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Am 8. September war hier unter „Aktuell“ zu lesen: „Gestern haben die EU-Kommission und die EU-Verbraucherschutzbehörde in einem Schreiben an den VW-Vorstandsvorsitzenden daran erinnert, dass sich VW gegenüber der EU-Behörde im Jahr 2016 verpflichtet hatte, alle vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge bis zum Herbst 2017 zu reparieren. Es gibt bei der EU Hinweise darauf, dass bis heute viele der betroffenen Fahrzeuge noch nicht repariert sind.“ - Was wird VW auf diesen Vorwurf aus Richtung Brüssel antworten? - Motor-KRITIK hat in Wolfsburg nachgefragt und gibt nachstehend nicht nur wieder, was auch die Basis der Antwort des VW-Vorstandsvorsitzenden Müller sein wird, die in diesen Tagen von Wolfsburg in Richtung Brüssel auf den Weg gebracht wird, sondern nachstehend ist auch zu lesen, wie erfahrene Rechtsanwälte die Situation der betrogenen Dieselfahrer einschätzen, deren Automobil aber nicht unbedingt den Namen VW tragen muss. Der Diesel-Skandal hat Kreise gezogen und die guten Namen weiterer Hersteller angekratzt. - Aber die breite Basis des Skandals, mit den meisten „betroffenen“ Diesel-Automobilen, ist nun mal das Volkswagenwerk in Wolfsburg.
Weckruf für betrogene VW-Diesel-Besitzer
Die Verbraucherverbände haben wohl die EU-Kommission in Brüssel „angestoßen“, die aber auch selbst das Verhalten des größten deutschen Automobilherstellers, des VW-Konzerns, insgesamt nicht gerade „gentlemanlike“ findet. Die Antwort des VW-Vorstandsvorsitzenden Müller auf die EU-Nachfrage wird aber wohl genauso unverbindlich und „nichtssagend“ sein, wie die bisherigen „Aktionen“ des Herstellers Volkswagen, der insgesamt „auf Zeit spielt“.
Vielleicht, weil man an das alte deutsche Sprichwort glaubt:
„Die Zeit heilt alle Wunden!“
In diesem Fall wohl – leider nicht. Denn von den nicht entschuldbaren, betrügerischen Aktionen, die man als kriminell empfinden kann, sind sicherlich per Saldo die vielen Mitarbeiter betroffen, die in der Mehrheit an ihrem Arbeitsplatz eine vorbildliche Arbeit leisten.
Die VW-Oberen können deswegen mit der Unterstützung aus den Reihen der Politiker – und der Bundesregierung insgesamt – rechnen, weil hier, würde man konsequent durchgreifen, auch Arbeitsplätze gefährdet wären. Da spielen dann alle mit: das Bundesverkehrsministerium, das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg; auch der TÜV, der Rücksicht auf einen „großen Kunden“ nimmt und sich in einem bekannt gewordenen Fall z.B. weigerte, einem von einem Gericht eingesetzten Gutachter im Fall eines geschädigten Diesel-Besitzers, die notwendigen Messgeräte zur Verfügung zu stellen. - Das Ergebnis hätte einem „guten Kunden“ schaden können!
Auch vor Gericht spielt VW „auf Zeit“. Da können im Normalfall die von der Betrugsaktion des Volkswagenwerks geschädigten Kunden nur den jeweiligen Händler verklagen, weil der ihr Vertragspartner beim Kauf war.
Motor-KRITIK möchte aus der Presseinformation einer Anwaltskanzlei zitieren, die bereits in einigen Verfahren zum Diesel-Skandal Erfahrungen durch das Verhalten der Gegenseite vor Gericht sammeln konnte. So ist da zu lesen:
„...Die im Abgasskandal führende Kanzlei Rogert & Ulbrich berichtete in ihrer Presseerklärung vom 28.06.2017, dass gleich in drei gerichtlichen Verfahren durch die beklagten Vertragshändler und durch die Volkswagen AG gegen stattgebende Urteile der Landgerichte keine Berufungen mehr eingelegt worden seien. Auf Nachfrage von verschiedenen Medienvertretern ließ die Volkswagen AG mitteilen, dass es sich um Einzelfälle handele und die Hürde der Klageerhebung aufrecht erhalten bleibe.
Nach nunmehr weiteren drei Monaten wurden in weiteren vier Berufungsverfahren vor den Oberlandesgerichten Hamm, Nürnberg und Celle wiederum eine Entscheidung durch das jeweilige Oberlandesgericht verhindert. Im Verfahren unseres Mandanten Kevin Kern, der noch erstinstanzlich vor dem Landgericht Bochum verloren hatte, wurde eine Woche vor dem Termin am Oberlandesgericht Hamm der Kaufpreis nebst Zinsen sowie die Kosten für das erworbene Zubehör des Fahrzeuges erstattet. Um auch eine summarische Entscheidung über einen prognostizierten Ausgang des Verfahrens im Rahmen der Kostenentscheidung durch den angerufenen Senat zu verhindern, zog es das Autohaus vor, die Kostenübernahme für die erste und zweite Instanz anzuerkennen.
Am 23.08.2017 sollte in einem anderen Berufungsverfahren der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Nürnberg stattfinden. Auch in diesem Verfahren wurde eine Woche vor dem Termin der gesamte Betrag in der Hauptsache bezahlt. Ebenso wie im vorbezeichneten Verfahren vor dem OLG Hamm hatte die Klägerin zunächst erstinstanzlich vor dem Landgericht Coburg verloren. Nun hat auch sie zu 100 Prozent das erhalten, was sie klageweise verlangt hatte. ...“
Wenn man diese Entwicklung kennt, weiß man auch, dass die EU-Kommission also in den nächsten Tagen auf ihre „Erinnerung“ mit einer Antwort des VW-Vorstandsvorsitzenden Müller rechnen kann, deren Inhalt mit hoher Wahrscheinlichkeit der Antwort entspricht, die Motor-KRITIK ganz aktuell aus Wolfsburg – bezogen auf das Schreiben der EU-Kommission – erhalten hat:
„Wir arbeiten konsequent an der Umsetzung des Abarbeitungsplanes, haben bislang alle selbstgesteckten Zwischenziele erreicht. Die Verbraucherverbände können sicher sein, dass wir auch in den nächsten Monaten mit Nachdruck dafür sorgen werden, dass die Zusagen aus dem Aktionsplan eingehalten werden. Wir haben in unserem Umsetzungsplan vorgesehen nach der Sommerpause nochmal die Kunden anzusprechen, die bisher nicht zum Softwareupdate in einer Werkstatt waren. Zu den Maßnahmen gehören auch bei Bedarf zusätzliche Informationskampagnen.
Die bisherige Beteiligung an den Servicemaßnahmen entwickelt sich sehr positiv. In Deutschland dürfte bis zum Ende des Monats die Beteiligung über 80% liegen. Ähnlich positiv ist das Bild in anderen europäischen Ländern. Wir haben noch einiges zu tun, werden die Ziele aber erreichen.“
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rogert, Partner der Düsseldorfer Anwalts-Sozietät, erläutert die Taktik des VW-Konzerns so:
"Bei der von der Volkswagen AG und ihres Händlerrings gefahrenen Taktik spielt es letztendlich keine Rolle, ob ein Verfahren erstinstanzlich gewonnen oder verloren wird, da bislang in jedem Verfahren vor einem Oberlandesgericht unsere Mandanten dennoch das bekamen, was sie eingeklagt hatten. Entweder wird durch die Volkswagen AG oder das Autohaus erst gar keine Berufung eingelegt oder es wird vor dem Termin gezahlt. Wer die Geduldsprobe übersteht, wird belohnt."
Wie aus Anwaltskreisen zu hören ist, kennt die Urteils-Verhinderungstaktik der Volkswagen AG noch andere Spielarten. So wird von der o.e. Anwaltskanzlei folgender Fall geschildert:
Durch das Oberlandesgericht Celle wurden für den 7.September 2017 zwei mündliche Verhandlungen in einem derartigen Berufungsverfahren anberaumt. In beiden Verfahren wären die deliktsrechtlichen Ansprüche der Kläger gegen die Volkswagen AG obergerichtlich geklärt worden.
„Offenbar wollte die Volkswagen AG keine oder jedenfalls noch keine Entscheidung", erklärt Rechtsanwalt Tobias Ulbrich, Partner der Düsseldorfer Kanzlei. Und fügt hinzu: "Bisher hätte sich in allen Verfahren gegen die Volkswagen AG die Kanzlei "Waschke Kuba Zimmermann" aus Wolfsburg bestellt und die Verfahren geführt. Dies war auch in den beiden Verfahren vor dem Oberlandesgericht Celle der Fall".
Eine Woche vor dem Termin sei nach Angaben des Senats das Mandat durch Rechtsanwalt Dr. Zimmermann niedergelegt worden. Der nunmehr neu bestellte Rechtsanwalt sei noch nicht eingearbeitet. Die neuen Termine sind darum nun auf den 30.11.2017 und 18.01.2018 festgelegt worden.
Prof. Dr. Rogert empfindet das als ein „merkwürdigen Ereignis“, für das er folgende Erklärung findet:
"Es handelt es sich um ein prozesstaktisches Spiel zur Verhinderung einer Entscheidung. Da die Wolfsburger Kanzlei hunderte Verfahren für die Volkswagen AG weiterhin fortführe und ausschließlich die Mandate in den beiden fraglichen Verfahren niedergelegt habe, entsteht für mich der Eindruck des Mißbrauchs zivilprozessualer Mittel. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in jedem der von unserer Kanzlei geführten Verfahren ein Rechtsanwalt der Kanzlei Freshfields als Rechtsbeistand teilnimmt, der in der Regel das Wort führt. Dies erweckt den Eindruck, dass die eigentliche Sachbearbeitung und die strategische Ausrichtung von Freshfields übernommen wird, während die anderen eingeschalteten Anwaltskanzleien als austauschbare Marionetten fungieren."
Bei allem was in dieser Sache von Seiten des Volkswagenwerks passiert, muss man den Eindruck haben, dass man versucht Zeit zu gewinnen. Darum versucht man auch zur Zeit immer noch „verbraucherfreundliche OLG-Entscheidungen zu verhindern“, wie von den Fachleuten der Düsseldorfer Anwaltskanzlei erklärt wird.
Und man kommt in Düsseldorf zu folgender Feststellung:
„Für die Millionen Geschädigten, darunter alleine 2,4 Mio. Fahrzeughalter in Deutschland bedeutet die Strategie der Volkswagen AG folgendes: Wer - egal ob auf eigene Kosten oder mit Rechtsschutzversicherer - klagt, gewinnt - spätestens in der Berufungsinstanz, resumiert Rechtsanwalt Prof. Dr. Rogert. Der insbesondere aus dem ZDF und n-tv bekannte Anwalt rät daher: "Das Momentum ist jetzt auf Seiten der Geschädigten. Wer bislang noch gezögert hat, der hat jetzt keinen Grund mehr. Abzuwarten, bis die Fahrverbote einsetzen oder die ersten Fahrzeuge stillgelegt werden sollen, macht keinen Sinn. Der Wertverlust galoppiert. Die Verfahren dauern durchschnittlich 1 Jahr. Wer nicht vorausschauend agiert, wird absehbar auf seinem Schaden sitzen bleiben.“
Motor-KRITIK möchte das unkommentiert so stehen lassen. Das Verhalten der Verantwortlichen der Volkswagen AG in Wolfsburg in den vielen Monaten seit der Feststellung, dass Mitarbeiter des Konzerns bewusst zum Betrug durch eine Software beigetragen haben, die den wahren Schadstoffausstoß von Diesel-Automobilen verschleierte, um die Verkaufszahlen zu erhöhen, spricht für sich.
Martin Winterkorn versuchte seinen Traum zu realisieren, „Chef“ des größten Automobilherstellers der Welt zu sein. Er hatte die Erfolge des Konzerns in den Jahren vorher dummerweise als seine Erfolge empfunden, nicht begriffen, dass er nur eine Vorstands-Marionette an den Fäden eines Ferdinand Piech war. - Er, Martin Winterkorn, ist eigentlich der offiziell Verantwortliche für den größten – fehlgeschlagenen – Betrugsversuch der Gegenwart. - Ohne verantwortlich zu sein! - Sagt er. - Inzwischen ist er zurückgetreten und wurde mit 3.000 Euro pro Tag (!) vom VW-Konzern „ruhig gestellt“.
Feine (Aktien-)Gesellschaft!
MK/Wilhelm Hahne
PS: Entgegen der immer wieder – auch aktuell in den Medien zu lesenden Darstellung, dass Ferdinand Piech an Martin Winterkorn gescheitert sei, bin ich der Meinung, dass Martin Winterkorn von Ferdinand Piech nicht nur richtig eingeschätzt, sondern von ihm auch die unter Aufsicht von Winterkorn begangenen „Fehlleistungen“ und deren Auswirkungen auf den Konzern richtig bewertet wurden. - Ohne „damals“ die Hintergründe zum Piech-Rücktritt wirklich kennen zu können, habe ich hier am 26. April 2015 eine Geschichte mit dem Titel, „Rücktritt Piech: VW ist der Verlierer!“ veröffentlicht. - Leider war der Schaden für VW noch größer, als man zu diesem Zeitpunkt annehmen konnte. - Ein Ferdinand Piech wusste eben immer mehr, als anderen Vorstands-Darstellern gut tat. - Er hatte wohl – bei dem für ihn vorhersehbaren Eklat - den Spaß am „Kindergarten VW“ verloren. - Irgendwann muss Schluss sein!