11-03-18/04
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Otto Flimm ist hier am Tisch in einem Meetingraum des Dorint-Hotels am
Nürburgring, dem Tisch der Vortragenden, der Zweite von links. (Aus der
Sicht des Publikums) Er wirkt mit seinen 81 Jahren erstaunlich frisch,
als er die Pressekonferenz in leicht rheinischem Tonfall (um nicht
"kölsch" zu schreiben) eröffnet: "Meine Damen und Herren; ich begrüße
Sie sehr herzlich", um dann zu einem Rückblick überzuleiten, der sich
nicht nur auf seine Person, sondern auch auf Gründungszeit des Vereins
"JA zum Nürburgrings" bezieht. Da findet natürlich die entscheidende
Sitzung vom 29. November 1976 in Bonn Erwähnung, wo es zu dem
Beschluss kam, die neue Grand-Prix-Strecke zu bauen. Damals wurde
protokolliert - und Otto Flimm bezeichnet jenen Passus "als meine
wichtigste Entscheidung" - dass "Investitionen sowohl auf der
Nordschleife als auch zum Ausbau der Südschleife (als neue Kurzstrecke)
stets als 'à fond perdu' angesehen werden müssen." - Im Englischen
würde man von "with no hope of a return" sprechen, auf gut Deutsch
nennt man das einen "verlorenen Beitrag", z.B. einen Betrag, den man
auf ein Verlustkonto einzahlt.
Die die damals einen "verlorenen
Baukostenzuschuss" zahlten, denen wurde auch ein Mitspracherecht und
damit Mitverantwortung für die Rennstrecke zugestanden. Der Bund zahlte
damals rund 50 Millionen DM, das Land Rheinland-Pfalz 23 Millionen und
der Verein "JA zum Nürburgring" 6 Millionen DM. Bestehende Altschulden
von 17 Millionen wurden "ausgebucht", so dass der (damals)
neue Nürburgring schuldenfrei eröffnet werden konnte.
Bedeutsam
erscheint mir auch, dass Otto Flimm in seinem Rückblick an die Sitzung
erinnert, in der ein Naachfolger für Rainer Mertel als Geschäftsführer
der Nürburgring GmbH gesucht wurde. Nach seiner Darstellung hatte "JA
zum Nürburgring" einen Kandidaten mit Industrie- und
Motorsport-Erfahrung aufgestellt. Otto Flimm schildert, dass dann "in
den letzten zehn Minuten der Sitzung" dann mit politischem Druck Dr.
Walter Kafitz auf den Sessel des Geschäftsführers gehoben wurde. Kafitz
wurde so - und das ist eine Feststellung von mir - zum teuersten
Lehrling der Welt hier am Nürburgring.
Unter der
Geschäftsführung des Dr. Kafitz kamen dann bei der Vereinsführung erste
Bedenken auf, weil Kafitz Ideen zur Veränderung des Charakters der
Rennstrecke (bis dahin eine Sportstätte) entwickelte. Als der
Aufsichtsratsvorsitzende der Nürburgring GmbH, Prof. Dr. Deubel, dann
die 50 Millionen des Bundes in ein Darlehn umwandeln wollte, da hat "JA
zum Nürburgring" Klage eingereicht. Und Aufsichtsrat und
Geschäftsführung der Nürburgring GmbH haben zurück gesteckt. Daraufhin
hat der Verein nicht nur die Klage zurückgezogen, sondern in der
Folgezeit für Sicherungsmaßnahmen an der Nürburgring-Nordschleife
insgesamt 1,65 Millionen (inzwischen) Euro zugeschossen.
"Nun kommen auf den Nürburgring Belastungen zu", meint Otto Flimm, "die den Abmachungen zuwider laufen."
Aber
man hat noch abgewartet, zu der Entwicklung bis zu diesem Tag nicht
öffentlich Stellung genommen, "weil wir Hoffnung hatten bzw,.
informiert wurden, dass es Gespräche gäbe bzw. einen Rahmenvertrag mit
einer Patronatserklärung des Landes als Eigentümer, durch den
sichergestellt wird, dass sich für die Durchführung des Motorpsorts
nichts ändern würde. Dies sowohl für Großveranstaltungen wie auch den
Breitensport." - So hat Otto Flimm die Situation aus seiner Sicht, aus
der des Vereins, dem Landesvater Kurt Beck scchriftlich erklärt.
Und
nun möchte man als Erstes die 1,65 Mio Euro zurück. Am 28. Februar 2011
hat der vom Verein "JA zum Nürburgring" beauftragte Rechtsanwalt, Dr.
Dieter Frey, den alten Vertragspartner, Nürburgring GmbH, über den
neuen Geschäftsführer Hans-Joachim Koch angeschrieben. In dem Schreiben
heißt es:
"Die Geschäftsgrundlage für die Zahlungen unseres
Mandanten für die Sicherung der Rennstrecken des Nürburgrings ist aber
nicht nur aufgrund der vorstehend beschriebenen Gesichtspunkte
schwerwiegend gestört. Hinzu kommt, dass im Zusammenhang mit der
Umsetzung des Projektes 'Nürburgring 2009' und der Einsetzung der
Nürburgring Automotive GmbH auch von Verstößen gegen das europäische
Beihilfe- und Vergaberecht auszugehen ist."
Dazu legt die Kölner
Kanzlei "Frey Rechtsanwälte" dann ein 56seitiges Rechtsgutachten vor,
das von dem Regensburger Universitätsprofessor Dr.jur. Jürgen Kühling
im Auftrag des Vereins "JA zum Nürburgring" verfasst und am 14. März -
also am Tag vor der Pressekonferenz - übergeben wurde.
Dieses
Gutachten lässt Zweifel an der Rechtmäßigkeit aller bisher mit den
Düsseldorfer Geschäftsleuten Jörg Linder/Kai Richter abgeschlossenen
Verträge aufkommen. Werden die in diesem Gutachten geäußerten
Verdachtsmomente durch die Gerichte bestätigt, die nun um ein Urteil
gebeten werden, dann wären alle bisher geschlossenen Verträge
hinfällig. Otto Flimm äußert sich in seinem Schreiben an den heute noch
regierenden Ministerpräsidenten Kurt Beck auch klar und eindeutig: "Die
EU wird nach unserem Wissen wahrscheinlich die Verträge in Abrede
stellen." (Er meint die mit Lindern/Richter)
Auch
Wirtschaftsminister Hering wird nicht glücklich sein, dass ihn die
Rechtsanwälte in einem Schreiben vom 28. Februar 2008 unter Hinweis auf
die LIFG (Landesinformationsfreiheitsgesetz Rheinland-Pfalz vom 26.
November 2008) um die Herausgabe aller bisher als "vertraulich" und
"geheim" behandelten Gutachten und Protokolle bittet. Dazu gehören u.a.
auch die inzwischen "berüchtigten" 28 Seiten einer gutachterlichen
Äußerung des Landesrechnungshofes von Rheinland-Pfalz, dessen Zusendung
mir schon durch den Präsidenten dieses Amtes verwehrt wurde. (Meine
Leser kennen den Text der Ablehnung)
Es werden aber noch weitere
Gutachten, u.a. solche vom Wirtschaftsministerium, von der Nürburgring GmbH,
von der ISB in Auftrag gegeben, angefordert. Wie schon geschrieben: Das
war am 28. Februar 2011; bis zum 15. März 2011 war aber noch keine
Antwort bei den Rechtsanwälten eingegangen.
Am Ende seiner
Darstellung stellt Dr. Frey zusammenfassend fest: "Vor der Verpachtung
des gesamten Konglomerats aus Rennstrecken und motorsportfremden
Aktivitäten an die Nürburgring Automotive GmbH hätte ein angemessener
Grad an Öffentlichkeit sichergestellt werden müssen, um ein faires
und unparteiisches Vergabeverfahren zu gewährleisten. Dies ist nach den
uns vorliegenden Informationen nicht geschehen".
Die
erste Wortmeldung nach den Vorträgen durch die Herren Flimm und Dr.
Frey erfolgt durch den Chef der VLN, Herrn Hilgeland. Der ereifert sich
sehr, ist der Meinung, dass die bevorzugte motorsportliche Nutzung er
Gesamtanlage durch die neue private Betreibergesellschaft schon daraus
ergibt, dass die mit der VLN inzwischen einen Vertrag für 10 Rennen
abgeschlossen hat. Zu nicht erhöhten Preisen. Und er erwähnt: Während
die VLN also pro Renntag 15.700 Euro als Streckenmiete (nicht mehr als
vorher!) zahlt, habe z.B. VW für einen Testtag auf der
Nürburgring-Nordscheife nur einen Betrag von 600 Euro entrichtet.
Dazu
gibt es in der Runde keinen Einspruch. Aus welchen GRünden auch immer. Ich habe mich bewusst
zurück gehalten, weil ich sonst mit Ergänzungen und Hinzufügung von
eigentlich auch wichtigen kleinen Puzzlestücken den Rahmen der
Veranstaltung gesprengt hätte. Ich habe mich nur gewundert, wie viele
Leute wie wenig wissen und verstehe darum auch, dass sie manchmal
meinen Schlussfolgerungen fremd gegenüber stehen. - Ihre Wissenslücken
sind zu groß.
Um hier die akutelle Zahl zu nennen: Der
Industriepool, als der lockere Zusammenschluss aller an der
Nürburgring-Nordschleife vertretenen Industriefirmen, zahlt pro
"Industriewoche" (= 4 Tage, die von Dienstagmorgen bis Freitagmittag
gehen) nun rd. 140.000 Euro, was bei 15 "Industriewochen" dann 2,1
Millionen Euro ergibt.
Natürlich sind diese Zahlen "geheim",
kamen auch an jenem 15. März nicht zur Sprache, aber ich kann nur
feststellen, dass sich ein VLN-Chef mit einer Aussage, wie zu diesem
Termin gemacht, einfach disqualifiziert. Man könnte ihn auch als
"gehorsamen Diener" gewisser Herren empfinden. Selbst Otto Flimm war
eine solche Zuordnung wohl nicht fremd, denn auf den Hilgeland-Einwand
argumentierte er in entsprechender Weise.
Interessant war, dass
sich auch der Rechtsanwalt zu Wort meldete, der die Dorint-Gruppe mit
ihren Vorwürfen gegen das Land RLP in Richtung EU vertritt. Er wies
kurz und knapp darauf hin, dass sich Wirtschaftsminister Hering wohl am
26. März 2010 auf der Bühne der "Hocheifel-Halle" in Adenau ein wenig
verschätzt hätte, wenn der "damals" einer EU-Klage mit einer gewissen
Gelassenheit entgegengesehen hätte, weil so ein Verfahren praktisch
"ewig dauern" würde. Nach seiner rechtsanwaltlichen Kenntnis, würde die
EU den Fall "Nürburgring 2009" aber sozusagen mit Hochdruck behandeln
und noch in der nächsten Woche (der 12. Kalenderwoche, die mit dem
Frühlingsanfang beginnt) würde sich Brüssel mit einem Schreiben in
Berlin, bei der Bundesregierung melden und um Aufklärung bitten.
Für
das derzeitige politische Netzwerk, in das auch die Herren
Lindner/Richter eingebunden sind, ziehen schwarze Wolken herauf.
Natürlich wird alles nicht sehr schnell gehen, denn alle werden
"zurückhaltend" reagieren. Berlin wird dann in Mainz anfragen. Die
werden nach angemessener Wartezeit - es wurde dann ja gerade gewählt
und die neue Regierung... - Sie verstehen? - Und so werden die Qualen
für die Geschäftsleute der Region nicht so schnell enden.
Ein
lieber Kollege fragt den Rechtsanwalt Dr. Frey, warum er einen
Schadenersatz fordert. - Der macht ihn höflich darauf aufmerksam, dass
es hier nicht um eine Schadenersatzforderung handelt, sondern dass der
Verein "JA zum Nürburgring" einfach (zunächst!) einen gezahlten Beitrag
von 1,65 Mio Euro zurück fordert, weil die Geschäftsgrundlage für diese
Zahlung entzogen wurde.
Und dann fragt man natürlich - um die
Bedeutung des e.V.'s verdeutlicht zu bekommen, nach der Anzahl der
Mitglieder. Man merkt Otto Flimm deutlich an, dass er hier eine
ausführlich Erklärung vermeiden möchte, denn die würde dem Einzelnen
nichts bringen, auf der anderen Seite aber den Ablauf der eigentlich
notwendigen Diskussion auf ein falsches Gleis bringen. So spricht er
von um 300 Mitgliedern.
Hier glaubte ich dann zumindest
eingreifen zu müssen, weil ich den Hintergrund der Frage ahne, zumal
ich ausgemacht habe, wer sie gestellt hat. Also melde ich mich und
mache darauf aufmerksam, dass ich im Zuge meiner Vorbereitung auf diese
Presse-Konferenz ein Mitglied des Vereins "JA zum Nürburgring"
aufgesucht habe, mir seinen Ausweis zeigen ließ, der die
Mitglieds-Nummer 804 trägt. - Otto Flimm sagt, dass das möglich wäre,
weil nicht nur der ADAC Nordrhein, nicht auch z.B: Industriefirmen
Mitglied wären, sondern u.a. auch der Marschallclub Nürburgring.
Die
Kollegen werden das gehört, aber vielleicht auch nicht verstanden
haben, weil Otto Flimm nicht ins Detail gegangen ist. Tatsächlich
wurden vor Jahren einmal Stimmen "gebündelt", damit nicht ein Einzelner
auf einer Jahreshauptversammlung z.B. durch eine Unterschriftenliste
ausgewiesen, gleich 700 Leute vertreten konnte. (Die Zahl ist
willkürlich angenommen.) - Otto Flimm hat das alles nicht erzählt. Mich
hat an diesem Beispiel nur gestört, wie wenig sich die Besucher dieser
Veranstaltung auf das Thema vorbereitet hatten.
Ich habe dann
noch das Thema 24-Stunden-Rennen ein wenig abgeklärt und für viele der
Anwesenden verdeutlicht. (Ich habe in einer anderen Geschichte dieser
Veröffentlichungsreihe darüber berichtet.) Herrn Hilgeland wird das
nicht in die angelernte Argumentation gepasst haben.
Aber
sicherlich werden andere Beobachter dieser Veranstaltung - auch solche
mit einer Filmkamera - sicherlich die Herrn Lindner und Richter umgehend
informiert haben.
Von Bedeutung war sicherlich noch, dass sowohl
Uschi Schmitz (Hotel am Tiergarten) als auch Ossi Kragl (OK
Speedmarketing) erklärten, dass sie mit Wissen des
Wirtschaftsministerium und in direktem Kontakt mit dem damaligen
Aufsichtsratsvorsitzenden in monatelanger Arbeit ein neues Konzept
entwickelt haben, mit dem das Betreiben des Nürburgrings auf eine
möglichst wirtschaftliche Basis gestellt werden konnte. Zwei Tage
nachdem diese kleine Gruppe von qualifizierten Geschäftsleuten aus
vielen Bereichen, die für den Nürburgring von Bedeutung sind dann
erklärt hatten, dass sie ein paar Wochen später mit dem Konzept an die
Öffentlichkeit gehen wollten (das übrigens von einem Wirtschaftsprüfer
geprüft und als gut und umsetzbar bezeichnet worden war), da hatte das
Land RLP die neuen Verträge mit Lindner/Richter in nächtelangen
Sitzungen (wie man selber erklärte) durchgepeitscht und machte
sozusagen "Nägel mit Köpfen". - Ohne auch die Gruppe, die sich
eigentlich aufgrund der Zusagen über den Aufsichtsrat sicher war,
irgendwie Berücksichtigung zu finden, überhaupt noch einmal
angesprochen worden war. - Ich habe diese Gruppe auch auf ihren
Sitzungen über viele Monate begleitet und weiß, dass hier auf dieser
Pressekonferenz nicht "gefaselt" wurde, sondern dass tatsächlich ein
Konzept existiert, dass auf die akutelle Situation am Nürburgring
zugeschnitten ist.
Ich bin dann nach der Pressekonferenz zum Essen nach Hause gefahren,
habe nicht - vom sicherlich vorzüglichen - Buffett des Dorint-Hotels
gekostet, sondern dann auch diese Geschichte zusammen gestellt. Um dann
beim "Surfen" durch einige Seiten des Internets zu erfahren, dass
gerade in Mainz folgender Ausspruch getan wurde:
„'Unter
Beteiligung Kai Richters ist es um die Zukunft des Nürburgrings
allerdings schlecht bestellt. Wir fordern daher die Kündigung der
entsprechenden Verträge und die Trennung von Kai Richter', so Baldauf
und Eymael abschließend." - Die Herren von der CDU und FDP hatten etwas
zum Thema Untersuchungsausschuss Nürburgring gesagt.
Fast
vergessen: Otto Flimm sagte am Ende der Veranstaltung, dass er es gerne
noch erleben möchte, dass die alte Situation für die alte Nürburgring
GmbH wieder hergestellt wird. Das heißt nichts anderes, als dass er das
Ende der Einflussnahme der neuen privaten Betreibergesellschaft auf die
motorsportlichen Belange der Sportstätte Nürburgring noch erleben
möchte. - Otto Flimm ist, wie ich eingangs schrieb, 81 Jahre alt. -
Sein Wunsch wird ihm also erfüllt werden.
Das meine ich. - Denn
nun kommt langsam Tempo in die Thematik Nürburgring. Und der Kreis
derer, die öffentlich die derzeitige Lösung als schlechteste aller
Lösungen empfinden und das auch äußern wird immer größer. -
Nun ist Brüssel gefragt!
MK/Wilhelm Hahne