifen erreichen Breitreifen ihre maximale Bodenhaftung in einem
ganz bestimmten Temperaturbereich. Eigentlich gilt diese Behauptung für
alle Reifen, nur ist bei normalen Reifen das Fenster relativ breit und
zu niedrigen Temperaturen hin verschoben. Je breiter der Reifen, desto
schmaler wird das Temperaturfenster, und desto höher liegt die
Temperatur der besten Haftwirkung.
Angenommen, die
Reifentemperatur bei der ersten Bremsung liegt in beiden Fällen bei
20°C. Bei der zehnten Messung liegt Opel bei 70°C. VW liegt dann bei
80°C, weil sich der schmalere Reifen stärker erwärmt.
Wir wollen
hier auf weitere Details verzichten, sondern als Ergebnis unserer
Beurteilung festhalten: Freispruch für die Bremsen des VW Golf. Die
Verantwortung für die Bremswege liegt eindeutig bei den Reifen.
- Das (meteorologische) Klima in Deutschland
Nicht
nur im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich herrscht in
Deutschland derzeit ein recht frostiges Klima. Während sieben Monaten
des Jahres liegen in Deutschland die Durchschnittstemperaturen
unterhalb 10°C. Nur selten steigen die maximalen Temperaturen über
20°C an, die Durchschnittstemperaturen erreichen nicht einmal im
Hochsommer die 20°C- Marke.
Daraus kann man ableiten, mit
welcher Wahrscheinlichkeit Vollbremsungen bei diesen Temperaturen
stattfinden werden. Ca. 80 Prozent aller Bremsungen ereignen sich bei
Außentemperaturen unter 15°C. Für unter 10°C sind es immerhin noch ca.
50 Prozent. In der Gewissheit, dass in mindestens 95 Prozent aller
Fälle die Außentemperatur identisch mit der Reifentemperatur ist,
können diese Werte unverändert für die Bremswegmessungen übernommen
werden. Anders ausgedrückt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent
findet eine Bremsung, bei der es auf jeden Zentimeter Bremsweg ankommt,
bei Reifentemperaturen oberhalb von 15°C statt, oberhalb 10°C sind es
50 Prozent.
- Der Bremsweg bei Tieftemperaturen
Wesentlich
kritischer sieht die Lage aus bei noch tieferen Temperaturen. Bereits
bei 0°C ist der Breitreifen dem Normalreifen hoffnungslos unterlegen.
Bei Minusgraden hat selbst der Normalreifen schon Einbußen zu
verzeichnen, das Haft(un)vermögen des Breitreifens wird geradezu
kriminell. Fahrzeuge mit diesen Reifen werden zur potentiellen
Bedrohung aller Verkehrsteilnehmer, sie selbst mit eingeschlossen.
Durch die Breitreifenbrille betrachtet erweist sich die Forderung nach
Winterreifen als absolut sinnvoll und richtig.
Zur
Ehrenrettung der Fachpresse (und von „ams“) muss man feststellen, dass
sich die Bremswegmessungen nicht nur auf Fahrzeugvergleiche
beschränken. Jedes halbe Jahr werden aufwendige Versuche unternommen,
den besten Sommer-bzw. Winterreifen zu ermitteln. Zu diesen Vergleichen
treten jeweils zehn verschiedene Fabrikate einer bestimmten Reifengröße
gegeneinander an, montiert auf jeweils ein-und demselben Fahrzeug. Der
jüngste Winterreifentest im Oktober 2010 (z.B. von „ams“) beinhaltete
insgesamt 15 Testkriterien, vier davon auf Schnee und jeweils fünf auf
nassem und trockenem Asphalt. Bei diesen Tests geht „ams“
selbstverständlich davon aus, dass das jeweilige Fahrzeug in der Lage
ist, den Kraftschluss zwischen Reifen und Fahrbahn maximal auszunutzen.
Interessant ist der Vergleich des Winterreifen-Tests mit dem
Test von Sommerreifen des Typs Breitreifen, der im Mai 2010 (ebenfalls
von „ams“) ebenfalls an 10 Fabrikaten durchgeführt wurde.
Wir
möchten da nur auf die prinzipiellen Unterschiede hinweisen: Es gibt
einen deutlichen Unterschied beim Bremsweg auf trockener Straße. Mit
den „schmalen“ Winterreifen verlängert sich der Bremsweg aus 100 km/h
um etwa 10 Prozent. Bei den Sommerreifen ist eine größere Streuung zu
registrieren, die von einem „positiven Ausreißer“ (mit 36,4 Metern)
herrührt.
Gänzlich anders sieht die Lage bei nasser Straße aus.
Der Vorteil der Breitreifen beträgt im Mittel nur noch 1 Meter. Und das
auch nur, weil auch hier wieder ein positiver Ausreißer den Mittelwert
verbessert, während ein negativer Ausreißer bei den Winterreifen deren
Mittelwert verschlechtert. Jedenfalls ist der beste Winterreifen
deutlich besser als der schlechteste Sommerreifen.
Haben Sie
einen Reifenvergleichstest auch einmal aus diesem Blickwinkel
betrachtet? Meist erschöpft sich die Wahrnehmung des normalen Lesers im
Vergleich von absoluten Zahlen. (Weshalb es – auch das ist eine
Erklärung – in dieser Geschichte keine Tabellen und Diagramme gibt.
Aber auch – ganz ehrlich – um die Geschichte nicht ausufern zu lassen.)
Diese
Betrachtung vermittelt eine Ahnung davon, wie aufwendig die Tests
gestaltet sein müssen, um allen Probanden die gleichen Voraussetzungen
zu gewährleisten. Oder muss man nicht vielmehr im Konjunktiv bleiben? -
Denn die Normalität ist: Absolut identische Rahmenbedingungen lassen
sich beim besten Willen nicht erzeugen.
Das beginnt bei der
Temperatur, und setzt sich fort bei der Luftfeuchtigkeit, der
Sonneneinstrahlung und dem Wind. Man kann davon ausgehen, dass sich die
Tests über mehrere Tage hinziehen, und sich die Parameter grundlegend
ändern. Schon allein ein Bremsversuch am Morgen bietet andere
Voraussetzungen als einer am Nachmittag.
Dazu kommt noch das
Problem, dass nicht jeder Reifen mit dem Testfahrzeug gleich gut
harmoniert. Die Hersteller Audi, BMW und Mercedes sind schon seit
langem dazu übergegangen, für ihre Fahrzeuge spezielle Reifen
entwickeln zu lassen. Das sind keine gänzlichen Neukonstruktionen,
sondern „nur“ modifizierte Standardreifen. Bei den Vergleichstests
kommen aber die Standardprodukte zum Einsatz, und nicht die für das
Testfahrzeug zugeschnittenen Derivate.
- Ganz kurz angerissen: „Mischbereifung“
Womit
wir eigentlich bei einem weiteren Problem für den normalen Autofahrer
und -Nutzer angekommen wären: Obwohl man beim Nachkauf (wenn die
Serienbereifung deutliche Verschleißerscheinungen zeigt) dann das gleiche
Fabrikat, die gleiche Größe mit der gleichen Bezeichnung kauft, fährt
man dann oft mit einer „Mischbereifung“, die das Fahrverhalten evtl.
deutlich verändern kann. Obwohl sich die Eigenschaften eines bestimmten
Reifens einer bestimmten Marke über die Jahre deutlich verändern
können, tragen sie meist die gleiche Bezeichnung, sind aus der Sicht
der Autofahrer von gleicher Qualität, haben die gleichen Eigenschaften.
- Die haben sie nicht! - So sind dann viele Automobilisten mit einer
„Mischbereifung“ unterwegs, ohne es zu wissen. Was die Sicherheit nicht
erhöht!
- Die Reifen und das Fahrverhalten bei Tests
Was
für den Bremsweg gilt, gilt gleichermaßen für das Fahrverhalten. Die
entsprechenden Tests für die Beurteilung der Straßenlage sind 18m
Slalom, ISO-Wedeltest und VDA Ausweichgasse, letztere umgangssprachlich
auch „Elchtest“ genannt. In seltenen Fällen, etwa bei Sportwagen (und
ähnlichen Fahrzeugen) wird irgendwo noch eine „schnelle Runde“
absolviert.
Als Kriterium für Straßenlage und Sicherheit gilt
die Geschwindigkeit, mit der die Testobjekte diese Manöver absolvieren
können. Nach der Maßgabe, je schneller, desto besser.
Für die
Übungen gibt es eine Gesamtnote von (bleiben wir mal bei „ams“) maximal
zehn Punkten. In einem Fall (bleiben wir hier beim Vergleichstest von
VW/Opel) erhielten beide Kandidaten neun Punkte, was in Anbetracht der
minimalen Unterschiede völlig in Ordnung geht.
Die geringen
Differenzen sind als Indiz zu werten, dass die Entwicklungsmannschaften
beider Häuser ihr Handwerk verstehen, die Wolfsburger vielleicht eine
Spur besser als die Rüsselsheimer. Denn sonst könnte sich der Opel
Astra zumindest geringfügige fahrdynamische Vorteile verschaffen.
Beiden gelingt es aber, ihre Fahrzeuge möglichst neutral abzustimmen,
denn das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein rasches
Durcheilen der Pylonengassen, ohne dass das ESP korrigierend und
bremsend eingreifen muss.
- Die Reifen und ihr Einfluss auf den Komfort
Anlässlich
von Testfahrten in den 80er Jahren mit Jaguar XJ12 und Jaguar Sovereign
schwärmten die Automobiltester landauf, landab vom überragenden
Komfort, vom geschmeidigen, samtweichen Abrollen selbst auf holperiger
Straße, vom sanften Dahingleiten ohne störende Impulse vom Fahrwerk.
Völlig zu Recht trägt eines der exklusivsten Modelle den Namen
Sovereign.
Das empfanden Marketingexperten aber als nicht
zeitgemäß. Deshalb veranlassten sie die Ingenieure mit dem Zeitgeist
Schritt zu halten und die Marke in Richtung Sportlichkeit zu trimmen.
Angestachelt durch den Erfolg von „sportlichen Marken“ und mit dem
Blick auf höhere Stückzahlen verließen sie ihre angestammte
Marktnische, und gaben damit ihr kostbares Alleinstellungsmerkmal auf.
Sie brachten es fertig, das Markenimage durch ein pseudomodernes
Design, eine unübersichtliche Modellvielfalt und ein „sportliches“
Fahrverhalten irreparabel zu beschädigen.
- Beispielhaft: Der Jaguar XJ von 2010
Wichtigster
Bestandteil der „Modernisierung“ waren natürlich die Reifen. Unschwer
ist auszumachen, wohin die Reise bei den Reifendimensionen führte,
nämlich zur gleichen Verneigung vor den extremen Niederquerschnitten
wie bei allen anderen Herstellern auch:
Jaguar
XJ 12 von 1980:
205/70
VR 15
Jaguar XJ 5.0 V8 Kompressor von 2010: 245/45 R19 Y
Um
den Komfort war es da nicht mehr zum Besten bestellt, denn der
Niederquerschnitt federt im Verhältnis zu seinem alten Kameraden sehr
schlecht. Er teilt harte, trockene Schläge aus, was auf drei Ursachen
zurückzuführen ist.
-
Der Breitreifen besitzt zur Vermeidung von Verformung unter
Seitenkräften über äußerst steife Flanken. In Verbindung mit der
geringen Flankenhöhe gibt er in vertikaler Richtung kaum noch nach.
-
Die Lauffläche soll auch unter Belastung noch gleichmäßig über die
ganze Breite auf der Straße aufliegen, also muss sie sehr steif
ausgeführt sein.
- Zusätzlich
sorgt ein hoher Luftdruck dafür, dass das ganze Gebilde sich möglichst
wenig unter allen vorkommenden Belastungsrichtungen verformt.
Das
alles zusammen verbessert zwar die Handlingeigenschaften, die
Lenkpräzision, die Agilität und die möglichen Beschleunigungen. Es
vermindert aber ganz dramatisch die Federungs- und
Dämpfungseigenschaften des Reifens. Leider besagt der technische
Sachverhalt, dass es für den Federungs-und Abrollkomfort umso besser
ist, je näher am Entstehungsort die Fahrbahnunebenheiten abgefangen,
„geschluckt“ werden. Am allerbesten ist es demnach, wenn der Reifen
bereits das Meiste schluckt. Hat die Bodenunebenheit erst einmal das
schwere Rad einschließlich der Bremse (ungefederte Masse) in Bewegung
versetzt, wird es bedeutend schwieriger, diesen Impuls abzufangen und
vom Fahrer fernzuhalten. Diese Aufgabe müssen dann aufwendige
Achskonstruktionen und Feder-/Dämpfersysteme zu übernehmen versuchen.
- Komfortvergleich Astra -Golf
Je
breiter der Reifen, desto unkomfortabler das Fahrwerk. Gilt diese
Annahme auch für die beiden Kontrahenten Opel Astra und VW Golf, die
wir bisher schon mal zum Vergleich herangezogen haben?
Ja, dieser Zusammenhang ist auch hier festzustellen und bestätigt die o.g. Theorie in der Praxis.
- Reifen/Felge als Konstruktions-Element
Entscheidend
für ein sportliches Fahrverhalten mit präzisen Lenkeigenschaften und
hohen Querbeschleunigungen ist das Verhalten der Reifen gegenüber der
Fahrbahn. Die Aufstandsfläche soll sich unter der Einwirkung von Quer-,
Längs-und Vertikalkräften möglichst
wenig verformen, d.h. der
Reifen soll immer möglichst großflächig auf der Fahrbahn aufliegen. Was
den Reifen selbst anbetrifft, so bieten die Niederquerschnittstypen
dafür scheinbar (!!! - wir kommen später noch dazu) die besten
Voraussetzungen, da sie in sich wesentlich steifer sind als die
Exemplare früherer Jahre.
Extreme Breitreifen stellen aber an
das Fahrgestell und die Achsen extrem hohe Anforderungen. Kommt es beim
Lenken und Federn nur zu den geringsten Sturzänderungen, liegt der
Reifen nicht mehr satt auf der Fahrbahn auf, sondern trägt nur noch
(etwas überzeichnet beschrieben) „auf der Kante“. So entsteht ein
Zielkonflikt zwischen exakter Radführung und komfortabler, das heißt
elastischer Achslagerung.
Ohne in die Tiefen der Theorie über
Achskinematik einzusteigen lässt sich vereinfacht sagen, dass eine
präzise und gleichzeitig komfortable Radführung mit erheblichem Aufwand
verbunden ist. Denn guter Komfort bedeutet, die harten, trockenen
Schläge, die ein unnachgiebiger, schwerer Breitreifen austeilt,
möglichst vom Fahrer fernzuhalten. Und das wiederum bedeutet relativ
weiche Gummilager, Federn und Dämpfer – alles andere als günstige
Voraussetzungen für eine präzise Radführung.
- Lösung: Die Raumlenkerachse
Den
Reigen der aufwendigen Achssysteme eröffnete Mercedes 1983 mit dem
Serienstart des190er und der sogenannten Raumlenker-Hinterachse, die
auch beim neuen Modell (2011) zum Einsatz kommt. Dieses eigentlich
kinematisch überbestimmte System funktioniert nur dank ausgeklügelter
Anordnung von Lenkern und Gummilagern.
Aber dieses Prinzip der
überbestimmten Mehrlenkerachse sollte zur Blaupause für viele
zukünftige Systeme werden. Sogar bei BMW lösten ähnliche Konzepte die
traditionelle Schräglenkerachse an der Hinterachse ab. Die
zeichnete sich vor allem durch den negativen Sturz aus, der sich bei
Beladung oder Tieferlegung noch dramatisch vergrößerte. Jeder, der
schon Gelegenheit hatte, hinter einem voll beladenen BMW der 02er Reihe
herzufahren, kennt diese Eigenheit.
Mit den damaligen Reifen
konnte man dieses Phänomen gerade noch tolerieren, aber mit den
Niederquerschnittsreifen war dieses Achsprinzip nicht mehr kompatibel.
Die Schräglenkerachse wurde dank der „flachen“ Breitreifen ein Fall
fürs Museum. Mit Einführung der flachen Breitreifen hat sich die
Industrie selbst ein Problem geschaffen, das auch für die Käufer teuer
wurde.
- Breitreifen vergrößern die Probleme
Kein
Wunder, dass inzwischen hochkomplexe Achssysteme nach und nach auch in
den unteren Fahrzeugklassen Einzug halten. Sogar an den nicht
angetriebenen Hinterachsen von Kleinwagen sind sie schon vereinzelt zu
beobachten. Das Problem allerFahrzeughersteller ist die enorme
Spreizung der Leistung innerhalb einer Modellreihe. Denn die Auslegung
des Fahrwerks orientiert sich immer am stärksten Derivat, während die
schwächeren Modelle zwangsläufig die gleiche „hochwertige“ Auslegung
überflüssigerweise spazierenfahren. So kommt es, dass die
stückzahlmäßig bedeutenden „Brot-und Butter-Fahrzeuge“ die Nachteile
von ein paar wenigen Hochleistungsmodellen mit sich herumschleppen. -
Und kostenmäßig zusätzlich belastet sind!
Beispielsweise reicht
die Spannweite der Leistung bei einem typischen Vertreter der
Kleinwagenklasse, dem VW Polo, von 60 PS bis 180 PS. Der kleinste
Reifen ist ein 175/70 R 14 auf Felgen 5J x 14, der Größte ein 215/50 R
17 auf Felgen 7J x 17.
- Kleiner Fingerzeig auf die Auswirkungen beim VW Polo
Nur
bei entsprechend üppiger Dimensionierung eignen sich die Achsen für die
Breitreifen und die hohe Motorleistung. Das macht sie nicht nur schwer
und teuer sondern auch voluminös. Achsen plus Räder beanspruchen
wertvollen Einbauraum. Sie tragen auf diese Weise nicht unerheblich zum
Wachstum der Fahrzeuge bei. Vor allem das Wachstum in die Breite ist
eine unausweichliche Folge der Breitreifentendenz.
- Auswirkungen auf die Karosserie
Ein
weiteres wichtiges Element für eine präzise Radführung ist die
Karosserie. Denn was nützen der steifste Reifen und die präziseste
Achse, wenn eine weiche Karosserie damit nichts anfangen kann. Nur eine
steife Karosserie kann eine exakte Stellung aller Räder bei Kurvenfahrt
oder beim Ein-und Ausfedern gewährleisten.
Bei Rennfahrzeugen
üblich ist das Versteifung der Federbeindome durch eine Strebe,
und/oder gleich der Einbau eine Überrollkäfigs.
Dass solche
Versteifungsmaßnahmen spürbare Verbesserungen im Fahrverhalten bedeuten
ist schon ein sicheres Anzeichen dafür, dass das Prinzip der
selbsttragenden Karosserie hier an seine Grenzen stößt. Da helfen auch
keine hochfesten Stähle, wie es häufig die Werbung suggeriert, denn
diese verbessern nicht die Steifigkeit, sondern nur die Belastbarkeit
in besonders gestressten Zonen. Eine Belastung, die ihren Ursprung im
harten Reifen hat, und die sich über die Achsen in die Karosserie
fortpflanzt. Eine Verbesserung der Biege-und Torsionssteifigkeit ist
nur durch Materialeinsatz oder Vergrößerung der Querschnitte zu
erreichen. Beides wirkt sich negativ auf Kosten, Gewicht und Einbauraum
aus.
Ein gutes Beispiel dafür, wie verheerend sich harte und
schwere Reifen auswirken liefern die Cabrios. Nur mit
Karosserieversteifungen von ca. 100 Kilogramm lässt sich das
gefürchtete Zittern beim Überfahren von Bodenunebenheiten abstellen und
ein brauchbares Fahrverhalten erzeugen. Trotzdem kommt es nur selten an
die Qualität einer geschlossenen Karosserie heran. Selbst da können
aber Probleme auftreten, wenn die (per Computerberechnung nachweisbar)
statische Festigkeit zwar gegeben ist, aber dann dynamisch... - So war
– sehr gut mit einer „großen“ Motorisierung zu erfahren – der 1er BMW
in seiner Karosse eigentlich bei dynamischer Beanspruchung zu weich.
Eigentlich wurde diese „Schwäche“ erst mit der Einführung des Coupés
beseitigt.
- Alu Spaceframe und andere teure Lösungen
Eine
kleine Unterbrechung der stetigen Aufwärtsspirale von Größe und Gewicht
bewirkt das Alu-Spaceframe, allerdings mit der Betonung auf klein und
massiv zu Lasten der Kosten.
Wenn Kosten überhaupt keine Rolle
spielen, wie z.B. bei Luxussportwägen, nimmt man für die Karosserie
bzw. das Monocoque heutzutage ausschließlich Kohlefaser. Die
großserientaugliche und bezahlbare Anwendung dieser Technologie schwebt
aber noch in weiter Ferne. Die letzten Entwicklungen auf diesem Gebiet
von McLaren (z.B. MP4-12C auf http://www.mclarenautomotive.com/de/default.aspx#/p11/explode ) zeigen zwar eine Richtung auf, sind aber noch nicht
wirklich großserientauglich.
- Winterreifen – ein Wintermärchen?
Jedes
Jahr bei Wintereinbruch das gleiche Drama: Nichts geht mehr. Kilometer
lange Staus auf den Autobahnen und reihenweise Unfälle auf den
Landstraßen. Dabei warnte die Presse bereits im Oktober vor dem
Wintereinbruch und empfahl eindringlich „zweimal O“, gleichbedeutend
mit Winterreifen von „O“ktober bis „O“stern.
Im Zusammenhang
mit der Einführung der Winterreifenpflicht wurden von den Medien viele
Autofahrer zu einer Stellungnahme gebeten. Übereinstimmend begrüßten
sie die Vorschrift und verurteilten das Fahren mit Sommerreifen auf das
schärfste. Alle glaubten, die Probleme bei Wintereinbruch mit Unfällen
und Staus seien nur auf die unvernünftigen Fahrer mit Sommerreifen
zurückzuführen. Die Presse stieß ins gleiche Horn. Die SZ schreibt am
07.12 2010, also bereits nach Einführung der Winterreifenpflicht:
„Trotz der neuen Winterreifenpflicht sind offenbar viele Autofahrer
immer noch mit Sommerreifen unterwegs.“ Der Journalist glaubte, dass
Hunderte von Unfällen nach Blitzeis allein in Bayern auf die Kappe von
Sommerreifenfahrern gehen.
Aber was geschah wirklich?
Zugegeben, der Wintereinbruch im Dezember 2010 war der härteste seit
langem. Aber auch das Unfallgeschehen sprengte sämtliche
Negativrekorde. Deutschlandweit passierten Tausende von Unfällen, nicht
wenige mit Todesfolge. Besonders beängstigend war die Feststellung,
dass sich offensichtlich die Autofahrer nicht wie in den letzten Jahren
an die Verhältnisse gewöhnten. Jeden Tag aufs Neue waren die Zeitungen
und Medien voll von Schreckensmeldungen aus dem Straßenverkehr.
Es
sieht fast so aus, als hätte die Winterreifenpflicht ihre beabsichtigte
Wirkung verfehlt. Oder um mit Frederic Vester zu sprechen: Unfälle auf
Schnee und Eis trotz oder wegen Winterreifen?
Typisch
für falsche Bereifung scheint der Unfall des bekannten Sportreporters
und Fernsehmoderators Gerd Rubenbauer zu sein: Sommerreifen im Winter.
Der Unfall ereignete sich auf der Autobahn Garmisch-München in den
frühen Morgenstunden des 27.November 2010, einen Tag vor der
Winterreifenpflicht.
Rubenbauer, der als sicherer und
routinierter Fahrer gilt, war mit seinem sommerbereiften Audi A6 Allrad
auf der von Schneematsch bedeckten Straße gewohnt schnell unterwegs,
als der Wagen urplötzlich ins Schleudern geriet, die Mittelleitplanke
durchbrach, sich überschlug und auf der Seite zu liegen kam. Rubenbauer
konnte sich mit Hilfe der Rettungssanitäter aus dem Wagen befreien und
erlitt nur leichte Verletzungen. Der Wagen im Wert von 90.000 € war
Totalschaden.
Ein typischer Sommerreifenunfall? - Das kommt
ganz auf den Typ des Sommerreifens an. Mit einem Ganzjahresreifen wäre
der Unfall mit großer Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen. Gerd
Rubenbauer hatte aber an seinem Audi A6 Allrad Breitreifen montiert,
die unter diesen Bedingungen - Eisglätte plus Tieftemperaturen - kaum
noch über nennenswerten Kraftschluss verfügen. (Das Fahrzeug war wohl
- laut Aufschrift an der Tür - eine Leihgabe von Audi zur Ski-WM 2011 in
Garmisch.)
Eine andere Frage, die sich förmlich aufdrängt
lautet: Warum fuhr der routinierte Fahrer nicht mit angepasster
Geschwindigkeit? Es ist zu vermuten, dass er sich über die wirklichen
Verhältnisse nicht im Klaren war. Ein Allradfahrzeug gaukelt dem Fahrer
aufgrund seiner
Traktion beim Beschleunigen einen höheren
Fahrbahnreibwert vor, als tatsächlich vorhanden ist. Dagegen drehen bei
Front-und Heckantrieb frühzeitig die Räder durch. Selbst ESP kann ein
leichtes Durchdrehen nicht verhindern. Der Fahrer wird durch das
hörbare Eingreifen des Schlupfregelsystems deutlich gewarnt und das
bedeutet für ihn, erhöhte Vorsicht walten zu lassen. Der Fahrer eines
Allradfahrzeuges bekommt diesen Warnhinweis entweder gar nicht oder nur
in stark abgeschwächter Form vermittelt.
- Werbung z.B. für das „intelligente“ Allradsystem xDrive von BMW
Die
zunehmend aggressiver werdende Werbung bewirkt ebenfalls ein
trügerisches Sicherheitsgefühl bei Allradfahrern. Die Spots von BMW im
österreichischen und schweizerischen Fernsehen erwecken den Eindruck,
dass man mit einem Allradsystem auf winterlichen Fahrbahnen genauso
schnell und sorglos fahren kann wie auf trockenem Asphalt. Nach dem
Motto: Das Allradsystem wird es schon richten. Ein bewusste aber
verhängnisvolle Täuschung und Irreführung der Kunden? - Techniker haben
wahrscheinlich keinen Einfluss auf den Inhalt von Werbung.
Wäre
die Winterreifenvorschrift nur einen Tag früher in Kraft getreten, der
Rubenbauer-Unfall wäre höchstwahrscheinlich nicht passiert. Die
Vorschrift besagt, dass man bei entsprechenden Straßenzuständen, also
bei Schnee-, Eis-, Reifglätte und Schneematsch, nur noch mit M+S
gekennzeichneten Reifen unterwegs sein darf. Das können sowohl
Ganzjahresreifen sein wie auch „reinrassige“ Winterreifen.
- Wintertaugliche Reifen mit Schneeflocke und/oder M+S-Prägung
Im
Umkehrschluss heißt das, dass bei trockener Straße auch mit
Sommerreifen gefahren werden darf. Und hier schlummert ein erhebliches
Sicherheitsrisiko. Denn wie wir gesehen haben baut der extreme
Niederquerschnittreifen seinen Reibwert temperaturabhängig ab
und
wird umso mehr zum Sicherheitsrisiko, je kälter es ist. Ein Risiko, das
den Sicherheitsgewinn dieses Reifentyps bei Normaltemperaturen
erheblich übersteigt.
Der typische Wechseltermin auf
Winterreifen in Deutschland ist Ende Oktober – Anfang November. Aus der
Temperaturverteilung in Deutschland ist ersichtlich, dass bereits im
August die Tagesdurchschnittstemperaturen unter 10°C fallen können.
Besonders in den Morgenstunden sind sogar noch weit niedrigere
Temperaturen möglich. Man kann also davon ausgehen, dass Fahrzeuge mit
Sommer-Breitreifen in den Monaten von August bis Mai sehr häufig über
schlechtere Bremsenleistungen verfügen als die meisten anderen
Verkehrsteilnehmer, die auf "schmalen Rädern" unterwegs sind.
Eingedenk dieser Zusammenhänge müsste an
Stelle des Winterreifen-Gebots ein Breitreifen-Verbot in Kraft treten,
mindestens für die Monate Oktober bis April. Oder die Breitreifen
müssten unter Verzicht auf den letzten Meter Bremsweg bei hohen
Reifentemperaturen tieftemperaturtauglicher ausgelegt werden. Oder
gleich ganz wintertauglich. Dann würde auch der lästige Wechsel
entfallen.
- Überbewertung und -Kompensation von Sicherheitseinrichtungen
Bei
der Einführung des ABS waren die Versicherungen überzeugt, dass die
Unfallhäufigkeit der Fahrzeuge mit diesem Sicherheitssystem deutlich
zurückgehen würde. Sie gewährten dafür einen Rabatt, um auf diese Weise
die Verbreitung des Systems zu unterstützen. ABS war damals eine
seltene und teuere Sonderausstattung. Es dauerte nur ein Jahr, nämlich
bis zum Vorliegen der Unfallstatistiken, dann wurde dieser Rabatt
schleunigst wieder abgeschafft. Denn wie sich herausstellte, waren
diese Fahrer überdurchschnittlich oft in Unfälle verwickelt. Der
vermeintliche Sicherheitsgewinn wurde durch eine riskantere Fahrweise
überkompensiert.
Spielt dieser Effekt bei den Winterreifen
ebenfalls eine Rolle? Der Hype um Winterreifen suggeriert den
Normalfahrern, dass damit ihre Probleme gelöst sind. So kann man die
Aussagen vieler der interviewten Autofahrer interpretieren. Sie fühlen
sich sicher und fahren dementsprechend. Solange bis sie schmerzhaft
feststellen, dass auch diese Reifen auf Schnee und Eis keine Wunder
vollbringen können.
Die Werbung tut ein Übriges, eine
eigentlich nur marginale Verbesserung der Bodenhaftung als Lösung aller
winterlichen Probleme anzupreisen.
- Winterreifen-Werbung am Beispiel von Michelin
Die
Wahrheit versteckt sich im Kleingedruckten: Michelin verspricht für
einen neuen Winterreifen eine Verkürzung des Bremsweges bei
winterlichen Straßenverhältnissen um bis zu 5% - und noch kleiner
gedruckt - gegenüber seinem Vorgänger. In begreifbare Zahlen umgesetzt
sieht das in der Praxis so aus:
-
Ein für Schneefahrbahnen typischer Reibwert von 0,25 verbessert sich
maximal um 0,125 auf 0,2625. Der zugehörige Bremsweg aus 50 km/h
verkürzt sich von 39 auf 37 Meter.
- Bei
Blitzeis verbessert sich der Reibwert von 0,1 auf 0,105, das bedeutet
eine Bremswegverkürzung von 97 auf 92 Meter. Ebenfalls aus 50 km/h.
- Aber Achtung! Auf trockenem Asphalt beträgt der Bremsweg aus 50 km/h gerade mal 12 Meter.
Entscheidend
sind also nicht die lächerlichen 5 Prozent. Entscheidend ist einzig und
allein der Unterschied zwischen den winterlichen Fahrbahnen und dem
trockenem Asphalt. Denn hier geht es nicht mehr um Prozente, sondern um
Faktoren, an denen ein noch so guter Winterreifen nichts entscheidend
ändern kann.
Selbst Experten müssen sich diese Zahlenwerte
immer wieder ins Gedächtnis rufen, um bei den entsprechenden
Verhältnissen nicht übermütig zu werden. Der Laie glaubt aber, er hätte
eine beinahe so gute Bremswirkung wie auf trockenem Asphalt.
Anstatt
sich zu weigern, diese gefährliche Werbe-Botschaft zu drucken, lassen
sich die Fachjournale die Einnahmen für eine solche meist doppelseitige
Werbung nicht entgehen. Im Gegenteil, sie leisten sogar noch
Schützenhilfe mit dem Hinweis auf das Ergebnis ihres eigenen
Reifentests.
Wie muss es um eineZeitschrift und ihre
Verantwortungsbewusstsein bestellt sein, die sämtliche
Forschungsergebnisse und Erfahrungen ignoriert? - Erfahrungen mit
ABS, Sicherheitsgurten, Helmen, Schutzkleidungen und
Schutzvorrichtungen (auch Kondomen!) legen einen vorsichtigen Umgang
mit Sicherheitsversprechungen nahe. Denn ein echter oder vermeintlicher
Sicherheitsgewinn wird sofort durch risikoreicheres Verhalten
aufgehoben. Psychologen sprechen von der sog. Risiko-Kompensation oder
Risiko-Homöostase.
Dieser Verdacht muss dringend durch
Forschungsaktivitäten entweder erhärtet oder ausgeräumt werden.
Verkehrsministerium, Industrie, Automobilvereinigungen, TÜV und Medien
sollten entsprechende Projekte an Hochschulen und Instituten anstoßen
und finanzieren.
Obwohl sie eigentlich überflüssig sind: Jeder
Autofahrer kann sich beim Hinterherfahren z.B. davon überzeugen, wo
„moderne“ Autofahrer heute bremsen: In der Kurve. (Ersichtlich am
Aufleuchten des Bremslichts) – Ich habe darauf z.B. schon mehrfach
hingewiesen.
Das
Schlimmste, was man einem Winterreifen antun kann ist, ihn bei hohen
Außentemperaturen zu fahren. Einen Winterreifen im Sommer zu fahren ist
zwar nicht ganz so sicherheitskritisch wie ein Sommer-Breitreifen im
Winter, aber seine Eigenschaften verändern sich erheblich zum
Schlechteren. Bremswege werden länger und die Lenkung schwammiger und
unpräziser. Außerdem erhöht sich der Verschleiß dramatisch und belastet
unnötigerweise den Geldbeutel und die Umwelt.
- Der Reifen und der Wendekreis
„Wendekreis
des Krebses“ heißt das berühmt-berüchtigte Buch von Henry Miller, für
das er von der prüden amerikanischen Justiz in den 60er Jahren
angeklagt wurde. Die Wendekreise heutiger Automobile bieten zwar keine
juristische Handhabe, um die Hersteller dafür vor den Kadi zu zitieren,
aber skandalös sind sie allemal. - Jawohl: Skandalös!
Vergleichen
wir einmal den Anspruch an den Verkehrsraum des Fiat Panda mit dem Audi
Q7: Der Q7 beansprucht für sich den knapp 1,5-fachen Verkehrsraum wie
ein Fiat Panda. Warum leben die Fahrzeuge mit breiten Reifen auf so
großem Fuße? Für einen gleich großen Wendekreis wie bei den schmalen
müssten die breiten Fahrzeuge die kurveninneren Räder stärker
einschlagen. Die breiten Räder bräuchten demnach noch mehr Platz im
Radhaus als allein wegen der Breite sowieso vorgesehen werden muss. Ein
größerer Einschlagwinkel wird außerdem durch den maximalen Beugewinkel
der Antriebswellen (bei Frontantrieb- und Allrad-) verhindert.
Noch
deutlicher wird die Wendekreisproblematik beim Längseinparken. Selten
wird man eine Parklücke von der erforderlichen Länge vorfinden, um mit
einem Q7 ohne Rangieren hineinstoßen zu können. Da trifft es sich gut,
dass das Ego der Fahrer der Größe des Fahrzeugs in nichts nachsteht.
Sie haben kein Problem damit, in zweiter Reihe zu parken oder zwei
Parkplätze für sich alleine zu beanspruchen. - Selbstbewusst parken –
für Großraumfahrzeugbesitzer scheint das kein Problem darzustellen. -
Aber warum findet man sie und ihre Automobile so selten in Parkhäusern?
Dort sind die Fahrer eines großen SUV einfach überfordert. Das Fahrzeug
passt nicht ins Parkhaus, in die vorgesehene „Norm-Parkfläche“. - Also
parkt man dann – selbstbewusst? - in der zweiten Reihe auf der Straße.
Das
nächste Problem von Fahrzeugen mit großem Wendekreis betrifft nicht
mehr nur die Sozialverträglichkeit sondern die Sicherheit. Gelingt es,
auf einer Stadtstraße mit Parkstreifen ohne Rangieren in einem Zug zu
wenden? Der Kleinwagen mit 10 Meter Wendekreis schafft das problemlos,
der SUV mit 12 Metern rangiert über zwei Fahrspuren und stört den
fließenden Verkehr. In der Stadt mag so ein Stör-Manöver noch als
Bagatelle durchgehen, auf einer Landstraße beschwört es – aufgrund der
höheren Geschwindigkeiten - schnell eine echte Gefahr herauf.
- Der Reifen und das leidige CO2
Wie
schön war doch die automobile Welt, als es das CO2 noch nicht gab. Oder
besser gesagt, als der CO2 Ausstoß noch niemanden interessierte.
Inzwischen - sehr zum Leidwesen der Leistungsfetischisten - beeinflusst
die Notwendigkeit der CO2-Einsparung unser Leben bis ins letzte Detail,
und verschont weder das Automobil noch seine Komponenten,
beispielsweise die Reifen.
Mit
ihrem Rollwiderstand tragen die Reifen zum Kraftstoffverbrauch bei.
Geschätzt 15 Prozent des Fahrwiderstandes sind den Reifen zuzuordnen.
Der Rest verteilt sich zu ungefähr gleichen Teilen auf Luftwiderstand
und Reibung in den Antriebskomponenten. Daraus lässt sich schlicht und
einfach ableiten, dass eine 10-prozentige Verbesserung des
Rollwiderstandes den Kraftstoffverbrauch und damit den CO2-Ausstoß um
etwa 1,5 Prozent verringert.
Wie wir eingangs feststellten
dürfte es schwierig sein, diesen Parameter für sich entscheidend zu
verändern, ohne etliche andere Eigenschaften zu verschlechtern. Und in
der Tat, obwohl die Reifenhersteller angeblich mit Hochdruck an diesen
Themen arbeiten, sind die Erfolge mehr als bescheiden. Vor allem der
Grip auf nasser Fahrbahn leidet immer noch sehr stark unter der
Optimierung auf niedrigen Rollwiderstand.
Dabei unterläuft den
Reifenherstellern aber ein grober Fehler. Sie wählen für ihre
Optimierungsversuche ausgerechnet Reifen, die ohnehin schon über
niedrige Rollwiderstände verfügen. Das kann natürlich nur schief gehen.
Viel besser wäre es, den Hebel bei den Breitreifen anzusetzen. Deren
einseitige Optimierung auf gutes Haftvermögen verschlechtert nämlich
den Rollwiderstand deutlich.
Wenn
man wirklich den Rollwiderstand möglichst weit absenken will, zeigt der
Zusammenhang mit der Breite die Optimierungsmöglichkeiten auf. Bestimmt
kein Fehler ist es, sich dabei an den sog. Ökomobilen zu orientieren.
Sie zeichnen sich durch schmale Reifen mit einem großen Durchmesser
aus. Typisches Beispiel ist der von Murat Günak konzipierte „Mindset“,
mit schmalen Reifen auf 20“-Felgen.
Obwohl dieses
Fahrzeug wohl nie in Serie gehen wird, verfügt es über alle
Voraussetzungen für einen niedrigen Verbrauch – auch bei den Reifen. Je
schmäler sie sind, je größer der Durchmesser und je höher der Luftdruck
ist, desto geringer ist die Walkarbeit. Im Radrennsport ist dieser
Zusammenhang schon seit vielen Jahrzehnten bekannt. Im Automobilbereich
ist diese Erkenntnis mangels Handlungsbedarf noch nicht überall
angekommen.
- Gibt es einen Bonus für Elektromobile?
Wenn
es um die Beurteilung von Elektrofahrzeugen geht, liegt die Messlatte
der Profi-Tester plötzlich um einige Dezimeter niedriger als bei dem
Rest der Automobilwelt. Bremswege, Fahrdynamik, Komfort, Reichweite,
Höchstgeschwindigkeit, Windgeräusche, Airbags, Bein- und Kopffreiheit
auf der Rücksitzbank - alles was sie sonst mit akribischer Genauigkeit
messen und gerne auch herablassend kommentieren, falls es nicht ihren
Vorstellungen entspricht - bei den Elektrofahrzeugen spielt das
plötzlich nur noch eine untergeordnete Rolle. Der Grund liegt auf der
Hand: Ansprüche an Komfort, Fahrdynamik und passiver Sicherheit gehen
ins Gewicht und kosten Fahrwiderstand.
An den beiden letzten
Kriterien wird an allen Ecken und Enden geknausert, natürlich auch an
den unteren vier runden „Ecken“, den Rädern. Möglichst leichte und
schmale Räder sind Trumpf, man muss schließlich Prioritäten setzen, und
die heißen Reichweite, Reichweite und abermals Reichweite.
- Ein interessanter Datenvergleich
Wie
gesagt, das Wichtigste bei einem Elektromobil ist der sparsame Umgang
mit der wenigen, dafür aber umso kostbareren Energie. Fairerweise
müsste man an die Verbrenner die gleichen Maßstäbe anlegen, z.B. die
Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h begrenzen, dann könnte man auch hier
den Verbrauch oder die Kosten noch erheblich reduzieren.
Eine
andere Option wäre, einen Teil des enormen Kostenunterschiedes zu
verwenden, um das Verbrenner-Mobil verbrauchsseitig zu optimieren, ohne
Abstriche an den übrigen Eigenschaften vorzunehmen. Beispielsweise
könnte das Chassis als Alu Space Frame ausgeführt sein, was das Gewicht
senkt und die Fahrleistungen verbessert. Womit man wieder einmal beim
Audi A2 angelangt ist, der mangels Käuferinteresse nach kurzer
Produktionszeit eingestellt wurde. (Der Preis ist eben auch von Bedeutung.)
Voraussetzung
für all diese
tollen Potentiale wäre ein Umdenkprozess bei der Bewertung der
Fahrzeugeigenschaften. Fach-Magazine müssten (müssen!) sich von der
Denkweise der letzten 50 Jahre verabschieden und eine moderne,
zeitgemäße Beurteilungsmethodik entwickeln. Ein kundengerechter Maßstab
ist überfällig, der die Automobilhersteller geradezu zwingt, die
Prioritäten auf andere, wichtigere Dinge zu legen als die letzte
Zehntelsekunde beim Elchtest. Dann werden die Autos auch wieder ein
freundlicheres „Gesicht“ bekommen, als die mit dem bösen Blick
verunstalteten Kreationen der letzten Jahre. - Scheinwerfer - das ist
meine Meinung - sollten "die Augen eines Automobils" sein, bzw. den
Eindruck vermitteln.
Je
länger der Reifen hält, desto günstiger ist es für die Umwelt. Denn ein
Aspekt, der gerne übersehen wird, und zwar nicht nur bei Reifen, ist
der Bedarf an Energie für die Herstellung des jeweiligen Produkts. Beim
Reifen beträgt er immerhin ca. 15 Prozent derjenigen Energie, die
während seiner Laufzeit für die Überwindung des Rollwiderstandes
aufzuwenden ist. In diesem Sinne ist die Tendenz zu immer breiteren
Reifen mit weicher Laufflächenmischung absolut kontraproduktiv.
Breitreifen verschlechtern das Verhältnis durch die höhere
Herstell-Energie und die kürzere Laufzeit. Außerdem spielen natürlich
für die Lebensdauer die Profiltiefe, das Fahrzeuggewicht und die
Fahrweise eine Rolle. Schwere Hochleistungsfahrzeuge sind auch hier
kräftig im Nachteil. Ein Alfa 4C (wie auf dem Genfer Salon gezeigt)
zeigt da den Weg – in diesem Fall für Sportwagen - auf. (Dabei findet
Alfa mit diesem Beispiel eigentlich wieder den Weg zurück, dahin, wo
man mit dem GTA einmal war. - Vor fast 50 Jahren!)
Wegen
der Alterung wäre der optimale Zeitpunkt für einen Reifen-Wechsel nach
ca. 5 Jahren erreicht. An vielen Fahrzeugen mit einer niedrigen
Jahreskilometerleistung verbleiben die Reifen deutlich länger im
Einsatz, insbesondere wenn Winterreifen für einige Monate des Jahres
mit ins Spiel kommen. Spätestens nach 5 -10 Jahren sind sowohl
Sommer-als auch Winterreifen in ihrem angestammten Einsatzgebiet
schlechter als 5 Jahre jüngere M+S Ganzjahresreifen. Besonders
problematisch wird es nach mehr als 10 Jahren, weil die Reifen sich
dann bei hoher Beladung und/oder hoher Geschwindigkeit in ihre
Bestandteile auflösen und sogar platzen können. Als Folge dieser
Sommer-/Winterreifenstrategie müssten eigentlich viele Reifen mit noch
ausreichender Profiltiefe längst entsorgt sein.
- Reifen-Entsorgung und Recycling
Reifen
sind Sondermüll und müssen von speziellen Firmen entsorgt werden. Ein
Großteil wird der thermischen Verwertung zugeführt, auf Deutsch, sie
werden verbrannt. Von einigen wenigen werden vorher die Laufflächen
abgehobelt und als Ausgangsmaterial für andere Produkte verwendet.
Leider ist außer Fußmatten und Bodenbelägen für Sportstätten noch kein
lukrativer Anwendungsfall in Sicht.
Eine energetisch günstige
Methode der Aufarbeitung ist die Runderneuerung. Diese Technik ist
allerdings in der Vergangenheit aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit ins
Gerede gekommen. Inzwischen sind die Produkte der in der
Arbeitsgemeinschaft industrieller Reifenerneuerer (AIR)
zusammengeschlossenen Firmen aber genauso sicher wie Neureifen.
Einziger Wermutstropfen: Sie sind nur bis maximal 210 km/h zugelassen.
Dieses Schicksal teilen sie allerdings mit vielen Winterreifen, die
ebenfalls einem Geschwindigkeitslimit unterliegen.
- Das Abrollgeräusch der Reifen
Autotester
sind schon eine merkwürdige Spezies. Sorgfältig messen sie den
Geräuschpegel im Innenraum der getesteten Fahrzeuge. Normalerweise
werten sie nach dem Motto: Je leiser, desto besser. Bei Sportfahrzeugen
machen sie auch gerne eine Ausnahme und schwärmen vom tollen Sound,
wenn beim Beschleunigen der Motor oberhalb der Schmerzgrenze trompetet.
Bei E-Mobilen wie dem Tesla Roadster fallen sie dann ins andere Extrem
und loben dessen leise Schubkraft über den grünen Klee. Was sie aber
nur am Rande zu interessieren scheint ist das Außengeräusch. Dabei ist
der Verkehrslärm eines der größten Umweltprobleme überhaupt.
„Lärm
ist für viele Bürger und Bürgerinnen das Umweltproblem Nummer Eins.
Hauptursache für Belästigungen ist der Straßenlärm.
Repräsentativumfragen des Umweltbundesamtes zufolge, fühlten sich knapp
20 % der bundesdeutschen Bevölkerung im Jahre 2000 durch
Straßenverkehrslärm stark oder wesentlich belästigt und gestört. Nur
rund ein Drittel kann von sich sagen, von Straßenverkehrslärm überhaupt
nicht gestört oder belästigt zu werden.“
Diese Darstellung der
Stiftung Warentest im Auftrag des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2001
hat zehn Jahre später von seiner Brisanz nicht das Geringste eingebüßt.
Viele Studien belegen den Zusammenhang zwischen Ruhestörung und
Krankheiten. Psychische Belastungen durch Lärmbelästigung über einen
längeren Zeitraum schlagen sich in vielfältigen körperlichen Symptomen
nieder. Dazu gehören z.B. Bluthochdruck und ein häufigeres Auftreten
von Herz-Kreislauferkrankungen.
Natürlich gibt es Vorschriften
für die Geräuschemission von Kraftfahrzeugen bei der Erteilung der
allgemeinen Betriebserlaubnis. Leider dominiert bei diesen Tests der
Motoreinfluss. Der Anteil der Reifen an der Geräuschentwicklung wird
nach wie vor erheblich unterschätzt. Zwar werden einer Vorschrift aus
dem Jahr 2001 zufolge die Geräusche eines vorbeirollenden Pkw´s bei 80
km/h gemessen. Die dazugehörigen Grenzwerte sind jedoch so lax
abgefasst, dass sie von jedem beliebigen Reifentyp problemlos erfüllt
werden.
Man muss kein Experte sein, um einen vorbeifahrenden
Pkw grob einer Gewichtsklasse zuordnen zu können. Ein Fahrzeug mit 1000
Kilogramm Gewicht unterscheidet sich hörbar von einem mit 1500 oder gar
2000 Kilogramm. Verantwortlich für diesen Unterschied sind nicht die
Motoren sondern die Reifen.
Im Durchschnitt steigert bereits
ab 50 km/h der Motor den Geräuschpegel nur noch um 1-2 dB(A), bis hin
zur vollen Leistungsabgabe. In der Stadt hat man es überwiegend mit
rollenden Fahrzeugen zu tun, deren Lärmpegel ausschließlich durch das
Fahrbahn-Reifen-Geräusch bestimmt ist.
Das Reifengeräusch
hängt im Wesentlichen von den Faktoren Radlast, Profil und
Laufflächenmischung ab. Bei Kleinwagen liegen alle drei Faktoren im
günstigen Bereich, bei SU´s ist leider das gegenteilige Extrem der
Fall. Zwar behaupten die Automobilhersteller, das Abrollgeräusch spiele
bei der Entwicklung eine wichtige Rolle. Das kann durchaus sein, aber
nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften.
Der
Reifenhersteller Continental behauptet auf seiner Webseite, dass sechs
moderne Pkw´s nur soviel Lärm produzieren dürfen wie ein einzelnes
Fahrzeug im Jahre 1980. Die Aussage ist inhaltlich richtig, sie
suggeriert aber, dass sechs Fahrzeuge den sechsfachen Lärm produzieren.
Das ist falsch, denn psychoakustisch gesehen verdoppelt sich die
wahrgenommene Lautstärke bei einer Differenz von 10 dB, wohingegen
sechs Fahrzeuge den Pegel nur um 8 dB erhöhen. (Man darf in diesem
Zusammenhang Lautstärke nicht mit Schalldruck und Schallenergie
verwechseln.)
Die Anwohner eines vielbefahrenen
Straßenabschnitts, versuchshalber mit Flüsterasphalt belegt, sind
durchweg begeistert. Viele in ähnlicher Wohnlage wollen ebenfalls in
den Genuss des leisen Straßenverkehrs kommen und drängen die Kommune
zum weiteren Ausbau dieser Technik – leider vergebens. Denn
Flüsterasphalt ist drei Mal so teuer als ein normaler Asphaltbelag und
die Städte und Gemeinden können ihn sich nicht leisten.
- Flüsterasphalt (s.o.) im Vergleich zu Asphaltbeton
Also
ist der Hebel woanders ansetzen, und zwar dem Verursacherprinzip
zufolge beim Automobil selbst. Bei Flüsterasphalt spricht man von einer
Reduzierung des Schallpegels um 7 dB(A). Das entspricht ziemlich exakt
der Differenz zwischen den lauten und leisen Exemplaren aus der Studie.
Hier schlummert also noch gewaltiges Verbesserungspotential. Die
Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Flüsterreifen zu formulieren
ist denkbar einfach. Es reicht, ausnahmslos jeden Reifentyp unabhängig
vom Pkw einer Zulassungsprüfung zu unterziehen, und die Grenzwerte
entsprechend zu verschärfen. Bei dieser Geräuschmessung wird jeder
Reifen exakt mit dem Gewicht belastet, für das er von seiner
Tragfähigkeit her ausgelegt ist. Dadurch ist gewährleistet, dass sich
die Hersteller bei den Reifen für schwere Fahrzeuge stärker anstrengen
müssen.
Wie bereits erwähnt, gibt es von den Fachzeitschriften
für besonders leise Reifen keine Pluspunkte. Kann man es den
Automobilherstellern verdenken, wenn ihnen dieser Aspekt bei der
Reifenwahl völlig egal ist? Wenn sie statt Flüsterreifen laute
Breitreifen unter ihre Schwergewichte montieren?
Für die
engagierten Journalisten und Ingenieure bei den
Automobilzeitschriften bietet sich hier eine einmalige Chance, der
gesamten Branche etwas wirklich Gutes zu tun. Indem sie einen Test
einführen, der das Rollgeräusch der Reifen zum Gegenstand hat, und die
lauten Exemplare mit schlechten Noten bewertet. Im Gegensatz zur
Messung des Innengeräuschs bei und der Beschleunigung bis 200 km/h
(oder ähnlicher unwichtigen Abnormitäten) könnte so die soziale
Akzeptanz des Automobilverkehrs gefördert werden.
- Straßenschädigung durch Reifen
Jedes
Jahr im Frühjahr das gleiche Bild. Straßenschäden durch Frostaufbrüche
wohin man fährt. Und die Kommunen haben kein Geld für anständige
Reparaturen, weil sie es lieber für Großprojekte ausgeben statt für die
Erhaltung und Pflege des Bestehenden. Verursacher der Straßenschäden
sind die Lkw´s mit bis zu 40 Tonnen Gewicht. Sie verformen die
Asphaltdecke und erzeugen die kleinen Risse, in die das Wasser
eindringt und beim Gefrieren den Teer zerkrümelt. Ganz unbeteiligt am
weiteren Fortschreiten des Schadens sind aber auch die Pkw´s nicht.
Steter Tropfen höhlt den Stein, oder - steter Verkehr höhlt die Straße.
Eine hohe Verkehrsdichte beschleunigt den Prozess, und ein hoher Anteil
von schweren Fahrzeugen trägt verstärkt zur Schlaglochbildung bei.
Gibt
es einen Zusammenhang mit den Niederquerschnitts-Breitreifen? Sie
beanspruchen durch ihre Härte den Fahrbahnbelag ungleich stärker als
ein elastischer, weniger „sportlicher“ Reifen. Man kann darauf wetten,
dass ein SUV mit 2,5 Tonnen und Breitreifen gegenüber einem Kleinwagen
mit 1 Tonne nicht nur den 2,5-fachen Stress für die Straße bedeutet,
sondern mindestens den fünffachen!
- Reifen: Auch ein Sicherheitsbeitrag?
Im
Gegensatz zum Englischen, wo zwischen „Safety“ und „Security“
unterschieden wird, umfasst der Begriff „Sicherheit“ im Deutschen beide
Aspekte: Den der Sicherheit gegen äußere Bedrohung und den der
Sicherheit vor technischem Versagen. Oder populärwissenschaftlich
ausgedrückt: Die Sicherheit vor und bei einem Unfall und die Sicherheit
vor einem Ausfall. Auf den Reifen übertragen bedeutet das:
- Beitrag des Reifens zur Sicherheit im Umgang mit dem Fahrzeug im Straßenverkehr.
- Die Sicherheit des Reifens vor Defekten.
- Die Sicherheit vor Reifendefekten
Früher
waren Reifenpannen an der Tagesordnung. Der Reservereifen war ein
unverzichtbarer Bestandteil des Fahrzeugs. Bei der Luftdruckkontrolle
sollte man ihn tunlichst mit berücksichtigen, wollte man nicht hilflos
in einer gottverlassenen Gegend in der Nacht bei Regen eine unliebsame
Überraschung erleben. Reifenpannen ereigneten sich ausschließlich unter
den widerwärtigsten Bedingungen (Murphy-Gesetz).
Woran liegt
es, dass man heute von Reifendefekten nur noch in Ausnahmefällen
geplagt wird? Liegt es daran, dass die Reifen soviel unempfindlicher
geworden sind? Ja, das auch. Reifen mit einem harten, stabilen Unterbau
sind gegenüber spitzen Fremdkörpern unempfindlicher als die früheren
Diagonalreifen.
Eine häufige Ursache für Reifenschäden war
auch zu geringer Luftdruck, und die anschließende Zerstörung durch
übermäßiges Walken. Auch in dieser Hinsicht haben sich die Reifen enorm
verbessert, denn sie halten die Luft jetzt wesentlich länger. Außerdem
verfügen viele Fahrzeuge über eine Warneinrichtung, die bei Druckabfall
Alarm schlägt.
Aber zum größten Teil liegt die niedrigere
Pannenhäufigkeit daran, dass weniger reifenschädigendes Material auf
den Straßen lauert, und dass sich dieses wegen des größeren
Fahrzeugaufkommens auf prozentual weniger Fahrzeuge verteilt.
Noch
vor nicht allzu langer Zeit prangerten Fachzeitschriften („ams“ u.a.)
den damaligen Trend zu Noträdern als Unsitte an. Hersteller, die sich
erdreisteten, kein vollwertiges Ersatzrad mitzuführen, wurden
schonungslos abgekanzelt. Unter diesem Eindruck entwickelten
Fahrzeug-und Reifenhersteller allerhand Ersatzsysteme, die bei einem
Reifendefekt dem Fahrer eine begrenzte Weiterfahrt ermöglichten. Das
bekannteste Konzept ist der sog. Run Flat Tyre, der sogar ohne
Luftdruck die Fahrt nach Hause oder in die nächste Werkstatt erlaubt.
- Das Run Flat-Reifen-Prinzip
Die
verstärkten Seitenwände wirken sich stark negativ auf den Abrollkomfort
aus. BMW, die bei dieser Entwicklung federführend waren und den Reifen
großflächig in fast allen Modellen einsetzten, wurden nach der
Einführung dieses Systems jahrelang wegen des schlechten Komforts
getadelt. Haben die Herren Journalisten die Pannensicherheit wenigstens
gebührend gewürdigt? Weit gefehlt!
Von einem Tag auf den
anderen spielte plötzlich das Thema Reifenpanne keine Rolle mehr. Viele
Fahrzeuge besaßen nur noch ein Pannenset, bestehend aus einer Dose mit
flüssigem Gummi und einer elektrischen Luftpumpe, anzuschließen am
Zigarettenanzünder. Sogar das wurde sozusagen stillschweigend
akzeptiert.
Die
Hoffnung von BMW, anderen Fahrzeughersteller wären nun gezwungen, die
RFT´s ebenfalls einzusetzen, um den vermeintlichen Wettbewerbsnachteil
wieder auszugleichen, löste sich in Luft auf. Oder besser gesagt: In
Pannenspray. Die Reichweitengarantie der RFT´s wurde daraufhin
gegenüber der ersten Generation enorm zurückgefahren, um wieder
weichere Seitenflanken und damit komfortablere Reifen zu bekommen. Das
aber auch, weil die Run-Flat-Reifen – etwas überzeichnet ausgedrückt – das
Fahrwerk zerstörten.
Was
ist sicherer, ein Fahrzeug, das hohe Kurvengeschwindigkeiten zulässt,
oder eine stark untersteuernde Auslegung, die den Fahrer frühzeitig
einbremst, wenn er sich mit der Kurvengeschwindigkeit etwas
verspekuliert hat? . Vor der Einführung des ESP fiel die Antwort
leicht: Das Untersteuern beim Überschreiten des Grenzbereiches war
sicherheitstechnisch von Vorteil, weil es vom Fahrer leicht
beherrschbar war, und - mindestens ebenso wichtig - gleichzeitig das
Fahrzeug abbremste.
Ein neutrales, womöglich sogar
übersteuerndes Verhalten (beim Hecktriebler) in Verbindung mit einem
hoch liegenden Grenzbereich ist nur von routinierten Fahrern zu
beherrschen. Zu unvermittelt und zu heftig ist der Übergang von der
beherrschten Reaktion in das vom Fahrer nicht kontrollierte Verhalten.
Besonders kritisch sind heftige Lastwechselreaktionen und der
Gegenschwung (Differentialwirkung) nach Abfangen eines ausbrechenden
Hecks. Aufgrund des hohen Geschwindigkeits-und Beschleunigungsniveaus
kann man dieses Verhalten auf öffentlichen Straßen nicht einüben.
Porschefahrer früherer Jahrgänge können ein Liedchen davon singen. Und
die häufigen Disco-Unfälle der Vergangenheit sind größtenteils
ebenfalls auf ein kritisches Verhalten im Grenzbereich bei voller
Beladung zurückzuführen.
Seit der Einführung des ESP gelten
andere Gesetze. Die Fahrzeughersteller sind dazu übergegangen, ihre
Produkte möglichst neutral bis in den Grenzbereich auszulegen, und sich
beim Überschreiten auf die korrigierende Wirkung des ESP zu verlassen.
Mit Erfolg, so scheint es. (Aber arbeitet das ESP immer absolut zuverlässig?)
So muss man bei der Interpretation der Unfallzahlen vorsichtig sein.
Die typischen Unfälle mangels Fahrkönnen sind zwar zurückgegangen, aber
dazu haben Ausbau und Begradigung der Straßen und eine enorm gestiegene
Verkehrsdichte (= Absinken der Durchschnittsgeschwindigkeiten)
ebenfalls beigetragen. Es gibt im derzeitigen Straßenverkehr einfach
wesentlich weniger Möglichkeiten, sich selbst und andere mit seinem
„Fahrkönnen“ zu beeindrucken.
- Unfallstatistik und die Reifen
Die
Unfallstatistik des Statistischen Bundesamtes besagt, dass 16 Prozent
der Unfälle auf nicht angepasste Geschwindigkeit und 12 Prozent auf zu
geringen Abstand zurückzuführen sind. Das sind die beiden Unfallarten,
bei denen der Reifen eine Rolle spielt.
In beiden Fällen hilft
der auf trockenen, griffigen Asphalt und hohe Temperaturen optimierte
Reifen nur wenig. Selten wird man die klinisch reinen Bedingungen der
fahrdynamischen Tests auf öffentlichen Straßen vorfinden.
Bodenunebenheiten, Schlaglöcher, Verunreinigungen, hängende Fahrbahn,
Spurrillen, links-/rechtsseitige Reibwertunterschiede und Nässe
bestimmen das Bild. Sportreifen verhalten sich unter diesen Umständen
nicht viel anders als ganz gewöhnliche All-Seasons-Reifen, bei
niedrigen Temperaturen sogar schlechter, wie wir bereits dargestellt
haben.
Fahrer von Fahrzeugen mit sportlichen Breitreifen tun
sich mit diesen Bedingungen besonders schwer, weil der Abstand zwischen
dem optimalen und dem schlechteren Zustand hier am größten ist. Das
lineare Verhalten bis in den hohen Beschleunigungsbereich verführt sie
dazu, sich auf diese Eigenschaft in allen Situationen zu verlassen.
Auch dann, wenn die Umstände dagegen sprechen. Beim Überschreiten der
physikalischen Grenzen hilft auch der (oftmals rettende) ESP-Eingriff
nicht mehr.
Die Empfehlung an die Verantwortlichen für die
Reifenentwicklung in den jeweiligen Firmen lautet deshalb, mehr Wert
auf Fahrdynamik und Bremsverhalten unter normalen, alltäglichen
Bedingungen zu legen.
- Der Elch-Test und die Reifen
Jahrzehntelang
war das Kippen bei amerikanischen Lighttrucks kein Thema. Bis sich
Anfang des neuen Jahrtausends die Dinger plötzlich reihenweise auf die
Seite legten. Mit oftmals tödlichen Folgen für die Insassen, weil
US-Amerikaner sich im Vertrauen auf Gott, die träge Masse und den
Airbag nur selten anschnallen. Es gab ein großes Rätselraten über die
Ursachen. Dabei ist der Fall klar: Die Reifen waren zu gut geworden! Wo
sich früher kinetische Energie beim heftigen Lenken über den
Reifenschlupf abbaute, entstand plötzlich eine hohe Querbeschleunigung
mit einem entsprechend hohen Kippmoment.
- Kippmoment beim Elchtest wegen dynamischer Fahrzeugauslegung und „guter“ Reifen?
„Gute
Reifen“ waren auch der Grund für das Kippen der Mercedes A-Klasse.Die
Amerikaner erlebten also das gleiche Phänomen wie die A-Klasse bei
ihrer Einführung; mit einem entscheidenden Unterschied. Die
Abhilfemaßnahme ESP stand ihnen nicht sofort zur
Verfügung,
sondern erst später bei den Nachfolgemodellen. Da waren die
europäischen SUV-Vertreter im Vorteil, denn ESP war bei diesen Premium
Fahrzeugen längst Stand der Serie. Für die Amerikaner gab es nur einen
Rat: Anschnallen!
Ansonsten hätten sie es halten müssen wie
die Konstrukteure des Smart. Diese wirkten der drohenden Kipptendenz
entgegen, indem sie die Reifen an der Vorderachse deutlich schmäler
machten als an der Hinterachse. Dadurch provozierten sie ein massives
Untersteuern, das jede sportliche Aktion bereits im Ansatz vereitelte.
Die Durchfahrzeiten durch die Elchtestgasse fallen dementsprechend aus.
Man sieht an diesem Beispiel, dass breite Reifen die Sicherheit
nicht zwangsläufig erhöhen, vor allem nicht bei Fahrzeugen, die
schlechte Grundvoraussetzungen haben wie Smart oder z.B. SUV´s.
Eine
Untermenge der Fahrsicherheit ist das Verhalten bei Spurrillen.
Niederquerschnittsreifen zeigen hier ein sehr empfindliches Verhalten.
Je breiter der Reifen ist und je größer das Querschnittsverhältnis,
desto eifriger laufen sie jeder Spurrille nach.
Breitreifen
sind in sich so stabil, dass sie nicht mehr ganzflächig aufliegen, wenn
sie einseitig angehoben werden. Sie tragen dann nur noch an einer
Flanke. Diese Eigenschaft ist der Grund für die
Spurrillenempfindlichkeit.
Die Auslegung von Achsen und
Lenkungen bezieht sich immer auf die Mitte der Reifenaufstandsfläche.
Wenn der Reifen eine der beiden Flanken der Spurrille berührt, kommt
ein zusätzlicher Hebelarm ins Spiel. Er vergrößert oder verkleinert den
ursprünglichen Hebelarm und ruft dabei eine Fahrzeugreaktion hervor.
Die Verursacher der Spurrillen sind (wieder einmal) die Lkw´s, deshalb
ist der Abstand zwischen den beiden Spurweiten größer als die Spurweite
von Pkw´s. Es gelingt somit nicht eine stabile Position zu finden, auf
der beide Reifen auf dem Grund der Spurrillen aufliegen, und es kommt
zu einem unangenehmen, im Extremfall sogar problematischen Pendeln des
Fahrzeugs in den Spurrillen.
Mit der Zeit lernt der Fahrer den
gelassenen Umgang mit dieser Erscheinung und reagiert automatisch ohne
nachzudenken. Trotzdem bleibt ein gewisses Restrisiko, dann nämlich,
wenn der Fahrer im Vertrauen auf den Geradeauslauf sich zu lange von
den vielfältigen
elektronischen Gimmicks ablenken lässt, als da
sind Telefon, Navisystem, Hörbuch etc. Ehe er sich´s versieht nimmt
sein Untersatz schon kräftig Kurs auf die Gegenfahrbahn, und ein Unfall
kann dann nur noch durch beherztes Gegenlenken vermieden werden.
- Wasser hat doch Balken – das Aquaplaning und der Reifen
Ein
weiterer Sicherheitsaspekt tritt bei starkem Regen in Erscheinung, das
Aquaplaning. Es folgt derselben Gesetzmäßigkeit wie das
Wasserskifahren. Je größer die Auflagefläche und je höher die
Geschwindigkeit, desto leichter gleitet der Untersatz auf der
Wasseroberfläche. Durch die Gestaltung des Profils lässt sich der
Moment des Aufschwimmens in gewissen Grenzen hinausschieben.
Grundsätzlich sind aber breite Reifen von Nachteil.
Fährt man
auf der Autobahn bei starkem Regen mit 120 km/h auf der mittleren Spur,
wird man nicht selten von schnelleren Fahrzeugen überholt, gerne von
üppig motorisierten Modellen bestimmter Marken. Die Piloten, die in
Todesverachtung im Blindflug in die Wasserwand rasen, scheinen sich
trotz ihrer breiten Reifen weder von Aquaplaning noch von den langen
Bremswegen bei Nässe beeindrucken zu lassen.
Das tückische am
Aquaplaning ist, dass das Fahrzeug ohne Vorankündigung blitzartig
ausbricht, und man es wegen des schlechten Reibwerts bei Nässe auch
kaum mehr einfangen kann. ESP kann auch nicht in jedem Fall helfen.
Beim ESP-Eingriff wird Grip vorausgesetzt. Wenn der fehlt... -
- Reifen und ihr Alterungsproblem
„Wer
Plastik kennt nimmt Metall.“ So lautet die Empfehlung frustrierter
Ingenieure mit einschlägigen Erfahrungen im Kunststoffbereich. Wer hat
sich nicht schon über spröde Gummis, abbrechende Halteclips, verfärbte
Blenden und poröse Dichtungen geärgert? (Stichwort Challenger)
Kunststoff altert. Und zwar umso schneller, je weicher er ist. Die
sogenannten Weichmacher reagieren mit Sauerstoff und Ozon aus der
Luft, und sie verändern ihre Molekülstruktur unter dem Einfluss von
UV-Strahlen. Beschleunigt wird dieser Prozess durch hohe Temperaturen.
Die
stolzen Besitzer von Oldtimern können ein Liedchen von dieser Misere
singen. Nichts bereitet ihnen auch nur annähernd solche Schwierigkeiten
bei der Restaurierung und Pflege ihrer Schmuckstücke als die Gummi-und
Plastikteile. Wen wundert es, dass zu den größten Sorgenkindern auch
die Reifen gehören, denn bei ihnen kumulieren sich die ungünstigsten
Randbedingungen. Schon aus der Entfernung kann selbst der Laie
erkennen, ob die Reifen schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben.
Ein Netz von Rissen überzieht dann die Oberfläche und zerstört das
Vertrauen in die Haltbarkeit ziemlich nachhaltig. Selbst wenn die
Reifen in abgedunkelten und klimatisierten Räumen aufbewahrt werden,
lässt sich der Alterungsprozess nicht stoppen.
- Gealterte Reifen und die Veränderung der Eigenschaften
Mindestens
ebenso wie die Optik leiden auch die technischen Eigenschaften. Das
Ergebnis der Versprödung ist eine geringere Belastbarkeit durch
mögliche Ablösung der Lauffläche von der Karkasse und eine deutliche
Verschlechterung der Bodenhaftung. Fachleute empfehlen, die Reifen
schon nach fünf, spätestens nach zehn Jahren auszutauschen, selbst wenn
sie nur im Kellerregal unter günstigen Bedingungen gelagert wurden.
Nun
treten in den Vergleichstests immer Neureifen gegeneinander an, niemals
Reifen die schon mehrere Jahre alt sind. Besonders heikel wird die
Angelegenheit, wenn die Reifen immer nur ein halbes Jahr am Fahrzeug
verbleiben. Sie halten dann verschleißmäßig doppelt so lange und
überschreiten problemlos die empfohlenen Austauschgrenzen. Über die
Winter-und Nässetauglichkeit solcher gealterter und versprödeter Reifen
kann man nur spekulieren.
Mit dem halbjährlichen Wechsel von
Sommer-auf Winterreifen und zurück meinen viele Fahrer, ihre Sicherheit
zu steigern. Oft ist das Gegenteil der Fall. Sowohl die Sommer-als auch
die Winterreifen verlieren über die Jahre Traktion unter allen
Bedingungen. Mit Ganzjahresreifen, die nach der Hälfte der Zeit ihre
Verschleißgrenze erreichen wären diese Leute wesentlich besser bedient.
(Wir haben weiter oben schon darauf hingewiesen.)
- Radwechsel: Warum einem dabei das HB-Männchen einfällt
Früher war der halbjährliche Radwechsel eine leichte Übung und mit dem Bordwerkzeug bequem in einer halben Stunde zu erledigen.
Heute
beginnt der Ärger bereits damit, dass viele Fahrzeuge aus Kostengründen
keinen Wagenheber mitführen. Nebenbei bemerkt auch kein Reserverad
sondern nur noch ein Pannenset. Die Fahrzeughersteller meinen es aber
nur gut mit ihren Kunden. Nicht nur, dass von Hand die heutigen
Rad-Schwergewichte nur noch unter Aufbietung der letzten Kräfte
anzuheben sind. Nein, sie sind auch nur noch mit Hilfsmitteln zu
montieren. Es sei denn, man nimmt bewusst einen Hexenschuss oder
Bandscheibenvorfall in Kauf. Immerhin sind mindestens 20, oft sogar 25
Kilogramm anzuheben, mit einer Hand zu positionieren, und mit der
anderen Hand die Radschrauben anzusetzen. Da verzichtet man gerne
darauf selbst Hand anzulegen, und fährt lieber in die Werkstatt oder
zum Reifenhändler.
Beweis in der eigenen Familie: Meine Frau
kann ohne fremde Hilfe keinen Reifenwechsel (bei Leichtmetallfelgen und
Breitreifen) mehr durchführen, da sie damit überfordert ist. (Bei einem Automobil der unteren Mittelklasse.)
Spätestens
hier zeigt sich das nächste Problem. Wohin mit den Sommer-, respektive
Winter-Reifen. In vielen Fällen kann der stolze Besitzer von
Breitreifen diese gar nicht alle auf einmal transportieren. Zuhause
angekommen, schleppt er viermal unhandliche 25 Kilogramm in den Keller
und stapelt sie zu einem Turm von einem Meter Höhe und einem
Durchmesser von 70 Zentimetern. Falls er einen Keller hat der groß
genug ist. Andernfalls muss er sich entscheiden, was in der Normgarage
untergebracht wird, das Auto oder die Räder.
Auf Spaziergängen
durch ein beliebiges Siedlungsgebiet erhascht man mitunter einen Blick
in die offene Garage eines Eigenheims. Meistens kann man sich davon
überzeugen, dass das Letzte was darin Platz findet, das Auto ist. Neben
den unvermeidlichen Freizeit-und
Heimwerker-Utensilien stehen fast
immer die Reifen fein säuberlich gestapelt in der Ecke, fressen
kostbare Stellfläche und altern vor sich hin.
Na also, geht doch! Mit etwas gutem Willen hat alles in einer Fertiggarage Platz, sogar das Auto.
Den
Reifen der aktuellen Generation geht es ähnlich wie vielen modernen
Errungenschaften. An einem gewissen Punkt ist im Nutzen die Sättigung
erreicht, und das verzweifelte Bemühen, die positiven Eigenschaften
weiter zu steigern, verschlechtert den Gesamteindruck. Nachfolgend sind
die negativen Begleiterscheinungen eines übertriebenen
Breitreifeneinsatzes einmal zusammengefasst:
- Breitreifen forcieren die Entwicklung der Fahrzeuge in die Breite, und verschärfen somit die Enge in den Parkräumen.
-
Breitreifen vergrößern den Wendekreis. Die Fahrzeuge beanspruchen mehr
Verkehrsfläche und verengen den knappen Verkehrsraum in den
Ortschaften.
- Breitreifen haben einen größeren Rollwiderstand und steigern dadurch den CO2 Ausstoß.
- Breitreifen verschleißen schneller und müssen öfters erneuert werden. Das belastet den Geldbeutel und die Umwelt.
-
Breitreifen schädigen durch ihr lautes Abrollgeräusch die Gesundheit
der Anwohner von belebten Straßen und schaden der gesellschaftlichen
Akzeptanz des Straßenverkehrs.
-
Breitreifen sind unkomfortabel und belästigen die Insassen durch harte,
trockene Schläge beim Überfahren von Bodenunebenheiten.
-
Breitreifen sind nur für sommerliches Klima geeignet, Winterreifen sind
unabdingbar. (Unabhängig von geltenden Gesetzen) Winterreifen bedeuten
einen zusätzlichen Kostenfaktor. Die Produktion schadet der Umwelt. Die
beiden Reifensätze halten doppelt so
lange und verlieren durch Alterung
ihre guten Eigenschaften.
- Breitreifen benötigen bei der Herstellung mehr Energie als schmale Reifen.
- Breitreifen bedingen aufwendige Achsen, Fahrwerke und Karosserien, was Kosten und Gewicht in die Höhe treibt.
-
Das stärkste Modell einer Modellreihe erhält immer die breitesten
Reifen. Die fahrzeugseitigen Konsequenzen belasten die gesamte
Modellreihe.
- Breitreifen haben einen
hoch liegenden, schmalen Grenzbereich und verhindern dadurch ein
Kennenlernen der physikalischen Grenzen.
-
Das mit Breitreifen spontane und präzise Lenkverhalten, das der Fahrer
auf trockenem Asphalt gewohnt ist, überträgt er mental auch auf andere,
ungünstigere Fahrbahnverhältnisse. Diese Erwartungshaltung führt sehr
leicht zu kritischen Situationen.
Diese
Negativliste lässt sich relativ einfach in eine Positivliste umwandeln.
Die Entwicklungsingenieuren erhalten dadurch eine Vorlage, um die
Prioritäten bei der Reifenentwicklung richtig zu setzen. Den
Journalisten kann sie eine wertvolle Hilfe bei der Gestaltung eines
neuen, kundenorientierten Bewertungsmaßstabes sein.
- Ausblick auf Entwicklung insgesamt auf dem Automobilsektor
Das
Größenwachstum der Personenkraftwägen ist mit Mercedes S-Klasse, Audi
Q7 und BMW X6 (um ein paar wenige, aber typische Beispiele zu nennen)
an seine Grenzen gestoßen. Die Zukunft im weltweiten Automobilhandel
gehört den kleinen, praktischen und
bezahlbaren (!) Fahrzeugen. Die
deutsche Automobilindustrie tut sich sehr schwer mit der Fokussierung
auf dieses Marktsegment. Zu gut laufen die Geschäfte momentan mit den
High End Premium Produkten, an denen mehr Geld verdient wird.
Einen guten Ansatzpunkt für ein
Zurückdrehen der Gewichts-und Kostenspirale bietet der Reifen. Bei der
dringend erforderlichen Trendumkehr müssen die Fachzeitschriften mit
gutem Beispiel vorangehen. Basis muss eine eigentlich längst fällige
Überarbeitung der Bewertungskriterien unter stärkerer Berücksichtigung
der Kundenwertigkeit sein. Letztere erfährt gerade einen dramatischen
Wandel, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Sinkende Kaufkraft,
steigendes Umweltbewusstsein, höhere Kraftstoffpreise, demographische
Veränderungen, fallender Stellenwert des Automobils – das sind die
Randbedingungen, die über Erfolg oder Misserfolg zukünftiger
Entwicklungen entscheiden.
Den Medien stellen sich zwei
Alternativen. Entweder sie stecken weiterhin den Kopf in den Sand und
ignorieren die Veränderungen. Oder sie setzen sich an die Spitze und
beeinflussen die Richtung zum Wohle der Kunden, des Straßenverkehrs und
der gesamten Automobilbranche. Das würde bedeuten, dass sich an den
jeweiligen Redaktionsspitzen Änderungen ergeben: Entweder personell
oder im Denken, in einer Veränderung der Grundeinstellung.
- Die Zukunft der Reifenentwicklung
Auch
hier muss ein Umdenken bei den Entwicklungsteams stattfinden. Bisher
wird es von den Anforderungen der Industrie bestimmt. Und die sind
08/15. Weil abseits der Ingenieurseite Kräfte wirken, die eigentlich
nichts von Technik und den wirklich wichtigen Ansprüchen der Käufer
verstehen. Aber auch der Käufer eines Automobils fordert nicht das, was
eigentlich möglich ist, weil er sich nicht vorstellen kann, dass das
überhaupt möglich ist.
So dreht man sich bei der
Automobilindustrie im Kreis. Zwar ist jede Firma bemüht, eine
Alleinstellung im Markt zu erreichen, aber das aus solchen Bemühungen
entstehende Produkt ist dann ein Bugatti Veyron: Unbezahlbar, in seinen
Eigenschaften nicht nutzbar, technisch voller Höhepunkte, die seinen
Nutzwert mindern.
Die Reifenindustrie muss die Initiative
ergreifen, die die Automobilindustrie wieder zu „vernünftigen“
Automobilen finden lässt. Man braucht einen Reifen, der sowohl
fahrdynamisch als auch komfortmäßig Spitzenklasse ist, aber auch in
Sachen Rollwiderstand und Energieaufwand bei der Herstellung in allen
Vergleichen eine Spitzenposition einnimmt.
Die Grundidee dazu
gibt es schon lange. Ich habe hier – auf den Motor-KRITIK-Seiten - auch
schon mehrfach darüber geschrieben. Gefahren habe ich
Systementwicklungen auf dem Weg zum Serienprodukt schon seit mehr als
zehn Jahren. Jetzt scheint der Durchbruch des Systems nahe.
Dass
er notwendig ist, wurde in dieser (an sich zu langen) Geschichte in
detailierter Darstellung aufgezeigt. - Wer will da widersprechen?
Ich
will es hier noch einmal kurz das neue System darstellen, mit dem der
Reifenhersteller, der sich als erster dazu entschließt, tatsächlich
eine Alleinstellung im Markt erreichen würde. Ein solcher Reifen würde
auch wieder Serienautomobile „normaler“ werden lassen. (Breite,
Wendekreis, Fahrdynamik, Komfort, Rollwiderstand, Abrollgeräusche)
- Zu den Eigenschaften des neuen Reifen-Produkts
Eigentlich
liegt dem neuen Reifensystem eine einfache Grundidee zugrunde: Eine
Feder kann nur dann richtig arbeiten, wenn sie vorgespannt ist. - Und
ist ein Reifen etwas anderes als eine Feder? In einer Richtung ist ein
Reifen immer vorgespannt: Nämlich durch die Belastung mit dem
Fahrzeuggewicht. So kann ein Reifen immer dann den Komfort vermitteln,
wenn eine entsprechend hohe Reifenflanke die Möglichkeit bietet, den
größten Teil der einfließenden Stöße zu schlucken.
Aber dann –
eben wegen der hohen Seitenflanken – verliert der Reifen an Präzision.
Mit Auswirkungen bei der Fahrdynamik. Und wegen der großen Walkarbeit
beim Rollwiderstand, beim Verschleiß und beim Abrollgeräusch. - Hier
setzt das „neue System“ den Hebel an, dass dann auch mit schmaleren
Reifen kurze Bremswege realisieren lässt, die Abrollgeräusche, den
Rollwiderstand senkt, die Fahrdynamik posivitv beeinflusst: Der Reifen
wird konstruktiv auch seitlich vorgespannt. Mehr nicht.
Ich
verstehe nicht, dass ein Jahrzehnt – und mehr – vergehen musste, bis
dass das System von einigen (wenigen) Leuten verstanden wurde. Auch in
ihrer Bedeutung. Jetzt steht die Umsetzung praktisch „vor der Tür“.
Obwohl es einer der bedeutendsten Entwicklungsschritte in der
Automobilgeschichte sein wird, ist der bisher übersehen worden, weil er
sich nicht plakativ darstellen lässt. Damit hat er für
„Marketing-Strategen“ keine Wertigkeit, lässt sich nicht teuer, gegen
Aufpreis, verkaufen. Er ist eben nur ein kleines Wunder, dass man
bisher mit einer wegwerfenden Handbewegung und der Worthülse abgetan
hat: „Man kann das Rad nicht neu erfinden!“
- Wie man das Rad neu erfindet
Der
bisherige Reifen ist – wie wir wissen – eine unter Innendruck
symmetrisch gespannte Reifenschale bzw. Reifenfeder. Der Reifen ist
also eine pneumatische Feder, die durch die Radlast in einer
Kraftrichtung, der vertikalen, vorgespannt ist, nicht jedoch in axialer Richtung. Deshalb führen während des Rollbetriebs seitlich
angreifende Reaktionskräfte (bei Kurvenfahrt o.ä.) zu starken lateralen
Verzerrungen, die den Verlust von fahrsicherheits-relevanten
Eigenschaften zur Folge haben. Außerdem kommt es infolge der Umformung
aus dem größeren Kreisbogen des Reifens in die kleinere Aufstandssehne (der Kontaktfläche des Reifens zur Straße) zur Bildung
von Rollwülsten (von Reifenfachleuten als "stehende Welle" bezeichnet), die mit zunehmender Geschwindigkeit im unbelasteten
Umfang zu extrem hoher innerer Reibarbeit der Gummi-Matrix des Gürtels
und der beiden Seitenwände führen, was einen höheren Rollwiderstand ergibt (Umwandlung von
Antriebsenergie durch Reibung in Abfallwärme).
Diese hochfrequenten Verformungen fallen umso stärker aus,
je höher die Radlast ist, und die Reifenfeder einfedert. Der Urlauber,
der im guten Glauben an die Tugenden seines neuen Gürtelreifens seinen
voll beladenen Wagen z.B. mit 160 Km/h (oder schneller) fährt, würde
erschrecken wenn er sehen könnte welchen enormen Verformungen seine
Gürtelreifen in der Gürtelplatte und im unbelasteten Umfang tatsächlich
ausgesetzt sind. Diese systembedingten Verformungen der Gummi-Matrix
sind maßgeblich verantwortlich für den hohen Rollwiderstand heutiger
Gürtelreifen – Abhilfe kann hier nur ein Systemsprung schaffen, der mit
dem energetischen Problem bei der Umformung aus dem „größeren
Kreisbogenausschnitt“ in die „kleinere Aufstandssehne“ besser fertig
wird als der so genannte "Stand der Technik".
Die
Vorspannung der „Reifenfeder“ in lateraler Kraftrichtung basiert auf
einer biegesteifen Lagerung des radinneren Reifenfußes am Felgenhorn.
Dadurch entsteht bei vertikaler Einfederung auch eine zur Radaußenseite
gerichtete „Ausweichbewegung“, die infolge ihres geringeren
Verformungswiderstandes „weicher“ reagiert, so dass die
Vertikalsteifigkeit des vorgespannten Reifens zugunsten eines besseren
Federungskomfort und einer um etwa 5 % größere Fahrbahnkontaktfläche
abnimmt. Temperatur-Messungen deuten darauf hin, dass der Reifen unter
diesen Bedingungen auch energetisch günstiger arbeitet. Eindrucksvoll
wirkt sich die axiale Vorspannung der elastischen Reifenschale auch auf
die Verkürzung des Bremsweges aus, da sich die Kontaktfläche des
Reifens quer zur Fahrtrichtung vergrößert. Was auch bedeutet, dass ein
so ausgestattetes Fahrzeug besser die Antriebskräfte zur
Vorwärtsbewegung übertragen kann.
Tatsächlich
haben die seinerzeitigen Untersuchungen im Rahmen der NGT-Entwicklung
von Porsche und verschiedenen Reifen-Herstellern erwiesen, dass eine
dehnsteife, aber rückformbare Gürtelstruktur nahezu frei von "stehenden
Wellen" bleibt, und deutlich geringere Rollwiderstandsverluste
aufwies als der Stand der Technik (siehe z.B. VDI-Berichte 1088,
Vortrag von Dr.-Ing. Christian Paech), bei gleichzeitiger Verbesserung
von Kraftschluß (!) Abrieb (!) Komfort (!) und struktureller Festigkeit!
Durch die laterale Vorspannung wird ein solcher
Reifen – trotz hoher Flanke, die Komfort garantiert – deutlich
lenkpräziser, weil er sehr schnell – dank der lateralen Vorspannung
- Seitenkräfte überträgt. Insgesamt werden also die
Gebrauchseigenschaften eines solchen Reifens gegenüber einem Reifen mit
(praktisch) symmetrischen Festigkeitsstrukturen deutlich verbessert.
Ein
so vorgespannter Reifen verändert praktisch die Spurweite, weist
einen inneren Sturz auf, der die Fahreigenschaften auch positiv
beeinflusst, Pendelschwingungen unterdrückt und so eine geringere
Vorspur-Einstellung erfordert, was wiederum die Verbrauchswerte des
Automobils verbessert.
Ich selbst bin dieses Reifensystem in
verschiedenen möglichen Variationen (auch als Reifen/Felgensystem) mit
vielen unterschiedlichen Automobilen unter allen möglichen Umständen (auch in Rennen)
gefahren. Es hat auch Funktionstests mit „vorgespannten“ Reifen über
viele Jahre gegeben. Erfolgreich, weil mit den beschriebenen Effekten.
Insgesamt waren solche Reifen im letzten Jahrzehnt wohl um 20 Millionen (!)
Straßenkilometer unterwegs. Wissenschafter haben typische
Seitenkraft-Einflüsse unter Schräglauf und entsprechenden Radlasten und
die Auswirkungen auf Form, Größe und Gleitvorgänge in der
Aufstandsfläche des Reifens auf der Straße (Latsch) bei einem
Sturzwinkel von 0 Grad auf dem Glasrolltisch untersucht. Ergebnis:
Verbreiterung des Latsch bei gleicher Länge (!) und eine
ausgeglichenere Druckverteilung im Latsch, was die Aufnahme höherer
Seitenkräfte möglich macht.
Für mich unverständlich, dass man
für die Umsetzung in die Serie bisher so viel Zeit verschwendet hat.
Der Einfluss der „Bedenkenträger“ musste erst argumentativ ausgeräumt
werden.
Die Herren Prof. Dr. Böhm/Dr. Duda (TU Berlin) haben in ihrem
Sonderforschungsbericht 181 an die Deutsche Forschungsgemeinschaft schon vor Jahren u.a.
festgestellt (Zitat), "dass die Symmetrie der Membrangleichgewichtslage
der Reifenquerschnittes ungünstig ist, da sie nicht
richtungsstabilisierend wirkt. Zufolge dieser Symmetrie, die auch für
die Geradeausfahrt keinen Vorteil bringt, wird der Reifenquerschnitt
zur Kurveninnenseite im Kontaktbereich des kurvenaußenseitig laufenden
Rades stark verquetscht. Dadurch bricht auch das
Lastverformungsverhalten des Reifens zusammen und es kommt zu einer
dynamischen Kippbewegung des Fahrzeugs. Dieses wiederum führt zu
Steuerbewegungen und zu einer Kopplung der Kreiselkräfte des
Fahrzeugkörpers bezüglich Kipp- und Gierbewegung."
Was die Wissenschaftler der TU Berlin in aller Kürze zusammenfassten, haben wir versucht in dieser langen (überlangen?)
Geschichte allgemeinverständlich darzustellen. Es gibt wirklich genug Gründe, "das Rad neu zu erfinden".
So
warten wir darauf, dass der
"Systemsprung" in der Reifenentwicklung endlich zum Nutzen des
Autokäufers bald in Serie geht. - Die Umsetzung der Grundidee des
"Systemsprungs" wäre sogar bei der Runderneuerung von Reifen möglich!
Es besteht nicht nur schon lange Handlungsbedarf. - Jetzt besteht auch Hoffnung auf die Umsetzung in ein Serienprodukt!
MK/WH in Teamarbeit