„Haute Horlogerie“ am Nürburgring

Am letzten Wochenende war nicht nur die Formel 1 in der Nacht auf hell erleuchteter Strecke mit CO2-freundlichen Hybridmotoren unterwegs, sondern bewies uns auch am Beispiel von Lewis Hamilton, dass das mit der Elektronik so eine Sache ist. Man gibt mit dem Pedal Vollgas, aber die Software war wohl um diese Zeit wohl schon Schlafen gegangen und öffnete die Drosselklappen nicht mehr richtig. Gut, dass kein „HPEMcarStop“ in der Nähe war. Man hätte 61 Runden Zeit gehabt, einen Formel 1 nach dem anderen ausfallen zu lassen. - Aber auch so kamen nur 15 (von 20) Starter an. - Und Sebastian Vettel siegte auf Ferrari, nachdem er auch schon im Qualifying Platz 1 belegt hatte. - Gratulation! - Am Nürburgring gab es dagegen eine eigentlich aufregendere Veranstaltung, bei der im Hauptrennen 55 GT-Fahrzeuge, verteilt auf 11 Fabrikate am Start waren, von denen 52 in Wertung ankamen. - Mehr Mechanik, weniger Software, größere Zuverlässigkeit. Darum sponsort auch wohl ein Schweizer Uhrenhersteller, Blancpain, diese Serie, der so lange er besteht (seit 1735), noch niemals eine Quarzuhr gebaut hat – und auch niemals bauen wird! - Dazu war dann die „SIM 2015 RACING EXPO“ auf der anderen Seite des GP-Kurses, im „Boulevard“ geradezu ein Kontrast, weil hier jungen Männern (esw war tatsächlich keine junge Frau dabei!), die es sich sonst nicht leisten könnten, das Rennenfahren mit GT3-Fahrzeugen unterschiedlicher Marken möglich gemacht wurde. - Virtuell! - Motor-KRITIK hat mal vorbei geschaut.

„Haute Horlogerie“ am Nürburgring

Das Wetter war schön, obwohl das Foto der Nürburg den Eindruck von Dramatik vermittelt. Aber die Temperaturen waren angenehm. Und es regnete nicht. Aber schon bei der Anfahrt wurde beim Anblick der nur sparsam besetzten Parkplätze klar: Dieser Lauf zur „Blancpain Endurance Series“ war kein Publikumserfolg.

Schon der Kontrolleur am Aufgang zum Fahrerlager des Grand Prix-Kurses wirkte nicht überbeschäftigt. Was denn auch durch einen Blick auf die Tribünen bestätigt wurde. Auch im Fahrerlager selbst gab es kein Gedränge. Die Hauptdarsteller hier waren die exakt ausgerichteten Transportfahrzeuge für die BMW Z4, Audi R8, Bentley Continental, Lamborghini, Ferrari, Mercedes SLS, Aston Martin, Nissan GT-R, Jaguar, Porsche McLaren, die hier um Sieg und Platz kämpften.

Im Hauptrennen über 3 Stunden, siegte ein McLaren vor einem Bentley Continental und – ich finde das bemerkenswert – einem Nissan GT-R.

Es ist bedauerlich, dass eine so hervorragende GT-Veranstaltung am Nürburgring nicht mehr Zuschauer findet. Man sollte sich den Termin für das nächstjährige Rennen vormerken:

  • 17. - 18. September 2016 – „Endurance 3 hours“

„Blancpain“ ist im internationalen Motorsport ein wichtiger Sponsor. Man sponsort die:

  • FIA-GT1-Weltmeisterschaft,
  • ist dort offizieller Zeitnehmer,
  • die ADAC GT-Masters
  • die British GT Championship
  • die Endurance Series

Man unterstützt auch einige der in diesen Rennen antretenden Teams, zu denen auch „Reiter Engineering“ gehört, wo man sich um die Wettbewerbsfähigkeit von Lamborghini bemüht.

Da ist es dann keine Überraschung, wenn man in einer der o.g. Serien schon mal als Fahrer auch den CEO von „Blancpain“, Marc A. Hayek findet, der sich dann mit Peter Kox, einem holländischen Rennfahrer, das Cockpit teilt.

Was sich im „Bouvelard“ abspielte, der sich an anderen Tagen überwiegend menschenleer zeigt, war schon eindrucksvoll. Hier fuhren Leute „wie du und ich“ auf modernen GT3-Fahrzeugen im Rennen gegeneinander. - Virtuell! - Und da ab und an auf dem übergroßen Bildschirm auch die Namen der „Fahrer“ eingeblendet wurden, konnte ich sehen, dass hier auch Teammitglieder von bekannten GT3-Teams am Lenkrad drehten. - Es ging bei diesem Rennen, das hier gerade über den Bildschirm lief...

… und viele Zuschauer, auf bequemen Stühlen sitzend – und das kostenlos! - in ihren Bann zog, um die besten 12 Plätze im Rennen, die die Teilnehmer dann weiter bringen würde. - In die nächste Runde. - Un sie machten die gleichen Fehler, die sie bei den realen Rennen oft ihren Fahrern vorwerfen. - „Wie kann man in dieser guten Position mit dem Vordermann kämpfen?“, schimpfen sie dann, weil man dann Zeit verliert. In guten Position – weit vorne liegend – sollte man sich mit dem Vordermann „kampflos“ (und damit schneller) vom Feld absetzen.

Hier arbeitete man mit anderen Mitteln. Man gab gefühlvoll mit Socken Gas, hatte die Fahrerschuhe neben das „Cockpit“ gestellt. Vor sich hatte jeder „Fahrer“ einen Bildschirm – eben seine Sicht der Dinge – während im Hintergrund ein Regisseur das „Bild mischte“, das dann den Zuschauern die Situation auf der Strecke, dem GP-Kurs am Nürburgring, zeigte. - Sehr eindrucksvoll und realitätsnah. Man glaubte als Zuschauer bei einem richtigen Rennen zu sein!

Eine gute Anregung für eine mögliche Nutzung des „Boulevards“!

Nur hätte ein solches Angebot mehr Zuschauer verdient. Was nichts anderes bedeutet, als dass man Ähnliches dann im „Boulevard“ anbieten sollte, wenn auf der „anderen Seite“ eine publikumsstarke Veranstaltung läuft, die dann auch mehr Zuschauer in den „Boulevard“ locken würde. Denn hier gab es auch Aussteller, die ihre Produkte verkaufen wollten, aber sicherlich bei dem insgesamt (relativ) geringen Zuschauerinteresse nicht auf ihre Kosten gekommen sind.

Im hinteren Teil des „Boulevards“ hatte der ADAC Mittelrhein eine Strecke aufgebaut, auf der sich die Besitzer von RC-Automobilen „die Kante gaben“. Sie standen oberhalb der Strecke und steuerten ferngelenkt Elektroautomobile, die über einen scheinbar großzügig breiten Kurs mit vielen Sprunghügeln fuhren. - Der DMSB hätte die „Sprunghügel“ wegen der Gefährlichkeit beseitigen lassen. Es wurden auch FIA-Zäune vermisst. - Aber den Zuschauern machte es Spaß. Und es gab sogar ein „Fahrerlager“, in dem die Fahrzeuge vorbereitet – oder auch mal repariert – wurden.

Im „Boulevard“ konnte man selbstverständlich auch seine „Rennwurst“ essen, es gab aber auch dort einen „roten Teppich“, ausgerollt für die VIP-Gäste in der „TÜV-Hospitality“ des TÜV Rheinland. Der Nürburgring war an diesem Tag voller Gegensätze: Hier Bratwurst, da „roter Teppich“. - Da GT3-Kampf real, dort virtuell. - Alles so wie im wirklichen Leben. - Oder haben Sie keinen Computer?

Das Leben ist eben voller Gegensätze. - Wie das Foto aus dem Zugang zum Fahrerlager zeigt. Es erinnert an die „Visionen“ des Jahres 2009 der Politiker, wo man von einem „ganzjährigen Freizeit- und Businessszentrum“ spricht. - Man hat das bis heute nicht korrigiert – oder irgendwie ergänzt. Und etwas weiter stößt man dann auf die Realität: Eine „Blutbuche“ für Gustav Büsing.

Man erhält den Eindruck: Beim neuen Pächter (!) hat man wenig begriffen!

Oder vielleicht gar nichts? -

Achten Sie doch mal auf meine aktuelle Umfrage! - Derzeit ist die Situation so: Auf meine Frage, „Wie sehen Sie die Situation am Nürburgring?“ antworten:

  • 73 Prozent: Da geht es weiter abwärts.
  • 20 Prozent: Da bewegt sich nix.
  • 5 Prozent: Es geht weiter aufwärts.
  • 2 Prozent: Es interessiert mich nicht.

Motor-KRITIK möchte mit dieser Geschichte auch Sie einmal anregen, über die Zukunft des Nürburgrings nachzudenken. - Es ist zwar derzeit nicht Ihr Problem - aber es kann dazu werden!

MK/Wilhelm Hahne
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