Ein paar Gedanken und Recherche-Ergebnisse zum Thema VW Lupo TDI, dem Sparwunder

Bei Motor-KRITIK hat man sicherlich alle wesentlichen Fahrberichte über den neuen Dreiliter-Lupo gelesen. Aber es blieben eine Menge Fragen offen, die auch nicht durch das Blättern und Lesen in der Pressemappe geklärt werden konnten. Waren das gezielte Informationslücken? - Motor-KRITIK hat tagelang recherchiert, auch mit VW gesprochen, erlebt, wie sich dort innerhalb von 24 Stunden Fakten veränderten (der VW-Mitarbeiter nannte es "eine Meinungsänderung, die man ihm zugestehen müsse". - Was hat VW denn eigentlich zu verbergen? Ist es richtig, wenn "auto motor und sport" schreibt, "der ... VW Lupo TDI erreicht sein Sparziel durch High-Tech und verzichtet auf faule Kompromisse"? - Motor-KRITIK fand dagegen wieder einmal die These bestätigt:

Jede technische Lösung ist ein Kompromiß

98-10-15/08. Ein Sparwunder zu schaffen, daß möglichst zuverlässig von Herrn und Frau Jedermann im Bereich der Normmeßwerte gefahren werden kann, ist nicht so einfach. Man muß dazu z.B. den Fahrereinfluß minimieren. Klar, daß das Automobil leicht sein muß. Klar, daß es - zumindest zur Zeit - von einem Dieselmotor angetrieben sein wird. Wenn VW also zum Pariser Salon seinen "3-Liter-Lupo" vorstellte, dann war daran nur überraschend, daß das zu diesem Zeitpunkt schon möglich war.

Bei den Recherchen zu diesem neuen Sparwunder von VW wurde dann auch klar, daß hier jemand einen Termin mit Gewalt vorgezogen hatte. Weil er den Lupo zu diesem Termin in Paris brauchte. Zu diesem Termin konnte noch nicht alles perfekt sein. Warum findet man in der offiziellen VW-Pressemappe keine Angaben darüber, ob dieser Lupo heute schon die Euro 3-Norm erfüllt? Glaubt man so manchem über diesen Lupo erschienenen Fahrbericht, dann ist das der Fall. In "mot" ist sogar zu lesen: "Mit dem kleinen TDI soll also bereits die künftige Euro 4-Norm erfüllt werden". - Nun, das wird sicherlich - irgendwann - der Fall sein (müssen!).- Aber heute?

Da wurde es Zeit, doch einmal direkt bei VW anzufragen, ob der Lupo, wie er als Testwagen in Paris gefahren wurde, denn bereits die Euro 3 erfüllt.. Klare Antwort eines Herrn Hoffmann aus dem VW-Presseteam: "Nein, daran arbeiten wir noch. Aber wenn das Fahrzeug auf den Markt kommt, erfüllt es die Euro 3-Norm."

Weitere Frage: Was ändert VW denn noch, um die Euro 3-Norm erfüllen zu können? - Antwort: "Das sind verschiedene Dinge am Motor." - Weitere Frage: Ist der Lupo denn schon typgeprüft? - Antwort: "Ja, er ist typgeprüft." Und auf die weitere Frage, wann dieser Spar-Lupo denn lieferbar würde, kam aus Wolfsburg die etwas unpräzise Angabe: "Frühjahr 1999".

Es gab noch eine wichtige Frage an den VW-Mitarbeiter, da sich hier die Fahrberichte in ihren Aussagen ein wenig widersprechen: Hat der Motor des Lupo auch im Economy-Modus die angegebenen 61 PS oder muß er sich da mit weniger bescheiden? - Antwort: "Nein, er hat immer und zu jeder Zeit 45 kW, 61 PS".

Mein Hinweis, daß das aber z.B. in der Zeitschrift "Fokus" anders zu lesen wäre, wurde damit kommentiert, daß man sagte: "Ja, wir werden mit denen sprechen müssen."

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich den Redakteur von "Focus" noch nicht sprechen können. Aber als ich ihn dann erreichte, bestätigte er mir, daß seine Angaben deshalb richtig sein müßten, weil er sie vom Lupo-Projektleiter, Peter Janiszewski, erhalten habe. Die "Focus"-Darstellung sei also allein die richtige, wenn dort zu lesen ist: "Je nach Stellung eines Schalters am Blinkerhebel aktiviert der Fahrer ein Sportprogramm (61 PS) oder die Sparvariante mit 40 PS. Letztere erfüllt auch im Praxisbetrieb das Verbrauchsversprechen."

Ein Rundruf bei Kollegen, die das Fahrzeug in Paris gefahren hatte, konnten diese Angabe nicht bestätigen. Erstaunlich daß einige noch nicht einmal einen klaren subjektiven Eindruck zum Leistungsverhalten des Lupo-Motors abgeben konnten, "weil" - und das steht hier als Beispiel - "ich zum Fahrzeug nur eine kleine Meldung gemacht habe". - Aha!

Aber ich fand auch einen Kollegen der mir erzählte, daß ein VW-Mitarbeiter, mit dem er zusammen im Hubschrauber geflogen wäre, erzählt hätte, der Motor habe im Spar-Modus weniger PS. Und das sei beim Fahren auch zu spüren gewesen. Das mit den um 40 PS könne stimmen. - Was denn nun?

Also habe ich Herrn Hoffmann - 24 Stunden nach meinem ersten Telefonat - noch einmal angerufen um ihn mit meinen Rechercheergebnissen vertraut zu machen. Herr Hoffmann. "Gut, daß Sie anrufen." - Er hätte seine Angaben vom Vortag zu korrigieren, nachdem er sich noch einmal bei den Fachabteilungen kundig gemacht hätte. Und der Stand wäre nun folgender: "Das Fahrzeug erfüllt schon die Euro 3". - Motor-KRITIK-Rückfrage: "Ist das offiziell festgestellt, z.B. durch die Typprüfung? - Herr Hoffmann, VW-Preseabteilung: "Jawohl, das Fahrzeug ist typgeprüft und die Euro 3 darum offiziell bestätigt."

Ich mache ihn mit meinen Rechercheergebnissen vertraut, aber er bleibt dabei: der Lupo hat so oder so immer 61 PS. - Wer weiß denn hier nicht Bescheid, kennt nicht die Fakten? - Die Kollegen oder der VW-Pressemann? - Werde ich evtl. von VW belogen?

Anruf beim Kraftfahrtbundesamt mit der Frage: Ist der VW Lupo, in der "Dreiliter-Spar-Version", wie jetzt gerade in Paris vorgestellt, schon typgeprüft? - Es erfolgte dann ein Rückruf, nachdem man die Frage intern geklärt hat. Und es gibt eine klare Antwort: "Nein, dieses Fahrzeug ist noch nicht typgeprüft. Bis heute (das war am 6. Oktober 1998) ist das Genehmigungsverfahren noch nicht einmal angelaufen. Die Typprüfung wird nach unserer Kenntnis erst in 1999 erfolgen."

Wer glaubt jetzt noch den VW-Mannen um Vorstand Prof. Dr. Kocks noch irgendetwas? - Und mir fallen die Worte von Dr. Kocks ein, die er seiner Rede im Dezember 1997 (als er die Professur erhielt) mit Überzeugung vortrug: "Wichtig ist nicht die Wirklichkeit ... wichtig ist die Auffassung die wir von ihr haben." - Und damit wir die richtige bekommen, läßt er sie durch seine Mitarbeiter vermitteln. Wir sollten denen nicht böse sein.

Nachdem ich offiziell nicht zu einem Ergebnis kommen konnte, habe ich es z.B. direkt beim Lupo-Projektleiter versucht. Aber der war nun nicht erreichbar. Und sein Mitarbeiter wußte gar nichts von dem Auto. - Man merkte, nachdem ich in der Presseabteilung den mir vom "Focus"-Redakteur genannten Namen erwähnt hatte, war der wohl für jeden direkten Kontakt aus dem Verkehr gezogen worden.

Aber trotzdem, so glaube ich, ist mir die Lösung der "Gretchenfrage", ob der 3-Liter-Lupo auch im Spar-Modus über 61 PS verfügt, gelungen. Fragen Sie mich bitte nicht nach dem dafür erforderlichen zeitlichen (und sonstigen) Aufwand.

Um es kurz zu machen: der Lupo hat immer 61 PS. Er nutzt aber davon im EconomyModus nur jene 40 die in "Focus" genannt werden. Der Lupo-Projektleiter hatte sich wohl unklar ausgedrückt.

Was beim Lesen der Fahrberichte auffällt: Nirgendwo ist so richtig beschrieben, wie das nun eigentlich abläuft, welchen subjektiven, welchen akustischen Eindruck man hat. Manchmal ist es so, als hätte der Schreibende das Fahrzeug gar nicht gefahren.

Mal ein Beispiel aus "Auto-Bild", die den ersten "Test" auf dem Titel (Ausgabe Nr. 40, vom 2. Oktober) vermeldeten. Da wird z.B. eine "elektronisches Fünfstufengetriebe" als Grundausstattung vermeldet. - Was ist das denn? - Natürlich Blödsinn. Es handelt sich beim Lupo um ein mechanisches Fünfganggetriebe, dessen Schaltfunktionen aber automatisiert wurden.

Und wenn man nun, angeregt durch den vielen Blödsinn, der inzwischen über das Fahrzeug verbreitet wird, sich einmal mit den Details beschäftigt, dann wird schnell klar, warum mal der eine dies, der andere jenes meint: weil auch die offiziellen Presseinformationen von VW voller Lücken sind. Wo steht da etwas über Getriebeabstufung, wo etwas über die gewählte Gesamtübersetzung?

VW hat beim Spar-Lupo nicht nur einen neuen, sehr sparsamen Pumpe-Düse-Direkteinspritz-Dieselmotor eingesetzt, sondern auch zu einer Getriebelösung gefunden, die den Fahrereinfluß im Economy-Modus minimiert. Ich will nachstehend einmal versuchen, die Überlegungen der VW-Ingenieure nachzuvollziehen:

Eigentlich wäre für dieses Automobil ein CVT-Getriebe, ein stufenloses Getriebe (erinnern Sie sich an den DAF, nur moderner) geradezu ideal. Hier läßt sich nämlich inzwischen ein Verstellbereich zwischen dem kleinsten und größten Drehzahl-Übersetzungsverhältnis von 1 : 7 realisieren. Bei einem modernen 5-Gang-Schaltgetriebe kommt man nur auf ein Verhältnis von bestenfalls 1 : 5. - Leider hat ein CVT-Getriebe aber keinen so guten Wirkungsgrad wie ein mechanisches Fünfganggetriebe, außerdem wiegt es mehr. Also mußte man sich bei VW mit dem Fünfganggetriebe begnügen.  Sieben Gänge wären natürlich besser gewesen. Aber dann erhöht sich das Gewicht, der Wirkungsgrad verschlechtert sich und - die Kosten würden höher. Und so kam man auf einen "faulen Kompromiß" (um eine "ams"-Formulierung zu verwenden): Das Fahrzeug mußte eben im "Sport"- und im "EconomyModus" mit diesen nur fünf Gängen auskommen. Dazu hat man dann wohl (es folgt eine Annahme von mir, da offiziell keine Angaben dazu erfolgt sind) den 1. Gang sehr lang ausgelegt, den zweiten auch sehr gespreizt, insgesamt das Getriebeabstufung so ausgelegt, daß eigentlich die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs im 3. Gang erreicht wird. Nur im EconomyModus werden die weiteren zwei Gänge gebraucht. Warum?

Der Versuch einer Erklärung: In jedem Motor wird eine bestimmte Leistung besonders verbrauchsgünstig erzeugt, wenn er bei hohem Drehmoment und niedriger Drehzahl betrtieben wird. Darum läßt man beim Lupo auch die Gangwechsel im Economy-Modus automatisch, zu von VW festgelegten Drehzahlschaltpunkten vornehmen. Und da braucht der Lupo dann auch die fünf Gänge alle, weil er sich immer im unteren Drehzahlniveau bewegen muß. Und jetzt kommt es zur Auflösung des Mißverständnisses zwischen VW-Fachleuten und Redakteuren: Bei diesem Betriebspunkt, den der Motor bei diesem Drehzahlniveau erreicht, verfügt er dann über rund 40 PS. Die 61 PS sind aber stets vorhanden. Und so wird möglich, was ich noch nirgendwo so klar gelesen habe: Wenn man den Gaspedalfuß voll durchdrückt, erfolgt so etwas wie ein Kickdown, das Getriebe schaltete sofort in den "Sport-Modus" zurück. So kann man sich - z.B. beim Überholen - durch einen kräftigen Fußtritt "nach vorne retten", wenn es sonst brenzlig geworden wäre

Der für den Fahrer spürbare Nachteil bei der von VW gewählten Kombination einer automatisch gesteuerten Kupplung mit einem automatisch betätigten Handschaltgetriebe: es kommt zu spürbaren Schaltrucken, der beim Schalten immer der Kraftfluß unterbrochen wird. Dazu ist der kleine Diesel noch ein Turbomotor, der viel lieber mit einem Drehmomentwandler (konstanter Kraftschluß!)  zusammenarbeiten würde. Aber der ist nicht nur schwer, kostet nicht nur mehr Geld, sondern hat auch Wirkungsgradverluste, was eine Verbrauchserhöhung bedeuten würde.

Darum muß der Fahrer eines Spar-Lupo mit jenem gewählten und hier detailliert vorgestellten Kompromiß leben. Motor-KRITIK ist davon überzeugt, daß bei später zum Einsatz kommenden Dreiliter-Spar-Automobilen anderer Firmen dann ein CVT-Getriebe zu finden sein wird. Aber mit den heute verfügbaren CVT-Lösungen wäre der Lupo zum Zeitpunkt des Pariser Salons nicht als Dreiliter-Auto darstellbar gewesen. Da aber Herr Piech darauf bestand... -

Und darum ist die Pressemappe unvolkommen, darum glauben VW-Mitarbeiter Journalisten belügen zu müssen, darum... - Ach, bevor ich es vergesse: eine Typprüfung dauert (mit Abgasprüfung usw.) insgesamt so um 6 Monate. Da können Sie sich ausrechnen, wann das VW Sparwunder wirklich auf dem Markt für den Kunden verfügbar sein wird. - Alles klar? - Alles wird gut!

Ich möchte Herrn Prof. Dr. Kocks das Schlußwort zu dieser Geschichte überlassen, der einmal  ausführte: "Notbehelfe sind oft enthüllender als perfekte Lösungen, zeigen sie doch die Grenzen des Unternehmens im Versuch, diese zu überwinden."

MK/Wilhelm Hahne