4. Juni 1998: Ein ganz normaler Donnerstag an der Nürburgring-Nordschleife

Ich habe morgens früh an der "Döttinger Höhe" - wie meist - Zeitungen gekauft und - wie immer - zur "langen Geraden" hinüber gelauscht, ob auf der Nordschleife Betrieb ist. Ich mache unterschiedliche Motorengeräusche aus, stelle fest, daß die Nordschleife für den normalen Publikumsverkehr geschlossen ist und begebe mich auf meine Beobachtungsposten. Und ich erlebe (u.a.) den neuen BMW M 5 in seiner endgültigen Serienversion. Und ich könnte - nach stundenlangem Beobachten - nun sogar noch einen Verbesserungsvorschlag machen. Aber grundsätzlich muß man sagen:

Der neue BMW M 5: Ein Grand Tourismo im Idealformat

98-06-09/01. Mit einen feinen Grollen kommt der Wagen oben aus dem Wald geschossen, wird vor der Rechtskurve kurz zusammengebremst, die Reifen schreien gequält auf und er ist - wie der Blitz - vorbeigefegt. Und durch den Wald hört man noch kilometerweit das feine, rauchige Grollen des mächtigen V 8-Motors. Nicht laut, aber in der Stille dieser Umgebung unüberhörbar und eindrucksvoll.

Wenn ich hinter dem Fahrzeug herschaue bemerke ich, daß es sich wohl um die Endfassung des neuen M 5 handeln muß, denn dieser Heckabschluß, unterhalb der eigentlichen Stoßstange, wurde hier sonst im Versuchsbetrieb noch niemals beobachtet, zeigt eine Bördelung, die sehr gut zum Gesamteindruck paßt und das Fahrzeug von hinten geradezu zierlich erscheinen läßt. Die vier mächtigen Auspuffendrohre hatte er schon vorher.

Natürlich kenne ich die Leistungsdaten des Fahrzeuges: 400 PS (295 kW) aus rund 5 Liter Hubraum. Aber die Kraft resultiert nicht nur aus Hubraum, sondern auch aus High-Tech. Der Motor verfügt über das Doppel-Vanos, die vom M 3 bekannte doppelte Nockenwellenverstellung und Einzeldrosselklappen, wie ein guter Rennmotor. Das maximale Drehmoment liegt bei 500 Nm und wird schon bei so niedriger Drehzahl erreicht, daß man - selbst wenn man den Motor in den Gängen jeweils nicht ausdreht - immer wieder im Bereich des höchsten Drehmoments landet. Leider wird das Gesamtgewicht mit um 1,7 Tonnen ein wenig hoch liegen. Darum ist es erstaunlich, welche Fahrleistungen - natürlich auch dank des hervorragenden Fahrwerks und der wie immer herausragenden Bremsen eines BMW - möglich sind: Die Nürburgring-Nordschleife wird an diesem Donnerstag konstant in Zeiten zwischen 8:30 - 8:40 min umrundet.

Natürlich kann das nicht jeder Fahrer. Der da am Steuer sitzt, der kann´s. Ich habe ihn auch längst erkannt: Michael Martini, ein BMW-Mitarbeiter mit Rennerfahrung, der - wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe - für die Abteilung ZS-M 1 arbeitet.

Kommen wir gleich zu meiner (einzigen) Beanstandung: das Heck des M 5 schwingt in bestimmten Fahrsituationen ein wenig nach. Wenn "Mike" z.B. in einer schnellen Bergauf-Rechts ein wenig vom Gas muß, weil sonst auch die breiten 18 Zöller hinten (275/35) die Haftung verlieren würden. Oder wenn am Ende einer schnellen, aber welligen kurzen Geraden, so aus gut 200 km/h eine schnelle Rechts anbremsen muß. Auch dann macht das Fahrzeug hinten einen etwas unterdämpften Eindruck. Zumindest auf der Hinterachse könnte er also nach meiner Einschätzung in härtere Einstellung in der Druckstufe vertragen.

Aber dieser M 5 soll ja eigentlich kein Rennfahrzeug, sondern eher eine komfortable Reiselimousine, mit hohen Fahrleistungen sein. Über die verfügt der neue M 5. Der marschiert in deutlich unter 6 sec von Null auf 100 km/h und wird auch die 200 km/h-Grenze in weniger als 20 sec erreichen. (Wenn er nicht gerade mit vier Personen und Gepäck belastet ist.)

Da ich auf dieser Strecke auch die Porsche-Versuchsfahrer oft beobachte, kann ich sagen, daß die im normalen Versuchsbetrieb mit einem 996 die jetzt vom M 5 gefahren Zeiten nicht erreichen. Aber unter dem gleichen Fahrer, müßten sowohl der neue 911 (996) wie auch der neue M 5 die Nordschleife in ähnlichen Zeiten umrunden können. Nur daß der M 5 vier Türen hat, einen ordentlichen Kofferraum und - sichtlich - mehr Federungskomfort.

Wie man hören kann, wird die Kraft über ein Sechsganggetriebe an die Hinterachse geleitet, wobei der 6. Gang offensichtlich als Schongang ausgelegt ist. Und auf der langen Geraden des Nürburgrings, die bekannterweise deutlich ansteigt, scheint der M 5 auch (noch) nicht an den Begrenzer zu kommen. Denn - aus meiner Sicht unverständlich - wird auch der neue BMW M 5 wieder bei 250 km/h elektronisch abgeriegelt werden. Das beruhigt vielleicht das politische Gewissen einiger Vorstandsmitglieder, aber macht die ganze Kluft zwischen Denken, Handeln und Darstellen deutlich: 400 PS Leistung, 500 Nm Drehmoment, unten herum eine Traktionskontrolle und oben herum abgeriegelt. - Was soll das?

Der M 5 ist als Automobil eigentlich eindeutig. Und er paßt - wenn der Fahrer zu ihm paßt - auch ohne alle Abriegelungen in die heutige Zeit. Es gibt sicherlich kaum ein Automobil, mit dem sich anstrengungsloser und bequemer lange Strecken schnell und mit hoher Sicherheit zurücklegen lassen. Dieser neue M 5 ist ein echter Grand Tourismo.

Eigentlich müßte es Spaß machen, mit so einem Fahrzeug "mal eben" in die Schweiz zu fahren, "mal eben" nach Italien oder "mal eben" nach Südfrankreich... - Und weil ich über solche "Träume" dann in diesen Tagen mit guten Freunden - die ähnlich empfinden und denken - am Telefon spreche, höre ich, daß ich mich dann wohl noch vor Fronleichnam (11. Juni) bei "Poldi" melden müsse, weil der "in seinen Kreisen" davon gesprochen habe, daß er dann mit dem neuen M 5... -

Übrigens: Mit "Poldi" ist Prinz Leopold von Bayern gemeint. Und als ich noch ein wenig mehr telefoniert habe weiß ich, daß mein Kontakt zu spät kommen würde. "Poldi" hat schon einen Beifahrer: Jürgen Lewandowski von der "Süddeutschen Zeitung" wird "Poldi" auf einer Fahrt - und auch noch tatsächlich - nach Südfrankreich begleiten. Daß der einen Exklusiv-Test macht, ist aber kaum vorstellbar, weil das z.B. die Meinungsbildner von "auto motor und sport" stark verschnupfen würde. Vielleicht darf Jürgen Lewandowski auch nur mit verbundenen Augen fahren und "Poldi" führt ihm die Hand beim Lenken.

Aber so ist das Leben: Unsereiner hat Geschmack und andere dürfen schmecken. - Spaß beiseite: Wenn Sie auch den neuen M 5 so lange beobachtet hätten wie ich, wären Sie auch auf den Geschmack gekommen. Aber vor dem Genuß muß man auch noch den Kaufpreis berücksichtigen. Der wird sicherlich - verglichen mit dem Preis für einen Porsche 996 - deutlich günstiger sein (unter Berücksichtigung der Serienausstattung), aber sich immer noch in Regionen bewegen, die für Normalverdiener - leider - unerschwinglich sind.

Aber vielleicht macht Herr Lewandowski ja auch - in bewährter Manier - ein Buch über den neuen BMW M 5... - Dafür sollte mein Geld dann noch reichen.

Zum Schluß noch eine Anmerkung für ernsthafte Interessenten: nach letzten Informationen, die gerade bei Motor-KRITIK eintreffen, soll der neue BMW M 5 ab November 1998 lieferbar werden.

MK/Wilhelm Hahne