DE-Motorsport aus Lesersicht - Nr. 6

Als ich meine Leser dazu angeregt habe, doch einmal ihre ganz persönliche Meinung zur Entwicklung des Motorsports in Deutschland zu Papier zu bringen, da konnte ich bisher fünf sehr interessante Beiträge veröffentlichen. Es gab da – vor Monaten – dann auch eine „Voranmeldung“. Ein junger Mann, dem Motorradsport näher als dem Automobilsport kündigte mir an, einmal seine Gedanken zur Kostexplosion bei den Rennfahrzeugen im Motorrad- und Autosport in einem Beitrag zusammen zu fassen. - Der ist nun heute eingegangen. „Mit großer Verspätung“, wie sich mein Leser entschuldigt. - Auch das ist ein Beitrag, der für das Interesse am Motorsport spricht, das beim Schreiber der folgenden Darstellung schon vorhanden sein muss. Er beschäftigt sich vornehmlich – aber nicht nur - mit der Kostenexplosion im Motorradsport. - Ich möchte den Beitrag auch unkommentiert einstellen, würde mich aber über ein Leserecho – per E-mail ist das schnell mal passiert – sehr freuen. Denn am Ende einer Motorsport-Saison beginnen in den Werken immer wieder neue Überlegungen zu sprießen, die durch solche Beiträge wie den folgenden, vielleicht auch ein wenig schneller zur Realität werden, bzw. beeinflussen können. - Oder sie werden zu einem neuen Gedankenansatz. - Ich habe den Schlusssatz in dem Beitrag meines Lesers zum eigentlichen Titel umfunktioniert, damit Sie vor dem Einstieg in die Geschichte wissen, um was es eigentlich geht.

Geiz & Gier: Fremdworte im Motorsport?

Der „Preis“ eines Gegenstandes sagt eigentlich wenig über den „Wert“ des Gegenstandes aus. Insbesondere die Diskussionen um die GT3 haben mich in Erinnerungen, meinem Zeitschriftenarchiv und im Internet kramen lassen und ich stelle für mich fest: Gut bezahlte Leute aus Marketing, aber „nicht vom Fach“, spielen wieder mal:

  • Wie mache ich mir mein eigenes Geschäft kaputt?

Der Teufelskreis dabei ist: Wittere ich ein Geschäft, da ich hohe Verkaufszahlen erwarte, gehe ich mit dem Preis rauf. Steigt aber der Preis, werde ich tatsächlich weniger verkaufen, woraufhin ich den Preis erneut erhöhen muss, um auf meine im Vorfeld anvisierten Gewinne zu kommen. Daraufhin… -

Ein Blick zurück: Eine Yamaha TZ 350, eine konkurrenzfähige Rennmaschine, kostete 1979 13.500 DM (DM = das ist ungefähr die Hälfte in Euro – sagt man ). Damit wurde der Franzose Patrick Fernandez Vizeweltmeister vor Toni Mang auf der Werks-Kawasaki. Diese Maschinen waren auch später so günstig, dass selbst Kubaner und Bulgaren noch Mitte der 1980er beim „Pokal der sozialistischen Länder für Frieden und Freundschaft“ die Devisen dafür aufbrachten und mit Hondas und Yamahas antraten und es den DDR-Eigenbauern schwer machten – von Tschechen, Ungarn, Polen und Russen ganz zu schweigen – Erfolge zu erringen.

1986 ging der Schweizer Jacques Cornu mit zwei Honda Production-Racern plus zwei Ersatzmotoren und Ersatzteilen für 95.000 DM an den Start zu den 250er-Rennen. Die Alternative wäre gewesen sich zwei Werksmaschinen für 520.000 zu leasen. - Nein, nicht gekauft, geleast! - Am Ende des Jahres war dann das Motorrad weg. – Ein Insider sagte mir, die Werke schmelzen die meisten Teile ein!!!

Übrigens: Cornu wurde WM-Siebter. Vizeweltmeister Sito Pons hat aber mit seiner fünfeinhalb Mal so teuren Maschine nur dreimal so viel WM-Punkte wie Cornu geholt…

Nimmt man Inflationsraten und Lohnentwicklung hätte 2010 die Yamaha von Fernandez das Doppelte, also gewissermaßen 13.500 € kosten dürfen. Just zu diesem Zeitpunkt drehte sich aber alles um die „viel zu teure“ 250er-Klasse, in der Aprilia seine überlegenen Maschinen für 150.000 € anbot. Die Moto2, ein etwas getunter Motor aus der 600er-Serien-Honda und ein Fahrwerk dürften doch die Kosten senken und die Starterfelder wieder füllen helfen, oder? - Dachte man.

  • Fahrwerksspezialist Eskil Suter, der Weltmeistermacher jener Moto 2-Anfänge, verlangte 145.000 € pro Maschine… -

Ein Qualifying war früher noch genau das, was das Wort aussagte: Man musste sich überhaupt erst einmal für das Rennen qualifizieren! Je 36 Startplätze gab es in den fünf bis sechs Klassen (mit Seitenwagen) zu verteilen. Heute gibt es nur noch drei Klassen und nur Moto 2 und 3 kommen auf etwas mehr als 30 Starter… - Zumindest wird aber noch – für viel zu viel Geld – guter Sport geboten!

Warum interessieren sich immer weniger junge Leute dafür, sich als Rennfahrer auszuprobieren?! Oder erfasst ein Vater eines ADAC Junior Cup-Jungen das Problem empfindsamer, wenn er über 20.000 € Kosten pro Jahr klagt – für eine Klasse, um die er sich dann noch bemühen muss, sie im Lokalsport der Regionalzeitung unterzubringen?!

Was für den Motorradbau (worin ich mich einfach ein bisschen besser auskenne) gilt, gilt auch für den Autorennsport. Autoanalytiker Professor Dr. Ferdinand Dudenhöffer hat die Gewinnspannen („ebit“ = vor Zinsen und Steuern) von 15 Autoherstellern ermittelt: Sie liegen zwischen 1,3 % bei Opel und 18 % bei Ferrari. Verdient (z. B.) Audi am neuen R8 LMS, der als „Dacia der GT3-Szene“ von einem Käufer bezeichnet wurde, auch „nur“ 8,8 % von 359.000 €?!

Allemal ist der im Vergleich zur Konkurrenz mit drei Prozent niedrig ausgefallene höhere Listenpreis immer noch deutlich über der aktuellen Inflationsrate!

Sind die GT3 ihren Preis wert oder beginnt auch hier der Teufelskreis? Von 2015 auf 2016 wurde ein Durchschnittspreisanstieg von 340.000 auf 400.000 € ermittelt. Zur Erinnerung: Als vor gut zehn Jahren der GT3-Boom einsetzte, lagen die Wagenpreise bei der Hälfte dessen, was heute verlangt wird. Fahren sie denn jetzt auch mit 520 km/h über die Döttinger Höhe?!

Aber da ist auch die „BoP“ vor! - Noch so ein Blödsinn, teuer erkaufte Leistung mit nicht geringem Geld-Aufwand wieder zu vernichten!

Sparen, sparen, sparen! - Nachdem man das Geld vorher zum Fenster herausgeworfen hat? - Die WTCC will 20 Prozent Einsatzkosten einsparen, was 200.000 Euro entsprechen soll. Die DTM reduziert mit sechs Wagen das Starterfeld um 25 Prozent.

Ich erinnere mich an die STW nach Ende der alten DTM: Die Autos sahen im Vergleich schäbig aus, die Hospitality aber mindestens genauso schnieke wie im Jahr zuvor bei der DTM.

Noch geiler als Geiz scheint mir Gier zu sein.

MK/Michael Franz/W.H.

Nachtrag von Motor-KRITIK: Wer in diesem Jahr – in 2016 - beim DTM-Lauf durchs Fahrerlager am Nürburgring ging, der konnte sich davon überzeugen, dass die Hospitality mit ihrem Aufwand und Glanz in Relation zum eigentlichen Anlass, den Rennen mit Einheits-Rohrrahmenkonstruktionen ein wenig an den Film „Das große Fressen“ erinnerte. - Man schlägt beim Essen und Trinken noch einmal so richtig zu, während die DTM eigentlich schon „im Sterben liegt“. - Man feiert den Untergang im Voraus? - Das ist übrigens nicht ein Vergleich, der bei Motor-KRITIK entstand, sondern gibt den Eindruck wider, den ein Motorsport-Funktionär jetzt in 2016 hatte, der eigentlich „dienstlich“ am Nürburgring war. - Gier kommt vor Geiz!

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