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Ein interessantes Wochenende liegt hinter mir. Nicht nur, weil die DTM die Eifel zum Nachdenken anregte. Es gab insgesamt viele Dinge, die nachdenklich machen können. Wenn man sie wahrnimmt. Da genügt es, z.B. im Garten zu sitzen, zu entspannen und trotzdem aufmerksam zu sein, Geräusche wahrzunehmen, Leuten zuzuhören, Teil der Gegenwart zu sein. Die wurde an diesem Wochenende von der DTM bestimmt. Hier in der Eifel. Und ich habe einfach hingehört. Manchmal auch erstaunt dazu etwas gelesen. Sozusagen eine „Vorwegfakten-Darstellung“ erlebt.
20. August 2012: Lieber Leser!
Ich habe am Sonntag ab 14 Uhr bei der ARD zugeschaut. Dort wird die DTM für ein breites Publikum aufbereitet. Von einem „Medienpartner“. Dort wurde schon verkündet, was ich auch heute in der Zeitung lesen kann: Die DTM-Veranstalter zählten 90.000 Zuschauer. Auf einem Rundkurs von 3,629 Kilometer, bei dem es aber längst nicht an jeder Stelle für Zuschauer einen Platz gibt.
Weil ich die Zusammenhänge nicht verstehe, zeige ich hier einmal zwei Fotos, die am Sonntag gegen Mittag aufgenommen, die Tribüne 13 einmal von vorne und einmal von hinten zeigen:
Ich war vormittags im Fahrerlager unterwegs, habe den Trubel im Fahrerlager und auch die gut besetzten Tribünen wahrgenommen.
Da meine Anfahrt nach 10 Uhr erfolgte, habe ich auch den Verkehrsstrom mitbekommen, der übrigens meinen Eindruck bestätigte, den ich in letzter Zeit in Verbindung mit Motorsport-Veranstaltungen machen konnte: Der Trend geht zu Eintages-Veranstaltungen. Wenn der Veranstalter sie nicht entsprechend ausrichtet, werden sie von den Besuchern dazu gemacht.
Es gab übrigens für den Hauptverkehrsstrom über die B 258 keine Einbahnstraßenregelung, wie ich am Samstagabend schon im Internet lesen konnte, wo auch von Staus auf der Rückreise berichtet wurde. - Am Samstagabend. - Es gab übrigens auch bei meiner Anreise keinen Stau, obwohl der zur Hauptanreisezeit der Zuschauer über die B 258 erfolgte.
Viele der Zuschauer waren eingeladen, nutzten das schöne Wetter in der Eifel so zu einem ruhigen Familienausflug. Und ich erlebte eine so nette Szene wie: „Entschuldigung, ich bin zwar von AMG eingeladen, bin aber eigentlich BMW-Fahrer. Dürfte ich vielleicht bei Ihnen...?“ - Der Mann kam so auf einer BMW-Veranstaltung unter.
BMW feierte am Ring 40 Jahre „M“. Und BMW gewann auch hier am Ring. Dazu belegte man auch noch Platz drei. - Bei BMW war man hochzufrieden.
Mir wurde jedoch beim bewussten Wahrnehmen so vieler Details deutlich, wie eindeutig sich inzwischen der Motorsport in Richtung Marketing verändert hat.
Dort sind auch die großen Etats verfügbar, die man heute braucht, um z.B. bei der DTM mitzuspielen.
Mir fällt es nicht schwer, mal rund 50 Jahre zurück zu blicken, einen Vergleich zum Tourenwagensport damals zu ziehen. Damals war es noch Tourenwagensport und BMW betrieb ihn, weil dieser Sport eine kostengünstigere Werbung darstellte, als in Anzeigen mit hohlen Worten in Zeitungen und Zeitschriften Gemeinplätze zu platzieren. Heute ist der so genannte „Tourenwagen“-Sport hohl und – laut geworden. - Damit Kritik übertönt wird?
Mein (jüngerer) Bruder Hubert war „damals“ nicht nur BMW-Werksfahrer, sondern wurde z.B. auch Tourenwagen-Europameister auf BMW. Seine Einsätze verliefen etwa so, wie ich am Beispiel eines Rennens in Budapest darstellen möchte.
Renn-Tourenwagen waren „damals“ straßenzugelassene Fahrzeuge, trugen ein Nummernschild, waren im normalen Straßenverkehr zu fahren. So ein Renn-BMW der „Neuen Klasse“ hatte damals um 160 PS. Damit umrundete dann mein Bruder die Nürburgring-Nordschleife (einschl. dem Start- und Zielbereich mit Süd- und Nordkurve) erstmals unter 10 Minuten.
Budapest erreichte mein Bruder mit dem Flugzeug von Düsseldorf aus. In München hatten sich vorher zwei Monteure mit dem Rennfahrzeug in Richtung Budapest in Bewegung gesetzt. Da war dann ein Beifahrersitz montiert und im hinteren Bereich waren die Rennräder und das Werkzeug untergebracht. - Dass das Fahrzeug unfallfrei in Budapest ankam, wurde als selbstverständlich vorausgesetzt.
Das Fahrzeug wurde dann auf die Rennreifen gestellt, der Beifahrersitz ausgebaut und mein Bruder fuhr Training und Rennen. Und er siegte häufig.
Dann rüstete man das Fahrzeug wieder – mit anderen Rädern und Beifahrersitz – wieder zurück und mein Bruder flog nach Hause. Wenn das Motorsport mit Tourenwagen war, was ist das denn heute? - Oder sind wir vielleicht mit DTM-Fahrzeugen im Straßenverkehr unterwegs und ich habe es noch nicht gemerkt?
Die andere Seite des „modernen“ Tourenwagen-Sports, der nur noch aus Marketinggründen den Namen trägt, aber längst keiner mehr ist: Die Lautstärke. Wahrscheinlich ein Symbol für Kraft. Wie es auch heute noch Chefs geben soll, die als Beispiel für die These gelten könnten: Wer am lautesten schreit hat Recht.
Ein einzelnes DTM-Fahrzeug bei der Vorbeifahrt (ohne reflektierenden Hintergrund) gemessen zeigt auf einem Phonmessgerät so um 100 dB(A) an. Als am Freitagmorgen z.B. das 1. Freie Training auf dem GP-Kurs (Kurzanbindung) lief, da wurden in Quiddelbach auf dem Freisitz einer Familie dort 70 db(A) gemessen.
Ich hatte morgens um 9:00 Uhr im Garten meines Hauses in Virneburg gesessen, als in kurzen Abständen der Ort von drei Verkehrsflugzeugen überflogen wurde. Es war nur ein leises Rauschen zu vernehmen. Immerhin waren die Flugzeuge auch mehr als 11 Kilometer über mir und das Phon-Messgerät registrierte noch nicht einmal 50 dB(A).
Nun liegt Quiddelbach auch nur etwa 2,5 Kilometer Luftlinie vom GP-Kurs entfernt. Aber die Bewohner dieses von der Nordschleife umgebenen Ortes fragen sich schon, ob es Tourenwagen-Rennen im Jahre 2012 geben sollte, die solchen Lärm verursachen und bezeichnenderweise von den gleichen Firmen betrieben werden, die – weil es gerade gefragt ist – auch „Nachhaltigkeit“ für ihre Handlungen und Produkte in Anspruch nehmen.
Ich habe in den 80er-Jahren mal eine Geschichte über die Lärmentwicklung von Formel 1-Fahrzeugen auf dem Nürburgring Grand-Prix-Kurs eine Geschichte geschrieben, die aber damals niemanden interessiert hat. Vor Wochen habe ich etwas über das „sinnvolle“ Reglement bei der VLN geschrieben und viele Kommentare zum Thema Lärm erhalten. In meiner Geschichte war aber kein Wort davon zu lesen. - Die Zeiten ändern sich, die Sensibilität der Leute für gewisse Themen auch. Nur die Mehrzahl der Sportfunktionäre und Marketing-Spezialisten scheinen unbeeindruckt.
Übrigens: Am gleichen Wochenende gab es in der Lausitz (Korrektur 11:40 Uhr) eine RCN-Veranstaltung, die dem Breitensport zugerechnet wird. Es gab dort um 70 Starter. Damit wird der Veranstalter dann bei den derzeit kaufmännisch großzügig kalkulierten Streckenmieten und Nebenkosten einen Verlust von – geschätzt – 20.000 Euro gemacht haben.
Dabei ist eigentlich nicht der Motorsport krank, sondern das Denken und Handeln der Leute, die die Richtung im Motorsport mit bestimmen. - Die sitzen übrigens auch in den Marketingabteilungen der Hersteller, aus denen auch einer der aktuellen Branchen-Propheten unserer Zeit kommt: Prof. Dudenhöffer.
Ich habe ihn in unterschiedlichen Marketing- und Vertriebs-Positionen bei Opel, Porsche und Peugeot in Erinnerung. Er ist auch einer der Mitbegründer von „CAR – Center of Automotive Research“ in Gelsenkirchen. Ein toller Marketing-Spezialist, der schon in den 80er Jahren den Porsche-Außendienst mit seinem Untersuchungsergebnis über die Einkommensverhältnisse eines Porsche 964-Käufers zu beeindrucken wusste. Nach seinen Ermittlungen verfügte der über ein mittleres Monatseinkommen von netto 15.000 DM. (Ich hatte hier netto mit brutto verwechselt.)
Jedenfalls sind seine Ergebnisse immer so, dass man damit Nicht-Fachleute sehr beeindrucken kann. Darum wird er auch gerne in der Boulevard-Presse zitiert. Aktuell hat er gerade ermittelt, wieviel Euro die Automobilhersteller pro Auto verdienen, bzw. dazu tun. - Es könnte sein, dass sich die Herstellerfirmen heute in der Hand von 964-Besitzern befinden.
Wem das dient, was das soll? - Keine Ahnung. - Aber es ist mal wieder eine tolle Untersuchung. Und bei dem vorhandenen wissenschaftlichen Hintergrund... -
Ich habe dagegen in dieser Geschichte nur von dem gesprochen, was ich in der Realität erlebt habe. Und was ich davon halte.
Werten Sie es also bitte entsprechend.
Fortsetzung folgt!
Wilhelm Hahne
PS: Die e-book-Versionen meines Nürburgring-Buches (s. die Anmerkungen rechts) sind auch gerade an diesem Wochenende fertig geworden und ab sofort zu beziehen. (s. Sonderseite)
25 Kommentare
RCN
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RCN/GLP
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RCN und Lausitz
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Lärm
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bis zu 120.000 Tribünenplätze allein an der Grand-Prix-Strecke
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Flugzeuge/ DTM
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Flugzeug- und DTM-Lärm unkommentiert
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Hallo Herr Hahne,
Gespeichert von Tobias Trapp am
Danke für die aufschlußreichen Photos!
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90000 Besucher
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viel Lärm um wenig
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Zum Fahrzeugdesign: schaut man sich die Wägelchen an,...
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Natürlich wäre es der bessere
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Weltmeister im negieren
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schwarz / weiss @KHM
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Gesamtlärmsituation
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Champus pur
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Tribüne 13
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ein Schelm
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to whom it may concern.
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Schalldruckpegelrechnung
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Lärm am Ring...
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Den Ring gibt es seit 1927.
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damals...
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nach Düsseldorf?
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