„Goldesel“: Touri-Fahrten Nordschleife!

Die Touristenfahrten am Nürburgring können begeistern. Sie können auch abschrecken. Würde man das unter den Teppich gekehrte Insider-Wissen zu diesem Thema kennen, würden das sicherlich erschrecken lassen. Motor-KRITIK hat sich nicht erst seit Gestern um Hintergründe zu diesem Thema bemüht, hat z.B. auch schon die Frage zu klären versucht: Was ist denn die Nordschleife eigentlich? - Eine Privatstraße oder eine Öffentliche Straße? - Da gibt es dann – abhängig davon wen man fragt – auch unterschiedliche Antworten. Nach einer Auskunft des Innenministeriums ist es eine Privatstraße, von der der russische Besitzer, bzw. die bisherige Firma CNG behauptet, dass die Nordschleife im Falle der Touristenfahrten als Öffentliche Straße gilt. - Dort gilt auch die Straßenverkehrsordnung! - Sagt die CNG. - Aber es gibt eine Menge Fakten, die sowohl die eine, wie die andere These in Frage stellen könnten. Die Polizei ist unabhängig von diesen leider bisher ungeklärten Fragen der Meinung, dass sie mit der Unfallaufnahme auf der Nordschleife – allerdings nur bei Unfällen mit Personenschäden – ihre Pflicht gegenüber dem Bürger und der Öffentlichkeit erfüllt. Für die CNG ist das eine kostenlose Leistung, obwohl die Dienststelle in Adenau mit dieser Aufgabe allein 10 Prozent ihrer Arbeitskraft - über‘s Jahr gerechnet – bindet. - Der jetzige – russische - Besitzer versucht mit den Touristenfahrten möglichst hohe Gewinne zu realisieren, was auch mit Hilfe der für sie kostenlosen Polizeiarbeit möglich ist. So kann man bei den Personalkosten durch weniger fest angestellte Sicherheitskräfte sparen. - Und Motor-KRITIK kann feststellen:

„Goldesel“: Touri-Fahrten Nordschleife!

 

Als Kind habe ich das Märchen der Brüder Grimm, „Tischchen deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack“, sehr gerne gelesen. Inzwischen weiß ich, dass dieses Märchen auch in Russland gerne gelesen wird. Dort lügt die Ziege halt auf Russisch, aber der „Goldesel“ speit auch dort Goldstücke. Man muss nur „Bricklebrit!“ sagen. - Auf Russisch natürlich!

 

Moderne Russen in Deutschland sagen „Nordschleife“, denn sie sind keine Esel, beschäftigen aber gerne Ziegen die lügen, aber sonst nicht meckern. Mit der Nürburgring-Nordschleife haben sie nicht nur deutsches Kulturgut mit Tradition und gutem Namen preisgünstig erworben, sondern praktisch ein „Tischlein deck‘ dich“ übernommen. - Und sie tun alles, um ihre Gewinne aus den Touristenfahrten ins Märchenhafte zu steigern.

 

Da gibt es nicht nur Preiserhöhungen allgemein, sondern da wird auch nach Wochentagen und Wochenende schon bei den Preisen ein kleiner Unterschied von fünf Euro gemacht. Würde man einen Blick in deren Bücher werfen dürfen, würde man allerdings überrascht feststellen, dass die Einnahmen aus Touristenfahrten in den letzten Jahren trotz der Preiserhöhungen nicht gestiegen sind, sich auf gleichem – oder ähnlichem – Niveau bewegen.

 

Aber sie haben sich schon auf hohem Niveau - einem sehr hohen Niveau - eingependelt.

 

  • Sie machen inzwischen Zweidrittel bis Dreiviertel der Gesamteinnahmen aus!

 

Und beinhalten eine riesige Gewinnmarge, wenn man diese Touristenfahrten als "Profit-Center" für sich betrachtet! - Um 90 Prozent! - Und es gibt noch Steigerungs-Potential!

 

Manchmal stören – und belasten - auch kleine Pannen durch Einführung eines neuen Systems beim Verkauf. Wobei das alte Kartensystem – nicht zuletzt aus kaufmännischen Gründen – erhalten blieb. Es musste aber intern mit dem neuen, digitalen System zusammen geführt werden, was in der ersten Zeit nach der Einführung, schon mal Probleme verursachte.

 

Da wurden an Feiertagen von den Mehrrunden-Karten z.B. statt 30 Euro pro Runde nur 25 Euro abgebucht, mal wurde auch garnichts auf der Karte abgebucht. - Nachdem man das gemerkt hatte, hat man den/die Fehler schnell beseitigt und die Geschäftsführung entschied, dass den Fahrern, soweit sie bekannt waren, die Differenz nachbelastet werden sollte. - Das hat dann schon mal Ärger gegeben, der – per Saldo betrachtet – auch Auswirkungen haben wird. - Nicht alle Nürburgring-Fans finden das lustig.

 

Aber schon diese Entscheidung – wie die o.g. der Geschäftsleitung - zeigt, dass der jetzige Besitzer seine Kunden nicht zu pflegen, sondern sie auszunehmen sucht. Inzwischen kostet z.B. eine Jahreskarte 1.900 Euro.

 

Ich habe dafür Ende der 70er Jahre noch unter 400 DM bezahlt. - Intern argumentiert man den aktuellen drastisch hohen Preis damit, dass nach eigenen statistischen Erhebungen der Besitzer einer Jahreskarte durchschnittlich im Jahr 75 Runden fährt. Und viele davon am Wochenende, an dem er eigentlich 30 Euro zahlen müsste. Damit – so denkt man in Nürburg – sei der Preis mit 1.900 Euro immer noch ein „Schnäppchenpreis“ und man denkt über eine Erhölung nach. - Kein Scherz!

 

Nach der jetzigen Rechnung 75 Runden x 25 Euro (= 1.875,-- Euro) zahlt der Kunde praktisch nur 25 Euro mehr für die – so sagt man – vielen Runden, die ihn am Wochenende 30 Euro gekostet hätten. Und Feiertags-Runden sind natürlich auch 30-Euro-Runden. - Da man intern überwiegend von Ja-Sagern umgeben ist, ist man in der Geschäftsleitung davon überzeugt, dass die eigene Rechnung die überzeugende ist. - Fragt sich nur: Für wen?

 

Motor-KRITIK-Leser gehören sicherlich nicht zu den Dummen im Lande. Eine kleine Umfrage, die ich hier noch einmal in einer grafischen Darstellung veröffentliche, die auch nur knapp 600 Teilnehmer bis zu diesem Zeitpunkt hatte, lassen für die Zukunft nicht unbedingt Wachstumsraten erwarten.

 

74 Prozent derer, die ihre Stimme abgaben fahren keine Runden auf der Nordschleife, weil ihnen das zu teuer ist! - Das wäre also das Reservoar, aus dem die CNG – demnächst dann die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG – Zuwächse aquirieren müsste. - Aber mit welchen Aktionen?

Man sollte nicht vergessen, dass Nürburgringrunden teure Runden sind, die auf‘s Material gehen. Gerade darum führt die Industrie auf dieser Strecke ihre Tests mit Neuentwicklungen durch, weil die Beanspruchung auf der Nordschleife gegenüber der auf einer normalen Landstraße wenigstens mit dem Faktor 10 zu versehen ist.

 

Während die Fahrten auf der Nordschleife wenigstens noch Fahrspaß vermitteln, sind Umrundungen der Grand-Prix-Strecke geradezu eine Bestrafung von Fahrer und Material. Wer beide Strecken kennt weiß, dass eigentlich auf dem Grand-Prix-Kurs eine andere Fahrwerkeinstellung als auf der Nordschleife erforderlich wäre. Die Nordschleife hat Landstraßen-Charakter, der Grand-Prix-Kurs ist eine Tilke-Rennstrecke. - Das ist die klare Wertung von Motor-KRITIK. - Meine Leser mögen da ihre eigene Wertung vornehmen.

 

Alle Fahrer, die jemals das 24-Stunden-Rennen auf dem „Gesamtkurs“ gefahren sind, werden mit mir einer Meinung sein, dass man als Fahrer bei jeder Runde froh war (ist), wenn man die Nordschleife erreicht hatte und den Grand-Prix-Kurs verlassen konnte.

 

So nebenbei, weil Alonso von der Rennstrecke im belgischen Spa als „beste Rennstrecke der Welt“ schwärmt: Da ich beide, die Nordschleife und Spa von 24h-Rennen her kenne, selbst erlebt habe: Spa ist eine fordernde, die anstrengendere Strecke. - Die Nordschleife ist „lustvoller“!

 

Es gibt natürlich am Nürburgring – auf der Nordschleife – mehr Möglichkeiten, sein Auto zu zerstören. Immerhin ist dieser Kurs – im Touristenverkehr – drei Mal so lang als Spa. Und da gibt es dann für einen Crash bei den Touristenfahrten mehr Möglichkeiten pro Runde.

 

  • Die Polizei hat in ihrer Nordschleifen-Unfallstatistik für das Kalenderjahr 2016 exakt 81 Unfälle gezählt.

 

Dabei handelt es sich allerdings nur um Unfälle mit Personenschäden. Die Unfälle, bei denen nur „laufende Meter Leitplanken“ beschädigt und das missbrauchte Automobil evtl. zum Totalschaden wurde, die wurden polizeilich nicht erfasst.

 

Aber die CNG – demnächst: Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG – führt eine interne Statistik, in der man im Durchschnitt – pro Jahr – auf rd. die zehnfache Zahl der von der Polizei registrierten Unfälle kommt. - Tatsächlich sind nur 10 Prozent aller Unfälle auf der Nordschleife solche mit Personenschaden.

 

Da gibt es solche, bei denen sich das Auto zerlegt, aber niemand verletzt wird. Andere verlaufen optisch unspektakulär, hinerlassen aber bei den Insassen bedeutende Schäden. Die werden von der Polizei zwar erfasst und das Verschulden jeweils geklärt, aber die Polizei ist nicht verpflichtet, jeden Unfall öffentlich zu vermelden.

 

Da gab es am 31. August 2017 z.B. einen schweren Unfall am Ausgang der „Fuchsröhre“, zu dem nach meinen Informationen auch die Polizei hinzu gerufen wurde. Aber Motor-KRITIK hat danach weder unter den Pressemeldungen der Polizei, noch in der Lokalzeitung oder Anzeigenblättchen irgendeinen Hinweis auf diesen Unfall gefunden.

 

Es musste ein schwerer Unfall gewesen sein, weil die Feuerwehr von Nürburg hinzu gerufen wurde und auch der Hubschrauber im Einsatz war. Aber der Nürburger Wehrführer ist Mitarbeiter der CNG und darum für mich nicht unbedingt der richtige Ansprechpartner und die Internetseite der Feuerwehr, auf der dieser Einsatz verzeichnet sein müsste, wird wahrscheinlich erst dann aktualisiert, wenn niemand mehr an diesen Unfall denkt.

 

Auch die Polizei in Adenau konnte bisher noch nicht die Halbjahres-Unfallstatistik 2017 – bezogen auf den Nürburgring – fertigstellen. Aber wenn auch bezogen auf die hohe Zahl der Nordschleifen-Unfälle relativ wenig passiert, so muss Motor-KRITIK hier feststellen:

 

  • Im Kalenderjahr 2016 gab es bei Unfällen auf der Nürburgring-Nordschleife 2 Tote, 18 Schwerverletzte und 43 leicht verletzte Personen.

  • Für das 1. Haljahr 2017 darf ich – ohne die Gesamtunfallzahlen zu kennen – feststellen, dass in dieser Zeit auch schon wieder mehrere Tote zu beklagen sind.

 

Bei dem Unfall am 31. August 2017, der sich – soweit ich das aufgrund der mir bekannt gewordenen Umstände bewerten konnte – als besonders schwer darstellte, hat es dann „nur“ zwei Leichtverletzte und ein total zerstörtes Automobil gegeben.

 

Es ist mir gelungen an Fotomaterial von diesem Unfall zu kommen, mit dem eindrucksvoll belegt werden kann, dass hier ungeheure Kräfte gewirkt haben. Das Fahrzeug hat eine dreistöckige Leitplanke überflogen und ist in eine Böschung eingeschlagen. Fahrer und Beifahrer wurden eingeklemmt, so dass die Feuerwehr Nürburg das Dach des Fahrzeuges abschneiden musste, bevor die – zum Glück – leichter Verletzten in ein Koblenzer Krankenhaus geflogen werden konnten.

 

Einer der Fahrzeug-Insassen hat – soweit ich das feststellen konnte – eine schwere Gehirnerschütterung erlitten und er kann sich in seinem derzeitigen Zustand an keine Phase des Unfalls erinnern.

 

Nach diesem Unfall hat es natürlich inzwischen viele weitere Unfälle auf der Nordschleife gegeben. Nicht nur bei Touristenfahrten, sondern auch in den letzten Industriewochen. Aber die Testfahrer wissen, dass sie beim Testen auf der Nordschleife ein hohes Risiko eingehen. Denn die hier eingesetzten Prototypen sind nicht immer perfekt. Damit sie perfekt werden, sind diese Leute dann sozusagen im Dienst am Kunden auf der Nordschleife unterwegs.

 

Und wenn Sie – als Zuschauer an der Strecke stehend – manchmal meinen, dass dieser oder jener Tester auch nicht gerade ein guter Autofahrer zu sein scheint, dann sollten Sie berücksichtigen, dass diese Leute z.T. ein bestimmtes Programm zur Prüfung z.B. einer elektronischen Einheit, wie dem ESP, fahren müssen. Da fährt man dann nicht unbedingt so, dass das gekonnt wirkt. Da muss sich der Testfahrer in die Rolle eines unerfahrenen und dummen Autofahrers versetzen.

 

Auch bei den Track-Days geht es auf der Nordschleife kräftig zur Sache. Am Montag dieser Woche gab es gerade wieder eine solche Veranstaltung mit 120 Teilnehmern. So weit ich das feststellen konnte, musste nach Unfällen an diesem Tag die Strecke zwei Mal gesperrt werden. Den Teilnehmern, die unterwegs waren, musste jeweils am frühen Vormittag und am Nachmittag die „Rote Flagge“ gezeigt werden. Außerdem gab es Reifenschäden und Ölverluste, die ein Abstreuen und Einsatz der Kehrmaschine erforderte.

 

Das Befahren der Nordschleife – gerade während der Zeiten, die für Touristen reserviert sind – ist voller Tücken. Und die hohe Anzahl der gleichzeitig auf der Strecke befindlichen Fahrzeuge verringert nicht gerade das Unfallrisiko.

 

Wenn am Ende eines Industrie-Testtages z.B. noch für zwei Stunden die Nordschleife für den Touristenverkehr geöffnet wird, habe ich schon vom Streckenrand her, die Durchfahrt von fast 500 Fahrzeugen zählen können. Da ist dann – vergleichsweise – ein Fahren während der „Rushhour“ in der Kölner Innenstadt ungefährlicher. - Natürlich auch, weil es da langsamer zugeht!

 

Aber die Touristenfahrten auf der Nordschleife sind auch wie ein „Goldesel“ für den Besitzer.

 

Wenn der neue Besitzer der Rennstrecke sich ein wenig bescheidet, indem er sich um mehr Sicherheit bei den Touristenfahrten bemüht, muss er sicherlich auch nicht mit dem „Knüppel aus dem Sack“ rechnen.

 

Mit einem freundlichen „Bricklebrit“!

 

Wilhelm Hahne

 

Übrigens: Das umsatzträchtigste Feiertags-Wochenende für Touristenfahrten auf der Nordschleife ist seit Jahrzehnten das Pfingstwochenende. Ich habe „früher“ schon daneben gesessen, wenn im alten Start- und Zielhaus am Dienstagvormittag das Bargeld gezählt wurde. - Das machte dann der Vater des heutigen Wehrleiters von Nürburg und CNG-Mitarbeiter. „Damals“ war noch viel Hartgeld dabei. - Es wäre interessant zu wissen, wie „damals“ die Umsatzsteuerfrage beantwortet wurde. - (Motor-KRITIK informierte vor Wochen über die „moderne Methode“, die derzeit angewendet wird.)

 

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