Wenn Dr. Kocks (VW) denen von BMW "an die Hose geht"

Jeder Automobilhersteller hat einen Konkurrenten. Und die jeweiligen Mitarbeiter entwickeln dann ein Feindbild. Und sie verhalten sich, daß man ihnen manchmal den Besuch des Psychiaters empfehlen möchte. Es geht auch anders. Mein Vater lebte z.B. nach der These, "Ich kenne keine Konkurrenz und keine Kollegen". Und ich bin ein Sohn meines Vaters. Andere Söhne haben andere Väter. So z.B. Herr Prof. Dr. Kocks. Und weil der - nach eigener Aussage - "BMW gerne an die Hose geht",  gibt es als Pendant zum "BMW-Magazin" auch das "Volkswagen-Magazin". Lassen Sie mich über beide erzählen.
 

Über zwei konkurrierende Medien der Kunden-Kommunikation

98-09-28/03. Man sollte nicht jedes Wort auf die Waage legen, daß aus Richtung Marketing-Abteilung einer Firma kommt. Aber Motor-KRITIK hat gleich viele Marketing-Worte auf die Waage gelegt: die Kunden-Magazine von BMW und VW, das "BMW MAGAZIN" und das "VOLKSWAGEN magazin". Man beachte den Unterschied in Groß- und Kleinschreibung.

Wenn man die Seiten zählt, ist das von BMW das Größte. Hier stehen 116 Seiten gegen exakt 100 von VW. Aber nach Gewicht gemessen, geht VW dann auf der nach oben offenen Gramm-Anzeige gleich in Führung: VW bringt 400 Gramm, BMW nur 380 Gramm auf die Waage. Und beide kosten lt. Aufdruck 10 Mark.

Und was ist mit der "Freude am Lesen"?

Bei VW gibt es zunächst einmal Freude an der Farbe. Klare, kräftige Farben. So klar und farbig, wie die Sprüche des Herrn Dr.Kocks. Und wenn man mal ins Impressum schaut, dann gibt es eine "Objektleitung",. die im Marketing angesiedelt ist. Und so ist das "magazin" (kleingeschrieben!) denn auch. Man tut etwas füreinander: Persönlichkeitskult. Wer möchte denn noch mal gefeiert werden? Wir lernen in Heft Nr. 2 die Herren Büchelhofer, Fuhrmann, Winterkorn, Szengel, Neumann, Gleisner, Maus und Reddigan kennen. Natürlich findet auch eine entsprechende Frauenquote Berücksichtigung. In Farbe natürlich. Auf hochwertigem Papier! (Darum ist das Heft bei weniger Seiten auch so schwer.)

Bei BMW gibt es dagegen ein richtiges Impressum. Sogar mit einem Chefredakteur. Hat man aber vorher mal in dem "MAGAZIN" gelesen, müßte man diese Bezeichnung eigentlich in "Schriftleiter" korrigieren. (Sie erinnern sich: im Dritten Reich nannte man die Chefredakteure von Zeitungen wohl so, weil die weniger "Chef" sein durften, aber die "Schrift leiten", jene Worte ins Blatt heben durften, die andere ihnen vorgaben.) Auch bei BMW ist es wohl (wie zu spüren) das Marketing.
Auch das "BMW MAGAZIN" ist eine vom Marketing bestimmte "unglaubliche" Ansammlung von Werbetexten.

Für wen werden solche Kundenzeitschriften (???) überhaupt gemacht?

Übrigens: Mein "Vergleichstest" ist rein zufällig entstanden. Früher habe ich mal das "BMW MAGAZIN" regelmäßig (und automatisch) erhalten. Dieses Mal - und einige Male vorher - habe ich es mir von einem BMW-Fahrer besorgt. Und das "VOLKSWAGEN magazin" erhielt ich durch einen VW-Fahrer.

Ich habe das "BMW MAGAZIN" (Ausgabe 3/1998) einmal einem privaten Besucher, der bei mir zu einem Glas Wein eingekehrt war, zur flüchtigen Beurteilung vorgelegt. "Das ist ja schrecklich", war seine wörtliche Aussage. Das finde ich übrigens auch. Das hat nichts mit dem zu tun, was man eigentlich BMW zuschreibt, läßt mich eigentlich BMW nicht so empfinden, wie ich BMW einschätze. In dieser Kundenzeitschrift brennt kein Feuer, da versteht man nichts von Automobilen, da schreibt man Prospektdeutsch. Und das Layout... - Eigentlich hat es die Aufgabe, das Auge zu führen. Im "BMW MAGAZIN" dient es dazu, den Leser zu verwirren.

Da gibt es z.B. eine Dieselgeschichte. Aber wie soll jemand eine Dieselgeschichte schreiben, der den Diesel nicht verstanden, begriffen hat? Zitate, Zitate, Zitate. Und viel Worte. Blutleere Worte, die sich dann noch dem Leser als "Bleiwüste" darstellen, mit einer Grafik garniert, die die Geschichte insgesamt unsympathisch wirken läßt.

Glaube ich dem, was in BMW-Magazin geschrieben ist, dann läßt z.B. nur das Common-Rail-System (ab Sechszylinder) "die sogenannte Voreinspritzung" zu. Beim 320d scheint es die nicht zu geben. Da arbeitet ja auch nur eine einfache Hochdruckpumpe. Auch in "BMW MAGAZIN" steht das, was ich überall lesen, kann mit ein wenig "Konrad Zuse" und "Christiaan Barnard" garniert. Damit der vorgesehene Raum gefüllt werden konnte?

Daß z.B. die Hochdruckpumpe beim 320d ein "hochintelligentes" Teil ist, das mit einen sensationell aufmerksamen Elektronikteil z.B. sogar während des Durchflusses die Temperatur des Dieselkraftstoff mißt und abhängig davon (weil die Temperatur die Viskosität und damit die Durchflußmenge beeinflußt) die Länge der Einspritzsequenzen steuert, wird so den Lesern wahrscheinlich auf ewig verborgen bleiben. Weil es das Marketing auch nicht weiß? - Weil die Journalisten (?) die dieses Heft machen, zu wenig neugierig (eben keine Journalisten) sind? - Gab es als Textvorlage nur die BMW-Prospekte? - "Quantensprung", "Zeitenwende", "Emotion und Effizienz" oder die gewagte Wortkombination von "modernste High-Tech". - Wahnsinn! - Frage: Kann High-Tech auch unmodern sein, vielleicht sogar altmodisch?

Das ganze Heft wirkt anders als die Marke BMW selbst: wie "will und kann nicht". Und Anzeigen auf dem Niveau vom "Grünen Blatt", "Frau im Bild" (o.ä.) tun ein übriges, die "BMW-Welt" mit ganz neuen Augen zu sehen. "STYLE YOUR BODY: FREUDE AM BADEN".

Dieser Ausgabe - wie ich sie erhielt - lag  ein Schreiben bei, indem der BMW-Kunde aufgefordert wird, doch noch jemanden zu benennen, der am "BMW MAGAZIN" auch (kostenlos!) interessiert ist, auf der anderen Seite gibt es im Inneren des Heftes ein Inserat des Verlages, indem dem Leser "Prämien" (Damenschal, Herren-Portemonnaie, Uhr usw.) angeboten werden, wenn er Abonnenten vermittelt, die für vier Hefte im Jahr "den Vorzugspreis von DM 38,--" zahlen.- Und im gleichen Atemzug, auf der gleichen Seite,  wird für "Die Woche" geworben.

Es gibt - wie auch zu lesen - für den Leser eben "Innovationen am laufenden Band". Neu für mich war z.B., daß es BMW-Motoren gibt, die mit Normalbenzin betrieben werden (Seite 21). Und ich dachte immer, der BMW-Renndieseleinsatz in Spa wäre der zweite gewesen. Und ich lerne (auch in der Dieselgeschihte), daß "im Herbst 1998 das nächste Highlight" (dem Vierzylinder-Diesel) folgt: "ein Sechszylinder-Diesel". - Wann wurde die Geschichte geschrieben? -Hat man nicht bedacht, wann sie erscheint?

Aber im "VOLKSWAGEN magazin" (Ausgabe Oktober 1998) ist man da nicht besser: Herr Büchelhofer parliert über die Chancen von Bentley und Rolls Royce im Markt. Wann wurde das Interview gemacht? - Der Interviewer fragt z.B. (Zitat): "Gibt es nicht die Gefahr, daß Kunden sagen: 'Die können zwar Bentley Kaufen und Rolls-Royce dazu, aber..." usw. - Hat niemand hier eingegriffen, Korrektur gelesen?

In diesem "VW"-Magazin folgt Knüller auf Knüller, VW-Persönlichkeit auf VW-Persönlichkeit. Das ist alles sooo eindrucksvoll.. Das ist ein "magazin", wie es sich Klein-Marketing-Fritzchen vorstellt. Schlag auf Schlag. - Hat man noch niemals etwas davon gehört, daß auch ein Heft, eine Zeitschrift, ein Magazin - nicht nur ein Theaterstück oder ein Film - einer gewissen Dramaturgie bedarf? - Und darum muß es auch einen Chefredakteur geben, wie es anderswo einen Regisseur gibt. Er muß gewichten, Akzente setzen, das Heft auf einen Höhepunkt zusteuern - aber auch ausklingen lassen. So ein Magazin sollte Information, aber auch Lesestoff bieten.

Wie sagt Herr Büchelhofer so schön: "Bei uns wird ein Licht nach dem anderen angeknipst. Unsere Stadt wird am Ende schöner sein." - Was er vergißt: bei mehr Licht sind auch die unschönen Seiten von "unserer Stadt" deutlicher zu erkennen.

Wenn man im "VOLKSWAGEN magazin" blättert kommt man sich am Ende vor wie jemand, den man gezwungen hat, eine ganze Woche lang ausschließlich von Pudding mit Himbeersaft zu leben. Zu süß, zu viel, zu einseitig. Wenn man dort so weitermacht, müssen denen doch bald die Persönlichkeiten (oder die sich dafür halten) ausgehen. - Und die Farbe.

Was soll denn ein "Magazin" eigentlich sein? - Ich habe da so meine besonderen Vorstellungen. Aber schau´n wir mal ins Lexikon. Danach ist es die Bezeichnung (und Titel-Bestandteil) periodischer Zeitschriften, heute auch von Hörfunk- und Fernsehsendungen; und - so wörtlich - "insbes. Bez. für anspruchslosere, illustrierte Unterhaltungs- oder zweckgebundene (auch pol.) Zeitschriften (Hobby-, Sex-, Jugend-M. usw.)", usw., usw. -

Anspruchslos? - Das geht in Orndung. Aber wenn das so sein soll wie im Lexikon, dann vermisse ich doch bei VW den Sex. Da genügt es einfach nicht, daß Dr. Kocks davon spricht, daß er gerne BMW "an die Hose geht". Man sollte es auch zeigen. - Bei BMW geht immerhin die Fotografin Bettina Rheims einem Fotomodell "an die Rose". (Seite 49) - Spaß beiseite:

Beide "Magazine" sind jedes auf ihre Art schlimm. Bei BMW werden Seiten gefüllt, bei VW werden Seite für Seite gleich gestaltet. Großserie eben. Aber mit der von VW gewohnten Paßgenauigkeit. - Und die Qualität der einzelnen Geschichten ist bei VW besser! - Leider auf einer Einheits-"Plattform" verkauft.

Feststellung: VW macht das "schwerwiegendere" Magazin, BMW das abschreckendere. Beide könnten gut eine journalistische Einflußnahme vertragen. BMW-Prospekte sind interessanter, deren Text überrascht auch nicht, weil man dort nichts anderes erwartet. Und bei VW wäre weniger ein wenig mehr. Weniger Persönlichkeiten. Weniger Farbe. Hat man in Wolfsburg schon mal etwas von Meldungen, von Umlauf-Geschichten gehört? Und kann man sich vorstellen, daß auch Seiten einmal unterschiedlich - abhängig auch vom Thema - layoutet sind, ohne das dadurch der Zusammenhang im Heft verloren geht?
Eine Staretz-Geschichte ist keine Staretz-Geschichte mehr (Seite 15), wenn man sie auf VW-Großserienart verkauft. Der Charme ist weg, zerstört vom Layout.

In Wolfsburg und München gibt es sicherlich Veranlassung, sich um viele Dinge zu kümmern. Die "Magazine" sind da sicherlich nicht das größte Problem. - Aber warum hat man sich denn diese Probleme selbst geschaffen? Das Marketing sollte sich ums Marketing kümmern, die Werbeabteilung um die Werbung, die Kommunikation um die Kommunikation. - Aber bitte nicht so, wenn es um den Kunden geht. - Wie wäre es, wenn man diese Aufgabe Journalisten überläßt, Chefredakteuren, die begriffen haben, daß man jede Publikation auf seine Empfänger ausrichten muß.

Und ein BMW-Fahrer ist immer noch ein anderer als ein VW-Fahrer. Und ein BMW-Magazin sollte schon anders sein, als es sich heute darstellt. (Auch von den Anzeigen her!)

Und Herr Prof. Dr. Kocks sollte vielleicht doch davon Abstand nehmen, bei jeder Gelegenheit BMW "an die Hose zu gehen". Manchmal geht´s sonst eben in die Hose. - Wie im Falle Rolls Royce. Dieses Mal im Oktoberheft.

MK/Wilhelm Hahne