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Der Formel 1-Freak blickte am letzten Wochenende nach Monza. Am Nürburgring versammelten sich die, die einem 6-Stunden-Rennen mehr abgewinnen können, weil hier die menschliche Leistung (Fahrer- + Boxen-Team) mehr im Vordergrund steht. Auch dann, wenn die Reifen eine besondere Rolle zugewiesen bekommen. Das wurde in der Eifel vom Wetter bestimmt. In Monza von den Stewards. Wenn die Zeitnahme in 1000stel Sekunden erfolgt, dann kann auch die Reifendruckmessung auf 0,01 bar genau erfolgen. Dachte man in Monza. Ob man da auch das Benzin bei einer Temperatur von 15° Celsius einfüllt, der Temperatur, die bei „Dichterechnungen“ als Umrechnungsbasis von Kilogramm Benzin in Liter Benzin dient? - Und hatte Hamilton nicht schon einen Vorteil dadurch, dass er in Monza wasserstoff-blond startete, den Farbstoff schwarz aus seinem Haar entfernt hatte? - Am Nürburgring fuhr man derweil Rennen mit Geschwindigkeitsbegrenzungen! Man hat natürlich trotzdem die Rundenzeiten in 1000stel Sekunden gemessen. Aber der Luftdruck spielte keine Rolle. Wohl aber die Art der Reifen und ihre Gummimischung. Und so gab es hier und da dann Probleme. In Monza Reglements-, am Nürburgring Entscheidungs-Probleme. - Und wer keine hat, der macht sich welche. - Per Reglement!
F1-GP & VLN-6 h-Rennen: Reifen-Dilemma?
Gibt es eigentlich ein Reifen-Dilemma in der Formel 1? Auch das macht man sich selber. In der Formel 1. Wer den Reifen-Alleinausrüster verpflichtet, Reifen auf einem Niveau zu liefern, die helfen sollen das Spannungs-Niveau in der Serie zu erhöhen, der sollte sich nicht wundern, wenn er sich damit Probleme schafft.
Natürlich gehören auch Menschen dazu, die noch an den Osterhasen glauben. Gibt es Reifen, die am Ende ihrer Lebenszeit nicht platzen?
Ich habe habe nach Spa mit Erstaunen die Vorwürfe eines Sebastian Vettel an den Reifenlieferanten Pirelli gehört. Er findet es unerhört, wenn in Spa nach 28 Rennrunden ein Slick platzt.
Der Clou ist aber, dass Pirelli dann auf mögliche Beschädigungen durch Carbon-Splitter (u.ä.) verweist. Und Vettel findet Beistand bei Mark Webber, der die Pirelli-Reifen grundsätzlich nicht als gut empfindet. - Und eine in Sachen Reifen schlecht informierte Öffentlichkeit (wozu auch eine uninformierte Presse zählt) applaudiert.
Hierzu zunächst eine grundsätzliche Feststellung von Motor-KRITIK: Alle Reifen, Serien- wie Rennreifen, basieren auf einer inzwischen nun 100 Jahre alten Fehlleistung, die alle geltenden Naturgesetze außer Acht ließ. - Und lässt! - Automobilreifen zählen zu den Stiefkindern der technischen Entwicklung!
Die Pirelli-Slicks für die moderne Formel 1 sind aber nochmal etwas Besonderes. Sie wurden aufgrund der Vorgaben von „Spezialisten“ so entwickelt und gefertigt, so dass sie das Spannungsmoment in dieser Sportart erhöhen konnten.
Bekannt sollte auch sein, dass in der Formel 1-Saison 2014 statistisch betrachtet, ein Reifenwechsel beim Rennen im Durchschnitt alle 18 Runden erfolgte. Für 2015 sollte Pirelli aber den Gripp der Reifen über entsprechende Laufflächenmischungen erhöhen, um schnellere Rundenzeit zu ermöglichen, woraus sich dann aber – wie ein Rennfahrer wissen sollte – eine kürzere Lebenszeit des Reifens ergibt.
Der Reifen der am Ferrari von Vettel platzte, war aber bereits 28 Runden im Einsatz. Da braucht es dann keine Fremdteile, um ihn zum Platzen anzuregen, sondern evtl. „nur“ eine schnelle Durchfahrt durch die „Eau Rouge“, die nicht nur den Fahrer mit besonders hohen g-Kräften belastet, sondern auch die Reifenkonstruktion.
Wenn interessierte Zuschauer schon mal die „Ballonform“ der Reifen beanstanden: Dieser „Ballon“, die hohe Seitenwand, wird in der Formel 1 als Federelement gebraucht, da man den mechanisch darstellbaren Federweg klein halten muss, weil es die aerodynamischen Gesetzmäßigkeiten erfordern, dass sich der Abstand des F1-Unterbodens zur Fahrbahn nur geringfügig verändern darf, wenn der „Groundeffekt“ ohne jede Unterbrechung relativ gleichmäßig vorhanden sein soll.
Um den Wunsch nach „besseren Rundenzeiten“ zu verstehen: Luca de Montezemolo, ein Mann mit großer Erfahrung im Formel 1-Sport, hat die Fahrer der modernen Formel 1-Renner (mit spritsparender Hybridtechnik!) vor kurzer Zeit einmal als „Taxifahrer“ bezeichnet. Um als Vorbild zu gelten, einer Serie, die dem technischen Fortschritt dient, hat man im F1-Reglement eine Durchflussmenge für Benzin festgesetzt, aber auch das im Rennen mitgeführte Benzin auf 100 Kilogramm limitiert. Das bedeutet in der Praxis, dass so ein moderner Rennmotor sich mit einem Benzinverbrauch von 40 – 45 Litern/pro 100 Kilometer bescheiden muss.
Da müssen Rennfahrer dann auch Spritsparkünstler sein. Sie müssen evtl. vor Kurven das Fahrzeug ausrollen lassen, ihre Art zu bremsen wird davon bestimmt, wie viel Strom sie dabei gewinnen müssen, um auf der nächsten Geraden dann um 160 PS über Elektromotoren generieren zu können.
Natürlich ist die Bezeichnung „Taxifahrer“ überzeichnet, aber soll auch nur aus der Sicht eines Fachmanns darauf hinweisen, in welche Richtung sich die Formel 1 im letzten Jahrzehnt entwickelt hat. Weil gerade das Rennen in Monza lief, hier ein Vergleich:
Die Streckenlänge betrug sowohl in 2004 wie auch in 2015 exakt 5.793 Meter.
- 2004 fuhr Rubens Barrichello im Ferrari im Qualifying 1:20,089, im Rennen 1:21,046
- 2015 fuhr Lewis Hamilton im Mercedes im Qualifying 1:23,397, im Rennen 1:26,672
- 2004 betrug die Differenz weniger als 1 sec, in 2015 mehr als 3 sec. - Warum wohl?
In diesem Zusammenhang noch eine andere Statistik aus dem Jahre 2015. Bis jetzt gab es in der Saison 12 Rennen. Wer fuhr, wie oft, die schnellsten Runden im Rennen?
1. Lewis Hamilton 5
2. Nico Rosberg 3
3. Kimi Raikkönen 2
Daniel Riccardo 2
Sie sind erstaunt? - Weil Sebastian Vettel nicht auftaucht? - Dafür aber Kimi Raikkönen!
Bevor die Geschichte zu lang wird, noch schnell einen Blick auf das 6-Stunden-Rennen am Nürburgring. Bei „Nürburgring-Wetter“, wie man so flapsig zu sagen pflegt. Es gab kurz vor dem Start einen Regenschauer, der sich dann auch später wiederholte. Da ist dann die Entscheidung des Fahrers gefragt: Welcher Reifen z.B. beim Start?
Wenn der Trainingsschnellste, Farnbacher mit einem Lexus (!) aus der ersten Rennrunde als 42. zurück kommt, dann weiß man, dass in diesem Fall gleich zweierlei nicht zu dem Wetter passte: Reifen und Fahrer.
Ein anderes – schönes Beispiel – ist die Klasse „Cup 2“ bei der VLN, in der auch einer der Geschäftsführer der CNG, Adam Osieka, startet, der zusammen mit seinem Teampartner Steve Jans zwar gegen seine direkten Konkurrenten, auf dem gleiche Modell, einem Porsche GT3-Cup startend, Christian Menzel und Marc Hennerici, immer verlieren, aber das in allerbester Marketing-Manier als Erfolg verkaufen.
Menzel hatte den „Teichmann-Porsche“ mit 8:57,243 min auf den Startplatz elf des Gesamtklassement gestellt, Adam Osieka kam mit 9:58,268 mit einem "Getspeed-Porsche" nach einem Ausrutscher seines Partners auf Startplatz zweiundfünfzig.
Die Startfahrer beim Rennen waren Menzel und Jans. Menzel startete – bei nasser Strecke! - auf Slicks, Jans mit Regenreifen. Menzel hatte nach dem „alten Spruch“ der Nürburgring-Kenner gehandelt: „Im Zweifelsfall Slicks!“. - Und musste schon in der ersten Runde Jans passieren lassen. - Aber: Gerade bei einem 6-Stunden-Rennen wird am Ende zusammen gezählt!
Es lohnt sich, einen Blick auf die „News“ in der Getspedd-Internetseite zu werfen. So „verkauft“ man heute zweite Plätze als Erfolg.
Im Ziel waren Menzel/Hennerici auf Platz 8 im Gesamtklassement, Osieka/Jans auf Platz 10. In der Klasse waren das dann Platz 1 und 2.
Sehr schön ist nachzuvollziehen, wie Adam Osieka seine schnellste Runde – und zu welchem Zeitpunkt (nach seiner Darstellung!) - verkauft. Im offiziellen Rennergebnis ist nachzulesen, dass sie in der 15. Rennrunde gefahren wurde. - Aber das passte wohl nicht in die Dramaturgie der Darstellung.
Insgesamt war das 6-Stunden-Rennen aber – wie eigentlich jedes Jahr – eines der Highlights der VLN-Serie. Aber auch hier gab es in 2015 weniger Starter als sonst, was auch den – unverständlicher Weise (!) - immer noch vorhandenen Geschwindigkeitsbeschränkungen geschuldet ist!
Im Gesamtklassement wurden die ersten drei Plätze von einem Mercedes, einem Porsche und einem Audi R8 belegt, die alle in der GT3 gestartet waren.
Und alle hatten mit Reifenproblemen dann zu kämpfen, wenn sie z.B. bei Regen mit falschen Reifen unterwegs waren.
Bei der VLN entscheidet (überwiegend) der Fahrer, wann er welche Reifen fahren will. Bei der Formel 1 entscheiden das Reglement und die Teamleitung über die Art und Zeitpunkt des Reifenwechsels. Der Fahrer wird so – nach Montezemolo – zu einem „Taxifahrer“ degradiert, dem auch während des Rennens gesagt wird, wann er etwas mehr Benzin verbrauchen darf. - Oder ob er sparen muss.
Darum fährt dort nicht immer der Sieger eines Rennens auch automatisch die schnellste Runde.
Wie an der obigen Statistik abzulesen ist.
Irgendwie ist es schon interessant, sich über Details und die Art des „modernen Motorsports“ ein paar Gedanken zu machen.
Und das macht auch die Beobachtung von Rennen so spannend. - Selbst wenn sie nicht spannend sind.