Ein Vergleichstest von Automobilen wird immer irgendwie unvollkommen bleiben, weil immer noch viele Dinge nur subjektiv erfaßt werden können. Darum kommt gerade den objektiv erfaßbaren Meßdaten so eine große Bedeutung zu. Sie färben mit ihrer Präzision auch auf die Subjektiv-Wertung ab. Und es gibt Daten, die an jedem Stammtisch besonders gefragt sind: Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit und Bremsweg. Das wissen auch die Automobilfirmen. Und sie helfen manchmal etwas nach. (Motor-KRITIK berichtete schon darüber.) Das ist ein Thema, mit dem man sich - so man es aufgreift - bei der Industrie sehr schnell unbeliebt machen kann. Keine Reisen, keine Testwagen, keine Abendessen, usw., usw. - Also tut jeder Redakteur so, als wenn er das alles nicht wüßte. - "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß." - Und so kann es dann auch zu einem Vergleichstest in "Auto-Bild" kommen, der eigentlich kein Vergleichen mehr erlaubt:
Sie werden bei den Testwagenabteilungen der Automobilhersteller angefordert. Mit den ersten Fahrzeugen eines neuen Modells werden natürlich jene Redaktionen zuerst bedient, die man für "meinungsbildend" hält. Das heißt u.a., daß die Industrie davon ausgeht, daß die Kollegen der Tagespresse z.B. sich auch bei der Einschätzung ihrer "Tests" davon beeinflussen lassen.
Ein Vergleichstest des neuen Ford Focus mit seinen Konkurrenten in "Auto-Bild" ist also schon wichtig. Vor allen Dingen dann, wenn - wie im Falle "Auto-Bild" - praktisch alle wichtigen Konkurrenten mit dem Neuling "Focus" verglichen werden. Da überlegt man sich nicht nur bei VW, wie denn ein Testwagen ausgestattet sein muß, wenn er - verglichen mit dem neuen Focus - gut abschneiden soll. Und auch bei Opel macht man sich Gedanken. Eigentlich bei allen Firmen. Nur manche denken und handeln noch etwas naiv. Andere sind da schon ein wenig weiter.
"Auto-Bild" hat seinen Lesern auch in dem Falle nichts verschwiegen, aber an manchen Stellen würde ich mir schon eine bessere Leserinformation wünschen. Mich würde z.B. auch interessieren, wie groß der Unterschied zwischen dem Leergewicht im Kfz-Schein und dem tatsächlichen Leergewicht des Fahrzeugs ist.
Wenn man beim "Auto-Bild"-Vergleichstest genau aufpaßte, konnte
man an dem einem oder anderen Unterschied schon erkennen, wer sich bei
der Testwagenvorbereitung besondere Mühe gegeben hatte. Wie groß
war die Differenz zwischen Listenpreis des Fahrzeugs und dem Preis für
den (oft komplett ausgestatteten) Testwagen? - Oder anders gefragt: Wie
serienmäßig waren denn eigentlich die Testwagen? - Listen wir
einmal im Falle des "Auto-Bild"-Vergleichs aufgrund der im Test genannten
Zahlen auf:
Audi A 3 |
Listenpreis
|
BMW compact |
Listenpreis
|
Citroen Xsara | DM 3.800 teurer |
Ford Focus |
(scheinbar!) Listenpreis
|
Mazda 323 F |
Listenpreis
|
Mercedes A-Klasse | DM 2.610 teurer |
Nissan Almera | DM 1.600 teurer |
Opel Astra | DM 5.000 teurer |
Peugeot 306 |
Listenpreis
|
Renault Mégane | DM 1.400 teurer |
VW Golf | DM 2.400 teurer |
Aber immerhin konnte man beim Anlaufen des großen Vergleichstests "der neue Focus und seine Gegner" erkennen, wie die Testwagen im Unterschied zu den eigentlichen Serienmodellen bereift waren, soweit das die Reifen- und Radgröße betrifft.
Und siehe da: von den 11 getesteten Fahrzeugen waren fünf eigentlich gar nicht serienmäßig bereift. Zwar sind diese Ausstattungen (gegen Aufpreis natürlich) auch für jeden Kunden lieferbar, aber warum werden diese ausstattungsverbesserten Fahrzeuge dann mit solchen verglichen, die auf "normalen" Serienrädern und -Reifen rollen?
Das verändert nämlich die Meßwerte. Es können sich dadurch verändern: Beschleunigungswert, Bremswert und Höchstgeschwindigkeit. Aber auch das, was man am Stammtisch "Straßenlage" nennt.
Listen wir auch hier einmal die Unterschiede bei den Testwagen von "Auto-Bild"
auf:
Fabrikat: | Testwagen: | Serienversion: |
BMW | 205/60 R 15 H | 195/65 R 15 H |
Audi | 205/55 ZR 16 W | 195/65 R 15 V |
Ford | 195/55 R 15 H | 175/70 R 14 T |
Opel | 205/50 R 16 V | 195/60 R 15 H |
VW | 205/55 R 16 W | 175/80 R 14 H |
Natürlich bringt man mit Breitreifen mehr Gummi auf die Straße. Beim Beschleunigen und Bremsen. Da wird es die VW-Verantwortlichen schon überrascht haben, daß ihr Golf dann trotzdem im ersten Teile des Heftes nur den mäßigen Bremsweg von 40,7 m realisierte. Aber das wurde dann im nächsten Teil des Vergleichstests von der "Auto-Bild"-Redaktion sofort als "Druckfehler" klargestellt und um 2,3 m verbessert.
Und weil man inzwischen wohl in der Redaktion einige Bedenken bekommen hatte, sprach Michael Droste, bei "Auto-Bild" für den technischen Teil der Tests verantwortlich, dann in einem "Kasten" von einem "Sieg der Reifen". Er stellte fest - was eigentlich ein Armutszeugnis ist, daß "Was in der Formel 1 längst rennentscheidend ist, ... nun auch uns überrollt" hat: "Der Astra siegt wegen der richtigen Reifenwahl." - Wieso hatte man dann dieses Fahrzeug, so anders ausgestattet als die vielen Serien-Astra die in unseren Landen verkauft werden, denn überhaupt zu diesem Vergleichstest zugelassen?
Aber unter uns: Das passiert nicht nur bei "Auto-Bild" - Aber es kommt alles ja noch viel, viel schlimmer!
Die Automobilindustrie weiß wie wichtig es ist, bei solchen Vergleichstests - aber nicht nur da - gut auszusehen. Und den Bremswegen wird in der Öffentlichkeit immer größere Aufmerksamkeit geschenkt. Also werden die eigentlich oft "stinknormalen" Bremswege eines Typs durch die Umrüstung auf geeignetere Räder und Reifen "testattraktiv" verbessert. Motorredakteure sind dumm. Und wenn sie nicht dumm sind, machen sie vielleicht (aus Bequemlichkeit?) die Augen zu. Und so kommt es in Tests zu Bremswegen, die mit Rädern und Reifen der Grundausstattung nicht zu realisieren wären.
Die Industrie hat diese einfache Masche der Umrüstung inzwischen (teilweise!) noch weiter perfektioniert. Natürlich weiß man aufgrund der Versuchsfahrten der Fahrwerk-Entwicklungsabteilungen, welche Reifen besonders mit dem Fahrwerk des Wagens harmonieren, welche den optimalen Bremsweg ergeben. Aber man weiß bei der Industrie auch, daß mit einem Neureifen, so er die volle Profilhöhe aufweist, ein paar Bremsmeter (das kann um 5 m ausmachen!) verschenkt. Also präparieren die entsprechenden Abteilungen der Werke die Reifen für die entsprechenden Tests.
Da wird das "überflüssige Gummi" (alles was über 4 mm liegt, gilt als zuviel) abgedreht. Meist läßt man ein wenig mehr Gummi stehen, weil der Testwagen dann noch auf den Einfahrbahnen der Werke richtig "eingebremst" wird. Die Reifen werden entsprechend "angefahren", so daß sie bei dieser Prozedur noch einmal ein wenig an Gummi verlieren. Wenn sie dann den Redaktionen zum Test überstellt werden, haben sie genau die richtige, die zum Bremsen optimale Profilhöhe.
So kommt es zu den tollen Bremswerten. Über die selbst erfahrene Fahrwerkingenieure der Industrie nur den Kopf schütteln können. Natürlich ist ein Bremsweg auch abhängig vom Straßenbelag, aber die großen Redaktionen messen ja immer (meistens) auf den gleichen Strecken. "auto motor und sport" z.B. montags in Hockenheim. Ein Ingenieur der Industrie: "Wir haben auch in Hockenheim schon versucht die von "ams" gemessenen Werte mit den gleichen Fahrzeugen zu erreichen. Aber das ist uns noch nicht gelungen." - Na klar, mit Serienbereifung geht das auch nicht!
Selbst mit vorbereiteten Reifen ist es im Falle von "ams" besonders schwer, deren Top-Werte zu erreichen, da sich die Redaktion die Testwagen oft sogar montags in Hockenheim anliefern läßt. Und zu den ersten Messungen gehört immer der Bremsentest. Unter diesen Umständen weisen die Reifen noch den Idealwert auf.
Was bei "ams" (bisher) durchgeht, geht auch bei "Auto-Bild" durch. Und andere Zeitschriften (so sie denn von der Industrie als "Meßlatte" ernst genommen werden) sind auch betroffen.
Hoffentlich ist jetzt auch die Industrie "betroffen", wenn ihre Tricks und Kniffe öffentlich gemacht werden.
Und vielleicht macht sich ja auch "Auto-Bild" nun mal ein paar Gedanken zu einer etwas anderen Art von Vergleichstest. Mit Automobilen, die wirklich vergleichbar sind