Kosten - Show - Umweltfreundlichkeit - Sicherheit:
Gedanken zur Formel 1 in der heutigen modernen Form, die aber den
aktuellen Motorsport insgesamt berühren, der immer deutlicher zum
Spiegelbild unserer Gesellschaft wird.
Wie
oben notiert, ist das die Reihenfolge der Prioritäten, wie der
FIA-Präsident sie für die Formel 1 setzt. Jean Todt hat das so in einem
Interview mit "auto motor und sport" getan. Das macht nachdenklich. Vor
allen Dingen, wenn man dabei einmal an das erste Rennen der Saison
denkt und die am Bildschirm gewonnenen Eindrücke Revue passieren lässt.
Jean Todt steuert die internationale Sportbehörde so wie Napoleon
Bonaparte seine Armee. Oder sollte man ihn besser mit einem anderen
kleinen großen Franzosen unserer Zeit vergleichen? - Mit Nicolas
Sarkozy vielleicht? - Auch ein kleiner Großer. - Die bringen, wenn man
einmal zurück blickt, auch ein großes Durchsetzungsvermögen mit. - Je
kleiner, je besser? - Manchmal scheint das so zu sein, denn Henri Marie
Raymond de Toulouse-Lautrec-Monfa war nur 1,52 m groß, durch eine
Erbkrankheit besonders behindert und hat in der kurzen Zeit seines
Lebens (er starb mit 36 Jahren) eine große Anzahl von kleinen
Kunstwerken hinterlassen. Jean Todt ist ein moderner Mensch, sammelt
z.B. Fotokunst. - Wer aber nun damit
rechnete, dass mit Jean Todt wieder ein erfahrener Motorsportler.... -
Wenn ich so über die schon genannten Persönlichkeiten nachdenke,
dann zeichnen (oder zeichneten) sich alle durch übersteigerten Ehrgeiz,
Überempfindlichkeit gegenüber Kritik und ein selbstherrliches,
despotisches Gebaren in Führungspositionen aus. - Kann Jean Todt den
Motorsport, die Formel 1 reformieren, den sicherlich bedeutenden und
einflussreichen Industriefirmen aus den Marketing-Klauen reißen?
Formel 1:
Schlimmer geht's nimmer!
11-01-16/01
- Da dachte man schon, nach Max Mosley könne es nicht noch schlimmer
kommen. Mit einem Pragmatiker wie Jean Todt würde endlich wieder
Vernunft in den Formel 1 Zirkus einkehren. Weit gefehlt. Todt schafft
es mühelos, dem zerstörerischen Werk eines Max Mosley die Krone
aufzusetzen. Das sind die „Highlights“ der Reglementierungswut:
- Die Einheitsreifen halten nicht einmal die halbe Renndistanz,
- die Flügel sind vom Fahrer verstellbar,
- der Unfug KERS feiert fröhliche Urständ,
- und den Antrieb besorgen in Kürze Motoren mit 1,6 Liter Hubraum und Turboladern.
Letztere
sind natürlich mit genormten Lufttrichtern versehen, denn sonst könnten
ja einzelne Rennställe auf dumme, sprich eigene Gedanken kommen.
Sämtliche
Details sind in der Formel 1 bis ins Kleinste geregelt. Da ist es nur
logisch, bei KERS nicht nur genau die Leistung vorzugeben, sondern auch
wie oft und wie lange es pro Runde zum Einsatz kommen darf. Ebenso
pingelig geregelt ist die Verstellung des Heckflügels, nämlich einmal
pro Runde, wenn sich das Fahrzeug genau hinter einem zu überholenden
Konkurrenten (Abstand max. 1 sec) befindet und nur in einem Bereich,
der von der Rennleitung fürs Überholen frei gegeben ist. In einer Kurve
zu überholen wäre geradezu schäbig. Aber auf einer Geraden mit mehr
Leistung und weniger Luftwiderstand vorbeifahren, das ist großer Sport.
.
Sein
wahres Gesicht zeigt der Napoleon der Formel 1 aber erst in dem
Bestreben, dem Fahrer ferngesteuert von der Rennleitung aus die
Freigabe für die Verstellung des Heckflügels zu geben. Jean Todt, der
selber immer nur als Beifahrer oder Leiter von Formel 1 Abteilungen
Furore machte, möchte wohl endlich selbst ins Geschehen eingreifen, und
die Fahrer wie Marionetten in seinem FIA-Theater tanzen lassen. Man
kann sicher sein, dass der Heckflügel erst der Anfang ist. Man braucht
nicht viel Phantasie um sich auszumalen, was die Rennleitung noch alles
kontrollieren könnte. Bernie Ecclestone (Größe 1,58 Meter) lässt dem
Unfug freie Hand, weil er auch gerne von Kostensenkung spricht und von
spannenden Rennen träumt, was die Einschaltquoten der Fernsehsender
noch erhöhen würde. In Wirklichkeit wird so die Formel 1 in ein
technologisches Abseits manövriert, lässt inzwischen jeglichen
Bezug zur automobilen Standardwelt vermissen.
Damit wären wir
schon beim Thema Verbrauch.. Es gab in der Formel 1 eine Zeit, da war
ein sorgfältiger Umgang mit dem Kraftstoff entscheidend für Sieg oder
Niederlage. Jedes Team konnte sich überlegen, ob es das Fahrzeug lieber
auf hohen Abtrieb oder niedrigen Luftwiderstand abstimmt, den Motor
lieber auf hohe Leistung oder niedrigen Verbrauch auslegte. Die
heutigen Regeln ersticken jeden verbrauchsoptimierten Ansatz im Keim.
Dabei
wäre es wirklich einfach. Man müsste nur zusätzlich zum Nachtankverbot
nun noch das Tankvolumen begrenzen. Und natürlich jedem Rennstall die
Wahl des Motor- und Antriebsprinzips überlassen. In der Praxis würde
sich sehr schnell herausstellen, wer den Zielkonflikt zwischen
Schnelligkeit und Verbrauch am besten auflösen kann: Ein Saugmotor, ein
downgesizeder, aufgeladener Motor, ein Hybridantrieb oder gar ein
Selbstzünder? Dann könnte endlich auch das KERS-System zeigen, ob es in
der Lage ist, die Effizienz des Antriebs zu steigern oder ob es nur als
unnützer Ballast an Bord ist.
Aber der zum Alleinherrscher
geborene Jean Todt gibt sich mit der Rolle des F1-Dompteurs noch lange
nicht zufrieden. Sein nächster Coup ist eine "nachhaltige Formel 1" für
Elektrofahrzeuge. Eine eigens dafür gegründete Kommission unter der
Leitung des ehemaligen Entwicklungsvorstandes bei BMW und
Vorstandsmitgliedes bei Magna, Burkhard Göschel, soll die
entsprechenden Rahmenbedingungen erarbeiten. Da fragt man sich doch als
Technik-Interessierter, was das dem Umweltgedanken bringen soll, außer
der Formel 1 Szene ein marketinggerechtes grünes Mäntelchen umzuhängen?
Noch dazu eines, das nur per allgemeinem Konsens grün ist, in
Wirklichkeit aber die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen nachhaltig
vorantreibt. Burkhard Göschel hatte schon bei BMW bewiesen, wie man
"nachhaltig" Fehlenscheidungen trifft. Die Einführung des
Run-Flat-Reifen gehört z.B. dazu, oder die Entscheidung zum Bau von 50
Wasserstoff-7ern
Was will Jean Todt mit seiner Ankündigung wem
beweisen? Dass man mit Elektrofahrzeugen spannende Rennen bestreiten
kann? In der ersten Startreihe steht der Bolide von Bosch neben General
Electric, dahinter Rosatom, Siemens, Areva und Tepco. Eigentlich könnte
man doch gleich die Fahrzeuge mit eigenen Mini-Reaktoren antreiben.
Gäbe es einen besseren Beweis für die Sicherheit von Kernenergie? Das
wäre eines „Napoleons“ würdig. Sarkozy und die gesamte Kernkraft-hörige
Grand Nation würden es ihm danken.
Man sieht, der grüne Anstrich
zeigt schon dunkle Streifen, weil die Farbe nicht deckt, bevor er
richtig trocken ist. Aber vielleicht sollte man doch nicht die
Kernenergie favorisieren. Denn schließlich gibt es noch Sonnen- und
Windenergie. Ob die Elektrorenner wohl eine Runde Nordschleife schaffen
würden? Aber auch F1-Elektrorenner dürften trotz FIA-Zaun wohl nicht
über die Nordschleife fahren. Dürfte man sie denn bei Regen, bei einer
Flaute einsetzen?
Natürlich ist das eine falsche Frage, denn
die Fahrzeuge werden ja nicht mit Sonnen- oder Windenergie direkt
angetrieben, sondern haben Batterien, die vor dem Start aufgeladen
werden. Aber mit welchem Strom? Mit Strom aus Kohle- und
Kernkraftwerken? Nein, hauptsächlich mit Strom aus nachwachsenden
Rohstoffen. Heißt das mit Strom aus Mais und Weizen? - Wäre es nicht
viel einfacher und effizienter, das Getreide in der Biogasanlage zu
vergasen und mit dem Gas die Fahrzeuge anzutreiben, anstatt umständlich
Strom zu erzeugen, in Batterien zu speichern um damit Elektromaschinen
zu versorgen? Oder wäre es nicht noch genialer, den Weizen direkt in
den Tank zu schütten, als Treibstoff für einen Hafermotor auf
Hightech-Niveau?
Ja, eigentlich schon, aber dann würde ja jedermann den Frevel erkennen, der hier mit Lebensmitteln getrieben wird.
Man
kann getrost bezweifeln, dass sich Todt, Ecclestone, Göschel und
andere "Strategen" über die Tragweite ihrer Vorhaben im Klaren sind.
Evolution sieht anders aus. In der Natur gewinnen nicht die Stärksten,
sondern es gewinnen diejenigen, die mit den gegebenen Umständen am
besten zurecht kommen und am effizientesten mit den Ressourcen umgehen.
Durch ein "von oben" vorgeschriebenes Reglement, durch neue Gesetzte,
ein wenig abseits der Lebenswirklichkeit entstanden, wird man eine
evolutionäre Weiterentwicklung in Richtung Effizienz niemals
hinbekommen. Dafür müsste man nämlich dem freien Spiel der Kräfte und
der Kreativität der Ingenieure freien Raum geben, und sie nicht durch
Vorschriften, Bürokratismus und Dirigismus einengen. Aber so ist das
heute leider fast überall. Da bildet die Formel 1 keine Ausnahme. So
betrachtet ist die Formel 1 ein perfektes Abbild der Zustände in
unserer Gesellschaft.
Was haben ohrenbetäubender Lärm, ein
Verbrauch von 80 Litern Treibstoff auf 100 Kilometer und ein Verschleiß
von mindestens 12 Reifen nur für ein Rennen mit Umweltfreundlichkeit zu
tun? Wo soll man einen Zusammenhang von Formel 1 und Sicherheit im
Straßenverkehr suchen? - Oder doch? - Gibt es vielleicht Lehren die man
aus einer Negativentwicklung ziehen kann?
Beleuchten wir doch
einmal den Aspekt Multitasking: Der Formel 1-Fahrer ist inzwischen mehr
mit anderen Aktivitäten beschäftigt als mit dem Autofahren. Er kann
heute schon aus eigener Erfahrung Antwort auf die Frage geben, wieviele
Nebentätigkeiten ein Fahrer beim Fahren übernehmen kann bevor er die
Kontrolle über das Fahrzeug verliert. Oder auch: Wieviele
Knöpfchen kann sich ein Autofahrer merken?
Ein anderer Aspekt
ist die Sicht auf die Straße. Schon seit Jahren frage ich mich, ob die
F 1-Fahrer überhaupt die Straße sehen. In vielen modernen
Straßenfahrzeugen ist es inzwischen ähnlich. Sollte man nicht statt der
Frontscheibe einen Bildschirm installieren, auf dem die Straße
abgebildet ist. Da könnte man auch gleich noch den Abstand zum
Vordermann einblenden und die Bremspunkte. Den Fahrer könnte man dann
auch so in den Innenraum integrieren, dass man die Karosse
strömungsgünstiger gestalten kann.
Ein dritter Aspekt: "Big
Brother" greift ins Geschehen ein. In der Boxengasse oder bei Unfällen
könnte man den Fahrern per Funk Leistung wegnehmen und sich ein
das Rennergebnis verfälschende Safety Car sparen. Das geht auf der
Straße auch. Ortschaften, verkehrsberuhigte Zonen, Zebrastreifen,
rechts vor links Kreuzungen, Überholverbote - es gäbe soviele herrliche
Möglichkeiten, die Autofahrer zu gängeln und zu bevormunden.
Selbstverständlich nur zu ihrer eigenen Sicherheit. Und um
Regressforderungen zu vermeiden.
Wenn man im Motorsport
inzwischen "Balance of performance" betreibt, und diese Gleichmacherei
für spannungsfördernd hält, warum macht man dann nicht die
Serienfahrzeuge alle gleich? Wenn z.B. bei der DTM Siege mit
Zusatzgewichten "bestraft" werden, um beim nächsten Rennen für alle
gleiche Chancen zu gewährleisten, warum macht man das nicht in der
Formel 1? Nach zwei Siegen müsste demnach Vettel mindest mit einem
Zusatzgewicht von 40 Kilogramm zur Raison gebracht werden. - Sonst
gewinnt der schließlich noch mal.
Man sollte noch einmal mit so
bewährten "Fachleuten" wie Ecclestone, Todt und Göschel sprechen. Sonst
tun es vielleicht die Lobbyisten der französischen Atomindustrie. Zur
Not müsste man den "Fortschritt" mit fördernden Zahlungen anregen. Für
die Rechte an der Formel 1, die im Besitz der Bayern-LB wurden - vor
irgendwoher - 50 Millionen "Entscheidungshilfe" gezahlt, die den
Verkauf in die richtige Richtung beschleunigten.
Ehre, Anstand, Charakter sind Vokabeln, die im modernen Motorsport nicht mehr zählen. Von Bedeutung sind
Kosten - Show - Umweltfreundlichkeit - Sicherheit, genau in dieser Reihenfolge. Laut Jean Todt.
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