Motorsport im Jahre 2011: Es wird dem aufmerksamen Zuschauer der Eindruck vermittelt, dass man für Geld alles kaufen kann. Zumindest kann man mit Geld gute Beziehungen und damit dann die Voraussetzungen für Siege schaffen.

Auslöser für folgende Geschichte war eigentlich nur eine kurze - aber treffende - Bemerkung eines Zuschauers, der vom 24-Stunden-Rennen in Spa-Franchorchamps zurück kam. Damit bestätigte er meine Eindrücke in der letzten Zeit. Es wird immer unverhohlener versucht, durch entsprechende Zahlungen, großzügiges Verhalten gegenüber bestimmten Organisationen und Personen, Einfluss auf mögliche Sporterfolge zu nehmen. Oder um es anders zu formulieren: Das Marketing dominiert den Motorsport, lässt ihn zu einem Nebenprodukt werden. Der Motorsportt dient zur Selbstdarstellung. Nicht (nur) von Personen, sondern von Firmen, von Produkten in einer besonderen Art von Überhöhung. Nun werden Sie sagen: Das war doch immer schon so. - Da ist was dran. - Aber das war nicht so krankhaft einseitig wie heute. Selbst Rennfahrer von "damals" waren - wenn sie erfolgreich waren - andere Typen. Heute verhalten sie sich angepasst, übernehmen unkritisch Werbefloskeln, Sprachregelungen, die man ihnen eingebläut hat. Interviews mit ihnen sind so schmackhaft wie eine Vielfruchtmarmelade: Leider viel zu süß. - Darum zurück zu der Feststellung des Zuschauers der von Spa-Franchorchamps kam, die zwar überzogen wirkt, aber tatsächlich die derzeitige Situation auf den Punkt bringt:

"Arroganz hat nun einen Namen: Audi."



11-08-18/02 – Ich traf vor dem 24-Stunden-Rennen am Nürburgring zufällig einen Fahrer. Er lief scheinbar orientierungslos durchs Fahrerlager. "Mensch, hast du nichts mit der Vorbereitung zu tun?", habe ich ihn gefragt. - Sein Lächeln wirkte gequält als er antwortet: "Ich hab' gemacht dass ich da wegkam. Ich kann den Knatsch nicht mehr hören. Du kannst im Team sprechen mit wem du willst. Das Thema Nr. 1 ist  'Balance of Performance'. Du kannst dich nicht davor retten. - Dabei würde ich eigentlich gerne mal wieder mit jemandem über das reden, was mich eigentlich beschäftigt: Rennen fahren und dazu gerade im Hinblick auf das 24-Stunden-Rennen ein paar vernünftige Tipps und Anregungen erhalten."

Aber wen interessiert noch der Fahrer? - Die Hersteller sind fest davon überzeugt, dass ihre Fahrzeug die Voraussetzung für Siege schaffen. Schließlich haben sie mit der "Balance of Performance" dafür gesorgt, dass die Schwächen des eigenen Fabrikats ausgeglichen werden. Irgendwie. Indem man z.B. der Konkurrenz Leistung wegnimmt oder sie schwerer macht, mit Zusatzgewichten belastet. Beim 24-Stunden-Rennen in Spa brachte "Jemand" den Veranstalter so dazu, knapp vor dem Rennen (so um drei Wochen) die Maximalzeit für einen "Stint" (bei Oldtimerrennen spricht man von "Turn") auf 65 Minuten festzulegen, obwohl eine Reihe der eingesetzen (und schon gemeldeten!) Fahrzeuge durchaus in der Lage ist, länger ohne Nachzutanken auf der Strecke zu bleiben. "Zufällig" ist beim Audi aber schon nach 65 Minuten der Tank leer. Und dann müssen eben auch die Porsche rein - z.B. -, die also über die 24-Stunden gerechnet, durchaus weniger Tankstopps einlegen müssten. - Aber dann könnten die ja vielleicht gewinnen. Und das nur, weil sie sparsamer sind. -Das darf nicht sein!

Nun kommt noch hinzu,  dass der Veranstalter im Falle des 24-Stunden-Rennens in Spa auch noch die Tankzeiten angleichen wollte. Wer 90 Liter tanken musste, sollte genauso lange an der Box zum Tanken stehen müssen, wie der Sportwagen, der nach 65 Minuten 130 Liter auftanken muss. - Doch da gab es dann Widerstand, der darin gipfelte, dass bestimmte Teams ihre Nennung zurück ziehen, nicht starten wollten. Da hat der Veranstalter dann eingelenkt.

"Balance of Performance" ist auch ein viel benutztes Fremdwort in der Deutschen Langstreckenmeisterschaft, bei der VLN. Da gleicht man dann an. Sagt man. Weil man aus dem GT3-Reglement abschreibt. - Aber nicht alles. Während im GT3-Reglement auch noch die Fahrer bewertet werden, gibt es das bei der VLN nicht. Da können also drei Werksfahrer (bei der GT3 mit "Platin" bewertet) das Superauto des Werkes steuern, während in der GT3 z.B. nun ein "Platin-Fahrer" möglich ist. Die anderen müssen schwächer sein. So will man (auch) hier für eine Ausgeglichenheit sorgen.

Also sitzen beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, wo (weitgehend) nach dem Reglement der VLN gefahren wird, dann drei "Platin-Leute" auf einem (z.B.) Audi. Der auch sonst noch - so meinen kritische Beobachter (zu denen auch ich gehöre) - bevorzugt wird. Liegt das evtl. daran, dass Audi seit Jahren zu den Hauptsponsoren der Veranstaltung gehört. Und man stellt den Veranstaltern und der Organisation Fahrzeuge. Audi ist großzügig und erwartet auch auf der Gegenseite "Großzügigkeit".

Was das mit Sport und Wettbewerb zu tun hat, verstehen wahrscheinlich nur die Marketingleute der entsprechenden Firmen. Aber so ist das nun heute mal. Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch die Musik.

So macht man den Sport kaputt. Zumal auf der anderen Seite das Geschrei groß ist, wenn dann - wegen der Balance of Performance" - die Ausgeglichenheit so groß ist, dass auf einem Hochgeschwindigkeitstück gleich fünf Fahrzeuge kollidieren. Aber das liegt dann an den Fahrern, denen man wohl noch ein paar Fahrassistenz-Systeme zwingend verschreiben sollte, damit das "denkende" Fahrzeug dann vielleicht eine entsprechende Vollbremsung automatisch vornimmt, wenn es einem Konkurrenzfahrzeug zu nahe kommt.

Warum lässt man nicht die Sieger von den Lottogesellschaften am Abend im Saal ausspielen, weil die doch inzwischen so wenig zu tun haben, dass sie um Millionen Landeszuschüsse betteln müssen. Dafür outen sie sich dann als "Freunde des Nürburgrings". (Nur als Beispiel.)

Bei der VLN wird es nächstes Jahr hart werden. Einige der guten Privatteams werden aufgrund der mit Werksteams gemachten Erfahrungen nicht mehr kommen. Wenn dann noch (nur als Beispiel) z.B. so knapp 30 Renault Clio als Starter wegfallen (was vorstellbar ist!), dann tut der Veranstalter schon nach der derzeitigen Rechnung  Geld dazu. Die Herren Lindner und Richter haben aber schon der VLN in Gedanken eine deutliche Kostenerhöhung (Mietkosten für die Nordschleife) verordnet. Da wird dann das Nenngeld deutlich teurer werden müssen. Was dann die Starterzahl weiter ausdünnt.

Die Katze beißt sich endlich (!) in den Schwanz! - Was hat z.B. in einer Veranstaltergemeinschaft als 11. Mitglied der Rennstreckenvermieter zu suchen? Er verdient an der Vermietung der Rennstrecke und möchte noch am Gesamtergebnis am Ende des Jahres beteiligt sein. Das sollte möglichst hoch sein. Also wird die Teilnahme für die Starter immer teurer. Selbst für den Treibstoff  in der Boxengasse müssen inzwischen bis zu 30 Prozent mehr gezahlt werden als "auf der Straße".

Und die DTM... - Die wird dann bald - neben Audi und Mercedes - auch noch BMW als Teilnehmer nennen können. Immerhin drei Fabrikate. Dort ist man mit Fahrzeugen unterwegs, die aus Fahrersicht eigentlich unmöglich sind: Man sieht aufgrund der "optimalen" Sitzposition (aus Gewichts- und Schwerpunkt-Gründen) nach vorne praktisch nichts. Und wenn man sich dann berührt, gibt's Sportstrafen. Von Funktionären ausgesprochen, die niemals in so einem DTM-Rennfahrzeug gesessen haben. Diese DTM-Serie (übrigens keine Meisterschaft, was von einigen unbedarften Journalistenkollegen gerne übersehen wird) ist eine reine Marketing-Veranstaltung, bei der es wesentlicher ist, dass möglichst viele Kunden der Firmen, die hier ihre "Rennautomobile" einsetzen, zur "Abfütterung" kommen. Die werden mit Freikarten gelockt und dann jeweils Phantasie-Zuschauerzahlen vermeldet

Für eine standesgemäße Abfütterung hat Audi z.B. gerade eine neue "Station" gebaut, die dann gleichzeitig zum "Führerhauptquartier" geworden ist. Mit Richtstrahlern nach Übersee. Dieser Alu-Koloss stand schon in Spa (beim 24-Stunden-Rennen) und wurde dann auch bei der DTM auf dem Nürburgring genutzt. Für den Preis dieser "Hall of Audi" würden Privatteams mehrere Jahre Motorsport auf hohem Niveau betreiben können. Für den Millionenbetrag, der Aufbau und Transport in drei Jahren verschlingt, auch. (Ich kenne die Summen.) Wenn das so weitergeht (z.B.durch BMW), dann werden die aktuellen Fahrerlager der "modernen" Rennstrecken zu klein sein für das "Umfeld" einer Rennserie.)

Die Gesamtsituation im Motorsport, die vom eingangs erwähnten Rennbesucher als "fast unerträglich" empfunden wurde, führte dann auch zu der Zusammenfassung der Situation in einen Ausruf, der dann zum Titel dieser Geschichte wurde, weil er geradezu als Synonym für eine kurze Darstellung der Situation im Motorsport empfunden werden muss.

Bin ich negativ, wenn ich die Situation im Motorsport so schildere, wie sie tatsächlich ist? Aber von anderen schön geredet wird, weil sie so nicht sein darf?

Da lobe ich mir den Oldtimersport. Beim gerade durchgeführten Oldtimer-GP war z.B. auch mein Bruder Bernd unterwegs. Er geht jetzt auf die 70 zu. Und er steuerte auf dem GP-Kurs z.B. im R4 (zweisitzige Rennwagen und GT bis 1960/61) einen 1955er Mercedes 300 SL (mit Flügeltüren und Trommelbremsen) in der Addition zweier Läufe auf dem GP-Kurs über insgesamt 1,5 Stunden zum Gesamtsieg, vor 25 Konkurrenten die in Wertung ankamen. Auf Platz drei, vier und fünf kamen z.B drei Maserati-Sportwagen (offen, vom Typ T61 und 450S), von denen der 5. aber schon zwei Runden Rückstand hatte.
 
Auf der Nordschleife fuhr mein Bruder Bernd Freitags schon mit seinem Fahrerkollegen (Alexander Furiani) bei "durchwachsenem" Wetter mit einem Alfa GTA des Baujahrs (so um) 1965 den Tourenwagen-Gesamtsieg und 10. Platz im Gesamtklassement heraus, während er mit einem Austin-Healey, den er als 2. Fahrer "bewegte", auf den 6. Platz im Gesamtklassement fuhr. Echter Motorsport mit Automobilen, wie sie nur noch von wenigen Rennfahrern der "neuen Generation" optimal (und mit dem entsprechenden Einfühlungsvermögen) bewegt werden können. - Wenn man Walter Röhrl auf einem alten 911 auf der Nordschleife erlebt hat, weiß man was ich meine. (Wenn man das Fahrverhalten eines "alten" 911 und die Eigenschaften der "alten" Dunlop-Reifen bei feuchter Straße kennt!) Er kam übrigens (zusammen mit dem Wagenbesitzer) auf Platz 4 des Gesamtklassements.

Aber auch der Oldtimer-Sport ist an seine Grenzen geraten. Auch hier ist die Bedeutung des Geldes spürbar. Aber zumindest der Geist ist noch der alte!

Darauf einen Dujardin!
MK/Wilhelm Hahne

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