Gespeichert von wh am
Ich bin erfreut, das sich einige Leser aufgerafft haben, mir mal ihre Meinung zu sagen. Was ich da zu hören bekam entspricht sehr oft der Meinung, die auch meine Kollegen vertreten. Man habe sachlich zu berichten, sich jeden Kommentars – und sei es durch einen Vergleich - zu enthalten. Nach meiner Einschätzung ist das auf bestimmten Gebieten weltfremd. Ich arbeite seit Jahrzehnten als Motor-Journalist, also auf einem relativ kleinen Spezialgebiet, wenn man das mal mit dem der Kollegen aus dem Ressort „Wirtschaft“ vergleicht. Kann man auf all' den dort abgehandelten Gebieten „Fachmann“ sein? - So wird auch deren Darstellung auf „meinem Gebiet“ von mir akzeptiert, selbst wenn sie – nach meinem Wissen - in Details unrichtig ist. Natürlich ist es nicht falsch, dass alle Welt aufschreit, wenn ein Konzern mit 600.000 Arbeitsplätzen durch einen Betrugsversuch – von wem auch immer – in seiner Wirtschaftlichkeit gefährdet ist. - Aber waren bei allen Entscheidungen – in diesem nicht staatsfernen Betrieb (!) - nicht auch ein Ministerpräsident und Gewerkschaftler eingebunden? - Nun wird nach den Schuldigen gesucht, die zuließen, dass 11 Millionen Automobile das Werk verließen, die nicht den Zulassungsbestimmungen (im Moment spricht man vornehmlich von denen in Amerika) entsprachen. Man könnte davon sprechen, dass sich die Volkswagen-Verantwortlichen die Straßenzulassung einer bestimmten Gruppe von Fahrzeugen erschlichen haben, um den Absatz sicher zu stellen. - Damit sich diese Geschichte von Darstellungen im Wirtschaftsteil der Tageszeitungen ein wenig unterscheidet – und auch um interessierte Fragen meiner Leser zu beantworten – gibt’s dann hier den...
„Nachschlag“ zu dem „LL“ von gestern
Damit Sie, lieber Leser, die sie vielleicht erst seit relativ kurzer Zeit auf diese Seiten zugreifen auch wissen, was ich in dem Moment geschrieben habe, als Ferdinand Piech vor einigen Monaten den Aufsichtsratsvorsitz niederlegte und viele Manager – zu viele (!) - geradezu erleichtert wirkten, der sollte noch mal meine Geschichte vom 26. April 2015 lesen. Der Titel:
(Wenn Sie auf den Titel klicken, sind Sie schon da.)
Auch das war zu dem Zeitpunkt für einige Leser unverständlich. Ich konnte damals natürlich noch keine Zusammenhänge zu heute herstellen, aber nachdem ich Ferdinand Piech über Jahrzehnte (!) bei seinen Entscheidungen – und deren Auswirkungen – beobachtet habe, war ich auch hier in meiner Einschätzung relativ sicher, zumal ich immer versuche, in Zusammenhängen zu denken.
Es ist im aktuellen Fall traurig, wenn ich – s. Titel – mit meiner Einschätzung recht behalte.
Natürlich mache ich auch Fehler, aus denen ich aber nur lernen kann, wenn ich vorher eine klare Meinung, auf der Basis von erlebten Fakten geäußert habe. - Die Fälle sind selten: Aber dann muss ich meine Meinung überprüfen, evtl. korrigieren. - Dabei bricht mir kein Zacken aus der Krone!
Gerade im Moment ruft mich ein Leser an, dass ich in meinem „Lieben Leser“ von gestern zwei- von viermal den Namen Osterloh falsch geschrieben habe. Bei mir war „Osterkorn“ daraus geworden, was ich dann sogar beim mehrmaligen Korrekturlesen übersehen habe. - Ich habe es sofort geändert!
Andere Leser hatten mir vorher die Frage gestellt, warum dieser Betrugsversuch von VW erst so spät auffallen konnte. Elf Millionen Fahrzeugauslieferungen lang blieb sie unentdeckt.
Beim Diesel sind die NOx-Werte besonders ungünstig. Die werden aber nur bei der Basisabnahme für das Kraftfahrtbundesamt gemessen. Bei späteren TÜV-Prüfungen – um in Deutschland zu bleiben – dann aber nicht mehr. Es wird entsprechend den neuesten Vorschriften (ASU) dann noch nicht einmal mehr der CO2-Ausstoß gemessen, sondern nur die Werte aus dem Fehlerspeicher ausgelesen.
Es sei denn, dass der Fehlerspeicher leer ist, weil der Fahrzeughalter z.B. den Wagen zur TÜV-Abnahme einer Werkstatt überlassen hat, um vorher das Fahrzeug einer Durchsicht unterziehen zu lassen. Der „Fehlerspeicher“ zeigt aber erst neue Werte nach einer Fahrstrecke von wenigstens 50 Kilometer nach der letzten Löschung an. Und da kein Meister nach einer Durchsicht eine Probefahrt von mehr als 50 Kilometer unternimmt, muss der Prüfer dann eine CO2-Prüfung vornehmen.
Aber selbst dann wird der NOx-Ausstoss nicht gemessen.
In Amerika sind die Umweltschutzbestimmungen wesentlich schärfer als in unserem Land. Während bei uns z.B. der Schadstoffausstoss bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h gemessen werden, misst man in den USA bis zur tatsächlichen Höchstgeschwindigkeit.
Das ist übrigens auch der Grund, warum die großen, mächtigen SUV – mit großer Stirnfläche – nach unserer europäischen Messmethode relativ gut aussehen. - Ein gewolltes Vorgaukeln von tatsächlich nicht vorhandener Umweltfreundlichkeit? - Da die Stirnfläche eines SUV meist gewaltig ist und bei Top-Speed den Verbrauch maximiert... - (SUV-Besitzer können versuchen, diesen Satz zu vollenden.)
In Amerika war es übrigens nicht die Umweltschutzbehörde, die den betrügerischen Machenschaften von VW auf die Spur kam, sondern es war ein privater Verein, der eigentlich – und das ist mal wieder ein Treppenwitz der Geschichte – eine Kampagne für den Diesel in Amerika starten wollte.
Der Verein wollte aber sicher sein und hat den Schadstoffausstoss z.B. der VW-Diesel-Modelle auch im Fahrbetrieb – nicht nur „auf der Rolle“ - gemessen, sondern auch die Messgeräte im normalen Fahrbetrieb mitgeführt. Da ist dann die zu große Differenz aufgefallen und man hat das der Umweltschutzbehörde gemeldet.
Bedeutend beim Dieselmotor ist der Anteil der Stickstoffoxide (NOx) bei der Verbrennung. Die tragen zur Feinstaubbelastung bei und sind u.a. für die sommerliche Ozonbildung verantwortlich. In Deutschland wird dieser Wert in den Städten gemessen und überwacht und sollte im Jahresmittel die Grenze von 40 µg/m³ nicht überschreiten.
In Wolfsburg wurden übrigens 2014 im Jahresmittel (in der Heßlinger Straße) 39 µg/m³ gemessen. Zum Schutz der Vegetation wird aber schon ein Überschreiten von 30 µg/m³ als kritisch empfunden.
Für die Erteilung einer ABE (Allgemeinen Betriebserlaubnis) werden übrigens nicht nur bei den Neufahrzeugen Schadstoffmessungen im Abgas – nach einem gewissen Prüfzyklus – vorgenommen, sondern es ist auch eine Nachprüfung nach einer Fahrtstrecke von 80.000 Kilometern vorgeschrieben.
Aber es gibt auch eine – nennen wir sie – Umgehungsregelung. Wenn die Schadstoffwerte bei der Erstprüfung um 50 Prozent niedriger gemessen werden, als gesetzlich vorgeschrieben, entfällt die Nachprüfung bei 80.000 Kilometer.
Motor-KRITIK ist z.B. ein Hersteller bekannt, der sich so seit Jahren „im Rahmen der Gesetze bewegt“.
Ich persönlich bringe das „auf Distanz gehen“ zu VW-Chef Winterkorn durch Ferdinand Piech schon in Verbindung mit der Aufdeckung dieses Falles von „Umweltkriminalität“ bei VW, denn offiziell müsste man in Wolfsburg auf einer gewissen Manager-Ebene schon vor Mai 2014 mehr als eine Ahnung gehabt haben.
Vielleicht wollte man einfach nicht wahrhaben, was inzwischen zu einer Tatsache geworden ist:
- VW gefährdet mit dieser Art von Betrug das Ansehen der gesamten deutschen Automobilindustrie.
- VW gefährdet in eigenen Werken, aber auch bei der Konkurrenz und den Zulieferern Arbeitsplätze.
- VW zerstört die Träume von VW-Aktienbesitzern von interessanten Gewinnen in der Zukunft.
- VW hat weltweit um 11 Millionen Käufer seiner Automobile praktisch betrogen.
Dr. Martin Winterkorn ist – ganz gleich wie irgendwelche Gutachten ausfallen – in seiner jetzigen Position nicht mehr haltbar!
„VW ist der Verlierer!“
MK/Wilhelm Hahne
PS: Gerade, Minuten vor der Einstellung dieser Geschichte ins Internet, kommt die Eilmeldung: „Martin Winterkorn tritt als Konzernchef von Volkswagen zurück.“ - O-Ton Winterkorn: „Ich tue dies im Interesse des Unternehmens, obwohl ich mir keines Fehlverhaltens bewusst bin.“ - Kein Kommentar!
1 Kommentar
Schon
Gespeichert von jochen_seelig_a... am