Das System Wankel schlechter als bisher gedacht?

Ist nicht eigentlich die kritische Betrachtung jeder Art von Verbrennungsmotor überflüssig, seit dem man bei der EU in Brüssel das Verbot einer Zulassung von Neu-Automobilen ab 2035 mit dieser Antriebsart ausgesprochen hat? - Sich daran zu orientieren wäre für einen Journalisten genau so schlimm, wie das eigentlich  auch für die derzeit gerne öffentlich verbreitete Meinung von Politikern und Firmenlenkern ist, die dann sicherlich - auch gerne – ab dem von der EU genannten Termin - zu den „Mitläufern“ gerechnet werden möchten. - Zumindest ich habe ähnliches im anderen Zusammenhang schon erlebt! - Ich meine: Es wäre dumm, das Kapitel Verbrennungsmotoren einfach abzuschließen und sich das Denken zu dem Thema verbieten zu lassen. - Auch bei der Industrie sollte man eigentlich anders handeln, als von einem „politischen Kindergarten“ vorgegeben! - Hier in Motor-KRITIK habe ich mit Hilfe von intelligenten Technikern vor 11 Jahren (!) eine Geschichte veröffentlicht, die den Titel trug, „Strom oder Benzin – eine Glaubensfrage?“. Die wurde bisher von mehr als 100.000 „Usern“ (sagt man heute wohl) zur Abrundung ihrer eigenen Meinung gelesen. Auch die heutige Geschichte soll eigentlich nur das Wissen meiner Leser ergänzen, um ihnen bei einer Meinungsbildung zu helfen. - Nach meiner Einschätzung ist der Verbrennungsmotor zwar nicht tot, aber ist der Wankelmotor wirklich ein Konkurrent für Otto- und Dieselmotor, sofern man sich weiter um deren Weiterentwicklung bemühen würde? - Dass ich beim Nachdenken über eine Antwort auch an den Wasserstoff denke, ist kein Zufall. Aber diese Frage lässt sich vielleicht leichter beantworten, wenn man die folgende Geschichte – eines Wissenschaftlers – gelesen hat, der nicht nur eine Schwäche bei der bekannten Version des Wankelmotors aufdeckt, sondern sie folgend auch auf diesen Seiten vorstellt. - Das lässt mich hier bei Motor-KRITIK die Frage stellen: Ist…

Das System Wankel schlechter als bisher gedacht?

Prolog: Ich persönlich kann auf viele Fahreindrücke mit Fahrzeugen zurück blicken, die mit einem Wankelmotor ausgerüstet waren. Natürlich habe ich schon einen Mazda mit Wankelmotor vor vielen Jahren ausgiebig bewegt, aber die meisten Fahreindrücke habe ich – soweit es den Wankelmotor betrifft – mit Zweirädern sammeln können. Da hat mir nicht nur der luftgekühlte Einscheiben-Wankelmotor in einer Herkules W 2000 wichtige Eindrücke – und Erlebnisse (!) - beschert, sondern ich war auch mit einer Suzuki-Wankel RE 5 oder einer Van Veen OCR 1000 unterwegs. Beeindruckt hat mich die Laufruhe und Liebe zum Detail, die dieses Super-Motorrad seinem Fahrer vermittelte. Das lag aber nicht nur an dem Zweischeiben-Wankel, der eigentlich mal für ein Citroen-Automobil konstruiert wurde, sondern auch an der dort verbauten ersten elektronischen Zündung (Hartig-Zündung) und an dem im Kardanantrieb verbauten homokinetischen Gelenk. - Aber alle Zwei- und Vierräder, die ich mit Wankelmotor bewegen durfte, habe ich – wenn es hoch kam – nur über wenige tausend Kilometer bewegt.

  • Nun kommt aktuell ein Wissenschaftler daher und weist auf einen „Pferdefuß“ beim Wankelmotor hin, den zumindest ich bisher nicht wahrgenommen hatte.

Natürlich kannte ich die Dichtleistenprobleme aus der Anfangszeit des Wankelmotors; ich habe auch die Schwächen eines luftgekühlten Wankelmotors kennen gelernt. Bei Fichtel & Sachs in Schweinfurt wurde ich deshalb unter der Bezeichnung „WZ“ (= Wankel-Zerstörer) geführt. Begeistert hat mich aber immer die Laufruhe eines Wankelmotors. - Über dessen „Säufer“-Eigenschaften soll hier nicht gesprochen werden.

Heute möchte ich meine Leser mit einer anderen Schwäche des ihnen bekannten Wankelmotors bekannt machen, die nachfolgend von dem Wissenschaftler Prof. Dr. Boris Schapiro, Berlin erklärt wird, der zu diesem Thema intensiv recherchiert und versucht hat die Frage zu klären:

  • Warum hat der Wankelmotor ein so – relativ – kurzes Leben?

Prof. Schapiro hat das Wort:

1. Akt: Einführung

Die klassischen Innenverbrennungsmotoren von Daimler-Benz und Peugeot haben eine erwartete Lebensdauer von über 2 Millionen normierte Laufkilometer. Die bisher bestgewonnenen normierten Laufkilometer der Wankel-Maschinen übersteigen die 150 Tausend normierter Laufkilometer von Mazda und BMW-Maschinen nicht.

Die Kurzlebigkeit des Wankelmotors wird vom Krümmungswechsel seiner Querschnittsgeometrie verursacht. Das ist die prinzipielle Folge der trochoidalen Geometrie mit dem Reuleaux-Dreieck.

2. Akt: Kurze Betrachtung

Schauen wir das typische Foto des Wankelmotors mit dem abgenommenen Seitendeckel an. Sehr gut sind die Querschnitte des Gehäuses und des Kolbens als Reuleaux-Dreieck und die gefederten Dichtungselemente sichtbar. Was in allen Firmenunterlagen nicht gezeigt wird, sind die Bruchstellen des Gehäuses, die weder repariert noch ersetzt werden können.

Der ehemalige Geschäftsführer der Wankel Rotary GmbH in Korb, Jürgen G. Bax, zeigte mir am Anfang des laufenden Jahrtausends freundlicherweise einige Wankel-Motoren in verschiedenen Stadien ihrer Schädigungen. Die irreparablen (oder nur zum unvernünftigen Preis reparablen) Schadstellen sahen immer wie drei bis vier zur Hauptdrehachse parallele Kerben am Gehäuse kurz nach der Einwölbung nach innen aus, wobei ihre Tiefen von der stärksten von mehreren Millimeter zur flachsten abnahmen. Da wurde mir klar, warum und wie das passiert.

3. Akt: Erklärung und die Antwort auf die Frage: Gibt es Alternativen?

Schauen wir nun die epitrochoidale Geometrie des Gehäuses ohne die unnötigen Details an.

Bemerkenswert ist hier, dass die Krümmung entlang der Trochoide das Vorzeichen wechselt. Von innen gesehen ist der Verlauf der Kontur an den meisten Stellen konkav und an wenigen konvex. Schauen wir das noch detaillierter an.

 

 

 

Es ist nicht schwer abzuschätzen: Bei der Drehgeschwindigkeit des Kolbens von 20 Tausend Umdrehungen pro Minute und dem Radius der Drehkurve des Dichtelements von 10 cm. schlägt die 20-g Dichtung auf die Innenseite des Korpusses ca. 330 mal pro Sekunde mit der Kraft von ca. 17.000 N. Zum Vergleich: Ein Holzfäller schlägt einmal mit der scharfen 3-kg Axt mit voller Wucht quer zur Holzfaser mit der Kraft von ca. 15.000N, womit er einen ca. ein Zentimeter tiefen Spalt erreicht.

Die Geometrie der Kammerkontur mit dem wechselnden Vorzeichen der Krümmung ist die fundamentale Ursache für die Kurzlebigkeit des Wankel-Motors.

 

 

Es existiert jedoch eine geometrische Alternative zur Wankel-Trochoide ohne Vorzeichen Wechsel der Krümmung im Arbeitskammer Querschnitt. Das ist die BARM-Geometrie, deren Kontur Felix Wankel sicherlich bekannt war.

(Eine sachlich notwendige Referenz: Das ist die BARM-Geometrie [Schapiro, B., BARM: Bi-Angular Rotation Machine, Sustainable Automotive Technologies 2012, pp 157–167, In: Subic, A., Wellnitz, J., Leary, M., Koopmans, L. (eds) Sustainable Automotive Technologies 2012. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-24145-1_21])

Da Felix Wankel sehr systematisch an die Entscheidungen und ihr Umfeld ging, muss er seriöse Gründe gehabt haben, um sich für die Geometrie mit Reuleaux-Dreieck und nicht für die Geometrie mit dem zweieckigen BARM-Kolben entschieden zu haben.

Ich denke, dass die Gründe für diese Entscheidung Wankels waren:   

  1. Die strategische Marktrelevanz, einen Durchbruch zuerst im Bereich der Antriebe zu erreichen.
  2. Die von Wankel gewählte Motoren-Geometrie mit dem Viertaktprozess benötigt keine Ventile, während die Ventiltechnik in den 20er und 30er Jahren des XX. Jahrhunderts tatsächlich noch in der Präzision und Langlebigkeit zu wünschen ließ und ein Kostenfaktor war sie auch.
  3. Dass die Gründe für die Kurzlebigkeit seiner Erfindung die prinzipielle Folge der Geometrie und nicht der Materialschwäche oder nicht ausreichender Ausführungspräzision war, wusste er nicht.
  4. Und den ästhetischen Faktor der Wankel-Maschinen darf man auch nicht außer Acht lassen: Sie sind beeindruckend schön!

Darauf kann man vermerken:

a) Die Langlebigkeit des BARMs als die Viertaktinnenverbrennungsmaschine folgt daraus, dass die zentrifugale Kraft nur in eine Richtung nach außen das Dichtungseffekt verstärkend wirkt.
b) Die BARM braucht Ventile als Viertaktmotor. Die Ventiltechnik ist inzwischen sehr gut und preiswert dazu.
c) Als Kompressor, Pumpe und Außenverbrennungsmaschine braucht auch BARM keine Ventile.
d) Und schön ist sie um keinen Deut weniger als die von Wankel.“

Epilog: Ich freue mich, mit diesem Beitrag des Herrn Prof. Dr. Schapiro hier in Motor-KRITIK mit dazu beizutragen, dass man sich – irgendwo - noch einmal mit dem System des Wankelmotors  beschäftigt. Die Arbeit dieses Berliner Wissenschaftlers war kein Solo. Sein Kollege Andrei Klimov und seine Enkel Arje Schapiro und Eliyahu Ch. Maetzschker waren ihm nicht nur eine Hilfe bei den Abbildungen, sondern waren ihm auch sonst Motivation. Ein besonderer Dank des Wissenschaftlers gilt jedoch Herrn Jürgen G Bax, dem ehemaligen Geschäftsführer der Wankel Rotary GmbH in Korb, der dem Autor dieser kritischen Wankel-Geschichte umfassend alle Informationen zur Verfügung stellte, die für die Darstellung hier in Motor-KRITIK erforderlich waren.

Ich persönlich freue mich, dass es noch Menschen gibt, die sich auch um Themen bemühen, die bei Anderen längst „durchs Raster gefallen“ sind. Auch meine Erlebnisse mit dem Wankelmotor, waren oftmals bestimmt von besonderen Menschen. - Wer erinnert sich noch, dass ein kleiner Wankelmotor auch einmal als Antrieb für eine Dolmar-Motorsäge diente?

Nur so – und ohne „Auftrag von oben“ – entstand auch einmal bei Fichtel & Sachs ein luftgekühlter Zweischeiben-Wankelmotor, der niemals in Serie ging, von dem auch nur wenige Menschen wissen und den ich mal – weil zufällig vor Ort – im grauen Anzug mit Krawatte, ohne Sturzhelm und Handschuhe, auf dem Werksgelände in Schweinfurt– in einem BMW-Fahrwerk verbaut - probefahren konnte.

  • Der Wankel-Motor hat – so lange es ihn gab – seine Betrachter immer in zwei Lager gespalten: Die, die ihn mochten und geradezu liebten und die, die eine ganz andere Meinung vertraten.

Ich erinnere mich z.B. an gerne an eine Zeit, in der ich privat Bergrennen fuhr und dort auf einen Mercedes-Ingenieur traf, der – auch privat – mit einem NSU-Wankel Spider dem Bergrennsport frönte. Bei Mercedes arbeitete er an der Entwicklung des Wankelmotors. - Er war ein Fan des Wankel-Systems! - Damals entstand bei Mercedes der C 111!

Auch Hendrik van Veen, ein ehemaliger holländischer Motorrad-Rennfahrer, war eigentlich ein Verrückter, der mit der Wankel-Van Veen OCR 1000 versuchte, seine Idee von einem idealen Motorrad umzusetzen. In Rennen hatte ich ihn auch auf der Nürburgring-Nordschleife auf einer 50ccm-Rennmaschine – ja, so etwas gab es mal! - erlebt. - Seinen „Spleen“ vom optimalen Motorrad – mit der ersten vollelektronischen Zündung! - konnte er nur umsetzen, weil er mit einer Fabrik für Auspuffanlagen im damaligen „Zonenrandgebiet“ in Deutschland – und Lieferant für VW – sehr gut verdiente. Es wurden nur 38 Exemplare von der OCR 1000 gebaut. Schon die Herstellung dieses Motorrades war aus heutiger Sicht unbezahlbar! Das Fahren mit diesem Motorrad war ein unvergessliches Erlebnis. - Das Bewegen von rd. 300 Kilogramm allerdings für den Fahrer auch!

Ich habe damals die Leser des Technik-Magazins „Hobby“ darüber informiert. Ich hatte auch einen Text speziell über die Hartge-Zündung zum Einbau in einen „kleinen Kasten“ im Lauftext mitgeliefert. Der ist – leider - nicht erschienen! - Grund:

„Den Leser interessiert das nicht!“

Mit dem Wankel-Motor verbinden sich bei mir eine Menge interessanter Erlebnisse, die auch viele positive Eindrücke beinhalten. So war es für mich eigentlich selbstverständlich, auch mal einer interessanten kritischen Betrachtung des Wankel-Systems auf diesen Seiten Raum zu geben.

    • Es gibt nach meiner Erfahrung keine technische Lösung, die ausschließlich Vorteile bietet!

MK/Prof. Dr. Boris Schapiro & W.H.
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