Erlebnisbericht: Mit dem Lupo 3L TDI, der "Ikone des Hi-Öko-Tech", ganz normal unterwegs

Das mit der "Ikone" kommt von einem bekannten österreichischen Kollegen. Gut getroffen. - Aber warum kauft man eigentlich ein eine "Hi-Öko-Tech-Ikone", wo doch ein Automobil genügt? - Um zu sparen? - Das wäre ein Witz. Ein Automobil kostet viel Geld, verlangt viel Geld zur Deckung aller Nebenkosten. Und nun, beim Lupo 3L TDI, soll man mehr Geld bezahlen, damit man mehr sparen kann. Wenn man weniger Leistung abruft, als dieser "Wolf derer von Wolfsburg" zur Verfügung hat. Wenn man Zeit hat, geht das. - Aber warum hat man überhaupt ein Automobil? Um möglichst zügig und zuverlässig von A nach B zu kommen. Darum haben wir es uns bei Motor-KRITIK angewöhnt, die von uns erlebten Fahrzeuge auf einem bestimmten Rundkurs mit hohem Autobahnanteil zu fahren. Da muß mit jedem modernen Automobil ein Durchschnitt von 100 km/h drin sein. Sonst kann ich ja gleich als Anhalter fahren oder in einem "Neigezug" der ADtranz. - Und so haben wir dann auch die 157 Kilometer mit dem Spar-Lupo in gut 90 Minuten zurückgelegt. Als wäre der Lupo 3L TDI ein richtiges Automobil.

Ein "politisches" Automobil, das sich an Normen orientiert

99-09-30/04. Da draußen vor der Tür rasselt ein Diesel. Ich blicke auf und müßte jetzt eigentlich von meiner Position im Wohnzimmer ein Stück braunes Blech sehen können. Denn ich hatte unwillkürlich an ein UPS-Fahrzeug gedacht. Die bringen mir ab und an Pressemappen oder ähnliches.

Aber ich sehe nichts. Und mir fällt auf, daß dieses Nageln im Leerlauf auch mehr wie das Nageln eines kleinen Schiffdiesel klingt. Richtig aggressiv. Schon während ich aufstehe und zum Fenster gehe weiß ich dann was das ist: ein Lupo 3L TDI. Ich hatte ganz vergessen, dass der heute vorbeigebracht würde. Von einem Händler.

Inzwischen ist der Motor abgestellt. Es ist wieder Ruhe im Dorf. Eigentlich, so denke ich, dürfte das doch auch gar nicht sein. Ein moderner Direkteinspritzer so laut? - Aber vielleicht fällt das wirklich nur hier so auf, weil es im Dorf so still ist.

Ich lasse mich einweisen, erfahre, dass dieser Lupo u.a. bei geöffneter Tür nicht zu starten ist, welche Pedale und welche Hebel ich überhaupt in welche Stellung bringen muß, damit sich der Lupo überhaupt starten läßt. Aber eigentlich ist das bei Automatikfahrzeugen nicht ungewohnt. Bis auf die Tür. - Obwohl man eigentlich bei jedem Automobil zunächst die Tür schließt bevor man startet, oder?

Was mir nicht gesagt wurde: Wenn man die Fahrertür öffnet, läuft schon eine Hydraulikpumpe an, die den für die Betätigung des Getriebes notwendigen Druck aufbaut.

Vor dem Start zu unserer Meßfahrt habe ich dann das Fahrzeug ein wenig umkreist, habe Platz genommen, mich gereckt, gestreckt. - Wirklich jede Menge Platz. Kopffreiheit reichlich, ich sitze bequem, das Fahrzeug ist innen so breit, dass ich aus meinem Fahrersitz herausrutschen muß, um jemand von innen die rechte Tür öffnen zu können.

Hinten sitzt man - na ja - mehr wie ein "Gast". Es sind Sitze für Leute, die nur vorübergehend mitfahren. Gastsitze eben. Und der Kofferraum? - Oh je, oh je, der ist mehr eine Ablage für die Aktentasche plus Brieftasche. Wenn man allerdings die hinteren Lehnen umklappt, dann hat man einen bequemen Zweisitzer mit ausreichend Transportraum. Eigentlich, so denke ich, ist ein Lupo kein richtiger Viersitzer, sondern eher ein 2+2, wie man ähnlich angelegte Sportwagen oft bezeichnet. - Und wegen seiner Kürze prima zu parken.

Nachdem zur IAA Ferdinand Piech und Frau  mit einem solchen Spar-Lupo zu einem Empfang im Umfeld der IAA vorfuhr und ich erfuhr, dass er nach dem Aussteigen sein Jackett ordentlich gefaltet dem Kofferraum entnommen hatte, weiß ich, daß der Lupo wohl auch eigentlich von Herrn Piech so gedacht ist. Darum ist der Lupo auch so breit. Damit ein Jackett ungefaltet hinten in den Kofferraum paßt. - Man muß es nur wissen.

Nun also starten. Ich habe die Fahrertür geöffnet gelassen. Aber der Lupo dreht mir eine Nase. Er springt einfach an. Trotz geöffneter Fahrertür.- Ich nehme es ihm nicht übel. Und hier drinnen, vom Fahrersitz aus, ist der Motor nun auch angenehm leise. - Donnerwetter! - Ich steige also aus, um mein Gehör zu überprüfen: Er ist unangenehm laut, rasselt wie ein kleiner Schiffsdiesel alter Bauart.

An der Tankstelle haben wir alle Speicher genullt, den Tank gefüllt und werden am Ende unserer Runde alle Daten ablesen, Treibstoff wieder auffüllen, den Verbrauch errechnen.

Es hat vor kurzem noch geregnet, die Straßen sind feucht. Wir hatten bei Losfahrt den ECO-Schalter gedrückt, der Stellhebel war auf der Automatikseite und der Lupo beschleunigte eigentlich ganz hurtig. "Das Getriebe schaltet so früh, wie du das bei deinem Diesel früher auch gemacht hast", sagt ein Freund, der mich begleitet. Klar, ich war früher schon so gut wie heute eine moderne Automatik. - Aber die muß ja auch mit dummen Fahrern rechnen. Oder aus welchem Grund hat man nicht gleich ein schön abgestuftes, handgeschaltetes  Sechsganggetriebe eingebaut?

Während der Lupo wirklich munter über die bucklige Eifelstraße schnurrt, mit angemessenen Schaltpausen automatisch rauf und runter schaltet, denke ich über den Preis nach. 27.000 Mark. - Viel Geld. Aber dieser Lupo ist auch ein richtiges Auto. Zumindest was den Federungs- und Fahrkomfort, das Raumgefühl betrifft. Keine Spur von Lahmheit. Auch im ECO-Modus nicht. Dass das Auto - wie überall zu lesen - eine Servolenkung braucht (die auch gegen Aufpreis ab November lieferbar sein soll) wird von mir nicht so empfunden. Auch dann nicht, als später einmal wende, beim Einparken die Räder praktisch im Stand bewegen muß.

Was mich in kleinen Abständen immer wieder erstaunt, ist das Geräuschniveau. Es ist verdammt niedrig. Aber ich mache mir darüber vielleicht nur deshalb Gedanken, weil ich den Lupo auch von draußen gehört habe. - Welch ein Unterschied!

Nun kommt ein langes Bergabstück mit langgezogenen Kurven. Da brauche ich, weil so um 100 km/h schnell, nun kein Gas mehr zu geben. Und ich bemerke nun den Freilauf. Dieser Lupo rollt also richtig frei, stuckert nicht (durch den Motor gebremst) bergab. Es ist inzwischen ein paar km/h über 100 geworden. Was soll's? Keine Gefahr. Die kommende Rechtskurve ist vielleicht für 240 km/h gut. Auch jetzt bei feuchter Straße.

Aber dann gleitet (rubbelt) der Lupo doch auf der feuchten Straße über die Vorderräder in Richtung Gegenverkehr. Und ich hample so mit "rotem Kopf" um die Kurve. Geschafft! - Und ich habe nun auch gemerkt, daß der Freilauf sich dann wieder ausschaltet, wenn er über die Betätigung des Bremspedals darauf aufmerksam gemacht wird, dass der Fahrer auch an der Bremswirkung des Motors interessiert ist. - Gut gemacht.

Obwohl mir das wirklich krasse Untersteuern - noch dazu in diesem Geschwindigkeitsbereich! - überhaupt nicht gefällt. Entsteht dieses Problem durch die schmalen Leichtlaufreifen des Formats 155/65 R 14, die dazu noch auf schmalen 4J-Felgen montiert werden? - Warum hat man an der Felge gespart? Und man könnte auch die mögliche Querbeschleunigung... - Aber was soll ich Herrn Piech Ratschläge geben. - Bleibt mir nur die Feststellung: das muß nicht sein.

Dieses Schieben über die Vorderachse ist bei zügiger Fahrt (innerhalb der vorgeschriebenen Geschwindigkeits-Limits!) wirklich unangenehm. Es vermittelt ein Gefühl von Unperfektheit, das einen nach weiteren Fehlern des Fahrzeugs suchen läßt. Braucht man eigentlich eine Zentralverriegelung, die hier nicht vorhanden ist? - Bei der Lupo-Wagenbreite schon, wenn man die rechte Tür nach dem Einsteigen von innen öffnen will. Auf der anderen Seite wird man so daran erinnert, dass man früher einmal seinem Fahrgast die Tür öffnete (besonders wenn es eine Dame war), bevor man selber einstieg.- So hat die Technik gute Sitten verdorben. Der Lupo erinnert daran.

Wir haben - immer noch in ECO - die Autobahn erreicht, die über viele Kilometer nun leicht bergab führt. Wenn wir über die Gesamtstrecke ein Durchschnitt von 100 km/h erreichen wollen, wird mir hier wohl nichts anderes übrig bleiben, als ein gutes Stück des Autobahnweges - sofern es der Verkehr erlaubt - Vollgas zu fahren. Im ECO-Modus.

Und das geht. Wenn  ich es auch anderswo schon anders gelesen habe. Aber vielleicht war das auch gar nicht so gemeint. Jedenfalls rennt der kleine Spar-Lupo nun mit uns im ECO-Modus so um 190 km/h Tachoanzeige und dreht 4.000 Umdrehungen in der Minute. - Und es ist verdammt leise im Fahrzeug. Nicht nur vom Motor, sondern auch sondern Windgeräuschen her. Wir unterhalten uns in ganz normaler Lautstärke.

Ich hätte keine Bedenken, diesen Lupo auch auf Langstreckenfahrten einzusetzen. Aber warum eigentlich der ganze Getriebeaufwand? ECO und nicht ECO. Und dann gibts noch zweite Schaltebene, auf der der Fahrer selbst bestimmen kann, in welchem Gang er fährt. Habe ich gelesen. Wurde mir gesagt. Nur: das funktioniert nicht.

Wieder auf der Landstraße, auf einem langen Bergaufstück unterwegs, bin ich der Meinung, daß der Lupo das auch im 5. Gang machen könnte. Der Motor dreht (bei ECO) aber im vierten Gang. Also gehe ich auf die Handschaltebene, lege den 5. Gang ein, der so lange drin bleibt, wie ich das Gaspedal durchgedrückt halte. Da ich aber nicht schneller als 100 km/h bergauf fahren will, nehme ich ein wenig Gas weg und - das Getriebe schaltet automatisch (!) zurück. Und wenn ich den Schalthebel dann wieder auf "Fünf" drücke, schaltet das Getriebe wieder zurück.

Also Blödsinn, das alles mit ECO und nicht ECO. Auch in ECO kann man voll beschleunigen, Höchstgeschwindigkeit fahren Und und auch im Handschaltbetrieb macht das Getriebe was es will. - Einiges ist hier also unter Marketing einzuordnen. Aber die Automatik mußte schon sein, damit man im Rahmen der vorgegebenen Normen die Verbrauchsgrenze unterschreiten kann, die als das (aber nicht leicht!) Machbare gilt: drei Liter Treibstoff pro 100 Kilometer.

Wenn man nun aber (in ECO!) normal mit diesem Dreiliter-Auto fährt, was verbraucht der dann? - Wir haben es über diese Strecke exakt gemessen. Der Verbrauchscomputer im Fahrzeug zeigte 5,1 l/100 km an. Wir haben gemessen: 5,4 Liter. Gemessen an der Dreiliter-Vorgabe ist das viel. Gemessen an der Fahrleistung ein guter Wert. Hätte der Lupo einen modernen Zweiliter-Dieselmotor unter der Haube und ein schön abgestufte Sechsganggetriebe, wäre ich (bei gleichem Durchschnitt) sicherlich sparsamer gewesen.

Tatsache ist aber, dass der Lupo "kein aufregendes" Automobil ist. Das niedrige Drehzahlniveau, die gemütlichen Schaltvorgänge, das niedrige Geräuschniveau, das alles schafft eine entspannend wirkende Atmosphäre. Jede Hektik verliert sich, es kommt zu einem entspannten Fahren. - Aber das ist das Fahren mit einem vernünftigen Diesel-Automobil eigentlich grundsätzlich.

Die Bremsen sind (auch wegen der schmalen Reifen?) nicht gerade das "Gelbe vom Ei", aber man paßt sich als Fahrer an. Und weil wir über den Sinn und Unsinn solch schmaler Leichtlaufreifen in diesem Zusammenhang noch einmal diskutierten, haben wir dann mit dem Lupo einen Ausrollversuch gemacht.

Die Landstraße fällt leicht ab, um dann kurz anzusteigen um dann wieder leicht bergab zu führen, bevor sie sozusagen in der Ebene endet. Auf diesem Stück haben wir an einem bestimmten Verkehrsschild beim Lupo den Gang bei 100 km/h heraus genommen und haben den erst wieder nach rund zwei Kilometer (an einem weiteren Verkehrsschild) bei 50 km/h eingelegt.
Toll, haben wir gesagt.

Und wir haben uns den Peugeot 106 S16 genommen, der auf 185er-Breitreifen daherkommt und haben den gleichen Versuch gemacht. Wir haben dumm geschaut. An der gleichen Stelle 100 km/h schnell, an der gleichen Stelle 50 km/h schnell. Weil es bergab und bergauf geht, hat vielleicht das Peugeot-Mehrgewicht (bergab) eine Rolle gespielt.

Ich jedenfalls bin der Meinung, dass man den Spar-Lupo schon anders bereifen, auf breitere Felgen stellen sollte. Und eine Fahrwerkabstimmung finden, die das Untersteuern vermeidet. Weil das auch Energie kostet. In der Praxis.

Der Lupo wurde leider zu wenig nahe der Praxis, näher hingegen an den geltenden Normen orientiert entwickelt. Er erfüllt die Normen, leider nicht alle Ansprüche der Praxis. Ansonsten ist er ein gutes Auto. - Trotzdem bin ich ein wenig unzufrieden. Der Dreiliter-Lupo könnte nämlich noch ein besseres Auto sein, wenn man in den Asnsprüchen an einen möglichst niedrigen Verbrauch etwas bescheidener gewesen wäre.

Was wirklich gut funktioniert, ist das Abschalten des Motors schon nach kurzem Ampelstopp. Aber auch das Anspringen danach. Perfekt! - Und unser VW-Händler hat uns auch eine Erklärung nachgereicht, warum unser Prüfobjekt auch bei offener Tür anspringt: "Diese ersten Vorführwagen entsprechen noch nicht voll - von der Software her - dem eigentlichen Serienstandard. Aber alle Kundenfahrzeuge die wir jetzt ausliefern... -"

Als käme es aus dem Munde eines gebrieften PR-Mitarbeiters von VW. Da hätten wir eigentlich gleich einen offiziellen Testwagen des Volkswagenwerkes nehmen können um uns dann anzuhören, daß das ja noch ein Prototyp sei, während in der Serie... -

Zurück zum Dreiliter-Lupo: Er ist ein Automobil, nach dem die Politik verlangt hat. Und sie hat ihn bekommen. An den Normen orientiert. - Dem Kunden wird die Sparidee über Marketingideen (Getriebevariationen) nahe gebracht. So manches Detail - auch der Leichtbau - fasziniert. Aber man muß es nicht haben. Per Saldo ist das alles nicht überzeugend. - Wer wollte mit diesem Lupo eigentlich wem etwas beweisen?

Dieser Lupo wirkt auf mich so wie manche Geschichten in Fachzeitschriften, die nicht für die Leser, sondern für die Kollegen geschrieben sind. Aber trotzdem gut zu lesen. - So ist auch der Lupo. Wenn man ihn einmal, zweimal "auf Verbrauch" fährt, ist das spannend. Wer ihn täglich, immer fahren muß und sich die Niedrigstverbräuche dann wieder "normalisieren", bei dem bleibt ein schaler Geschmack zurück. - Um den zu erhalten muß ich aber nicht unbedingt 27.000 Mark ausgeben.

MK/Wilhelm Hahne