BMW AG, München: Chaos-Reaktionen in Oberbayern

Da gibt es: einen Pressechef, der offenbar keine Ahnung von den Vorgängen an der Führungsspitze hat; einen neuen Vorstandsvorsitzenden, der eigentlich 2. Wahl ist; einen forschen Forschungsbericht, der auch durch Grafiken und Tabellen nicht überzeugen kann; ein Interview des neuen Vorstandsvorsitzenden mit der BMW-Mitarbeiterzeitung, das zum Kopfschütteln animiert; Einzelgespräche des obersten Öffentlichkeitsarbeiters Richard Gaul mit Journalisten, die klar die von ihm persönlich gegenüber seinen Mitarbeitern aufgestellte Forderung, "kein böses Wort über Reitzle oder Pischetsrieder", als selbstgeschaffenes Alibi für "spanische Argumentationen" ausweist. - Und ist der Aufsichtsratsvorsitzende wirklich am 5. Februar 1999 an seine Grenzen gestoßen? - Gibt es auch eine andere Möglichkeit der Deutung? - Sie erfahren das alles nachstehend. - Es wird in diesen Tagen viel geschrieben, gerätselt, vorhergesagt. Motor-KRITIK möchte sich da nicht ausschließen. Was - u.a. -bisher offenbar niemandem auffiel:

Prof. Dr. Joachim Milberg:
Hat er vor dem 5. Februar die BMW-Schwachstelle Rover nicht gekannt?

99-02-23/01. Richard Gaul, der oberste BMW-Öffentlichkeitsarbeiter, wirkte schon ein wenig ungehalten, als er sich vor Tagen bei mir telefonisch meldete. Ein seltener Anruf. Der letzte war im letzten Spätherbst erfolgt. Davor hatte er praktisch jahrelang nichts von sich hören lassen. Und nun wollte er klarstellen, daß Eberhard von Kuenheim "nicht im 21. Stock residiert" (das hatte ich auch nicht geschrieben), "daß Eberhard von Kuenheim auch nicht auf die Alpen, sondern aus seinen Fenstern - natürlich - auf die Fabrik blickt" (auch da hatte ich nichts entsprechendes geschrieben). Und überhaupt würde ich offenbar "im Mainstream" mitschwimmen, primitivsten Boulevard-Journalismus betreiben, wenn ich den Pischetsrieder-Unfall mit dem McLaren in Verbindung mit seiner "fahrerischen Leistung" bei Rover bringen würde. Und überhaupt... -

Tenor der Geschichte: Pischetsrieder ist (war) der Beste; Eberhard von Kuenheim ist der Größte und Wolfgang Reitzle ... - Zitat: "Wir brauchen keinen Messias der übers Wasser schreitet, um am anderen Ufer festzustellen, daß ihm niemand gefolgt ist."

Und dann hat Richard Gaul mir noch einige Dinge erzählt, "über die dürfen Sie niemals schreiben" (Zitat), weshalb ich das denn auch nun nicht tue. Aber es gab da durchaus lustige Argumentationen zu bestimmten Dingen. - Jedenfalls haben sie mich belustigt. - Man spürt die Absicht und man weiß Bescheid.

Aber Richard Gaul hat mich auch auf einen wirklichen Fehler in meiner Geschichte vom 6. Februar (ich schrieb sie in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar) hingewiesen: Prof. Milberg war am 5. Februar nicht in Dingolfing bei einer Presseinformation. Herr von Kuenheim hatte ihn nach München gebeten. Ich hatte davon erst am 8. Februar erfahren und meine Geschichte - natürlich - nicht nachträglich korrigiert. Ich habe noch nicht einmal mehr am Samstagvormittag, bei meinen Korrekturen am nachts gefertigten Text formale Änderungen vorgenommen. Ich wollte daß er so bleibt, wie er unter dem Eindruck der Ereignisse entstanden war. Und so blieb z.B. auch ein "dämlich" stehen, das ich sonst vielleicht durch ein "unsensibel" ersetzt hätte.

Zurück zu Prof. Milberg: daß der nicht am 5. Februar - wie eigentlich vorgesehen - in Dingolfing war, beweist, daß es sich bei der Aufsichtsratssitzung am 5. Februar nicht um eine normale Aufsichtsratssitzung handelte, sondern schon um eine "außerordentliche", wie es wohl auch vom "stern" richtig empfunden wurde. Die ganzen Vorgänge um diese Sitzung deuten darauf hin. Richard Gaul wußte aber wohl nicht, was eigentlich im Hause BMW vorging und dementierte bis zuletzt, daß auf dieser "normalen Aufsichtsratssitzung" auch Personalien behandelt würden. Daß es dann nach dieser Sitzung zwei Vorstände aus den BMW-Briefbögen verschwinden, vier neue hinzukommen, kann eigentlich nur am Horoskop dieses Tages gelegen haben. Vorgesehen war das nicht. Wenn man Richard Gaul glauben darf. - Aber wer glaubt dem noch?

Dementis können schön sein. In der FAZ war (und zum Fall BMW) zu lesen: "Die Schriftstellerin Gertrude Stein hätte formuliert: Ein Dementi ist ein Dementi ist ein Dementi." - Aber leider verändert ein Dementi auch keine Tatsachen. Die werden auch nicht durch "Forschungsberichte" von der Qualität des "MEDIEN TENOR", Nr. 81, vom 15. Februar verändert. Dort ist zu lesen:

"Basis
Medien: Tageszeitungen, Wochenmedien, Fernsehnachrichten und Wirtschaftspresse
Zeitraum: 01.01.97 - 06.02.99
Analyse: Auswahl aller Beiträge im Politik- und Wirtschaftsteil, in denen mind. 5 Zeilen/Sek. über BMW berichtet wurde. Analyse aller Aussagen über das Unternehmen, Führungskräfte und Produkte."
Dieser Forschungsbericht (!) kommt in seinem Untertitel zur Headline "Chaostage in deutschen Wirtschaftsredaktionen" zu der Feststellung: "Die Berichterstattung über BMW-Rover wirft Fragen zur Unabhängigkeit der Medien auf". - Beim Lesen dieses Forschungsberichts tauchte bei Motor-KRITIK die Frage nach der Unabhängigkeit und dem Fachwissen der Forscher auf. Die steigen ins Thema mit folgender Feststellung ein:

"Die veröffentlichte Meinung kann unmittbar (Anmerkung: das soll wohl unmittelbar heißen) Einfluß auf Unternehmensabläufe nehmen. So wurde Birkel aufgrund von Falschmeldungen an den Rand des Konkurses getrieben und die Arbeitsplätze konnten nur durch Verkauf an einen potenten Konkurrenten gerettet werden." - Soll das ein Vergleich mit der aktuellen Situation bei BMW sein?

So war das im Falle Birkel wirklich: Ein Produzent von Flüssigei hatte verdorbene und angebrütete Eier mit in den Zusatz eingerührt, die bei der Nahrungsmittelindustrie zur Produktion ihrer Produkte verwendet wurde. Aber nicht bei Birkel-Eiernudeln. Das war nachweisbar. Trotzdem warnte das Stuttgarter Regierungspräsidium vor angeblich mikrobiell verdorbenen Birkel-Nudeln. - Und die Presse hatte die Warnungen des Regierungspräsidiums verbreitet. - Ein Fehlverhalten der Presse oder des Regierungspräsidenten?

Birkel hat geklagt, forderte Schadenersatz und erhielt 18 Millionen Mark gerichtlich zugesprochen. Birkel klagte aber nicht gegen - oder über - die Presse, sondern gegen den Regierungspräsidenten und dessen Organe. Mit Recht.

Und MEDIEN-TENOR klagt nun über das Verhalten der Presse gegenüber BMW mit dem Beispiel Birkel und behauptet in einer Grafik, die "Das Medienbild von BMW, 1. - 6. Februar 1999" darstellen soll: "Sturmreif geschossen". In einer weiteren Grafik wird eine bestimmte Zeitschrift besonders angeklagt: "BÖRSENZEITUNG sieht nichts gutes mehr". Dort sind dann 21 Medien aufgeführt und ist ihr Anteil an Negativnachrichten über BMW grafisch dargestellt. Die BÖRSENZEITUNG bot aber danach nur den neunt-negativsten Anteil. Wieso mußte diese Zeitschrift dann für den Titel herhalten?

Sollte die Presse in den ersten Februartagen die Ereignisse um BMW verschweigen? - Glaubte BMW (und deren Öffentlichkeitschef Richard Gaul) Fakten durch Dementis auslöschen zu können? - Warum sollte z.B. DIE WELT in der Woche vor den Ereignissen am 5,. Februar die Abläufe in Berlin übersehen, die sogar bis zu Motor-KRITIK in die Eifel drangen? - Mitarbeiter der Quandt-Stiftung befragten da z.B. "ganz unauffällig" Journalisten, wen sie wohl für einen fähigen Manager in der Automobilindustrie hielten. DIE WELT hat schließlich ihre Redaktion in Berlin. Das mußte doch auffallen. Vor allen Dingen, wenn alles "so unauffällig" erfolgte.

Und warum sollte das HANDELSBLATT nicht das Ausscheiden des Herrn Pischetsrieder vorab vermelden, wenn es doch durch Aussagen von einem Mitarbeiter der Quandt-Gruppe klar bestätigt wurde? Offiziell natürlich dementiert. Wie die Informationen des Herrn Gaul an mich, "die Sie natürlich nie veröffentlichen dürfen". - (Herr Gaul wird sich wundern. Ich veröffentliche die wirklich nicht, weil seine Zusatz-Infos nichts an meiner Einstellung zu einem bestimmten Vorfall ändern.)

Was eigentlich nur die Ereignisse um BMW in der Presse widerspiegelte, wird im (für und im Auftrag von BMW erstellten?) Forschungsbericht Nr. 81 als "Treibjagd" empfunden. Wörtlich: "Angesichts dieser Treibjagd gab es für Pischetsrieder keine Zukunft mehr, und zumindest in dieser Hinsicht hatte die selffulfilling prophecy Erfolg. Offen bleibt angesichts dieser Berichterstattung die alte Journalisten-Frage: Cui bono?".

Und weil dieser sensationelle Forschungsbericht die Frage nach der Unabhängigkeit der Medien aufwirft, möchte Motor-KRITIK darauf hinweisen, daß die Medien auch auf die Informationen aus erster Hand angewiesen sind und denen oftmals - weil man sich kennt - Glauben schenken. Aber so kann auch kräftig Politik gemacht werden. Erinnern wir uns daran, daß Richard Gaul seinen Mitarbeitern immer wieder dringend empfahl, kein böses Wort über Pischetsrieder oder Reitzle zu verlieren. Und so war denn nach dem denkwürdigen 5. Februar in den unterschiedlichsten Zeitungen folgendes (oder ähnliches) zu lesen:

"Viele fragen, wie schwer sich von Kuenheim am 5. Februar getan hat. Der gescheiterte Pischetsrieder galt als sein Ziehsohn, den er 1993 Reitzle vorgezogen hatte. Es heißt, Reitzle habe mit einem Wechsel zu Porsche geliebäugelt und sei deshalb durch von Kuenheim zurückgestuft worden. Offiziell bestätigt ist aber auch das nicht.
Glaubt man an Vorbehalte des Ostpreußen gegen Reitzle, erscheint der angebliche Versuch von Kuenheims, ihn zum neuen BMW-Chef zu machen, fragwürdig. Verstärkt werden diese Bedenken durch das Gerücht, daß der bei BMW bestimmenden Familie Quandt der private Lebensstil Reitzles, der mit der TV-Journalistin Nina Ruge liiert ist, ein Dorn im Auge war. Damit hätte sich von Kuenheim mit einer Berufung Reitzles gegen den Willen des BMW-Großaktionärs gestellt, was als ausgeschlossen gelten muß."

Und weiter ist dann irgendwo davon die Rede, daß "der allgemein als Visionär geschätzte Reitzle zuletzt wegen Defiziten bei der Entwicklung künftiger BMW-Modelle kritisiert worden sei". Usw., usw. - Wer war da wohl der Informant des Herrn Thomas Magenheim-Hörmann, München?

Richard Gaul hat ein Alibi. Zwar ein selbstgestricktes, aber... -  Nun hatte der auch anderes zu tun. Da gab es von der Öffentlichkeitsarbeit z.B. den Versand eines ersten Interviews des neuen Vorstandschefs Prof. Dr. Joachim Milberg vorzubereiten. Richard Gaul lobte diesen Mann auch in dem Telefongespräch mit Motor-KRITIK "über den grünen Klee". Was der auf der Fertigungsseite bei BMW alles bewegt hat... - toll! - Da werden z.B. bei der 3er-Montage die Türen separat - also in ausgebautem Zustand - lackiert und wieder nach der Trocknung dem richtigen Fahrzeug am Band zugeführt. Toll. Das machte man bei Opel schon bei der Fertigung des ersten Opel Omega anno... - ach es ist zu lange her, als das ich noch das Jahr exakt niederschreiben könnte.

Natürlich zweifelt auch niemand (auch ich nicht) an den Fertigungs-Fertigkeiten des Herrn Prof.Milberg. Aber was ist mit seinen Fertigkeiten als Vorstandsvorsitzender? - Schaun wir doch einmal in das erste Interview, in dem er sich "für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens erstmals zur Situation des Konzerns und zu aktuellen Fragen" äußert. Dieses Interview ging ausgesuchten Medien (nicht Motor-KRITIK) am 18. Februar 1999 zu.

Milbergs grundsätzliche Feststellung: "Statt an Gerüchten und Meinungen sollten wir uns an den Fakten über den Konzern orientieren. Diese Fakten zeigen, daß es dem Unternehmen gut und sehr viel besser geht, als es momentan von außen dargestellt wird."

Na also. Eine klare Aussage: Es geht BMW gut. Sie wird später etwas durch seine "feste Überzeugung" relativiert, "daß wir die schwierige Situation, in die wir durch Rover Cars geraten sind ... schnell meistern werden."

Also doch eine "schwierige Situation"? Aber: Alles eine Kleinigkeit. Milberg sagt: "Wir werden unsere Probleme von innen heraus meistern." - Welche Probleme? - Das sind wahrscheinlich die, die es nicht gibt. - Und die beseitigt Herr Milberg dann so:

"Für mich stehen Maßnahmen im Vordergrund. Zum einen die Neuausrichtung der Organisation, also die Schaffung von Konzernfunktionen für die Zentralbereiche, wie auf dem BMW-Tag beschlossen." - Aha! - Nur fand der BMW-Tag vor dem 5. Februar statt, also noch unter der Oberleitung des "alten" Vorstandes. Milberg setzt also jetzt dessen Weg konsequent fort.

Was hat sich also nun bei BMW unter dem neuen Vorstand, dem in neuer Zusammensetzung, geändert? - Nichts. Das Turnaround-Team unter Leitung von Dr. Wolfgang Ziebart (inzwischen auch Vorstand), wurde noch unter dem "alten" Vorstand eingesetzt. Seine Untersuchungen bei Rover sind abgeschlossen, seine Empfehlungen ausgesprochen, "die wir zur Zeit umsetzen", sagt Milberg. Alles nichts Neues, kein neuer Kurs, keine Veränderung der Politik. Aber Milberg hat schon richtig erkannt: "Wir müssen den Mut zu Entscheidungen haben und diese dann auch durchhalten".

Das hört sich gut an. heißt aber eigentlich nichts anderes, als daß man den bisher eingeschlagenen Kurs des Herrn Pischetsrieder - zwar ein wenig modifiziert - weiterfahren wird. Wie lange will man das noch durchhalten?

Motor-KRITIK stellt sich auch ein wenig verzweifelt die Frage, warum Prof. Milberg, der nach BMW-Informationen in der Vergangenheit "neue Produktionsmethoden" entwickelte, "die heute als Weltstandard gelten", in den ganzen Jahren nichts für die Verbesserung der Fertigungsmethoden bei Rover getan hat? - Hatte ihm niemand gesagt, daß auch Rover inzwischen zum "internationalen BMW-Werkverbund" gehört? - Denn in der BMW-Information heißt es:  "Auf der Arbeit seiner Vorgänger aufbauend, formte Milberg den internationalen BMW Werkverbund in seiner heutigen Form - und damit den Garanten für das Qualitäts-Gütesiegel >made bei BMW<."

Noch einmal nachgeschlagen: Milberg kam 1993 als Vorstandsmitglied Produktion zu BMW; im Jahre 1994 wurde Rover übernommen. Inzwischen zählen wir das Jahr 1999! - Wer hat die "heilenden Hände" eines Prof. Milberg bei Rover verhindert?

Aus Motor-KRITIK-Sicht ist der neue BMW-Vorstand keine Idealbesetzung, sondern eine Notlösung. Wer ist der Marketing-Spezialist, der Mann, der die Marke BMW so versteht, wie sie die BMW-Kunden empfinden sollen, "in dem das brennt", was er (nur dann!) auch wirklich überzeugend den möglichen Kunden vermitteln kann?

Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Joachim Milberg: Keine Marketing-Erfahrung. Auch wenn BMW meint: "Eine wesentliche Stärke Milbergs ist die strategische Ausrichtung seines Handelns und das Denken in Gesamtprozessen. Der Markt, der Kunde ist dabei sein Maßstab." - Genau dieser Mann sagt in seinem oben schon erwähnten ersten Interview: "Welch hohes Ansehen unsere Produkte beim Kunden haben, zeigen zuletzt wieder - und darüber freue ich mich gerade in der jetzigen Situation - die Ergebnisse der Leserwahl der Zeitschrift auto motor und sport. Hier haben die neue 3er Limousine und der 5er zum fünften Mal in Folge in ihrer Klasse den jeweils ersten Platz belegt." - Und was sagt Prof. Milberg zu der "Profilschwäche" von BMW, die sich bei der gleichen "auto motor und sport"-Leserwahl und der gleichzeitg durchgeführten Befragung  herausgestellt hat?

Es genügt nicht, "Autos wie den M 5, flott über die Autobahn zu bewegen", was Prof. Milberg lt. BMW-Information "schon vor seiner aktiven BMW-Zeit" konnte. Ein gutes Unternehmen, ein gutes Automobil flott geradeaus steuern, das konnte auch Bernd Pischetsrieder. Aber die Zeiten, in der der Boom wie eine Autobahn mit Schwung nach oben führte, sind vorbei.

Vom Vorstand Carl-Peter Forster sind als Vorstand für Produktion und Engineering auch keine Marketing-Innovationen zu erwarten. Und der Vorstand für Entwicklung, Dr. Wolfgang Ziebart, hat sicherlich das Automobil als technischen Gegenstand total im Griff, aber Marketing... -

Es gibt dann noch die Vorstände Günter Lorenz, zuständig für Finanz- und Betriebswirtschaft; Dr. Helmut Panke, Personalvorstand, Horst Telschik, zuständig für Wirtschaft und Politik; außerdem noch den Rover-Chairman Prof. Dr Werner Sämann. Der empfindet es für die Zukunft als Fortschritt, wenn er feststellt: "Wir kennen in Zukunft keine Ländergrenzen mehr." - Nachzulesen in "PS-report" Nr. 08/99. Oder: "Wir haben in England hervorragende Werke." - Oder: "Wir haben eine hervorragende Produktion der 200er und 400er." - Das mußte doch mal gesagt werden, wo doch eine sechsstellige Anzahl dieser "hervorragenden" Fahrzeuge als Lagerfahrzeuge auf die Erlösung durch die Käufer wartet. Und der Rover 75 kommt später, weil die Qualität derzeit noch nicht den BMW-Anforderungen entspricht. - Prof. Sämann in "PS-report": "Wir haben weiterhin das Ziel, im Jahr 2000 Gewinn zu machen." - Träumereien von Sämann.

Wobei übrigens der Ordnung halber festgestellt werden soll, daß es tatsächlich - solange sich der Chronist erinnern kann - es vorher noch niemals ein so gutes Gesamt-Pkw-Programm bei Rover gab. Und es gab vorher auch keine zuverlässigeren
Rover-Fahrzeuge. Aber leider muß heute bei der Beurteilung aller Automobile der technische Stand von 1999 und deren perfekte Umsetzung in zuverlässige Fortbewegungsmittel (die auch noch gefallen und Komfort aufweisen sollen) als Maßstab gelten. - Und wie plaziert man Rover marketingmäßig im Markt?

Aber dafür gibt es schließlich den neuen Vertriebsvorstand Dr. Heinrich Heitmann. Der ist gelernter Jurist. Also genau das, was man sich als ideale Ausgangsposition für einen Marketing- und Vertriebsmann dann vorstellt, wenn man die Händlerorganisation dramatisch umstellen will. Wegen der dann erforderlichen (und automatisch anfallenden) juristischen Auseinandersetzungen. Aber man darf nicht vergessen: Dr. Heitmann hat Marketingerfahrung. Schließlich war er einmal Mitarbeiter von Karl-Heinz Kalbfell, dem Marketingleiter von BMW. Nun ist er sein Chef. Nur hat sein neuer Mitarbeiter (und alter Chef) mehr Erfahrung, mehr Ahnung... - Denn tatsächlich sollte man als Marketingmann schon über Ahnung, Vorahnung verfügen. Die erhält man nicht per Marktuntersuchungen, sondern manchmal deutlich besser "mit dem Bauch", dessen "Gefühl" durch die Erfahrung gesteuert wird.

Keine Frage: Es gibt im neuen BMW-Vorstand keinen Mann, dem man Marketing-Gefühl bescheinigen könnte. Ein Insider: "Es gibt immer weniger Leute bei uns, die die Marke verstehen." - Nun hat man acht Vorstände, aber immer noch ein großes Loch im Oberleitungs-Netz. Man wird es notdürftig zu schließen versuchen, indem man Karl-Heinz Kalbfell die Markenführung - und damit die gesamte Produktstrategie!! - überträgt. - Übertragen muß!

Sieht das alles nach guter Planung aus? - Nein.

So hätte übrigens nach Motor-KRITIK-Vorstellungen die Vorstandsbesetzung bei BMW ausgesehen. (Das wegen der konstruktiven Kritik.):

Noch meinen Vorstellungen gäbe es also noch ein Vorstandsmitglied mehr. Und neuer Aufsichtsratsvorsitzender würde nicht Herr Doppelfeld. (Das ginge in der Kombination mit Reitzle auch nicht.) Und Richard Gaul würde es bei BMW nicht mehr geben, auf Herrn Teltschik würde ich verzichten, usw., usw. -

Aber der oberste Öffentlichkeitsarbeiter wäre nach meinen Vorstellungen immer auch Vorstandsmitglied. Warum das so sein sollte, dafür ist Richard Gaul in seiner bisherigen (Bereichsleiter-) Funktion ein gutes Beispiel:

Als er seine Arbeit bei BMW begann, da war er eine echte Bereicherung, erfrischend, von jener - ich bezeichne es als journalistische - Naivität, die man braucht, wenn man nicht nur sich selbst, sondern auch anderen gegenüber ehrlich sein will. So kam Gaul dann praktisch auf der Führungsetage von BMW in die Rolle eines Hofnarren. Das ist jemand, der den Oberen die Wahrheit sagen darf, ohne gleich dafür bestraft zu werden.

Aber Gaul merkte mit den Jahren, daß das doch über die Zeit Ärger macht, die Arbeit erschwert; man ist in einer solchen - sicher in jeder großen Firma notwendigen - Funktion einfach ein Fremdkörper und wird oft auch so behandelt. Und Richard Gaul paßte sich seiner Umgebung an. Unmerklich, aber über die Jahre immer merklicher. Nicht nur seine Anzüge wurden teurer (achten Sie übrigens einmal auf seine exakt gebundene Krawatte), seine Ansprüche stiegen insgesamt. Es stieg auch sein Harmoniebedürfnis. Er wurde angepaßter und angepaßter. Hatte er vor Jahren noch mit bestimmten Personen (auch auf Bereichsleiterebene) ständig im Streit gelegen, so arbeitete er nun mit solchen Leuten taktisch zusammen.

Gaul vertrat zuletzt auch weniger den Gesamtvorstand, sondern vielmehr den Vorstandsvorsitzenden. Mit dem machte er seine Rundgänge auf Ausstellungen, für ihn argumentierte er - oder besorgte ihm auch seine Zigarillos (die in der hellblauen Packung). Richard Gaul war zu einem Pischetsrieder-Mann geworden. Jeder wußte das und darum war vor dem 5. Februar 1999 auch jedem Kenner der Szene das Ende des Richard Gaul bei BMW klar. - Aber es ist anders gekommen.

Alles wäre noch einmal anders gewesen, wäre Richard Gaul ab einem bestimmten Zeitpunkt - eben als Vorstandsmitglied - nicht nur bei allen Vorstandssitzungen dabei gewesen, sondern auch in die Vorstandsbeschlüsse eingebunden gewesen. Dann hätte er sich in seiner Pressepolitik mehr an den Vorstandsbeschlüssen (die dann auch seine gewesen wären!) orientieren müssen. Eine Ausrichtung auf bestimmte Personen wäre damit unmöglich geworden.

Und darum gibt es oben in der Motor-KRITIK-Vorstandsliste einen Öffentlichkeitsvorstand. Und sie verstehen jetzt vielleicht auch, warum das nicht Richard Gaul sein kann. (Was übrigens nicht aussagt, daß ich - wie man so schön sagt - "etwas gegen Richard Gaul hätte". Er hat sich eben aus BMW hinausgelebt, hinausentwickelt. Das muß man einfach emotionslos feststellen und entsprechend handeln.)

Dieses oben aufgeführte Vorstands-Team wäre nach meiner Vorstellung funktions- und handlungsfähig. Von einem solchen Vorstand könnten dann "kreative Unruhe und aggressive Attacken auf den Markt" (die dringend notwendig sind, das wußte z.B. Dr. Reitzle,von dem das Zitat stammt) erwartet werden. Ein stures Beibehalten des alten Kurses geht zwar, aber - das geht nicht gut.

Wenn ich diesen Gedanken zu Ende denke, dann erhält die (scheinbar überraschende) Entscheidung des Herrn von Kuenheim ein ganz anderes Gesicht und Gewicht. Ich habe in der Vergangenheit Herrn von Kuenheim viele schwierigen Probleme lösen sehen. Immer mit Übersicht - unter Berücksichtigung einer Langzeitstrategie - und mit einer gewissen Cleverness. Und wenn ich einmal daran denke, wie "einfühlsam", praktisch unauffällig er sich "damals" von Herrn Paul G. Hahnemann trennte... - Und welche Mittel er dabei einsetzte... -

Was jetzt am 5. Februar 1999 passierte, paßt eigentlich so gar nicht zu Eberhard von Kuenheim. Mein Eindruck direkt nach dem Ereignis niedergeschrieben war nach einigem Nachdenken vielleicht doch nicht so richtig: Eberhard von Kuenheim ist zwar älter geworden, aber nicht dümmer. - Vielleicht (noch) gerissener?

Vielleicht hat Eberhard von Kuenheim mit seiner Entscheidung, sich (auch hier sehr geschickt!) von den Herren Pischetsrieder und Reitzle zu trennen, um einen Herrn Prof. Milberg zu berufen, nur eine andere Art von Langzeitstrategie eingeleitet. Dann wäre Prof. Milberg allerdings als "Bauernopfer" ausersehen. Wenn sich dann bald keine Verbesserung der Gesamtsituation BMW & Rover abzeichnet, hätte die Familie Quandt ein wunderbares Argument, bei einem vernünftigen Gebot einem Aktientausch mit einem potenten Partner zuzustimmen.

Und man hätte auch nicht Falsches erzählt, wenn man bei Quandt heute erklären läßt, "Das Bekenntnis der Familie Quandt zu BMW steht ohne jede Abstriche." - Und der Sprecher der Familie fügte zu diesem Zeitpunkt noch hinzu: "Es gibt keine Anzeichen, daß sich daran etwas ändert."

Vielleicht ist ja jetzt Prof. Milberg dazu auserkoren "diese Anzeichen" zu schaffen.

Aber die BMW-Kundeninformation beruhigt derzeit die Öffentlichkeit (lt. "mot"): "Da wurden nur die Namen ausgetauscht, sonst ändert sich nichts." - Und meint die Auswirkungen des Vorstandswechsels. - Darum wurde er dann auch vorgenommen.

Und derweil verkündet vielleicht das Aufsichtsratsmitglied Manfred Schoch (BMW-Betriebsratsvorsitzender) weiter der Presse die künftigen Strategien. Und so lange Richard Gaul die Öffentlichkeitsarbeit leitet, kann er ja jeweils alles dementieren.

Chaos in Oberbayern. - Bis zum Quandt-ensprung in die Aktien-Arme eines starken Partners.

MK/Wilhelm Hahne