99-06-16, in Virneburg/Eifel
...es ist ein wundervoller Sommertag!

Guten Tag!

Das läßt sich an so einem Tag leicht wünschen. Aber es ist vielleicht nur "äußerlich" ein guter Tag. Ich möchte z.B. nicht in der Haut eines Norbert Haug oder Jürgen Hubbert stecken. Meister Schrempp hat inzwischen mit denen "das Wort zum Sonntag" gesprochen. Wie man die Aussage machen könne, daß sich DaimlerChrysler an einem der bedeutendsten Rennen der Welt nicht mehr beteiligen würde, usw., usw... - Und die Wortkombination "mögliche Konsequenzen" soll  gefallen sein. - Lesen Sie meine aktuelle Geschichte zu Jürgen Hubbert und seine "fliegenden Kisten".

Ich möchte auch nicht in der Haut eines Herrn Milberg stecken. Als der übrigens am Sonntag darauf gestoßen würde, so eine aktuelle Motor-KRITIK-Information, daß in Le Mans eine Sensation bevorstünde und daß er vielleicht... - da soll der gesagt haben: "Für mich ist heute Sonntag." - Herr Milberg hatte recht. (Oder habe ich - oder Milberg - etwas nicht bedacht?) - Und wenn ich jetzt mitbekomme, wie man jetzt - sozusagen mit System - die Qualität bei BMW herunterfährt... -

Aber das wird von den Herren, die z.B. die Verlängerung der Standzeiten bei Presswerkzeugen zu verantworten haben, sicherlich ganz anders argumentiert werden. Sicherlich nicht mit Kostensenkungsmaßnahmen. Weil man doch schließlich durch erhöhte Kontrollen... - Ich höre praktisch die Argumentation der neu bei BMW Herrschenden. Und ich verstehe die Stimmung derer, die nicht nur bei BMW arbeiten, sondern eigentlich BMW leben. - Das heißt: eigentlich ist das Vergangenheit. Es muß heißen: BMW gelebt haben.

Aber vielleicht mache ich mir einfach zu viel Gedanken. - Wer nimmt heute überhaupt noch das ernst, was er beruflich macht? - Der Beruf soll heute vornehmlich zum Geldverdienen taugen. Da nutzt man jede Gelegenheit. Auch wenn man eigentlich vom Metier keine Ahnung hat.

Welche Ahnung hat z.B. ein Dr. Schneider von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? (Für Unwissende: Dr. Schneider ist ein hohes Ford-Europa-Tier.) Schneider ist eigentlich Jurist. Und als Jurist entscheidet er, daß z.B. die Mondeo-Rückrufaktion nicht offiziell werden darf. Und er entscheidet hier, entscheidet da; auf einem Gebiet, auf dem er bestenfalls als Lehrling bezeichnet werden kann.

Seine Kollegin (und Untergebene) auf deutscher Ebene, Frau Dr. Wegerhoff, versteht dagegen sicherlich nicht genug vom Automobil und seinem Markt. Dafür versteht sie etwas von PR-Arbeit. Aber sie ist nicht unbedingt der Typ, der sich in die Niederungen begibt. Außerdem müssen alle Aktionen auch ihr nutzen. Schließlich hat sie in letzter Zeit drei Förderer verloren, steht eigentlich ziemlich "im Freien" und leidet schon z.B. unter Dr. Schneider, der sie nicht sehr rücksichtsvoll behandelt.

Aber wer kann heute schon Rücksicht verlangen? - Vorsicht ist geboten! - Und vor lauter Absichern - und delegieren von Verantwortung - wird vergessen, wirkliche Entscheidungen zu treffen. Oder die dauern und dauern. (Wegen der Absicherung.) Und wenn es dann mal schnell gehen muß, dann zeigt sich die ganze Unsicherheit der Entscheidungsträger. - Wie in Le Mans.

Die Motor-KRITIK-Geschichte dazu war eine Menge Arbeit. Jetzt im Endstadium der Zusammenstellung der Fakten. Die alten Erkenntnisse, die "alten" Geschehnisse, die waren zwar gespeichert, mußten nur noch abgerufen werden, aber alles was sich im Hintergrund der Ereignisse abspielte, mußte noch "erkundet" werden. Dabei hatte es schon während der Veranstaltung eine Menge Telefonkontakte direkt mit LeMans gegeben. Jetzt waren aber noch viele abendliche Gespräche notwendig.

Denn eigenartig: die Wahrheit läßt sich während der Geschäftszeiten kaum noch in Erfahrung bringen. Was man dann hört, ist Politik, Taktik, PR-Geschwätz. Und so brauche ich immer - und praktisch zu jeder Geschichte - einen gewissen Anteil an "Abendstunden-Recherche". Tagsüber, in ihrer dienstlichen Funktion, haben viele Leute keine Skrupel mich "in die Irre zu führen" (man könnte auch sagen: mich zu belügen), abends - praktisch privat, ohne dienstliche Funktion - gelingt ihnen das kaum. Denn eigentlich sind es nette, gute Menschen. Und sie erzählen nur tagsüber den Blödsinn, weil sie auch gute Angestellte sein wollen.

Solche zeitlichen Unterschiede - praktisch einen Unterschied zwischen dienstlich und privat - kenne ich nicht. Ich bin immer im Dienst, bin immer privat. Jeden Arbeitstag von 5.30 bis 23.00 Uhr. (Am Wochenende stehe ich etwas später auf.) Dabei ist es durchaus nicht so, daß ich von morgens bis abends Auto, Auto, Auto denke. Ich kaufe auch ein. Bei Edeka, bei Aldi. Ich kenne die Butterpreise. Und gerade war ich z.B. auf den Krönungsfeierlichkeiten eines rheinischen Schützenkönigs im Braunkohlegebiet. - Interessant, wenn man da feststellt, wie einfach es für manche Konzerne ist, die öffentliche Meinung für sich einzunehmen.

Wenn es so sieht, war ich auch da "im Dienst". Ich kann es mir nämlich nicht abgewöhnen, mir bei allem etwas zu denken. Ich sehe nicht nur, ich ordne auch zu, reflektiere. Und da ich inzwischen über eine Menge Lebenserfahrung verfüge... -

Und hier kommt dann der Einwand vieler Gutmeinender: Aber gerade darum müßtest Du doch wissen, daß man das (und sie meinen, das was ich mache) nicht tut. Die Welt hat sich eben verändert, meinen sie. Und oft höre ich die Weisheit: Man kann nicht gegen den Strom schwimmen.

Tatsächlich ist die Strömung in eine falsche Richtung auf vielen Gebieten des Lebens deutlich auszumachen. Aber wer stellt sich schon dagegen? - Ich meine: als Journalist hat man nicht die Aufgabe "mitzuschwimmen", auch nicht die Aufgabe, grundsätzlich gegen etwas zu sein. Man solle versuchen die Öffentlichkeit möglichst objektiv zu informieren, wobei das dann dazu führt, daß man der immer stärken wirkenden "falschen Strömung" auch starke Argumente und eine deutliche, klare, unmißverständliche Meinungsäußerung gegenüberstellen muß. - Sonst geht sie unter.

Und das stört dann Leute wie Inhester (DaimlerChrysler), Gaul (BMW), Borghs (Opel), Wegerhoff (Ford), Kocks (VW). Und sie verhalten sich je nach Veranlagung. Der eine versucht es mit Intrigen, der andere mit Prozessen, oder es gibt gezielte Falschinformationen. Oft auch gar keine Informationen mehr. Aber eigentlich sind sich alle einig - wie ich auch aus den "Tischgesprächen" dieser Herrschaften schon vor Jahren (z.B. beim VDA) erfuhr: Fremdkörper werden wie Fremdkörper behandelt. - Und das macht dann jeder auf seine Art. - Aber ändern tut es nichts.

Natürlich sehen diese Herrschaften nicht, daß es auf Dauer nicht gelingen kann, die Käufer hinters Licht zu führen. Das ist selbst großen Propaganda-Abteilungen in der Vergangenheit nicht gelungen. Und so manche Presseabteilung heute unterscheidet sich kaum in ihrer Art von den Propaganda-Abteilungen in der Vergangenheit. Aber keine wird es 1000 Jahre durchhalten.

Ich finde z.B. so manche Äußerungen, Kommentare des Herrn Prof. Dr. Kocks genauso stark (und amüsant), wie damals die Kommentare eines Karl-Eduard von Schnitzler. Bei beiden hatte, bzw. hat man den Eindruck, daß sie das meinen was sie sagten. Aber es ist immer "Propaganda". - Man muß sich dann fragen: Für oder gegen wen? - Und dann muß man der Wahrheit nachgehen. Und dann ergibt sich daraus eine Geschichte - wie z.B. über den VW-Motorsport. - So eine "Erfolgsmeldung" wie nach dem 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring bringt mich auf die Palme.

Oder auch Meldungen die keine Schlagzeilen in der Presse machen, dürfen nicht übersehen werden. So entstand meine Geschichte über den Tod eines Motorradfahrers bei Kilometer 16.

Ich würde gerne so manche Geschichte nicht schreiben müssen. Aber ich muß sie schreiben, weil sie sonst keiner schreibt. Die Motorradfahrergeschichte z.B. könnten einige schreiben, weil einige (um nicht viele zu sagen) die Umstände kennen, seit Monaten darüber schimpfen und wettern. Alle haben es kommen sehen.. - Nun ist es passiert. - Aber was passiert? - Es gibt einen Polizeibericht und eine Geschichte im Internet.

Aber das darf nicht alles sein. Und so gibt es eine Unmenge Themen, die dringend - ohne Propaganda - dargestellt werden müssen. "Surfen" Sie mal durch die alten Geschichten in Motor-KRITIK. Es ist erschreckend, wie oft ich mit meiner Meinung recht behalten habe. - Und sie war meist "gegen den Strom".

Nur bin ich oft ein wenig früh. Wie z.B. mit meiner Kritik an Managern und Entscheidungen bei Opel. So mancher hat damals den Kopf geschüttelt. Und Opel hat geklagt. Erst jetzt wird vielen (auch den Opel-Managern?) klar, was "damals" falsch war, weil sie jetzt erst das Ergebnis vor Augen haben, das sich auch in sinkenden Marktanteilen und meßbarem Imageverlust ("ams" und "manager magazin") niederschlägt..

Wenn das aber richtig war, was ich vor Jahren (in "PS-report") zu Personen und Aktivitäten schrieb, dann konnte sich  die Marktsituation für Opel nur verschlechtern. - Da interessiert mich schon, wie in dieser Woche andere Kenner der Motorszene - z.B. im "stern" - die Situation bei Opel und GM sehen. - Bis jetzt kenne ich den Inhalt nicht. Ich schaue aber garantiert mal rein. - Tun Sie es zu Ihrer Meinungsbildung auch.

Guten Tag!

Wilhelm Hahne