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In Sachen Abgasreinigung ist eigentlich alles „wie früher“. - Ist VW ein „Schwarzes Schaf“?, wie der „Autoexperte“ Ferdinand Dudenhöffer sagt? - Und er ergänzt noch: „VW spielt Daimler, BMW und allen anderen deutschen Autobauern durch die Manipulation übel mit.“ - Alle Medien nehmen sich des Themas an. CO2 ist plötzlich ein Thema. Und plötzlich kann nicht nur Rauchen tödlich sein, sondern auch der hohe Anteil von Diesel-Automobilen im Fahrzeugbestand. Und ein Verkehrsminister will die VW-Dieselmodelle überprüfen lassen. Und niemand hat's vorher bemerkt? - Niemand hat's interessiert, wenn sich Motor-KRITIK schon vor Jahren mit dem Problem „Feinstaub“ auseinandersetzte, das in den Medien primär den Dieselautomobilen zugeordnet wurde, tatsächlich aber auch bei Benzinmotoren ab dann beachtet werden musste, als die Umstellung von Vergaser- auf Direkteinspritz-Technologie erfolgte. Motor-KRITIK hat „damals“ bei seinen Rechercheversuchen erfahren, wie groß der Einfluss der Industrie bei dem Bemühen ist, Problematiken „unter der Decke zu halten“. Da antwortete plötzlich ein Professor nicht mehr, der z.B. mit Unterstützung von BMW und Bosch (mit jeweils sechsstelligen Summen!) die Zusammenhänge wissenschaftlich untersuchte. - Und was aktuell gerade bei VW hochkocht, gab es als „Problem“ schon vor Jahrzehnten. Motor-KRITIK will das hier gerne einmal, für Sie lieber Leser, darstellen. Bei der Zeitschrift „MOTORRAD“ war man schon im Jahre 2000 der Meinung, „dass es bei der Schadstoffoptimierung von Zweiradmotoren noch eine Menge zu tun gibt. Und stellte fest: „Die Entwicklungsaktivitäten in München beweisen, dass die BMW-Ingenieure hier ebenfalls noch ein großes Potential sehen.“ - Und die VW-Aktivitäten beweisen nun: In Sachen Abgasreinigung ist eigentlich alles „wie früher“.
22. September 2015: Lieber Leser!
Es war im April dieses Jahres, als Ferdinand Piech mit einer Feststellung zu seinem Verhältnis zum VW-Vorstandsvorsitzenden, Martin Winterkorn, für Aufsehen sorgte:
"Ich bin auf Distanz zu Winterkorn",
sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Piech dem "Spiegel". Da beeilte sich der VW-Betriebsratsvorsitzende und Aufsichtsratsmitglied, Bernd Osterloh, zu sagen:
„Wir haben mit Dr. Winterkorn den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord."
Nun fordert er aktuell:
„Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“
Aber gehört er nicht selbst, als Betriebsrat den Abläufen bei VW ganz nahe und auch als Aufsichtsratsmitglied nicht selbst mit dazu? - Gehört Herr Osterloh auch zu den politisch Korrekten, die immer im richtigen Moment an Gedächtnisverlust leiden?
Er sollte doch wenigstens die EG-Verordnungen Nr 715/2007 und 692/2008 kennen, wo es u.a. heißt:
„Der Hersteller rüstet das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht.
Pflichten des Herstellers
Der Hersteller weist nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft in Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Der Hersteller weist außerdem nach, dass alle von ihm in der Gemeinschaft verkauften oder in Betrieb genommenen neuen emissionsmindernden Einrichtungen für den Austausch, für die eine Typgenehmigung erforderlich ist, über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen.
Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig.“
Nun gibt es weltweit unterschiedliche Vorschriften und Genehmigungsverfahren. Darunter „leiden“ die europäischen Automobilhersteller. Gerade die Vorschriften in den USA werden als „zu hart“ empfunden. Und so hofften wohl – wie jetzt aufgefallen – alle Verantwortlichen über die Runden zu kommen, bis dass das transatlantische Handelsabkommen, „TTIP“ zum Tragen kommt.
Gerade auf der diesjährigen IAA war – und ist - „TTIP“ ein Thema, wurde von allen Auto-Bossen herbei gewünscht. Man ahnt warum, wenn VW gerade durch die „Umgehung“ der verschärften amerikanischen Abgasrichtlinien aufgefallen ist. - Dank „TTIP“ würden sie wahrscheinlich als ein „Markthemmnis“ weg fallen.
Was nichts daran ändert, dass VW aktuell mit einem Betrugsversuch aufgefallen ist. Und Ferdinand Piech schließt jetzt Martin Winterkorn sicherlich lächelnd in sein Abendgebet ein. - Oder so. - Oder anders.
Motor-KRITIK ist aber sicher, dass VW nicht der Einzige ist, der Schadstoffkontrollen bei realer Nutzung von Automobilen zu fürchten hätte. Das ergibt sich schon daraus, dass die aktuellen Abgastests nach einembestimmten Prüfzyklus durchgeführt werden. - Und warum sollte nur VW über fähige Software-Spezialisten verfügen, die „intelligente“ Programme schreiben, die dann aufgrund einiger Parameter im Prüfzyklus reagieren?
BMW z.B. „fuschte“ (betrog?) schon vor mehr als einem Jahrzehnt bei einem Motorrad, der F 650 GS. Nachgewiesen durch die Zeitschrift „MOTORRAD“ im Jahre 2000 in Heft 14. Auch das war eigentlich nichts anderes als Betrug. - Per Software-Programm. - Wie jetzt im Jahre 2015 bei VW. - In „MOTORRAD“ war damals – und wenn man will: ist noch – zu lesen:
„Beim Vergleich der 650er-Enduros hatte MOTORRAD die Effizienz der unterschiedlichen Abgassysteme untersucht. Auf dem Prüfstand war dann Erstaunliches zutage getreten. So emittierte der Vertreter mit der zumindest theoretisch besten Technik zur Schadstoffreduzierung, die BMW F 650 GS mit Einspritzung und geregeltem Katalysator, im Abgaszyklus ECE 40 zwar die geringsten Schadstoffmengen unter den Mitbwerbern Aprilia Pegaso, Honda Transalp und Suzuki Freewind. Doch während die Konkurrenten nach einem Warmstart ähnliche Werte lieferten, produzierte die BMW plötzlich mit 30,4 g/km Kohlenmonoxid das 34-fache der ursprünglichen Menge. Erste Verwunderung wurde nach mehreren Versuchen dann schnell zur Gewissheit: Die BMW erkennt aufgrund einiger Parameter den Prüfzyklus. Die Lambdaregelung sorgt dann für geringe Schadstoffmengen. Im vergleichbaren Betrieb auf der Straße tritt eine andere Regelung der Gemischaufbereitung in Kraft.“
Nutzt BMW jetzt aktuell diese „Erfahrung“ aus dem Jahre 2000 nicht mehr bei Automobilen? - Man könnte doch aufgrund dieses Beispiels vielleicht sogar ein „Gewohnheitsrecht“ geltend machen.
Das wäre genauso lustig wie jetzt die Forderungen der VW-Aktionäre sind, die ihre Aktien offensichtlich sofort verkauft haben und jetzt für den Verlust VW verantwortlich machen, jener Volkswagen AG, von dessen Erfolg sie partizipieren wollten.
Vielleicht hatten sie auch den Aussagen des VW-Aufsichtsratsmitglieds Bernd Osterloh vertraut, der noch im April dieses Jahres tönte:
„Wir haben mit Dr. Winterkorn den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord. Gemeinsam mit ihm haben wir seit 2007 eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben.“
Wird Osterloh jetzt aus taktischen Gründen die Position eines Ferdinand Piech einnehmen und „auf Distanz gehen“? Nun nicht mehr „gemeinsam mit Winterkorn“?
Zusammen mit Herrn Winterkorn ist er sich aber einig, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Winterkorn hat – darum – eine externe Untersuchung zugesagt.
Die wird sicherlich richtig teuer werden – wenn dabei der „richtige“ Namen (oder mehrere?) genannt werden sollen.
Die Top-Riege der deutschen Automobil-Manager ist eine feine Gesellschaft. Sie arbeitet – wie man am Beispiel Winterkorn sieht - mit hohen Risiken, die sie sich mit hohen Gehältern vergüten lassen.
Selbst wenn man weiß, dass ein Mafiakiller in Italien für einen Auftragsmord maximal nur 25.000 € erhält (a. Focus-online, 9. März 2015), ist Herr Winterkorn mit einem Gehalt von 15,9 Millionen € in 2014 (lt. Geschäftsbericht) bei einem Risiko von aktuell um 15 Milliarden € nicht überbezahlt.
Die Fraktionschefin der GRÜNEN im EU-Parlament, Rebecca Harms, hält das, was gerade bei amerikanischen Behörden in „Sachen VW“ aktenkundig wurde, für...
„Betrug und Umweltkriminalität“.
Und Alexander Dobrindt, nicht nur Bundesverkehrsminister im Kabinett Merkel, sondern auch für „digitale Infrastruktur“ zuständig wird vielleicht schon am Mittwoch (also Morgen) dem Bundestagsplenum in Sachen VW Rede und Antwort stehen müssen.
Als Fachminister wird er mit dem ihm zugeordneten Sachverstand zum Thema „Funktionieren der digitalen Anwendung bei VW“ nur feststellen können:
- Jawohl, es hat geklappt!
Frau Merkel wird sich sicherlich nach einer Frist von neun Tagen (so lange dauern Umfragen!) dann auch noch zum Thema zu Wort melden. - Ausgewogen!
MK/Wilhelm Hahne
PS: Für die Motor-KRITIK-Leser ist die EG-Verordnung Nr 715/2007 als pdf-Version im ANHANG zu finden.
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