Wenn Wegfahrsperren zu Wegfahrsperren werden

Je mehr Elektronik in unsere Automobile kommt, desto unberechenbarer wird ihr Verhalten. manchmal ist es sogar als zickig zu bezeichnen. Diesen Problemen ist auch mit Logik nicht beizukommen. Nachstehend sei von einem persönlichen Erlebnis berichtet, das eigentlich jedem passieren kann. Wenn er ein wenig Pech hat. Oder ein so spontan anspringendes Automobil wie ich. - Ich sehe förmlich die vielen Fragezeichen (?????) in Ihrem Kopf. Ich will sie beantworten.

Man sollte sein Handy immer dabei haben

98-09-28/05. Ich fahre ein zuverlässiges Automobil. Es hat mich bei mehr als 35.000 Kilometern im letzten Jahr nicht im Stich gelassen. Und darum war ich auch gar nicht nervös, als mein Auto... -

Eigentlich begann alles so. Ich wollte "mal eben" ein paar Zeitungen kaufen. In der Eifel bedeutet das, daß man das Auto starten muß. Und vor dem Starten hat der Autohersteller das Betätigen der Wegfahrsperre vorgeschrieben. (Zumindest bei meinem Fahrzeug ist das so.) Also ist alles an diesem Tag, wie an jedem anderen Tag auch, wenn ich Autofahren muß: Tür öffnen, einsteigen, anschnallen, dabei schon den Zündschlüssel drehen, mit der rechten Hand die Code-Nummer (vierstellig) eingeben, starten, wegfahren.

Und mein Fahrzeug - d.h. exakt ist es der Motor - springt immer spontan an. Ein kurzer Dreh genügt. Klack - Brumm. - Und auf geht's. - Auch an diesem Tag.

Schon nach 12 Kilometern habe ich meinen Zeitungshändler erreicht. Es regnet stark an diesem Tag. Ein blödes Wetter. Ich renne also durch den Regen, suche mir in Ruhe die Zeitungen und Zeitschriften aus, renne wieder zurück. Und es läuft die gleiche Zeremonie wie vorher ab. - ...und Klack - Bumm, der Motor läuft. - Aber nur auf 2,5 Zylindern. - Sollte die Feuchtigkeit...? - Aber warum? - Der Motor stottert und hustet. - Und ich entschließe mich loszufahren. Der wird wahrscheinlich nach hundert Metern Fahrt wieder so frei brummen wie sonst auch immer.

Aber er hustet und stottert. Und ich habe das Gefühl, daß ich gleich liegen bleibe. Also lasse ich mein Fahrzeug in einen Nebenweg, weg von der Hauptstraße rollen und überlege. - Inzwischen ist der Motor ausgegangen. Ich starte ihn auch nicht neu. - Warum auch?

Kurze Überlegung: ich werde meine Werkstatt, so um 25 Kilometer von meinem Standort entfernt anrufen. Vorher werfe ich allerdings noch einen Blick unter die Motorhaube. - Aber der Motor ist drin. Mehr kann ich auch nicht sehen. - Und was sollte ich sonst machen?

Ich rufe also meinen Händler an. Und der nette, freundliche Mitarbeiter am Apparat bietet mir gleich an, ein Fahrzeug zu schicken, das mich abschleppt. - Nein, ich will nicht abgeschleppt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das hier ein Schaden ist, der einen Werkstattbesuch erfordert. Schließlich lief der Motor bis zum Abstellen einwandfrei und erst nach dem Starten... - Ich verlange nach dem Werkstattmeister. Aber der ist auf Probefahrt. "Rufen Sie in einer halben Stunde noch mal an?" - Das werde ich machen.

Ich stelle das Radio an, schlage meine Zeitungen auf und lese in aller Ruhe. Ein Bekannter kommt vorbei. Er hat mich von der Hauptstraße aus stehen sehen und fragt, ob er mir helfen könne. - Er kann nicht.

Und dann ist die halbe Stunde rum. Ich erreiche meinen Werkstattmeister, schildere ihm die Symptome - und wie es dazu gekommen war. - Es ist eine kurze Zeit still - und dann gibt er mir folgende Anweisungen:

"Würden Sie jetzt bitte noch mal dreimal kurz starten, ganz kurz." - Ich tue was er verlangte. Und dann sagt der Meister: "Und nun starten Sie bitte richtig." - Auch das tue ich. Und der Motor springt an, läuft sanft und ruhig wie immer und zuvor.

Es sind viele Fragezeichen in meinem Kopf. Und die verscheucht nun der Werkstattmeister mit folgender - überraschenden - Erklärung:

"Sie haben wahrscheinlich mit Ihrem Fahrzeug so um 1.500 Startvorgänge hinter sich. Und dann ändert die Wegfahrsperre automatisch den Identifikations-Code. Dieser geänderte Code wird nun dem Motor-Management beim Startvorgang mitgeteilt. Aber da der Startvorgang, das Drehen des Zündschlüssels zu kurz war, hat das Motor-Management nicht alles verstanden. Und dann auch mit Unverständnis reagiert. Und so lief der Motor nicht mehr richtig. - Nachdem sie nun dreimal gestartet hatten, weiß das Motor-Management nun, was die Wegfahrsperre ihm erzählt hat und er stellt dem normalen Motorlauf keine elektronischen Sperren mehr in den Weg."

Manchmal denke ich, mich könne nun wohl kaum noch etwas überraschen, weil ich in vielen Jahrzehnten schon so manches erlebt habe. Aber immer noch nicht alles. Und das verhindert auch der Erfindergeist unserer Ingenieure. Ohne Wegfahrsperre hätte ich zum Beispiel dieses Erlebnis nicht gehabt.

Aber was wäre gewesen, wenn ich in dunkler Nacht auf einsamer Landstraße unterwegs gewesen wäre, hätte mal an einem Baum halten müssen, und dann wäre mein Motor nicht mehr angesprungen? - Da hätte auch das Handy nichts genutzt. Und ich hätte auf der dunkeln Landstraße gestanden. Nur weil die Wegfahrsperre gerade meinen 1.500sten Startvorgang feiern wollte.

Aufgeschrieben habe ich diese Geschichte nur, damit Sie nicht eines Tages von einem ähnlichen Ereignis überrascht werden. Sie wissen: dann dreimal kurz starten - und es geht weiter. - Dank Motor-KRITIK.

MK/Wilhelm Hahne