98-09-22, in Virneburg/Eifel/Rheinland-Pfalz/Deutschland/Europa/die Welt

Guten Tag!

Ich lese viel. Weil ich gerne lese. Und ich denke beim Lesen, nehme nicht das Gelesene einfach unkritisch auf. So kann ich meine Meinung, mein Wissen um die Dinge immer mit dem Wissen und der Meinung anderer vergleichen, evtl. abgleichen. Da ich aber nicht von allen Dingen etwas verstehe, ist ein "Vergleichen " nicht immer möglich.

Besonders glaubwürdig sind da für mich die Publikationen, die auf jenen Themengebieten gut sind, die ich beurteilen kann. Und ich frage mich manchmal, was ich denn eigentlich jenen Publikationen in jenen Themenbereichen glauben soll, von denen ich nichts verstehe, wenn sie auf den Gebieten, die ich kontrollieren kann, voller Fehler stecken..

Wenn ich in der "Braunschweiger Zeitung" lese.... - (Kleiner Scherz von mir. Denn das brauchte ich nicht zu lesen. Vor mir hatte niemand von einem Bugatti auf dem Pariser Salon geschrieben.) - Aber ich kaufe mir nicht nur Tageszeitungen, sondern auch Magazine, die nicht ausschließlich über Automobile, Technik oder Motorräder schreiben. So habe ich mir z.B. "P.M - Peter Moosleitners interessante Magazin" gekauft. Das Septemberheft. Und da gab es dann sogar eine Geschichte, die ich "kontrollieren" konnte. Vom Chefreporter (lt. Impressum) geschrieben. Der schreibt also wahrscheinlich über alles, was ihm die Chefredaktion aufgibt. In diesem Heft (auch) über Motoren. "Wieviele Zylinder braucht ein Motor?", fragt er sich. Und gibt dann vielen Lesern eine Antwort.

Ich habe schon schlechtere Geschichten gelesen. Man merkt, wer ihm als Informanten (die auch genannt werden) diente. Und so ist nichts über (unterschiedliche) ideale Zylinderwinkel bei Sechs- oder Achtzylinder-V-Motoren zu erfahren. Oder beim Chefreporter von "P.M." ist ein Boxermotor "ein auf 180 Grad gespreizter V-Motor". - Wer wird denn da auch so kleinlich sein und auf die Kurbelwellenkröpfungen (deren unterschiedliche Anzahl bei gleicher Zylinderzahl) aufmerksam machen?

Der "P.M."-Chefreporter beschreibt  manche Erscheinung sehr richtig. Und trotzdem gibt es dazu noch einen anderen Blickwinkel aus der Sicht des Auto-Nutzers. Hat er - haben Sie - schon jemals einen Zwölfzylinder-Ferrari mit Zweilitermotor gefahren? - Ich schon. Und so ist dann z.B. die Feststellung in "P.M." zwar richtig, wenn man dort lesen kann: "Das sogenannte Downseizing lohnt sich nicht. Kleine Sechszylinder mit unter zwei Liter Volumen mögen zwar bei höheren Drehzahlen schön schnurren, aber unten fehlt´s an Kraft". - Aber... -

Richtig. - Ein Motor, jeder Motor,  hat auch so etwas wie einen Charakter. Und da gibt es eben Motoren, deren Charaktereigenschaften dem einen mehr und dem anderen weniger passen. Und darum muß es sie geben. Nicht alle Dinge sind auf der Motorbremse meßbar. Und ein Motor ohne Getriebe macht keinen Sinn. Und wie beeinflußt eine Getriebe- und die Gesamtübersetzung das Fahr-Erleben? - Mancher Motor, der in einer Limousine ein "ungenügend" erhalten würde, erhält vielleicht in einem Roadster ein "sehr gut". Es ist nicht alles so einfach, wie sich das ein Chefreporter von "P.M." macht. Hier den Motorenmann von Opel, da den von Mercedes befragt und dann deren von Firmeninteressen geprägtes Bild eines idealen Motoren-Kompromiß-Bildes als allgemeingültig dargestellt, das ergibt nicht unbedingt die Information, die den Leser in optimaler Weise fortbildet. - Aber immerhin fortbildet.

Denn grundsätzlich ist diese Geschichte nicht schlecht. Wie überhaupt das ganze Heft für mich interessante Informationen bot. Zum Beispiel die Geschichte über "Biologische und künstliche Netzwerke". Oder die Geschichte über "Zeitreisen". - Kann die Zeit rückwärts laufen? - Sie sollten "P.M." lesen. Oder die Darstellung des "Netzwerks Bienenschwarm". Sehr gut. Darin gibt es auch zum Internet eine "nette" These: "Das World Wide Web entwickelt sich zum Superhirn der ganzen Menschheit: Ein evolutionärer Sprung in die Hyper-Intelligenz." - Übrigens: Motor-KRITIK ist ein Stück davon.

Wie "dumm" man in den Werbeabteilungen der Automobilindustrie (aber auch bei deren Beratern) ist erkennt man daran, daß sich im Septemberheft von "P.M." ganze zwei Automobilanzeigen finden. Eine für den Mitsubishi GDI, eine andere für den Renault Kangoo.

Daß überall ein wenig nachlässig (ohne Nachzudenken) gearbeitet wird, ist auch durch Beispiele aus dem (Fach-) Zeitschriftenbereich zu beweisen. Da schreibt z.B. die "Auto-Zeitung" praktisch eine Meldung aus "Focus" um, nach der sich Opel "um einen Ersatz für den bisherigen BMW-Diesel im Omega kümmern" muß, weil BMW den neuen Direkteinspritzer (3.0 l Common-Rail) nicht an die Konkurrenz verkauft. - Wie wäre es, wenn man vor dem Schreiben ein wenig nachdenken - oder vielleicht sogar recherchieren - würde?

BMW baut den "alten" 2,5 l tds (den Vorkammer-Diesel) auch nach Erscheinen des neuen 3.0 Liter-Direkteinspritzer (Common-Rail) weiter. Er wird z.B. für den italienischen Markt (aber auch anderswo) gebraucht. Also wird ihn auch Opel noch in absehbarer Zeit erhalten können. Und Opel wird diesen - oder auch den neuen 3.0 l-Direkteinspritzer - dann beim neuen Omega nicht mehr gebrauchen können. Weil der neue Omega ein Fronttriebler wird. Und weil Opel dafür einen eigenen V6-Diesel (zum Quereinbau!) entwickelt. - Haben das "Focus" und die "Auto-Zeitung" nicht gewußt?

Oder da lese ich in "Auto-Bild" eine Meldung, die von einem "Vectra-Boom" berichtet. Wörtlich: "Opels Vectra wird zum Erfolgsmodell. In Rüsselsheim wird eine dritte Schicht für den Mittelklassewagen eingerichtet." - Usw., usw. - Da traut man doch praktisch seinen Augen nicht. - Was sagen denn die Zulassungszahlen in Deutschland?

In den ersten sieben Monaten des Jahres 1998 wurden vom Opel Vectra 81.909 Fahrzeuge neu zugelassen. Das sind 12,3 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im Juli z.B., wo der Opel Astra gegenüber dem Vorjahr um 28,2 Prozent zulegte, verzeichnete der Opel Vectra ein Minus von 37,1 Prozent. - Der Opel Vectra ein Erfolgsmodell? - Herr Borghs gibt dazu sicherlich gerne eine eidesstattliche Versicherung ab. - Aber genügt "Auto-Bild" auch eine entsprechende Pressemitteilung der Adam Opel AG, um eine Meldung wie oben beschrieben zu verfassen? - Oder war es gar eigene Recherche?

Es steht allerdings auch in "Auto-Bild", daß "gleichzeitig die Omega-Produktion von 600 auf 400 Exemplare pro Tag gekürzt" wird. Dabei nahmen die Zulassungszahlen des Omega in den ersten sieben Monaten gegenüber dem Vorjahr nur um 5,7 Prozent ab. Allerdings betrugen die Zulassungszahlen im Juli 1998 nur 4.254 Fahrzeuge, gegenüber 11.409 Vectra. - Erinnern Sie sich noch, daß der Opel Rekord (der Vorläufer des Omega) mal das meistgekaufte Modell bei Opel war? - Und der Opel-Vorstand machte sich damals Sorgen, wie man das ändern konnte. - Er hat es geschafft!

Da wir gerade bei Zulassungszahlen sind: Porsche hat in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 14,9 Prozent weniger Fahrzeuge in Deutschland zugelassen als im Vorjahr. Dabei gab es im Juli noch ein Zulassungs-Plus (gegenüber dem Vorjahr) von 6,3 Prozent. - Erinnern Sie sich noch der Porsche-Produktions-Geschichte in Motor-KRITIK? - Vergleichen Sie die doch mal (im Inhalt unter: "Porsche: Probleme, Probleme, Probleme" und seit dem 5. Juni im Internet) mit der im "Spiegel", die zwar rund acht Tage später erschien, aber auf Eigenrecherche beruhte. Verbreitet man in Hamburg. (Was immer das heißen mag.)

Die Presse schreibt vornehmlich das, was die Presseabteilungen vorgeben und wollen. Was Ärger vermeiden hilft. Und wenn sie das nicht tut, dann passiert vielleicht das, was in der "Wirtschaftswoche" zu lesen war: In England trafen sich bedeutende Wirtschaftsführer (z.B. Ford-Chef McAllister mit neun weiteren Führungskräften) um zu beraten, was gegen eine für die Industrie "unangenehme" Journalistin zu unternehmen wäre. Gegenstand der Beratung war Anne Robinson, Moderatorin der BBS-Verbrauchersendung "Watchdog", in der lt. "Wirtschaftwoche" ..."Produkte und Dienstleister radikal geprüft werden".

Da muß etwas unternommen werden. O-Ton "Wirtschaftswoche": "Anne Robinson quält die Unternehmen seit Jahren mit aggressiven Testmagazinen". Da will nun die britische Industrie etwas unternehmen. - Ein Beispiel für die deutsche Automobilindustrie?

Ach wo. - Solche Treffen und Absprachen gibt es doch längst im VDA. Aber ohne Protokoll. Bestenfalls sind dort "Anregungen" (z.B. des Opel Vorstandsvorsitzenden - inzwischen nach Rußland verbannt) nachweisbar. Da ist in der Vergangenheit aber praktisch über fast alle wichtigen (Auto-) Journale und Journalisten gesprochen worden. (So viele sind es ja nicht.) Zum Beispiel auch über "Auto-Bild". Motor-KRITIK erfuhr es aus "Kreisen der Automobilindustrie". Und "Auto-Bild" reagiert nun. Wie man im Impressum demnächst lesen kann.

Manchmal ist eben auch interessant, was man derzeit noch nicht lesen kann. Aber wer liest schon regelmäßig im Impressum von Zeitungen und Zeitschriften? - Dabei bildet sogar das Lesen von Anzeigen. Wenn z.B. in einer Anzeige von "Computer Associates" McLaren-Chef (Managing Director McLaren International) Ron Dennis als "Software Sieger" auftritt, dann finde ich das eine wichtige Information. - Und denke mir meinen Teil.

Zum Thema Anzeigen: die gibt es in Motor-KRITIK nicht. Das habe ich auch einer Media-Agentur sagen müssen, die inzwischen Motor-KRITIK zum Plazieren von Anzeigen für interessant befand. Das ist eine grundsätzliche Entscheidung. - Das macht mich zwar von Abonnenten abhängig, - aber nicht von einem einzigen. Dazu sind die Summen zu klein. Wie bei mir unter "Abo-Konditionen" im Inhaltsverzeichnis nachzulesen.

Lesen bildet eben. - Nun sollten aber jene Leser von Motor-KRITIK nicht jammern, die in diesen Tagen nicht mehr alles in Motor-KRITIK lesen können, weil jedes "Schnupper-Abo" einmal enden muß. - Jetzt ist es beendet! - Aber es kommen in Motor-KRITIK in den nächsten zwei Tagen wieder interessante Geschichten hinzu. Sie handeln von Marketing-Fehlern (jetzt und in der Vergangenheit), von der A-Klasse (und ESP-Problemen der besonderen Art), auch davon, wie die Presse durch die Industrie "auf den Arm genommen" wird. - Und... und... und. - Alles Geschichten, die Sie kaum irgendwo anders finden können. Und die so manche gedankliche Anregung enthalten.

Es wird immer genügend Themen - gerade in der Automobilbranche - geben, die der besonderen Behandlung bedürfen. Und darum wohl - leider - (fast) nur in Motor-KRITIK ihren Platz finden. - Auch in Zukunft. (Solange sich das Impressum von Motor-KRITIK nicht ändert.)

Wenn Sie es noch nicht wissen sollten: Es gibt in Motor-KRITIK auch "grüne Geschichten", zu erkennen an den "grünen Markierungen". Die können alle lesen. Wirklich alle! (Wenn man lesen kann.) Auch wenn man nicht Abonnent ist. - Es gibt viele "grüne Geschichten" auf diesen Internet-Seiten. Blättern Sie mal. Und es sind nicht die schlechtesten. Aber wenn Sie mal richtig "rot sehen" wollen, müssen Sie schon ein wenig in die Tasche greifen. - Oder in die Firmenkasse. - Oder möchten Sie überwiegend aus "zweiter Hand" informiert werden? - Oder vielleicht auf dem "grauen Markt" an Motor-KRITIK-Geschichten kommen?

Begrenzen Sie Ihren Informations-Horizont nicht selbst. Begnügen Sie sich nicht mit dem Lesen von Pressemitteilungen der Automobilindustrie. Das sind die kunstvollen Blumenzüchtungen der PR-Gärtner. Eine ist wie die andere: wunderschön.- Motor-KRITIK ist damit verglichen wie Unkraut.- Oskar Kokoschka hat einmal gesagt: "Unkraut ist die Opposition der Natur gegen die Regierung der Gärtner." -

Ein wenig Opposition sollte man sich nicht nur im Garten leisten.
 
Einen schönen, sonnigen Septembertag wünsche ich Ihnen. Und freuen Sie sich auf das neue "Unkraut" in Motor-KRITIK.

Wilhelm Hahne