Marktbeherrschende Stellung

Es ist 14 Uhr. Am 8. November 2012. Ich sitze auf dem Gang vor Saal 10 des Oberlandesgerichts in Koblenz. Die Verhandlung soll um 14:30 Uhr beginnen. Zeit zum Nachdenken. Der Verkehr auf der B 9 war auch über die Moselbrücke zügig gelaufen, ich hatte die Innenstadt (an der Mosel entlang) umfahren, gleich einen Parkplatz gefunden und – war zu früh. Es würde heute bei der Verhandlung um die Frage gehen, ob die NAG (Nürburgring Automotive GmbH) als Betreibergesellschaft auch „Herr“ über die Nürburgring-Nordschleife, eine „marktbeherrschende Stellung“  ausgenutzt hat. Ich muss lächeln, wenn ich daran denke, wie unterschiedlich man an diese Frage herangehen kann. Abhängig davon, wer sie wie stellt. - „Da stelle ma uns mal janz dumm...“, sagt Heinz Rühmann in der „Feuerzangenbowle“. - Der Anwalt der Beklagten scheint den Film zu kennen, wie ich später erfahren sollte.

Marktbeherrschende Stellung

Um 14:15 erscheint der Anwalt der Beklagten in Begleitung des Leiters der Rechtsabteilung der NAG, wie Andreas Okonek, von der angesehenen Rechtsanwaltskanzlei „Redecker, Sellner, Dahs“,  Herr Carsten Paas später vor Gericht vorstellen wird. Carsten Paas war schon früher für die Nürburgring GmbH tätig, kennt mich also.

So ist es auch kein Wunder, dass die Herren sich dann zu einem „indischen Meeting“ (jenseits des Ganges) entfernen, um ungestört, ungehemmt plaudern zu können. Der Koffer bleibt zurück.

 

Ebenfalls zu früh, exakt zu meiner Zeit des Eintreffens, war auch der Kölner Anwalt des Klägers eingetroffen und aus meiner Sitz-Position nicht einsehbar, in einer Nische des Ganges verschwunden, wo ein Tisch und Stühle einladend aufgestellt waren. Dort hatten dann etwas später auch der Kläger und seine Freundin Platz genommen.

Ich saß unterhalb der Anzeige, die eine „Öffentliche Sitzung“ verkündete...

 

...und etwas versetzt zum Aushang...

 

… auf denen auch detailierte Angaben zur Verhandlung selbst zu finden waren.

 

Inzwischen hatte sich noch ein Richter des Hauses eingefunden, der die Pressestelle ausfüllt, also den Kontakt zu den Medien hält. Etwas später kam noch ein anderer junger Mann hinzu, der sich nach der Verhandlung von mir befragt, als Mitarbeiter des SWR vorstellte.

So haben wir dann alle gemeinsam Saal 10 betreten, nachdem das Team der OLG-Richter uns auf dem Gang passiert hatte. Ich habe mit den zwei anderen Zuhörern auf den Besucherstühlen Platz genommen und zunächst mal den sympathisch freundlichen wirkenden Gerichtssaal mit seiner Holzgewölbedecke (die man auf dem Foto leider nicht sieht) fotografiert.

 

Ich habe dann auch – vor Eröffnung der Sitzung – sowohl die Seite der Kläger als auch der Beklagten fotografiert, was auf der Seite der Beklagten aber für Aufregung sorgte.

Andreas Okonek, der Anwalt der NAG, kam zu mir rüber, um mir die Veröffentlichung des Fotos von/mit ihm zu verbieten. Ich habe mir dann von ihm die Genehmigung eingeholt, dass ich es mir wenigsten zu Hause, ganz privat, ansehen darf.  - Merke: Nicht nur mutmaßliche Verbrecher haben vor Gericht das Recht am eigenen Bild.

Ich hatte der schlechten Lichtverhältnisse wegen eine Empfindlichkeit von 1600 ISO bei der Kamera eingestellt, was dann tatsächlich zu einem – in diesem Falle – etwas konturlos, grobkörnig wirkenden Foto führte. - Herr Okonek hat in Ausnutzung „seiner marktbeherrschenden Stellung“ (mir gegenüber, durch Inanspruchnahme seines Persönlichkeitsrechts) richtig gehandelt. - Welchen Eindruck sollte auch sonst ein Leser von seiner Person haben? -  Mein Foto von seinem Koffer vermittelt dagegen einen richtigen Eindruck: Da war alles drin.

Nachdem wir, die Würde des Gerichtes achtend, alle beim Betreten des Saales durch das Richtergremium aufgestanden waren, durften wir dann eine lange Zeit den Erläuterungen des Vorsitzenden auf dem Weg zur Entscheidungsfindung des Gerichts lauschen.

Die waren überzeugend schlüssig und für mich – ein wenig überraschend – der Beweis, dass auch wirkliche Laien auf dem hier verhandelten Gebiet sich bei entsprechendem Aufwand sehr gut in die Thematik der Vermietung von Automobilen für den Einsatz – in diesem Fall auf der Nürburgring-Nordschleife – einarbeiten können.

Der Vorsitzende hatte die Thematik bei der verhandelten Feststellungsklage in

1) die rein vertraglichen Ansprüche und
2) kartellrechtlichen Ansprüche unterteilt

Am Ende seiner Erläuterungen zu den „rein vertraglichen Ansprüchen“ kam er zu der grundsetzlichen Feststellung, „dass ein Schadensanspruch besteht“ und machte deutlich, dass es „genügt, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines Schadens vorliegt“.

Da hätte es eigentlich einer Überprüfung der „kartellrechtlichen Schiene“ nicht bedurft. Das Gericht hatte sie aber vorgenommen und fand „die Argumente der Kägerseite überzeugend“.

So kam der Vorsitzende zu dem Schluss, dass

1) der Nürburgring eine Alleinstellung im Markt hat,
2) man der Klägerin das Recht einräumen muss, sich auf eine bestimmte Rennstrecke konzentrieren zu dürfen,
3) die Sonderstellung des Nürburgrings beim Thema Touristenfahrten im Vergleich zu anderen Rennstrecken auf der Welt unstreitig ist.

Er unterstrich die Monopolstellung der beklagten NAG im Hinblick auf eine „Monopolstellung“ indem er auch auf ein Urteil des BGH verwies, das übersetzt auf das Thema der NAG bedeutet:

Sie hat den Zugang zu dieser Rennstrecke und Infrastruktur, damit eine Monopolstellung...

und hatte die im vorliegenden Fall auch durch ein überzogenes Hausverbot missbraucht. - So habe ich das verstanden. Die NAG hatte nämlich nicht nur in der Phase des Hausverbots dem Chef und den Mitarbeitern der klagenden Firma RSR, Nürburg den Zugang zur Rennstrecke verwehrt, sondern auch deren Automobilen, wenn sie ausschließlich von Kunden besetzt waren und durch sie auch gefahren wurden.

Es gibt die Eidesstattliche Erklärung eines englischen Kunden, nachdem ihm die Anmietung der Nürburgring-Nordschleife von der NAG nur zugesagt wurde, nachdem er sich damit einverstanden erklärt hatte, dass bei der von ihm geplanten Veranstaltung keine Fahrzeuge der Firma RSR zum Einsatz kamen. - Gibt es ein Hausverbot für Automobile? - Die Kunden jedenfalls waren nicht mit irgendeinem Hausverbot belegt.

Die Rechtslage scheint also klar. Wenn die Urteilsverkündung in dieser Sache, einer Feststellungsklage, dann im Dezember 2012 erfolgt, wird die NAG verlieren. Die Klägerin aber, die RSR – oder wie auf dem Aushang zu lesen: „ 75Experience GmbH“ - wird dann wegen ihrer Geldforderungen einen so genannten „Leistungsprozess“ führen müssen.

Der vorsitzende Richter des OLG versuchte hier zu vermitteln und aktuell schon zu einem Vergleich zu kommen. Die Klägerin hatte bereits über einen „Hilfsantrag“ eine Forderung von 169.000 Euro erhoben, die aber nicht endgültig ist, da man die Auswirkungen des „Hausverbots“ noch nicht so exakt absehen kann.

Die Beklagten lehnten aber jeden Vergleich ab. - Aus der Sicht eines Rechtsanwalts verständlich.

Rechtsanwalt Okonek trug dann auch entsprechend dem o.g. Zitat aus der „Feuerzangenbowle“ vor, dass das Hausverbot z.B. nur nur im Winter, also zu einer Zeit zur Geltung gekommen wäre, da auf der Nürburgring-Nordschleife ein Fahren durch Eis und Schnee unmöglich war.

Antwort der Gegenseite durch Rechtanwalt Tim O. Vogels: Drei bis vier Monate hätten keine Buchungen angenommen werden können und gab zu bedenken, dass die Firma RSR eine Menge Kunden z.B. aus Australien und Neuseeland hat, die ihren Urlaub in der Eifel, um die Nordschleife erleben zu können, viele Monate vorher organisatorisch vorbereiten. - Welche Auskunft musste man da korrekterweise von Seiten der RSR in der Phase des Hausverbots geben?

Weiß Herr Okonek z.B., dass auf der anderen Seite dieser Erde, dann wenn wir Weihnachten evtl. in klirrender Kälte feiern, dort – in Australien z.B. - dann Sommer ist?

Außerdem wies RA Vogels darauf hin, dass den Touristenfahrten am Nürburgring wegen der Zugänglichkeit an um 200 Tagen eine besondere Bedeutung zukomme, die bei anderen Rennstrecken in Deutschland, Europa und der Welt nicht vorhanden wäre und erzählte von der eigenen Erfahrung, als Tourist mal eine Runde auf der italienischen Rennstrecke von Mugello (bei Rom) zu fahren. Das war ihm nach jahrelangen Bemühungen erst einmal möglich gewesen.

Das hat mich übrigens neugierig gemacht, Herrn Vogels mal am Ende der Gerichtssitzung – dann wieder auf dem Gang – zu fragen: „Welchen Wagen fahren Sie denn?“ - Antwort: „Einen R5 Turbo.“ - Meine Feststellung dazu, „Das ist aber ein schwer zu fahrendes Auto“, beantwortete er ehrlich mit, „Ich beherrsche es auch nicht.“

Zu der Berufungsverhandlung hier in Koblenz war es gekommen, nachdem das Landgericht in Mainz, aber auch die beim Mainzer Wirtschaftsministerium angedockte Landeskartellbehörde eine Klage von RSR abgelehnt hatte. Warum? - Das ist nach den gehörten Erläuterungen vor dem OLG Koblenz unverständlich. - Lag es vielleicht an den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, Frau Ministerin Lemke?

Ich hatte der Leiterin des Kartelamtes, Frau Schwartz, schon vor einiger Zeit bei Fragen zum Thema Nürburgring meine Hilfe angeboten. Sie hat – wie sie mir damals antwortete – aktuell keine Hilfe gebraucht. - Na ja... -

Und wenn ich daran denke, dass das Hausverbot auf einer nicht gerade perfekten Eidesstattlichen Erklärung eines inzwischen ehemaligen NAG-Mitarbeiters beruhte, der wegen besonderer – bis heute nicht ganz geklärter - Vorkommnisse entlassen wurde; wenn man die Art der Durchsetzung ihrer Interessen durch die NAG auch in anderen Fällen mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis genommen hatte, dann kann man sich über die Entscheidungen sowohl des Landgerichts Mainz als auch des Landeskartellamtes nur wundern.

Da kann man froh sein, dass es mit dem OLG Koblenz noch eine Gerichtsbarkeit gibt, die sich die Zeit für eine Einarbeitung in das jeweilige Thema nimmt.

Die NAG hat übrigens noch mal die Möglichkeit bis zum Monatsende gegen den Vortrag des Vorsitzenden des OLG zu argumentieren, dessen Argumentation eigene Argumente gegenüber zu stellen.

Aber eigentlich sind sie im Wesentlich ja schon bekannt:

 

„Da stelle ma uns mal janz dumm...“ - Und warten den Entscheid des OLG Koblenz im Dezember 2012 ab.

MK/Wilhelm Hahne

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3 Kommentare

Feuerzangenbowle

...da stellen mir uns mal janz dumm, watt is en dampfmaschin...." sagte Paul Henkels ;-), denn der war der Studienrat. Heinz Rühmann spielte den "Schöler" Pfeiffer mit 3 f, eins vor dem ei und zwei hinter dem ei....

Korrektur

Guten Morgen Herr Blumberg, ich weiß nicht wie oft ich die "Feuerzangenbowle" in meinem Lesen als Film gesehen habe. Mir ist er offenbar zu stark als "Heinz Rühmann-Film" in Erinnerung geblieben. Denn Sie haben natürlich Recht. Die Zuordnung des "Spruchs" von mir ist falsch. Ich nehme im Text meiner Geschichte keine Korrektur vor, damit meine Leser auch ein Beispiel dafür finden, dass ich ein ganz normaler Mensch bin, der auch Fehler macht. Danke, für Ihren Hinweis. Herzliche Grüße Wilhelm Hahne

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