"smart": Wie das Produkt, so der Hersteller. Beide mit beschränkter Haftung

Die Micro Compact Car smart Gesellschaft, der Hersteller des "smart", des kleinen Wunder-Stadtwagens mit so vielen Vätern, ist eine Gesellschaft "mit beschränkter Haftung". Und das ist gut so. Die österreichische "auto revue" schrieb es schon vor Monaten: "Wir ahnen ein Fiasko voraus." - Und Motor-KRITIK hatte die bis dahin vorliegenden Erfahrungen mit den Fahreigenschaften des "smart" dann am 31. Oktober 1998 in einem Beitrag unter dem Titel zusammengefaßt: "Smart - das Maximum vom Minimum". Was schon im Sommer nicht gut war, konnte im Winter nur noch schlechter werden. So ist es denn auch für den aufmerksamen Beobachter keine Überraschung, wenn das Winterfahrverhalten des "smart" mit dem eines Kreisel vergleichbar ist. - Und ganz unter uns: Ein Kreisel bleibt ein Kreisel, selbst wenn man ASR einbaut, als Software-Lösung mitgibt. "Es ist schier zum Verzweifeln", leidet Jürgen Hubbert, der Über-Vater des "smart" im SPIEGEL. Er erlebt gerade:

Frust durch TRUST

99-01-31/01. Der SPIEGEL kennt zwei glückliche "smart"-Besitzer: Hilmar Kopper und Helmut Werner. - Immerhin! - Und der Autor der SPIEGEL-Geschichte weiß auch, warum einer der in der Presse in den letzten Wochen immer wieder dargestellten Unfälle mit dem Kleinstwagen "smart" wirklich passierte: "Der Wagen kam so leicht ins Schleudern, weil er mit Sommerreifen ausgestattet war."

Vor langer Zeit hatte die Staatssekretärin bei der Bevollmächtigten der Hessischen Landesregierung für Frauenangelegenheiten einmal nach einer SPIEGEL-Geschichte über ihre Arbeit festgestellt, der SPIEGEL habe eine "gezielte Nicht-Wahrnehmungsstruktur". - Nun liefert er dafür wieder ein Beispiel. - Denn der SPIEGEL kommt mit diesem Beitrag über das ganz besondere Fahrverhalten des "smart" zunächst einmal ein wenig spät. Eine Woche vorher war schon "Focus" damit am Markt. In der Woche davor war der "stern" damit wirklich aktuell. - Und "Auto-BILD" und "BILD" ... -

Wahrscheinlich dank "BILD" hatte man nun sogar in Hamburg beim SPIEGEL das Thema wahrgenommen. - Und so machte man dann die Sommerreifen (in diesem einen, speziellen Fall) mit verantwortlich.- Wirtschaftsredakteur Hawranek kennt sich aus. (Übrigens: es gibt in der SPIEGEL-Redaktion inzwischen zwei Redakteure die das Thema "Computer" bearbeiten, aber es gibt nur einen Motor-Redakteur, so daß hier wohl aushilfsweise ein Wirtschaftsredakteur mit gelungenen Formulierungen, wie, "Mercedes fährt Rekordgewinne ein und hängt mit einem Marktanteil von 10 Prozent in Deutschland die Rivalen BMW (6,2 Prozent) und Audi (6,5 Prozent) deutlich ab", einspringen mußte und so die "smart"-Geschichte ein wenig "aufpeppen" konnte.)

Unter die "gezielte Nicht-Wahrnehmungsstruktur" des Hamburger Magazins fällt dann aber, daß es Herrn Hawranek nicht auffiel, was er selbst niederschrieb: dieser Unfall geschah mit einem "geliehenen Smart". Mit Sommerreifen. Wer war denn der Verleiher? - Und wenn der Verleiher ein "smart"-Center war, warum war das Fahrzeug dann nicht mit Winterreifen versehen? - Weil in der "smart"-Betriebsanleitung vor der Gefährlichkeit beim Fahren mit Winterreifen so gewarnt wird: "Unfallgefahr! Winterreifen haben einen negativen Einfluß auf die Fahrstabilität und erfordern insbesondere auch beim Bremsen erhöhte Aufmerksamkeit vom Fahrer."?

Daß dem "smart"-Pressemann nichts von einem problematischen Fahrverhalten des "smart" bekannt ist (s. "Auto-BILD"), muß als normal bezeichnet werden. Er hatte wohl alle Veröffentlichungen zu diesem Thema (und es gab einige, s. Motor-KRITIK vom 31. Oktober 1998) übersehen. Der Mann hat SPIEGEL-Format, wohl auch eine "gezielte Nicht-Wahrnehmungsstruktur".

Aber bei der Micro Compact Car smart GmbH hat man schnell geschaltet: Laut Presseerklärung vom 25. Januar 1999 soll noch "voraussichtlich zur Jahresmitte" (also im Sommer 1999!) eine "erweiterte Funktion der Traktions- und Stabilitätskontrolle beim smart" (sie nennt sich bisher TRUST) zum Einsatz kommen. Und natürlich macht man deutlich, daß die bisher eingetretenen Unfälle eigentlich auf das Fehlverhalten ihrer Fahrer zurückzuführen sind. Dr. Helmut Wawra, verantwortlich (im Moment!) für die Entwicklung des "smart": "Wir gingen davon aus, daß ein Fahrer in einer instabilen Fahrsituation vom Gaspedal geht. Es hat sich aber gezeigt, daß einzelne Kunden in solchen Situationen auf dem Gas bleiben. Daher wird 'TRUST PLUS' jetzt auch beim unangepaßten Gasgeben auf die angetriebenen Räder Einfluß nehmen."

Weil es - wenn "TRUST PLUS" (das "PLUS" steht wohl dann für eine ASR-Funktion) erhältlich ist, inzwischen Sommer geworden ist, wird auf Schnee und Eis wohl kaum noch etwas passieren. Und dann im nächsten Winter... - Und wenn dann die "neue erweiterte Funktion" des TRUST PLUS es vielleicht schafft, daß bei glatter Fahrbahn aus dem Fahrzeug "smart" ein Stehzeug "smart" wird, dann kann ja wirklich nichts mehr passieren. Und wenn dann die Leihwagen aus den "smart"-Center sogar mit Winterreifen ausgerüstet sind... - Schlimmstenfalls sorgt dann TRUST PLUS für FRUST PLUS.

Jürgen Hubbert, der Vorstand für die Marken "smart" und "Mercedes" im SPIEGEL: "Wir kommen langsamer voran als erwartet, aber wir werden die Marke Smart etablieren." - Und in der neusten "Auto-BILD" spricht er dann davon, daß man den "smart" wohl umbenennen will. Jürgen Hubbert: "Wir werden aus dem smart einen Erfolg machen."

Erinnert sich der Techniker Hubbert (das DaimlerChrysler-Vorstandsmitglied erinnert gerne daran, daß er von dem über das er spricht auch etwas versteht) noch daran, daß zu Beginn der Serienfertigung des "smart" in der Pressemappe (Juli 1998) zu lesen war: "Während intensiver Erprobungsphasen wurde der hohe Standard des Fahrzeugs hinsichtlich aktiver und passiver Sicherheit getestet und bestätigt." - Testete Prof. Hubbert eventuell selbst?

Damals verkündete der "smart"-Hersteller zur damals neu hinzugekommenen Stabilitätskontrolle TRUST: " Diese Traktions- und Stabilitätskontrolle mit Namen TRUST unterstützt in kritischen Situationen die Stabilität des Fahrzeugs zusätzlich." - "Zusätzlich!" - Und nun kommt  zusätzlich ein ASR hinzu.

Sollte man vielleicht nicht besser zusätzlich (als Serienausstattung) beim "smart" eine Halskrause mitliefern? - In der neuesten Ausgabe von "Auto-BILD" wird "smart"-Opfer Steffen Mosch damit gezeigt. Er hatte - nach eigenen Angaben auf schneeglatter Fahrbahn "wegen des Gegenverkehrs das Lenkrad des smart leicht" bewegt. Und stürzte sieben Meter in einen Graben. Ein anderer Leser fordert nach selbst erlebtem Unfall mit einem "smart": "Das Auto gehört von der Straße".

Hat dieser Mann nicht begriffen, daß Techniker Prof. Jürgen Hubbert alles tut, um die Dinger von der Straße zu holen. Durch wegdrehen, kreiseln, abfliegen. - Irgendwer scheint hier etwas falsch verstanden zu haben. Entweder der "Auto-BILD"-Leser oder Jürgen Hubbert.

Übrigens: da wird in allen Katastrophenmeldungen zum Thema "smart" immer wieder (und überall) darauf hingewiesen, daß das Fahrzeug nun bald auch als Cabrio erhältlich werden soll. Und eine Dieselvariante soll kommen. Und im Jahre 2002 soll es ihn dann auch als Viersitzer geben. - Aber wer soll sich so ein Fahrzeug - bis dahin - überhaupt (für viel Geld!) kaufen? "smart" ist nicht der einzige Kleinwagen auf der Welt. Aber der unvernünftigste, der im Fahrverhalten von seiner Anlage her unperfekteste. - Wo soll der "smart" also zum Erfolg werden?

Wahrscheinlich nur in der Presse-Berichterstattung. Der "smart" hat dazu schließlich alle Anlagen.Er ist eben "das Maximum vom Minimum".

MK/Wilhelm Hahne