Gedanken zu einer Frühjahrs-Auto-Schau in einer Kleinstadt in der Eifel

Automobile kann man auf Parkplätzen beobachten. Oder in Show-Rooms. Oder auf Automobil-Ausstellungen. Motor-KRITIK hat es jetzt mal auf einer Kleinstadt-Veranstaltung getan. Da wirken die Automobile viel natürlicher. Da gibt es auch ein natürliches Umfeld von Passanten. Davon sind viele Interessenten. Weil sie extra wegen dieser Auto-Schau in die Kleinstadt gekommen sind.Die Marketing-Spezis der Industrie würden erschrecken, könnten sie - wie Motor-KRITIK - wahrnehmen, wie alt diese Interessenten sind. Jedenfalls der größte Teil. - Wir haben uns - nicht nur darüber - ein paar Gedanken gemacht.

"Da stimmt doch dat Preis/Leistungsverhältnis nich mehr!"

98-05-19/03. Er ist so um die 30, seine Frau ein wenig jünger. Seine Haare waren kurz geschnitten und er hatte seine Sonnenbrille hoch geschoben. Er schaute auf das Auszeichnungsschild eines Seat, nannte den Gesamtpreis - es war wohl viel Zubehör drin - und sprach den Satz aus, der zum Titel dieser Geschichte wurde. Ich hätte alles erwartet, nur nicht, daß dieser Mann von "Preis/Leistungsverhältnis" spricht.

Mir fiel das vielleicht besonders auf, weil ich mir darüber vorher auch schon Gedanken gemacht hatte. Da stand ein neuer 3er BMW für rund 86.000 DM. Nun gut, es war ein 328er. Aber 86.000 Mark?

Ich war mit meiner Frau und Bekannten über den Marktplatz gegangen und wir hatten beschlossen, uns in ein Lokal - mit Blick auf den Platz - zu setzen. Dort konnten wir das Leben und Treiben gut beobachten. Direkt uns gegenüber hatte ein Opel-Händler seine Fahrzeuge ausgestellt.

Da stand auch ein neuer dreitüriger Opel Astra in silbermetallic. Richtig schön. Mit Leichtmetallfelgen. Meine Frau - und auch die Bekannten - stimmten zu. Mich störte der "Ansatz" bei der A-Säule ein wenig. Bisher war mir der noch nie so aufgefallen. Aber bei der Farbe... - Und ich dachte daran, wie man das "früher" gemacht hätte. Wäre z.B. der Astra ein Auto gewesen, das bei Reuter (Karosseriewerk, später in Porsche aufgegangen) gebaut worden wäre... -

Natürlich hätte es dort auch den Ansatz der A-Säule gegeben. Aber man hätte ihn - natürlich in Handarbeit - verzinnt, gespachtelt, lackiert. Und das Ganze hätte sich harmonisch präsentiert. Ohne diese - zumindest für mein Auge - schmerzhafte Unterbrechnung der Linie.

Wobei bei mir die Frage auftaucht, ob man überhaupt diese weichen Linien schaffen muß. Mit weichen Übergängen. Warum verarbeitet man nicht Blech wie Blech? Warum schafft man nicht materialgerechte Strukturen?

Eine Kunststoff-Karosse müßte (und könnte) anders aussehen als eine Blechkarossrie. Und warum muß ein Automobil verbergen, aus welchem Material es hergestellt wurde? - Natürlich weiß ich, daß große Ziehtiefen die Werkzeugkosten erhöhen. Wenn schon Blech verarbeitet wird, sollte man schon mit "Blechverstand" zu Werke gehen. Und die Funktion des Autos sollte deutlich werden. - Warum eigentlich keine eindeutigen Lösungen?

Da steht z.B. auf dem Marktplatz eine Lotus Elise. Ein wunderschönes Fahrzeug. Finde ich. Dieses Auto hat nicht mehr, als für die Funktion als offener Sportwagen notwendig ist. Dieses Fahrzeug ist eindeutig, will nicht alles können. Und mit wie wenig Hubraum (und Leistung) ein solches Fahrzeug sportwagenmäßige Fahrleistungen erzielt!

Ich habe übrigens schon mal vor Wochen einen Verkäufer des hier ausstellenden Opel-Händlers gefragt, wie man als Opel-Händler dazu kommt, einen Lotus im Verkaufsprogramm zu haben. (Die Lotus Elise stand auch hier innerhalb der Opel-Modellpalette.) Antwort: Lotus gehört zu General Motors. Und darum hätte man... - Die Sachkenntnis mancher Verkäufer ist einfach umwerfend. Daß das Vergangenheit war, hatte der noch gar nicht mitbekommen.

Aber nun saß ich erst mal in einem Lokal, frühstückte in netter Runde und blickte auf den Marktplatz. - Wie gesagt: Viele alte Leute. So um die sechszig Jahre alt. Aber sehr interessiert. Beim silberfarbenen Astra waren gleich zwei Interessenten gleichzeitig in Aktion. Der eine öffnete die Fahrertür, der andere schaute in den Kofferraum. Dann schlugen beide - fast gleichzeitig - Tür und Klappe zu und... - irgendetwas fiel in Höhe des linken Hinterrades zu Boden. Beide schauten hin, einer hob das Teil auf - es war eine etwa 50 Zentimeter lange schwarze Leiste - man suchte nach einer Stelle wo sie fehlte... - und als man sie nicht fand, legte man das "abgefallene Teil" ins Wageninnere. Um sich schnell zu entfernen. Man wollte wohl nicht für die "Zerstörung " eines Automobils verantwortlich gemacht werden.

Und ich mußte lachen. Opel-Qualität? - Aber das kann wirklich überall vorkommen. Aber Opel hatte so zwei Interessenten weniger.

Das neue Peugeot 406-Coupé ist eine echte Schönheit. Hier auf dem Markplatz wurde es in silbermetallic präsentiert. Diese Farbe paßt wunderbar zu dem Auto. Wobei mir ein- und auffiel, daß gerade Pinin Farina-Schöpfungen dieses Silbermetallic gut zu Gesicht steht. Haben Sie schon mal einen Ferrari 355 in dieser Farbe gesehen? - Oder ich hatte mal einen Lancia Montecarlo... - Diese Farbe paßte einfach - nach meinem Geschmack - am besten dazu.

Nochmal zurück zum neuen 3er BMW, den ich auf dem Kleinstadt-Marktplatz mehrfach passierte. Mir fiel da eine Preisliste ein, die ich vor wenigen Tagen in der Hand gehabt hatte. Sie betraf Lexus. Da war zunächst alles serienmäßige Zubehör (!) aufgeführt, auf mehreren Seiten, und dann kam der Listenpreis. Und danach kamen noch drei (glaube ich) Sonderausstattungen, die gegen Mehrpreis zu haben waren: Das Schiebdach, eine Luftfederung und ein Navigationssystem.

Mich hat diese Preisliste beeindruckt. Vor allen Dingen deshalb, weil ich in den Tagen davor einige deutsche Preislisten, also die deutscher Fabrikate, gesehen hatte. Wo jede Kleinigkeit extra bezahlt werden muß. Von allen Farben, in denen der VW Golf z.B. lieferbar ist, gibt es - wenn ich mich recht erinnere - nur zwei ohne Aufpreis. Und dann erhöht man gerade wieder die Preise. Für die Fahrzeuge ohne Lackierung?

Braucht man die höheren Grundpreise, damit man höhere Rabatte geben kann? - Und für die Überführungskosten, die heute im Kraftfahrzeughandel genommen werden, kann man sich inzwischen schon einen sehr guten Farbfernseher, mit großem Bildschirm, kaufen.

Nochmal zurück zum neuen 3er BMW, den meine Frau übrigens nicht als neu erkannte. Ich habe meiner Frau dann die Ränder unter den Scheinwerferaugen gezeigt. Und habe dann noch einmal die beeindruckend mächtige Karosse umkreist. Ich hatte gerade in den Tagen vorher auf der Nürburgring-Nordschleife den neuen kleinen Lexus (Heckantrieb, Reihensechszylindermotor) beobachtet. Wie zierlich der doch gegenüber einem der neuen 3er BMW wirkte. Kein Wunder, daß die 3er, die ich jetzt im Versuchsbetrieb auch beobachten konnte, zum Teil schon von Achtzylindermotoren befeuert wurden.

Mir scheint die Zeit vorbei, wo die Automobile immer größer werden mußten. Der neue Lexus kommt da - auch das ist meine persönliche Meinung - genau richtig. Ich bin wirklich auf den Preis gespannt. Wahrscheinlich gibt es auch hier viel serienmäßig vorhandene Ausstattung - auf vielen Preislistenseiten dargestellt - und dann nur einen Preis.

Natürlich kann man dann nicht soviel verdienen, wie bei der in Deutschland so gepflegten Aufpreis-Politik. Aber sprechen Sie mal mit Lexus-Fahrern. Einmal Lexus. Immer Lexus. Und wenn der neue kleine Sechszylinder dann noch durch einen Einsatz in der STW-Meisterschaft ein Image bekommt, ein wenig sportlichen Touch... -

Marketing-Entscheidungen müssen eben richtig sein. Man kann ein Automobil zwar auch über den Preis wertvoll machen, aber - wie sagte doch der Mann auf dem Marktplatz einer Kleinstadt in der Eifel? - "das Preis/Leistungs-Verhältnis muß stimmen".

Das stimmte zum Beispiel beim Porsche 968 nicht. Der Porsche 968 war z.B. ein Fahrzeug, das durch eine falsche Preispolitik im Markt kaputt gemacht wurde. Aus Angst, daß Fahrzeug könnte sonst den Erfolg des 911 gefährden. Aus preislichen Gründen.- Und den Boxster-Preis wird man wohl auch nicht mehr lange halten können. Weil die Produktionszahlen eben drücken. Da kann auch die kommende S-Version keine Abhilfe bringen. Achten Sie mal auf die Zulassungszahlen im 1. Quartal 1998. Da gibt es - verglichen mit dem gleichen Quartal im Vorjahr - einen Rückgang von 29,2 Prozent. Und auch der 911... - ja, ja - das Fahrzeug hat nun seine Alleinstellung im Markt verloren, ist vergleichbar geworden.

Was mir beim Wandern über den Kleinstadt-Marktplatz mit seiner Auto-Schau noch auffiel: das große Interesse das der Renault Kangoo findet. Das ist ein richtiges Familien-Nutzfahrzeug. Das aber auch noch Persönlichkeit ausstrahlt. Und es ist in der richtigen Preislage plaziert. Kein Wunder, daß ich hier das Ehepaar vom Anfang dieser Geschichte wieder traf. Dabei hatte ich sie zunächst bei einem Seat Alhambra getroffen. Mit viel, viel Zubehör ausgestattet. Gegen Aufpreis, versteht sich.

Der Renault Kongoo ist eine andere Welt. Preislich. Aber er erfüllt sicher alle Ansprüche die das junge Ehepaar an ein Automobil stellt. - Der Mann nickt angesichts des ausgezeichneten Gesamtpreises und sagt: "Toll gemacht." Und seine Frau steigt durch die hintere rechte Schiebetür ein, schaut auf zum Dachhimmel, setzt sich zurecht und meint: "Wahnsinn. - Der reicht doch für uns."

Und ich bin noch einmal zur Lotus Elise gegangen, habe kurz gerechnet und festgestellt: für einen Renault Kangoo 1,4 plus einer Lotus Elise zahle ich insgesamt nicht ganz soviel, wie ein Porsche Boxster allein in seiner Grundausstattung kostet.

Aber - nicht nur - für mich wären Kangoo und Elise eigentlich eine gute automobile Grundausstattung. Mit einem guten Preis/Leistungsverhältnis. - Sehen Sie das anders?

Wilhelm Hahne