Guten Tag!

Virneburg, den 23. Juli 2007

Guten Tag!

Zugegeben: meine Arbeit ist oft deprimierend. Dabei tue ich nur das, was eigentlich jeder Journalist auf seinem Gebiet ständig tun sollte: recherchieren. Ich greife Themen aus dem Branchenalltag auf, den ich aufgrund meiner Berufserfahrung gut kenne, gehe ihnen nach und... - stoße meistens auf irgendwelche "Schwachstellen". Beim "Aufklären" wird es dann schwierig, weil von nirgendwo Hilfe zu erwarten ist.

Presseabteilungen, so genannte Öffentlichkeitsarbeiter, erweisen sich oft als "Informationsabwehrabteilungen". Da kommen e-mail nicht an (sagt man), man verwehrt Auskünfte mit den unterschiedlichsten Argumenten, bis hin zu der Empfehlung, mir doch zunächst mal "mitteleuropäische Umgangsformen" zuzulegen. - Zumindest ist das mal eine Abwehr von unangenehmen Fragen auf andere Art.

In der neuen Folge von Geschichten werde ich  einige Fälle nennen müssen, weil sie den Rechercheablauf natürlich nicht nur verlängern, sondern auch beeinflussen: ich muss Umwege einschlagen. Die Information für meine Leser wird aber nicht verhindert, sondern nur verzögert. Aber Vieles wird so nicht nur durchsichtig, sondern oft auch klarer. So mancher Umweg "fettet" die Informationen erst richtig an.

Aber es gibt auch Geschichten die schon von ihrer Anlage her eine lange Zeit brauchen. Wie z.B. meine überlange Geschichte zum Thema BlueMotion, die bei der Recherchedauer von den VW-Lieferzeiten bestimmt war. (Ich sehe gerade - es wurde die längste Geschichte die ich je auf diesen Seiten veröffentlicht habe.) Aber ich denke, nein - ich bin sicher - Sie erfahren in dieser Geschichte von mir mehr über den Polo BlueMotion, als in den besten Kaufberatungen der Fachpresse. So es zu diesem Thema welche gibt.

Natürlich hätte ich inzwischen schon die eine oder andere Geschichte veröffentlichen können, weil sie eigentlich "fertig" war. Aber welche Geschichte aus der Branche hat schon ein wirkliches Ende? - Alle meine Geschichten laufen irgendwie weiter. Irgendwann muss man dann als Journalist einen Punkt setzen und die Recherche beenden.  Ich frage mich nur: hat die Geschichte für den Leser jetzt, zu diesem Zeitpunkt, eine Bedeutung, bringt sie Nutzen, bestätigt sie Vorurteile oder werden die widerlegt?

Wie meine Porsche-Geschichte von Januar dieses Jahres. Der Inhalt wird inzwischen durch -zig Leserbriefe von Porsche-Fahrern und -Haltern bestätigt. Auch durch das Verhalten  von Porsche. (Nichts hören, nichts sehen, nichts begreifen? - Na ja, man arbeitet an einem neuen "Flachmotor".) Immer noch, auch heute noch, rund sechs Monate nach Erscheinen, gibt es ein Leserecho. Aber keines in der so genannten Fachpresse. - Man weiß was sich gehört. (Gegenüber der Industrie.) Und Verleger sind heute in erster Linie Kaufleute. Da gibt es dann z.B. "Kaufberatungen" zu lesen (lassen sich gut als Sonderdruck verkaufen), in denen aber nichts zu den Unterschieden im Motorenbau bei den einzelnen Modellen steht. Nun, die Berater wissen es offensichtlich nicht besser. Und die Verlagsleiter sind zufrieden.

Denen ist es heute fast peinlich, wenn ein "Erpressungsversuch" (hinter vorgehaltener Hand nennt man das "intern" so) der Industrie (z.B. durch Kündigung von Anzeigenaufträgen) an die Öffentlichkeit kommt. Und man vereinbart zwischen Verlag und "Kunden" in einem solchen Fall evtl. sogar eine übereinstimmende "Sprachregelung". Vor einigen Wochen reichte z.B. bei einem solchen Fall auf "beiden Seiten" (Hersteller + Verlag) ein "Kein Kommentar." (Wobei das bei  modernen Managern mit globalem Anstrich gerne als "no comment" ausgesprochen wird.)

Die Zeiten haben sich geändert. Das meint man auch beim "manager magazin", wo ein Titel vor einigen Wochen lautete: "Halt die Presse". Im Editorial dieser Ausgabe war zu lesen:; "Da sind die Interessen (Anmerkung: gemeint sind die von Verlag und Industrie) eben nur so lange identisch, wie der Artikel dem Unternehmen passt. Wenn nicht, gerät der Bericht in den Augen der Manager leicht zur 'Kampagne', werden Journalisten schnell als 'Schmierenkomödianten' (Ex-Daimler-Lenker Reuter) abgestempelt."

Es ist tatsächlich so wie in "mm" beschrieben: Manáger "betrachten Journalisten als nützliche Idioten, als Helfershelfer, um ihre eigenen Ziele zu erreichen".

Die Zeiten eines Gerd Brucerius (bis zu seinem Tod 1995 Verleger der ZEIT) sind vorbei, der einmal auf die elegant formulierte "Drohung" eines Anzeigenkunden so reagierte, dass er ihm mitteilte: er habe verstanden und seine Anzeigenabteilung angewiesen, keine Anzeigen des "Drohenden" mehr anzunehmen. - Punkt. - Das war einmal. - Vergangenheit!.

Gegenwart: Es ist ein deutliches Zeichen, wenn "mm"-Chefredakteur Arno Balzer feststellen muss: "Das Kräfteverhältnis zwischen Wirtschaft und Medien hat sich verschoben." - Stimmt. - Aber ist das ein Grund sich "dem Trend" anzupassen?

"Erfahrene" Journalisten flüstern mir schon mal: "Sie haben es gut. Sie sind anzeigenfrei." - Aber das reicht heute nicht. Meine Meinung, die Ergebnisse meiner Recherchen werden zwar hier veröffentlicht, aber kein Chefredakteur der Branche würde es wagen, in seinem Medium Geschichten von mir zu veröffentlichen. Einem kleinen Verlag, für den ich auch arbeitete, wurde z.B. "werksseitig" empfohlen, sich von mir zu trennen. Man empfand das in der entsprechenden Firma zwar als etwas unglücklich formuliert, weil es eigentlich um die Sache... - Natürlich. Ich war (wie oft) "der Zeit ein wenig voraus". Die Aufgabe von Journalisten scheint es u.a. heute zu sein, die Öffentlichkeit "in kleinen Dosen" auf bevorstehende Veränderungen vorzubereiten. - Bitte keinen Schock verursachen. - Es sei denn, man redet einen Boom herbei.

Entschuldigen Sie also bitte, wenn ich auch in den heute veröffentlichten Geschichten das klar ausspreche, was ich aufgrund meiner Recherchen (in Verbindung mit meiner Lebens- und Branchen-Erfahrung) als richtig, als Realität empfinden muss.

Leider behalte ich (zu) oft Recht, wie ich rückblickend feststellen kann. Darum kann ich mir auch erlauben, alte Geschichten von mir (viele Jahre alt) unverändert zu veröffentlichen. Ich war mit meiner Darstellung der Opel-Situation in den 90er-Jahren z.B. der Zeit voraus. Den Erfolgsrückgang (um nicht von Niedergang zu sprechen) habe ich voraus gesagt. Dass aus der "damaligen" AG inzwischen eine GmbH wurde wird von der Fachpresse einfach so hingenommen. Dass man jetzt dabei ist - in kleinen Schritten - die Firma Opel nur noch als "Marke" zu nutzen, fällt da schon gar nicht mehr auf. Oder wussten Sie, dass das Opel-Testgelände in Dudenhofen sich inzwischen "GM-Provingground Europe" (oder ähnlich) nennt? - Opel wird von GM als Automobilhersteller entsorgt, eigentlich nur noch als NS-Company (NS = National Sales) betrieben. Und als Marke genutzt. Aber irgendwie wird Opel auf diese Art überflüssig, denn Chevrolet nimmt in der Konzernplanung längst den Platz ein, den früher Opel einmal besetzt hielt. Und das nicht nur deshalb, weil inzwischen sogar die Chevrolet-Basis in Deutschland von bisher Bremen nun nach Rüsselsheim verlegt wurde.

Aus Opel sollte nach GM-Plänen (die schon bisher nicht "aufgingen") mal eine Premium-Marke werden, deren Produkte dann zu Premium-Preisen verkauft werden sollten. Hoffte man, träumte auch ein Herr Forster. Weil der bei BMW gelernt hatte... - Und ist mit dem "Signum" (eigentlich kein schlechtes Auto!) schon auf die Nase gefallen. - Immerhin werden jetzt gerade nach einem Jahr der "Stilllegung" nun z.B. die entkabelten Scheibenwaschdüsen einer von diesem Rückruf betroffenen "Signum"-Serie wieder in Betrieb genommen. Toller Service! - Details dazu kann ich nicht nennen. Man  gibt mir bei Opel (in Rüsselsheim) offiziell keinerlei Auskünfte mehr, lehnt jede Antwort auf meine Anfragen ab, weil ich angeblich mal Vorstände beleidigt haben soll. (Sie lesen dazu in einer meiner Geschichten noch Genaueres.) Also habe ich das mit den defekten Scheibenwaschdüsen nicht von Opel dementieren lassen können. - Natürlich hätte ich nach Rüsselsheim fahren und dann den Pförtner fragen sollen. - Weil der mich nicht kennt, hätte ich wahrscheinlich sogar eine Antwort bekommen. (Man sollte das Wissen der Pförtner nicht unterschätzen!) - Aber man darf in Rüsselsheim auch kein "Fremdfabrikat" auf einen Opel-Parkplatz stellen ohne mit einer "Verwarnung" rechnen zu müssen. Obwohl diese Firma inzwischen selbst eine Menge Fremdfabrikate - mit Opel-Symbol - verkauft. (Denken Sie mal drüber nach.)

Sex und Geld regieren die Welt. Sagte meine Großmutter immer. Und sie wurde in der letzten Zeit nicht nur durch die Ereignisse bei VW bestätigt. Es werden bei der Industrie - zu eigenem Vorteil - immer mehr Abhängigkeiten geschaffen. Mal so, mal so. So gibt es denn heute - sowohl bei Managern als auch bei Journalisten - eine Reihe von "Hampelmännern", bei denen es genügt, im richtigen Moment am richtigen Faden zu ziehen. - Und er bewegt sich doch!

Auch ich habe mich bewegt - in den letzten Monaten: Lesen Sie das Ergebnis meiner Arbeit in den heute erscheinenden Geschichten. Tut mir leid, wenn der Negativ-Touch dabei relativ hoch ist. Aber das ist vielleicht gerade das Positive. Weil es auch eine Gegenströmung geben muss. Obwohl ich auch gerne positive Kritik üben würde. (Kritik muss nämlich nicht zwangsläufig negativ sein.)

Meine Leser wurden schon beim "Abgleichen" so mancher der vor Monaten erschienenen Geschichten nachdenklich. Lassen Sie mich gegen Ende dieser "Einleitung" einen Leser zitieren, der mir erst vor ein paar Wochen, exakt am 25. Juni 2007 nachdenklich schrieb:

"...mit Spannung verfolge ich Ihre Artikel auf motor-kritik.de. Mir scheint, dies stellt eine letzte Bastion des investigativen Journalismus dar, doch manchmal resigniere ich auch einfach, denn man weiß oft gar nicht mehr was man glauben soll. Gibt es wirklich kaum noch Journalisten wie Sie, die einen gewissen Anstand und einen Berufsethos mitbringen? Kann es wirklich sein, dass Sie da einen einsamen Fels in der Brandung der anpassten Konzernhörigen darstellen?

Ich bin kein Journalist sondern Jurist, trotzdem kann ich dies nicht besonders nachvollziehen und ich will manchmal nicht glauben, dass dies die Realität darstellen soll. Vielleicht sind Sie ja auch nur überkritisch? Aber das denke ich nicht, denn die Detailverliebtheit Ihrer Artikel vermittelt etwas anderes. ..."

Wenn das wirklich so wäre wie oben empfunden: ich wäre todtraurig. Es gibt wirklich noch eine Reihe von guten Journalisten, auch von "echten" Öffentlichkeitsarbeitern. Die können zwar nicht so, wie sie gerne möchten. Aber es gibt noch einen Funken Hoffnung in ihnen. Und für mich von ihnen Informationen, mit denen ein anderer Teil meiner Berufsgruppe auch gar nichts anfangen könnte.

Sie als Leser entscheiden: Wollen Sie schöne Showeffekte unreflektiert genießen oder sich mit der Realität auseinander setzen? - Ich finde, es ist nicht schlecht, wenn man die Realität - die Geschehnisse hinter der schönen Branchen-Fassade - kennt. Nicht nur bei Opel ist da einiges hohl, bzw. wird immer hohler. So wird es z.B. auch das "Opel Magazin" in seiner bisherigen Form bald nicht mehr geben. Es gibt dann eine "zentrale Mastercopy", GM-like, die dann ohne länderspezifische Adaptionen von Opel übernommen wird. Immerhin ist es noch auf Deutsch zu lesen. Zur IAA soll es die erste Ausgabe davon geben. Aber man hat noch keinen Titel. Andere Länderimporteure haben entschieden, unter diesen Umständen kein Geld mehr für eine Zeitschrift auszugeben. Aber in Deutschland, wo Opel einmal ein bedeutender Automobilhersteller war,  wird - obwohl das auch Geld kostet - die neue Version einer Opel-Kundenzeitschrift zumindest ins Deutsche übersetzt. Verantwortlich für so ein journalistisches Produkt (sollte es eigentlich sein) sind dann die Verkaufsförderer im Marketing.

Und die Opel-Presseabteilung (Kommunikations-) antwortet nicht auf journalistische Anfragen. Trotzdem hat sie wohl eine Funktion. Aber welche? -Sie rechnet z.B. die Benzinkosten für Testwagen bei anderen, netten Journalisten gerne ab. Damit das Presse-Echo gut ist, deren Auswertung die GM-Verantwortlichen in den USA dann milde stimmt.

Na ja, Sie haben Recht wenn Sie fragen: Und wie ist das anderswo auf der Welt? (Bitte geben Sie sich diese Antwort selber.) - Ich zeige Ihnen hier mal einen Cabrio-Fahrer (mit einem geöffneten heißen Blechdach) der wohl mit einem Spiegel auf der Suche nach einer Antwort ist:

Irgend etwas muss der falsch verstanden haben. SPIEGEL-Leser wissen mehr? - Nimmt der Kontakt mit dem Space-Park in Bremen auf? (Wir befinden uns auf dem Foto nahe Fuhlsbüttel.) Ist er auf dem Weg zu einer neuen Erlebniswelt? - Zu all' diesen Begriffen finden Sie bei mir Informationen. Dazu brauchen Sie dann weder ein Cabrio noch einen Spiegel. Aber ein wenig Zeit.

Aber noch einmal zurück zu der oben gestellten Frage: Wie ist das anderswo auf der Welt, das Verhältnis von Industrie und Presse? - Ich kann dazu nur feststellen: Wir sind inzwischen global vernetzt. - Welch ein Fortschritt!

Weil wir global vernetzt sind weiß ich z.B., dass der Audi-Vorstand in diesen Wochen gerade in Schottland den neuen Audi A1 gefahren ist. Damit der den letzten Schliff erhält. Und den Segen dieses Vorstandes. Ich bin mal gespannt, welcher der großen global vernetzten Zeitschriften das aufgefallen ist. Und wer bereit war Geld in eine Geschichte zu investieren, die den Herren der Firma Audi sicherlich nicht gefallen würde. - Da bleibt man doch am besten gleich zu Hause. - Jedenfalls als "freier Journalist" ohne festen Auftrag.

Es geht heute primär um's Geld. Verleger "alten Stils" gibt es eigentlich gar nicht mehr. Larry King, in Amerika ein TV-Star, sagte vor einiger Zeit in einem SPIEGEL-Interview: "Die Manager waren einst selbst noch Medienmenschen, die wussten, worüber sie sprachen. Heute sind das alles Buchhalter. Und worum geht es Buchhaltern? Nicht um eine gute Sendung, sondern ums Ergebnis, um den Profit." - Dem ist nichts hinzu zu fügen.

Die aktuelle Außenwerbung einer großen deutschen Boulevard-Zeitung beweist allein dadurch dass es sie gibt, wie es um die so genannte Pressefreiheit in Deutschland bestellt ist. Da ist überall in Deutschland zu lesen:

Denken Sie mal darüber nach. In Deutschland wird inzwischen der Mann/die Frau - von Journalisten! - als mutig empfunden, der die Wahrheit sagt oder schreibt. - Schöner kann man sich selber nicht bloß stellen. Und man merkt es  nicht.

Aber vielleicht geht man auch davon aus, dass der Betrachter beim Lesen dieses Textes auf eine ganz andere Idee kommt: Nur BILD ist mutig. - Das wird's sein! -

Und das war's dann auch. - Viel Spaß beim Lesen meiner Geschichten.

Herzliche Grüße aus der Eifel
Wilhelm Hahne
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