Eilverfahren U 1102/23 Kart: Es gibt nur Verlierer!

Das ist mehr eine Vorhersage, die aus meinem Eindruck entsteht, den ich beim Besuch des Berufungsverfahrens vor dem OLG Koblenz gewonnen habe. Ursprünglich hatte die VLN Sport gegen die Nürburgring 1927 GmbH geklagt. Dieses Verfahren war von der VLN vor dem Landgericht in Mainz gewonnen worden. Erwartungsgemäß war dann die Nürburgring 1927 GmbH, die eigentlich die Interessen der Nürburgring Holding GmbH mit dem wohl dominierenden Anteilseigner, dem russischen Milliardär Viktor Charitonin vertritt, in Berufung gegangen. Die mündliche Verhandlung dazu, wurde vor dem Koblenzer OLG „ausgefochten“. Beide Seiten, Kläger und Beklagte, standen unter Druck. Der Vorsitzende Richter versuchte eine allen zuträgliche Lösung der eigentlich selbst geschaffenen Probleme zu erreichen. Hier wurde deutlich, dass es eigentlich gar nicht um den Sport geht. - Darum bin ich – als Beobachter vor Ort – zu der Meinung gekommen:

Eilverfahren U 1102/23 Kart: Es gibt nur Verlierer!

Das Ganze wurde – da gab es keine andere Möglichkeit – als „Eilverfahren“ angelegt, aber gleichzeitig an den Gesetzmäßigkeiten der Kartellgesetze aufgehängt. Das würde zwar – und hat auch – eine gewisse Dringlichkeit deutlich gemacht, hatte sich dann aber auch anderen Gesetzmäßigkeiten unterzuordnen.

  • So gibt es in einem solchen Zusammenhang immer nur „zwei Schuss“. Der Eine klagt, der Andere geht in Berufung. - Danach ist ENDE!

Das schafft eine besondere Situation für das Gericht und den Vorsitzenden Richter im zweiten Verfahren. Ich war gespannt, wie ein solches Verfahren ablaufen würde, denn ich habe ein solches Kartellverfahren noch niemals erlebt. Es gibt Zivilverfahren, solche nach dem Gewerberecht oder auch Strafrecht, aber eine Kartellrechtsverfahren unter der Vorgabe „Eilverfahren“, war mir neu.

So kann ich folgend auch nur meine Eindrücke – immerhin fotografisch dokumentiert – folgen lassen.

Meine Leser kennen – normalerweise – die Vorgeschichte. Der Nürburgring-Besitzer wollte der VLN, dem ADAC nahe stehend, (zumindest den Eindruck vermittelnd) keine Renntermine mehr für 2024 geben, sondern – zusammen mit dem AvD – in einer anderen Firma dann „das gleiche Geschäft“ weiter betreiben. Darum klagte die VLN in Mainz, hat gewonnen; der Nürburgring ging in Berufung.

Es geht um die VLN-Serie, die 1977 erstmals ausgetragen wurde, inzwischen statt ehemals an 10 Rennwochenenden, jetzt nur noch an 8 Rennwochenenden unterwegs ist. Dabei werden aktuell an einem Rennwochenende zwei 6-h-Rennen ausgetragen und zu einem 12h-Rennen addiert. Man hat über die Jahre auch einen der Gründungsvereine verloren, so dass aktuell statt ehemals 10, nur noch 9 Vereine, überwiegend dem ADAC angeschlossen, die Rennserie als Veranstalter tragen.

Und ich fuhr am 23. November 2023 nach Koblenz, um der mündlichen Verhandlung zu der Berufungsverhandlung als Beobachter beizuwohnen.

Natürlich hatte ich mir eine „Fotogenehmigung“ besorgt. Ich konnte also im Gerichtsgebäude, dort im Gang vor dem Saal 10, in dem die mündliche Verhandlung erfolgte, so lange fotografieren, wie die Richter nicht im Saal waren. Aber ich habe schon draußen – vor Betreten des Gebäudes - fotografiert, weil dieses Koblenzer OLG – „Dienstgebäude II“ – wirklich ein eindrucksvolles Gebäude in einem interessanten Umfeld ist.

Wenn man am Gebäude vorbei blickt, schaut man auf den Rhein mit einer Anlagestelle für die Personenschiffart. Das Gebäude selbst erinnert an eine alte Märchenvilla und ist auch innen sehr interessant gestaltet. Das vorletzte Foto dieser Reihe wirft einen Blick auf der Zugang zum Zuschauerraum zu „Saal 10“, vor dessen direktem Zugang ich den Aushang fotografiert habe. Es waren dort nur zwei Verhandlungen eingetragen. Ich habe den ersten unkenntlich gemacht, weil ich sonst schon gegen ein Gesetz verstoßen hätte.

Ich habe mich dann – zehn Meter davor – auf einen Stuhl gesetzt und die geschmackvolle Decken- und Bodengestaltung bewundert. An mir sind dann auch die „Aktiven“ zu Saal 10 vorbei gewandert. Auch ein kleiner fraulicher Anhang der „VLN-Fraktion“ suchte den Zugang zum Zuschauerraum. Als dann auch ein Justizbeamter mit festem Schritt an mir vorbei ging, wusste ich, dass nun – und das pünktlich 11 Uhr – die Verhandlung beginnen würde.

Darum habe ich dann – berechtigt – auch Saal 10 betreten, um dort die Vertreter der zwei „Kampfgruppen“ zu fotografieren. Beide waren in „großer Besetzung“ angetreten. Eine Gruppe von vier Anwälten um Prof. Dr. Dieter Frey, Köln vertrat die Interessen der VLN, die durch den Geschäftsführer der VLN Sport, Mike Jäger“ und Herrn Jungbluth vertreten wurde. Auf der anderen Seite führte Herr Dr. Schiffers, von der Kanzlei „Kapellmann Rechtsanwälte“, Mönchengladbach Regie. Er war auch mit mehreren Kollegen angerückt und hatte „als Garnierung“ (?) auch einen Nürburgring-Mitarbeiter im Team.

Auf dem ersten Foto dieser Reihe ist im Vordergrund, rechts außen, der Geschäftsführer Christian Stephani, einer von zwei der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG zu sehen. Im Hintergrund sitzt – als 2.v.l. - Mike Jäger, der Geschäftsführer der VLN Sport GmbH & Co. KG. Auf dem vierten Foto wirft sich gerade Rechtsanwalt Dr. Schiffers, der die Gruppe anführende Kartellspezialist der Kanzlei „Kapellmann Rechtsanwälte“ die Rechtsanwaltsrobe über. Das nächste Foto zeigt einen Blick vom Zuschauerraum, der vom Verhandlungsraum komplett abgetrennt ist und den noch leeren Richtertisch. Das letzte Foto macht meine Position während der Verhandlung deutlich. Von dort wurde das letzte Foto dieser Reihe aufgenommen.

Dann betrat der Richter mit zwei weiteren Richterinnen den Raum und ich habe das Fotografieren eingestellt. Über zwei kleine Lautsprecher konnte man den „Rednern“ im Saal gut folgen, wenn die auch jeweils – evtl. vom Richter darauf aufmerksam gemacht – ein Mikrofon eingeschaltet haben.

Nach Klärung der Personalien, gehörten eigentlich die ersten rd. 45 min dem Richter, der sich große Mühe gab, beiden Parteien deutlich zu machen, dass sie sich im eigenen Interesse „schon ein paar Schritte aufeinander zu machen sollten“, wenn das Verfahren insgesamt einen Fortschritt bringen solle.

Als unverrückbar wurde auch von ihm die Position des Nürburgring – kartellrechtlich betrachtet – gesehen. Also ging es mehr um den „nachgelagerten Markt“; er machte klar, dass es keinen Anspruch auf bestimmte Termine gäbe; es gäbe auch nicht nur ADAC und AvD, die einen Anspruch auf Termine hätten und er stellte die Schlussfrage:

  • Man solle bitte in der folgenden Mittagspause doch noch einmal „in sich gehen“, ob nicht doch eine Einigung zwischen den Parteien möglich wäre?

Da war es 11 Uhr und 40 Minuten. - Der Richter sprach’s und verließ mit seinen Kolleginnen den Saal. Die Nürburgring-Gruppe auch, während sich die VLN-Gruppe zunächst noch eine zeitlang im Saal zu der vom Richter gestellten Frage nach einer grundsätzlichen Antwort zu suchen schien.

Auch die „VLN-Gruppe“ hat dann schließlich den „Saal 10“ verlassen. Auch der Zuschauerraum war nun eigentlich geleert, wenn man davon absieht, dass ich als Beobachter, im Interesse meiner Leser, meine Position nicht verlassen habe. Es war so Zeit, einmal die bisher gewonnenen Eindrücke zu einer Meinung zu formen. - Die hat eigentlich schon durch den Titel zu dieser Geschichte ihren Ausdruck gefunden. Eigentlich schien bei dieser mündlichen Verhandlung niemand im Saal zu sein, der daran zu denken schien, dass es hier – auch bei dieser Verhandlung – nicht um einen Zeitrahmen oder darum geht, ob ADAC oder AvD beteiligt sind, sondern es geht eigentlich um eine Breitensport-Motorsportserie geht! - Um deren Überleben!

  • Aber wie sollen Richter und Rechtsanwälte in einer solchen Verhandlung dazu ein Gefühl entwickeln? - Gemessen an dem, was eine solche Serie wirklich braucht, waren die Themen in dieser Verhandlung eigentlich „unwesentlich“!

Ich hatte in dieser Pause – im Zuschauerraum – ein kurzes Gespräch mit Mike Jäger, dem ich meine Eindrücke in anderer Form verdeutlicht habe. Dabei musste ich ihn natürlich auf eine immer noch fehlende Ausschreibung für die Saison 2024 ansprechen.

Mike Jäger dazu:

  • Eine Ausschreibung 2024 sei fertig gestellt und bedeutend anders als die bisherigen. Man habe sich dazu mit Partner, Fahrern, Teams abgestimmt, sie aber noch nicht veröffentlicht, weil man nicht einer eventuellen Konkurrenz „Futter“ liefern wolle.

Um 12 Uhr 35 fanden sich „Richter und die gegnerischen Gruppen“ dann wieder in “Saal 10“ zusammen. Man startete so:

Nürburgring-Gruppe: Wir sind grundsätzlich bereit einem Vergleich zuzustimmen!
VLN-Gruppe: Wir sind bereit, zur Einigung beizutragen, erwarten aber eine präzise Lösung!
Vorsitzender Richter: Gibt’s Spielraum?

Den gab es wohl nicht immer. - Oder doch? - Das musste dann in einer weiteren Pause und Diskussionen jeweils innerhalb der Gruppen geklärt werden.

Man kann den „Gruppen“ nicht vorwerfen, dass sie nicht zu Kompromissen bereit gewesen seien. - So ging es dann weiter. Immer weiter. Der Richter, versuchte die vorhandenen Probleme mit Zustimmung der „feindlichen“ Gruppen zu lösen, bevor neue Probleme hinzu kamen. Hier brachte ein sehr engagierter Richter die einzelnen Gruppen dazu, einmal wirklich  „aufeinander zuzugehen“!

  • Wer das Ganze realistisch sieht, muss sagen: Eine sehr teure Lösung!

Eigentlich ging diese mündliche Verhandlung dann gegen 15:30 Uhr zu Ende, ohne dass einem als Beobachter klar war, wie nun dass Urteil ausfallen würde. Der Richter hat dazu – natürlich – keine Anmerkung gemacht. Aber es wurde – zumindest habe ich es nicht gehört – kein Termin für eine Urteilsverkündung genannt.

Nachdem gegen 15:30 Uhr diese mündliche Verhandlung abgeschlossen war, habe ich diesen Ort der Verhandlung sehr nachdenklich verlassen und bin in Richtung meines Parkplatzes gegangen. Dabei habe ich etwas wahrgenommen, was jetzt – es war der 23. November – ein wenig unrealistisch wirkte: Inmitten völlig entlaubter Bäume gab es noch einen kleinen Baum, der voller – wenn auch schon gefärbter – Blätter war.

Mit diesem „hoffnungsvollen“ Foto möchte ich dann diese Geschichte eines Gerichtstermins zu einem Kartellverfahren abschließen, das aus meiner Sicht ein wenig abstrakt war, weil das, was eigentlich die Ausgangsbasis, den Motorsport und die damit verbundenen Emotionen, völlig aus dem Auge verloren hatte.

Es war eben „nur“ eins der Kartellverfahren, die als Gerichtsverfahren schon lange eine Ausnahme darstellen. So etwas gibt es wahrscheinlich nur, wenn in der Eifel russische Investoren mit Motorsport betreibenden Provinz-Enthusiasten zusammentreffen!

MK/Wilhelm Hahne

PS: In letzter Minute ist es mir noch gelungen, den Verkündungstermin des Urteils zur beschriebenen Verhandlung zu erfahren: 21. Dezember 2023. -  Dann „Frohes Fest“!

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