Sicherheit bei „Terroristenfahrten?“

Man wundert sich schon, wenn man vor Tagen die Pressemitteilung des Nürburgringbetreibers CNG liest, in dem der Begriff „Sicherheit“ strapaziert wird. Mit Sicherheit hat man nicht an Sicherheit gedacht, als man zwei Videowände an der Nordschleifen-Einfahrt installierte. Man verlagert damit auch die Verantwortung auf die Touristenfahrer, die von Einheimischen als „Terroristenfahrer“ bezeichnet werden. Diese Fahrten, in der Woche oft erst am späten Nachmittag beginnend, sind für den Nürburgringbetreiber lukrativ. Und die CNG pusht sie – und den Nimbus der Nordschleife - entsprechend. Auch mit Videowänden. Die dienen sicherlich nicht der Sicherheit, sondern sind eine sinnvolle Marketingmaßnahme. Man verlagert damit gleichzeitig die Verantwortung bei Unfällen auf die Verunfallten. Schließlich hat man ihnen doch die aktuelle Luftfeuchtigkeit und Temperaturen mitgeteilt und wie viel Automobile und Motorräder gerade auf der Nordschleife unterwegs sind. Und es gilt die Straßenverkehrsordnung. - Motor-KRITIK hat sich zwei Tage nach der Pressemitteilung einmal abends einen Eindruck von den neuen Baumaßnahmen verschafft, zu denen ein nicht unbekannter Rennfahrer sarkastisch feststellt: „Jetzt geht‘s aber rund in Sachen Sicherheit.“ - Und er erinnert an die sinnlosen Umbauarbeiten an „Flugplatz“ und „Metzgesfeld“. Und fragt: „Wie viele schöne – und wichtige – Warnlampen hätte man an der Nordschleife dafür verbauen können?“ - So fragt man sich bei der CNG aber nicht, sondern macht, was kaufmännisch sicherlich „vernünftiger“ ist. - Motor-KRITIK hat sich am Abend des 22. September mal selber ein Bild zu machen versucht. - Da fragt man sich am Ende schon:

Sicherheit bei „Terroristenfahrten?“

Eigentlich hat man beim Beobachten nicht den Eindruck, dass die neuen Videowände, hoch über der Strecke, die direkt daneben verläuft, irgendeinen Einfluss auf das Fahrverhalten der Touristenfahrer nehmen könnten. Warum auch? - Über diese Videowände flackert eigentlich primär Werbung für den Nürburgring. In einer Art, die wohl „anmachen“ soll.

Die Presse-Information der capricorn NÜRBURGRING GmbH datiert vom 20. September 2016 (eine pdf-Datei davon gibt‘s im Anhang) und es ist darin zu lesen:

„Die neuen Videowände, die zwischen Rennstrecke und Restaurant an der Zufahrt zur Nordschleife auf einem acht Meter hohen Stahlpylon montiert sind, informieren fortlaufend über die Witterungsbedingungen und den Streckenzustand. Von den drei Messpunkten in den Streckenabschnitten Flugplatz, Breidscheid und Hohe Acht werden Lufttemperatur, Asphalttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Wasserfilmhöhe (Niederschlag) übermittelt. Wie die aktuellen Wetterdaten trägt auch die Information, wie viele Autos und Motorräder aktuell in der „Grünen Hölle“ unterwegs sind, zu größeren Sicherheit bei den populären Touristenfahrten bei. Wetterdaten und Fahrzeug-Frequenz werden im Wechsel mit Informationen zu Öffnungszeiten, Veranstaltungen und Nürburgring-Angeboten angezeigt. Auf einer weiteren LED-Anzeigetafel direkt an den Einfahrtsschranken wird zudem in der Streckensilhouette eine Warnung angezeigt, wenn in einem Streckenabschnitt eine Unfall- oder auch Baustelle besteht.“

Eine interessante Information. Nur: Was nutzt sie dem Touristenfahrer auf der Nürburgring-Nordschleife? - Die LED-Anzeigetafel direkt an den Einfahrtschranken gibt es schon seit Jahren. Sind die neuen Videowände also ein Beitrag zur Sicherheit?

  • Motor-KRITIK meint: Mit Sicherheit nicht!

Aber man sollte nicht voreingenommen sein.

So habe ich mir dann gestern, nachdem ich mich über die Öffnungszeiten am Ring an diesem Tag (17:30 bis 19:30 Uhr) informiert hatte, selber ein Bild gemacht, zumal auf den VLN-Seiten an diesem Tag eigentlich primär der Vorzug der zwei neuen Videowände so dargestellt wurde, dass nun beim 8. VLN-Lauf – jetzt am Samstag – praktisch ein „Public Viewing“ der Veranstaltung, direkt von der Terrasse des „Devill‘s Diner“, möglich wäre. Man vergaß aber auch nicht zu erwähnen:

„...sorgen somit (Anmerkung: gemeint sind die beiden neuen Videowände) also für besseren Service und mehr Sicherheit vor allem bei den Touristenfahrten.“

Also das mit dem „Public Viewing“ habe ich verstanden, das mit der „Sicherheit“ nicht. Aber ich verstehe, dass die CNG jetzt ins Geschäft mit der VLN (10 Läufe) investiert, nachdem man an der Serie praktisch beteiligt und darum auch an deren Erfolg interessiert ist.

Ich bin auf den Parkplatz gegenüber der Einfahrt gefahren und dann hinüber zur Nordschleife gegangen, vorbei am „Ticket Office“, dessen Bezeichnung nicht nur englisch klingt, sondern wo auch eine Tafel in englischer Sprache auf die „Driving Regulations“ hinweisen, die hier gelten.

Die neuen Videowände fallen schon beim Hinübergehen auf. Noch auffallender sind aber die Hinweise auf „Ring- oder Renn-Taxi-Fahrten“. Kaum vorstellbar, dass die vielen Anbieter, die hier anzutreffen sind, alle auf ihre Kosten kommen, denn solche Fahrten kosten eine dreistellige Summe.

Aber wenn man dann sieht, welcher Betrieb hier an einem Freitag-Spätnachmittag herrscht und in welchem Sprachengewirr man unterwegs ist, dann weiß man eigentlich, dass der Nürburgring – und hier speziell die Nordschleife – schon eine Sonderstellung unter den Rennstrecken dieser Welt einnehmen muss. - Wenn man im eigenen Fahrzeug den Kurs umrunden möchte, sind dafür immerhin 29 Euro fällig.

Im Moment meiner Anwesenheit befinden sich gerade 79 Automobile und 3 Motorräder auf der Strecke. Da ist es kurz vor 19 Uhr und an der Ausfahrt, von der Rennstrecke herunter, da stauen sich die Automobile. Auf den Videowänden gibt es tatsächlich auch die o.g. bereits genannten Anzeigen. Aber was soll ein Touristenfahrer damit anfangen? - Manche werden diese Anzeigen aber auch kaum mitbekommen, weil sie jeweils nur – in großen Abständen – sekundenlang zu sehen sind. Die Anzeigen bestehen überwiegend aus „bunten Bildern“ die sogar solche von Veranstaltungen einschließen, die es hier oben am „Ring“ inzwischen gar nicht mehr gibt. - Wie „Rock am Ring“ zum Beispiel.

Es ist ein schöner Abend und viele der Leute bĺeiben dem Nürburgring auch als Zuschauer noch ein wenig erhalten. Die Parkplätze sind prall gefüllt. Wegen der geänderten Verkehrsführung durch eine Umgestaltung der Zufahrt ist ein Parken direkt an der Strecke nur noch möglich, wenn man vorher ein Ticket für zumindest eine Runde Nürburgring gelöst hat. Auch das sorgt – lt. Presseinfo…

„...für ein Plus an Sicherheit und Service...“

In jedem Falle aber für höhere Einnahmen. Sonst muss man eben „draußen“ auf einem der staubigen Parkplätze gegenüber der Zufahrt parken. - Eine intelligente Lösung, die man auch mit der Pressemitteilung gut verkauft. Dass im Inneren einige Randsteine beim Umbau zu hoch geraten sind und damit schon mal beim engen Kurven für beschädigte (Leichtmetall-)Felgen sorgen, ist eine andere Sache.

Beim Umschauen stolpert man als interessierter Zuschauer praktisch über Angebote von Renn- oder Ring-Taxis und man fragt sich ob des im Moment von anderen genutzten BMW-Pavilons, warum es noch die BMW-Werbung davor gibt. Nachgefragt: BMW hat den Pavillon an den damaligen Nürburgring-Betreiber verkauft. Damit gehört er jetzt der CNG.

Auch die CNG selbst beteiligt sich mit einem neuen Jaguar-Coupé – sicherlich nicht gekauft – am Geschäft mit den Taxifahrten (nennt sie aber Co-Pilot-Fahrten) wo wohl ein erbitterter Konkurrenzkampf um jede Fahrt geführt wird, an der die CNG durch die Erteilung von Lizenzen – wie man hört - auch mit verdient.

Noch ein letzter Blick zurück auf eine der neuen Video-Wände, bevor ich mich noch einmal an die Strecke als „stiller Beobachter“ begebe.

Während auf der neuen Video-Wand noch die Anzeige erschien, dass 79 Automobile auf der Strecke waren, wurde in der Adenauer Wohngegend „Am Schwallenberg“ ein Bewohner aus seiner stillen abendlichen Betrachtung gerissen, weil es – rd. einen Kilometer Luftlinie entfernt – im Streckenabschnitt „Wehrseifen“ (nach „Kallenhard“) richtig laut schepperte. Der Ohrenzeuge:

„Da muss sich ein Fahrzeug mindestens sechs- bis siebenmal überschlagen haben.“

Er hat sofort telefonisch die Polizei informiert, so dass der Adenauer Polizeistation der Unfall eher bekannt war als den Betreibern des Nürburgrings. Ein Renault Megane (aber am Unfallort nicht mehr als solcher zu erkennen) war auf diese Art praktisch „platt gemacht“ worden und es klingt wie ein Wunder, dass durch die Polizei bei diesem Unfall, in den dann auch in der Folge noch andere Touristenfahrer verwickelt waren, nur zwei Leichtverletzte“ zu vermelden waren.

Da ich die zeitlichen Abläufe bei solchen Unfällen kenne, konnte ich mich in Ruhe zum Unfallort begeben und eine Reihe von Fotos machen – ohne zu neugierig direkt am Streckenrand die Arbeiten zu stören – die einen Eindruck von dem Aufwand vermitteln, der mit jedem Unfall auf der Nürburgring-Nordschleife verbunden ist.

Natürlich war ein Fahrzeug der Streckensicherung vor Ort. Dann kam ein Lkw, auf dem wohl ein Reinigungsspezialgerät verladen war. Nicht nur ein Abschleppwagen rollte an, da zumindest noch ein zweites Fahrzeug bei dem Unfall in Mitleidenschaft gezogen worden war. Die Polizei war natürlich auch vor Ort, die aber auf dem letzten Foto dieser Fotoreihe schon wendete, um wieder abzufahren, während die Fahrer der Abschleppfahrzeuge ihre Arbeit noch vor sich hatten.

Es war inzwischen fast 20:00 Uhr geworden, als ich sinnend zurück zu meinem abseits geparkten Fahrzeug ging. Ich hatte erlebt, wie wichtig es ist, dass man den Touristenfahrern nun die aktuellen Wetterdaten übermitteln kann. Die Unfallfahrer kannten Lufttemperatur, Asphalttemperatur, Luftfeuchtigkeit. Es hat an diesem Abend nicht geregnet. Darum gab es auch keine Info über die Wasserfilmhöhe.

Ich fand es beeindruckend, gleich bei meinem ersten Bekanntwerden mit den neuen „Sicherheitsmaßnahmen“ der CNG, auch deren Wirkung kennen zu lernen. - Sie tendiert gegen Null.

Aber das mit dem „Livestream“ am Samstag beim VLN-Rennen wird sicherlich funktionieren und hoffentlich den Umsatz im „Devills Diner“ etwas steigern helfen.

Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn es nicht so wäre.

So hat eben alles sein Gutes!

Und ich ließ den Unfall – einer von vielen in diesem Jahr bei Touristenfahrten – hinter mir zurück. Die Nordschleife lag still und beeindruckend schön vor mir.

Hinter mir wurde die Strecke gereinigt.

MK/Wilhelm Hahne

PS: „Terroristenfahrten“ ist übrigens die Bezeichnung, die die Touristenfahrten von Einheimischen aufgrund der inzwischen herrschenden „Stimmung“ unter den Teilnehmern erhalten haben. Es gilt zwar die Straßenverkehrsordnung, aber: Wer hält sich schon daran? - Und wenn der „Ring“ denn geschlossen ist, dann „geht die Party“ in Quiddelbach weiter. Dort werden dann vom alten Supermarkt-Parkplatz aus „Bergrennen“ auf der B 257 hinauf in Richtung Nürburgring ausgetragen und man tauscht dann die „Bestzeiten“ später per „facebook“ miteinander aus. - Da werden sicherlich die neuen Videowände neue Anregungen bieten. - Es müssen ja nicht immer „Green Hell Driving Days“ sein! - „Dein Rhythmus“ ist doch sicherlich auch eine Anregung. (s. Foto oben) – Wie gesagt: Sicherheit wird ganz groß geschrieben am Nürburgring! - Man spricht oft darüber!

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