Die Detroit Auto Show mit Abstand aus der Eifel betrachtet ergibt eine andere Sicht der Dinge

Natürlich kann man "mal eben" nach Amerika fliegen. Aber dann hört es schon auf mit dem "mal eben". Vor allen Dingen, wenn dort Schnee fällt. Die Kollegen, die sich unter Winterbedingungen nach Detroit durchschlugen, wurden mit vielen Show-Cars belohnt. Ihr Eintreffen wertete gleichzeitig die Auto Show auf. Denn was wäre die Detroit Auto Show ohne die internationalen Journalisten? - Eine Provinzveranstaltung. Sie wurde erst zu mehr, als die Autofirmen sich entschlossen, sie durch das Einfliegen von Journalisten aufzuwerten. Und wo die sind, da müssen dann auch Vorstände sein. Und wo Vorstände sind, da muß auch die Garnierung stimmen, Und so wurde Detroit zu einer international beachteten Ausstellung. Weil darüber berichtet wird. Aber oft auch nur das, was einem direkt vor die Nase gestellt wurde. Doch dieses Mal war...

Die Detroit Auto Show auch eine Gerüchte-Börse

99-01-17/05. Wenn man als Journalist durch eine Ausstellung geht, dann sollte man nicht nur genau hinschauen, genau hinhören, sondern auch Antennen für Zwischentöne haben und wahrzunehmen in der Lage sein, was man nicht sehen kann. Denn um so manches zu entdecken, müßte man zunächst ein paar Teile (Informationsteile) miteinander verknüpfen. Manchmal kann man dann sogar in die Zuikunft sehen.

Aber die in Detroit anreisenden Journalisten kämpften zunächst mit der Gegenwart. Man sprach von einen Schnee-Chaos. - Warum? - Was wäre unter den gleichen Bedingungen in Deutschland passiert? - Kaum etwas, das solche Schlagzeilen gemacht hätte wie in Detroit. Denn eigentlich war das Wetter so außergewöhnlich nicht. In unseren Breiten gibt's so etwas öfter. Aber dann sind nicht so viele Journalisten vor Ort. - Und wir sind besser vorbereitet. - Auch mental.

Das Chaos auf den Flughäfen in den USA konnte doch nur entstehen, weil viele der Flughafen-Bediensteten einfach nicht zur Arbeit erschienen waren. Sie hatten gar nicht erst versucht zur Arbeit zu kommen. Weil so viel Schnee gefallen war. Und weil das ungewohnt war, blieb man gleich zu Hause. - Und das betraf nicht nur die Flughafen-Bediensteten.

Leihwagenfirmen gaben keine Leihwagen heraus. Es könnte ja etwas damit passieren. Busfahrer weigerten sich zu fahren. Das Risiko war zu groß. Es war eine Kette ohne Ende. Das heißt: am Ende dieser Kette stand das Chaos. Trotz aller technischen Hilfsmittel. - Aber der Mensch hatte versagt.

Es kommt eben auf die Menschen an. Nicht auf die Maschinen. Maschinen werden immer nur so gut sein, wie die Menschen die sie bedienen. Das betrifft nicht nur Computer, sondern auch Automobile. Die Computern immer ähnlicher werden. Genauso anfällig, da inzwischen auch voller Elektronik. Nur sind die Menschen Menschen geblieben, haben sich nicht so entwickelt wie die Technik. Also hat sich die Technik von ihnen fortentwickelt. Was - auch manchmal unbewußt - Unbehagen gegenüber solchen technischen "innovativen" Gegenständen auslösen kann. Auch gegenüber besonders modernen Automobilen.

Und in Detroit gab es eine Menge moderner Automobile zu sehen. Zwar vielfach Show-Cars, aber sie zeigen doch die Richtung auf. Auch im Denken der Automobil-Manager. Man denkt "big". Bei Stückzahlen, Preisen, Renditen und - eigenem Einkommen. Doch obwohl der Markt große Zahlen hergibt, sollten die Erwartungen eher "small" sein. Inzwischen wird der Markt nämlich kaum noch größer, es verschieben sich nur noch die Anteile. Und jeder möchte sich das größere Stück abschneiden. Muß es. Denn: die vorhandenen Kapazitäten müssen ausgelastet werden. Und es gibt weltweit Überkapazitäten, die um rd. 50 Prozent der möglichen Verkaufszahlen betragen. Schätzt man den Bedarf in 1999 auf rund 44 Millionen Fahrzeuge ein (großzügig gerechnet), so weiß nicht nur Mr. Eaton (DaimlerChrysler), daß die Überkapazitäten bei rund 22 Mio. Fahrzeuge liegen.

Wenn dann - in Kenntnis dieser Zahlen - ein Prof. Jürgen Hubbert (auch DaimlerChrysler) in Detroit verkündet, daß man in Deutschland nun auch Opel, Ford und Volkswagen Konkurrenz machen könne und feststellt, "Mit dem richtigen Produkt können wir sehr bald einige hundertausend verkaufen", dann findet das den Beifall der Presse. Und niemand findet etwas dabei.

Wenn aber Bernd Pischetsrieder (BMW und nicht in Detroit) davon spricht, daß man mit zwei neuen Rover-Modellen vom Format des Polo und Golf in Zukunft um 500.000 Stück verkaufen muß, dann kann sich kein Journalist vorstellen, daß das "auf dem hart umkämpften Massenmarkt" ("SPIEGEL") möglich ist.

Auch wenn man den Chrysler Neon jetzt noch zweimal überarbeitet, er wird sich auch über die (auch nicht erstklassige) Verkaufsorganisation eines Herrn Zetsche nicht in den angestrebten Stückzahlen zum angepeilten Preis (!) verkaufen lassen. Wie wäre es, wenn sich die Herren Hubbert und Zetsche zunächst einmal um Smart und A-Klasse kümmern würden. Die gibt es nämlich schon. Und auch die wollen auch möglichst viel-hundertausendmal verkauft sein.

Motor-KRITIK hatte damit gerechnet, daß in Detroit die A-Klasse mit längerem Radstand als Van und Lieferwagen stehen würde. In Detroit wurde dann davon gesprochen, daß über eine solche Version erst in diesem Frühjahr entschieden würde. Aber eigentlich - soweit das Motor-KRITIK überhaupt wissen kann - ist das längst positiv entschieden. Aber... -

Bei DaimlerChrysler ist längst klar geworden, daß man mit der Nobel-Marke Mercedes nicht den Fehler machen darf, als Großserienhersteller abgestempelt zu werden. Bei BMW macht man (richtig!) vor, wie man vorzugehen hat. Und da wird sich wohl DaimlerChrysler demnächst anschließen. Die Marke Mercedes soll nobel bleiben.

Also weg mit der A-Klasse zu Chrysler. Das wäre gleichzeitig ein Befreiungsschlag für Jürgen Hubbert. Er hätte bei Mercedes ein Problem weniger. Und erst dann - unter dem neuen Stern von Chrysler - würde dann ein A-Klasse Mini-Van usw. das Programm abrunden. Vielleicht könnte man den smarten Jungen aus Detroit ja auch noch den Smart unterjubeln. - Und wenn man dann noch das Werk Rastatt zu einer Chrysler-Produktionsstätte macht und dort vielleicht auch noch die Chrysler-Entwicklung (das Voll-Kunststoffauto) bauen läßt, dann könnte man doch über Zuschüsse der EU... -

Es darf gedacht werden. Nichts ist so verrückt, als daß es nicht durch selbstbewußte Manager in Angriff genommen werden könnte. Und im DaimlerChrysler-Konzern bestimmen eigentlich Ex-Daimler-Manager, wohin die Konzernreise geht. Denn so stark, wie heute immer dargestellt, war eigentlich die Position von Chrysler gar nicht. Folglich können Chrysler-Manager auch nicht unbedingt so auf die Pauke hauen, wie sich das die Ex-Daimler-Herren heute leisten.

Eine eigene Fluglinie in die USA. Neue Flugzeuge. Was sind schon 100 Millionen? - Was sein muß, muß sein. - Und wer ist Chrysler? - Hat man vergessen, daß dort die Zahlen 1997 gegenüber 1996 deutlich rückläufig waren? - Und so toll groß ist Chrysler auch nicht. Blicken wir doch noch mal zurück, vergleichen 1996 mit 1997 bei Chrysler:

Produktionszahlen Pkw:
1996
1997
901 519 Stück
777 997 Stück

Verkäufe Pkw:
1996
1997
832 633 Stück
736 530 Stück
Chrysler bewegte sich also im Rückwärtsgang. Außerdem waren die Verkaufs-Stückzahlen nur möglich, weil man kräftig Rabatt gewährte. Durchschnittlich betrug der Preisnachlaß pro Automobil bei Chrysler im Jahre 1997 1525 Dollar. Ein paar Jahre weiter, wäre Chrysler - nach Meinung von amerikanischen Fachleuten - ohnehin ein Übernahmefall gewesen. Und nur darum, weil das Mr. Eaton durchaus bewußt war, hat er der Rolle von Ex-Daimler-Chef Jürgen E. Schrempp zugestimmt, in drei Jahren als Alleinherrscher zu regieren.

Die Stuttgarter Manager hatten zwar in Detroit großen Wert darauf gelegt, die Marken Mercedes-Benz und Chrysler nicht nur räumlich zu trennen, sondern auch so mit klaren Schriftzügen auszuzeichnen. Aber die Chrysler-Mannen hatten ebensolchen Spaß daran, bei all' ihren Show-Cars (und auch sonst auf dem Stand) darauf hinzuweisen, daß es sich um Produkte von DaimlerChrysler handelte. Es gab noch vor Ort - also in Detroit - in dieser Sache eine Krisensitzung, aber es konnte nicht mehr geändert werden. So wuchs für die Besucher zusammen, was eigentlich darum räumlich getrennt war, um eine (qualitative?) gedankliche Zusammenführung der Marken zu vermeiden..

Die Kluft zwischen Mercedes-Benz und Chrysler wurde auf andere Art deutlich. Da stellte der amerikanische Vertriebschef einen neuen Pickup vor: in Jeans-Latzhose mit richtigem Holzfällerhemd. Da stellte Jürgen Hubbert den Mercedes SLR vor: in grauem Zweireiher mit noch grauerem Hemd, Ton in Ton.

Da waren die deutschen DaimlerChrysler-Manager von Journalisten nur dann zu sprechen, wenn eine entsprechende Voranmeldung und exakte Klarlegung des Interview-Wunsches erfolgt war. Natürlich auf dem Mercedes-Benz-Stand. Da wurde in Minuten gerechnet.

Auf dem Chrysler-Stand war Mr. Eaton für jeden zu sprechen, der mit ihm sprechen wollte. Wer ihn ansprach, erhielt eine Antwort. Und so lange der Journalist vernünftige Fragen stellte, hat sich Mr. Eaton mit ihm unterhalten. - No Problem.

Zwischen Daimler und Chrysler liegt nicht nur auf der Landkarte viel Wasser, sondern es klaffen auch sonst riesige Kultur-Unterschiede. Auf dem Papier existiert so etwas nicht. Da gibt es bestenfalls Sprachbarrieren. Aber wie will sich der  deutsche Manager in der Konzernsprache Englisch mit seinem amerikanischen Kollegen unterhalten, der deutsch denkt, deutsch träumt, jede Vokabel - bevor er sie ausspricht - im Kopf erst übersetzen muß?

Was die Kulturen auf der Detroiter Auto Show verband, war sowohl bei Mercedes-Benz als auch bei Chrysler das DaimlerChrysler-Café.

Wenn man nach den ersten Pressetagen in Detroit hier die Meldungen las, die von "drüben" kamen, dann hatte man den Eindruck, daß wirklich in Detroit zu dieser Zeit einiges nicht normal war. Nicht nur das Wetter. Da wurde doch z.B. eine Fusion von Ford mit Honda in Aussicht gestellt. - Wer ist Ford? - Wer ist Honda?

Ford wird in der Öffentlichkeit von seinen Möglichkeiten klar über-, Honda eindeutig unterschätzt. Honda ist eine Firma, die in der Lage ist, einen komplett eigenen Formel 1 zu bauen und einzusetzen. Eine solche Firma braucht nicht McLaren, muß auch keinen Motor kaufen, um ihn dann mit dem eigenen Schriftzug zu versehen.

Honda fertigt und verkauft pro Jahr:

Honda besitzt Fertigungsstätten in aller Welt, auch z.B. in China. Wovon andere Konzerne träumen. Warum sollte Honda sich unter die Fittiche von Ford begeben. Um auch - in ein paar Jahrhunderten - als Papierfabrik (bei Ausgrabungen) identifiziert zu werden? - Wobei den Ford-Managern bescheinigt werden muß, daß sie mit den aufgekauften Marken Jaguar und Aston Martin sehr gut - und zurückhaltend! - verfahren sind. In der öffentlichen Meinung sind das keine Ford-Fabriken. Und das ist für diese Nobelmarken gut so. Ford-Manager wissen eben, was sie von der eigenen Firma zu halten haben.

Aber was soll man nun von BMW halten? - Detroit gab eigentlich schon Aufschluß. Dr. Reitzle vertrat dort den Münchner Konzern. Herr Pischetsrieder war im Urlaub. Und wenn man aus dessen Verhalten auf einer gesellschaftlichen Veranstaltung in München auf die Zukunft schließen sollte, so würde Motor-KRITIK vermuten, daß das noch vor dem Genfer Salon klar ist. Vorher, zum 1. Februar 1998 wird aber noch das neue Organigramm der BMW AG und die Verantwortung der einzelnen BMW-Manager für den Fall Rover (zur Zeit auf der Intensiv-Station) bekanntgegeben. Und dann darf Herr Pischetsrieder auf der Bilanzpressekonferenz das sensationell gute Ergebnis der BMW AG für 1998 bekanntgeben (Motor-KRITIK-Leser kennen es schon) und dann...-

Dann kommt vielleicht auch etwas anders, als von Motor-KRITIK zuvor eingeschätzt. Denn die Einstellung des derzeitigen Aufsichtsrats-Vorsitzenden von BMW, Eberhard von Kuenheim, scheint sich geändert zu haben. Das wäre nicht nur schlecht für Herrn Pischetsrieder, sondern auch für Herrn Doppelfeld. - Entweder beide oder keiner.- So sieht man das in der Eifel.

Aber zurück nach Detroit. Dort wird es 1999 auch kaum anders sein, als z.B. in Rüsselsheim. Was nichts anderes heißen soll, daß das Wirtschaftswachstum in den USA und in Deutschland sich auf einem ähnlich niedrigen Niveau bewegen wird. Die Verbraucher schränken hier wie da ihre Ausgaben ein. Es wird schwer werden. Nicht nur für die Automobilindustrie. Hier wie da. Da verstellten in Detroit höchstens die vielen Show-Cars die Sicht auf die Realität.

Realität war auch, daß sich die Herrn Hubbert und Inhester in Detroit, in einer Ecke des Ausstellungsstandes, beeindruckend anschrien. Wenn man die soziale Kluft betrachtet, die zwischen beiden liegt, kann das schon als ein Ereignis gewertet werden. Der Grund ist Motor-KRITIK nicht bekannt. Aber wäre der Chronist in der Position des Herrn Schrempp... - Aber ich vergaß: Herr Schrempp hat keine Personalprobleme.

Noch ein paar Worte zu VW: dort zeigt (in Detroit) Ferdinand Piech nicht nur den Sechszylinder VW Beetle, sondern er startete ihn auch. Der Sechszylinder-Beetle lief. Über seine Zukunft - kommt er nun in Serie oder nicht? - ist zwar offiziell noch nicht entschieden, aber für Motor-KRITIK ist klar: der Sechszylinder-Beetle kommt. Ferdinand Piech hat ihn intern zur Chefsache erklärt. - Würde Piech etwas zur Chefsache erklären, was nicht kommt?

Wie gesagt: es genügt nicht in Detroit über die Ausstellung gegangen zu sein, um zu begreifen, was zukünftig in der Automobilbranche passieren wird. - Motor-KRITIK war nicht in Detroit, aber hat während der Pressetage nicht nur mit Detroit telefoniert. Auch mit Kollegen gesprochen, die ihren Flug in New York (an den Umständen verzweifelnd) abgebrochen haben. - Und trotzdem waren von solchen dann gute Geschichten über die Detroit Auto Show zu lesen.

Motor-KRITIK bekennt: sein Herausgeber war nicht da. Aber auf Posten. Und hat nun auch nicht die Show-Cars beschrieben, sondern mehr "die Bilder einer Ausstellung". - Die virtuellen.

Und Jürgen E. Schrempp ist in der nächsten Woche in Japan. Weil es die logische Konsequenz verlangt, wenn man als "globaler Player" ernstgenommen werden will. - Übrigens: Honda ist schon überall in Asien vertreten, dort, wo Jürgen E. Schrempp nun durch neue Allianzen die ersten Pflöcke einschlagen will.

Wäre es nicht einfacher, wenn Honda DaimlerChrysler übernehmen würde?

Nicht nur Detroit, sondern auch Virneburg/Eifel kann zu einer Gerüchte-Börse gemacht werden. (Außerdem ist es in der Eifel schöner!) Man müßte nur internationale Berichterstatter einfliegen lassen. - Aber auf wessen Kosten?

MK/Wilhelm Hahne