98-10-15, in Virneburg/Eifel

Guten Tag!

Niemand lernt aus. Auch ich nicht. Aber manche Dinge, die ich in den letzten 10 Jahren lernen mußte, sind mir schwer gefallen. Zum Beispiel, daß man nicht versuchen sollte, einen Computer zu verstehen. Man muß nur lernen,. ihn richtig zu bedienen. Den "Rest" macht der dann alleine.

So ähnlich funktionieren inzwischen auch moderne Automobile. Nur - bei denen gebe ich es immer noch nicht auf, die technischen Abläufe und Voraussetzungen auf dem Weg zum Praxis-Ergebnis verstehen zu wollen, nachzuverfolgen. Aber dazu braucht man Informationen, die man - leider - von den Presseabteilungen der Firmen schon deshalb nicht erwarten kann, weil da oft Leute "Dienst tun", die hervorragend irgendeine Firmenpolitik vertreten, aber keine technischen Details, technische Zusammenhänge erklären können. Warum auch? - Sie "verkaufen" ein Ergebnis. Wen interessiert schon, wie es dazu kommen konnte?

Journalisten sind heute ja so schnell zufrieden zu stellen. Offenbar schneller, als Käufer von Automobilen. Die werden - nach dem Kauf ihres Automobils - z.B. im Falle der neuen S-Klasse, mit einer zweibändigen Betriebsanleitung von rund 600 Seiten (und beiliegender CD-Rom) über das erstandene technische Wunderwerk aufgeklärt. Ich habe gerade im Bekanntenkreis eine kleine Umfrage durchgeführt: keiner hatte von denen vor Antritt seiner ersten Fahrt mit einem neuen Automobil die dazugehörige Betriebsanleitung gelesen. Und später auch nicht.

Aber alle hatten jetzt - in den unterschiedlichsten Medien - davon gehört und es auch so begriffen, "daß die neue S-Klasse von Mercedes die 'Spitze des Automobilbaus' darstellt. Was interessieren da Details um eine eigene Wertung zu ermöglichen?

Und der neue VW Lupo (in den nächsten Monaten garantiert nicht lieferbar) ist eben das "Spar-Wunder". - Wie es dazu kommen konnte, interessiert eigentlich gar nicht mehr. Wie wichtig ist da eigentlich der Fahrer, sein Fahrcharakter? - So wichtig, wie der Bediener eines Computers.

Motor-KRITIK hatte nach Lesen der überschäumend begeistert wirkenden Berichte der Kollegen schon noch einige Fragen. Weil die offen blieben. Und hat sie dann VW gestellt. Telefonisch. Und es wird gelogen. Natürlich im Interesse der Firma. Denn es ist nicht unbedingt alles Gold, was in den Pressemitteilungen wie Gold glänzt. - Dabei hat VW im Falle des Dreiliter-Lupo eigentlich nichts zu verbergen. Aber es kommt bei den werksseitigen Darstellungen gegenüber Motor-KRITIK innerhalb von 24 Stunden zu drastischen Veränderungen von Fakten. Der VW-Mitarbeiter nennt es "Meinungsänderung", die man wohl auch ihm zugestehen müsse. - "Hoffmans Erzählungen"? (Darüber mehr in der neuen Lupo-Geschichte)

In einer anderen Geschichte gibt es einen ersten Vergleich der neuen S-Klasse mit dem neuen (!) 7er BMW, die gleichzeitig ein Beispiel dafür ist, daß man mit einem Vergleich von technischen Daten und Fakten - und dem entsprechenden emotionalen Abstand zu den Produkten - zu einer Beurteilung der neuen S-Klasse kommen kann, die nicht in Superlativen schwelgt, sondern nur nüchtern feststellt, daß sich die Entscheidung der Mercedes-Benz-Oberen gelohnt hat, sich in den letzten Jahren einen wirklich kompletten Fremdfabrikats-Fuhrpark von 7er-BMW, Jaguar, Lexus und sogar Bentley zuzulegen.

Und dann gibt's Informationen zu einem Langstreckenrennen in Atlanta (USA), die Sie anderswo wahrscheinlich auch nicht finden werden. Oder wissen Sie etwa schon, wer in der nächsten Saison die neuen Audi-Sportwagen einsetzt? - Sie erhalten beim Lesen dieser Geschichte übrigens auch einen Eindruck davon, welchen Einfluß der Bau eines Formel 1-Motors (und eine Fehleinschätzung der entstehenden Kosten) auf andere Projekte einer Firma haben kann.

Und Sie lesen etwas über eine bevorstehende Rückrufaktion beim Ford Mondeo, die dem Ford-Management heute schon Angst macht. Nicht nur wegen der sehr, sehr hohen Kosten. Da sind die Umrüstkosten bei den 2,4 Millionen Rückruf-BMW mit 36 Mio DM nur ein Pappenstiel. Und da ist der kleine Ford-Ärger mit Borbet-Felgen - und dem gerade stattfindenden "stillen Umrüsten" - schon fast ein Nichts. - Und wird von Ford auch so behandelt. - Aber dann steht auch noch der Rückruf von Pumas in Ford-Haus. - Peinlich, peinlich.

Und Sie werden vom Ärger der Mercedes-Leute über die Elastizität eines Zylinderblocks und die Auswirkungen dieser eigentlich unerwünschten Eigenschaft auf die Lieferfähigkeit eines Konkurrenzmodells zum 7er-BMW erfahren.  (Im Vergleich 7er BMW / Mercedes S-Klasse) Und... -

Eigentlich erfahren Sie wieder eine ganze Menge. Was Sie in dieser Form anderswo nicht finden. Weil man dort keine Zeit hat (sich keine Zeit nimmt?), wirklich neugierig zu sein. Oder aber nicht in den Details steckt. Ja, eigentlich noch nicht einmal in der Branche.

Aber dann schnell - wie Thomas Hartmann vom BMW MAGAZIN - schnell in einer Leitplanke. - Aber das ist wieder eine andere Geschichte, die zumindest Motor-KRITIK seinen Lesern nicht vorenthalten wollte. Motor-KRITIK möchte durch seine gesellschaftskritische, aufklärerische Wahrnehmungssensibilität, nicht beeinflußt von Innerlich- und Wehleidigkeit, Gesellschaftsapathie und Mystizismus, zur geistigen Wende und Trading-up, sozusagen strömungsübergreifend, beitragen.

Damit Sie es wirklich nicht übersehen: ich habe diesen tollen Satz kursiv "dargestellt" und eigentlich damit unübersehbar darauf aufmerksam machen wollen, daß Lesen bildet. Und daß ich immer noch dazulerne. Damit Sie mir geistig folgen können, empfehle ich Ihnen auch die Lektüre eines kleine Büchleins aus der Reclam Universal-Bibliothek, Nr. 8865, von Eckhard Henscheid: "Dummdeutsch".

Es erspart Ihnen das Lesen von BMW- und Mercedes-Publikationen (oder lehrt es Sie, sie zu verstehen). Und Sie werden dann auch verstehen, daß - obwohl wir heute im Zeitalter der Event-Kultur leben, Motor-KRITIK trotzdem auf ein Null-Morphem verzichten muß: Ich möchte eben keinen kausalnektischen Zusammenhang herstellen Man kann das schließlich auch nicht zwischen S-Klasse und Kaffesurogatextrakt. Die S-Klasse ist schließlich ein Nobelkkarren für Edelpenner, die in Nobelherbergen absteigen, löffelstückige Himbeeren essen und ihre Siamkatzen mit Pussyletten füttern. Und in Gesprächen mit Freunden gerne vom aperspektivischen Eindruck schwärmen, der im Cockpit ihrer S-Klasse durch die ziellos-partiell eingestreute feinporige Haptik des großzügig verarbeiteten Naturlederanteils seinen Ausgang nahm, ohne seine Grunddaseinfuktionen als Fahrer durch Anpassungsnotwendigkeiten zu mindern. - (Sie merken: "Dummdeutsch" bildet!).

Schon Goethe hat gesagt: "Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein."

Manchmal gehen mir die Worte aus. - Was eigentlich kein schlechtes Zeichen ist.

Und Ihnen bleibt die Spucke weg? - Keine Angst! - Unter meinem Dirigat hat dieser "Gute Tag" nun seinen Dollpunkt erreicht und Ihre Anspannung kann deeskalieren.

Guten Tag!

Wilhelm Hahne

PS: Marketing- und Werbe-Agenturen mögen mir nun ihre Angebote ohne Schamangst per e-mail zukommen lassen. Wie ich oben - hoffentlich überzeugend - darstellen konnte, kann ich mich leicht in ihre irreale und phantasmagorische Welt - evtl. sogar auch nierentischig - unter Aufgabe meines Eigenego einbringen, damit jene akausale Struktur in den Werbemitteln entstehen kann, die das Regelsystem unserer sprachlichen Übereinkünfte - zumindet vorübergehend - außer Kraft setzt. - Alles paletti? -