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Es wäre fast eine Buchbesprechung geworden:
"Hitlers Rennschlachten - Die Silberpfeile unterm Hakenkreuz" von Eberhard Reuß, erschienen im Aufbau-Verlag GmbH, Berlin.
Viele Dinge erscheinen heute ungewöhnlich. Obwohl sie heute passieren. Im Motorsport, in der Presselandschaft, bei den Sportbehörden. Dabei sind sich viele Geschehnisse ähnlich. Wenn man einmal das "Heute" mit dem "Damals" vergleicht. - Aber wer kann schon vergleichen? - Die meisten Leute sind zu jung, um die Vergangenheit - auch des Motorsports - miterlebt zu haben. Sie schimpfen auf die, die sich politischem Diktat beugen, die Zusagen von "gestern" vergessen, weil ihnen "heute" Vergünstigungen winken. Die stellen sich in einem solchen Fall eben gerne mal dumm. - Das war schon immer so. Gleich, ob die Sportbehörde OMK oder DMSB heißt. Und für die großen Automobil-Hersteller war immer der wichtig, der "die Macht" hatte. Das gilt für Diktatur und Demokratie. Und Anzeigenstopps gibt es nicht nur heute, wenn eine Zeitung, Zeitschrift, kein "Wohlverhalten" zeigt, sondern das gab es auch schon "damals", als die Vorstände - wenn es denn sein musste - auch "Heil" geschrien (und geschrieben) haben. Wenn es denn für sie und ihre Firma von Vorteil war. Auch "damals" gab es schon Subventionen von der "Politik" für Werke und Verbände. Nicht nur heute. - Man nannte das "damals" vielleicht "Protektion", aber die konnte nur genießen, der sich auch entsprechend verhielt. - Wie heute. - Und "heute" wie "damals" werden Fakten geschönt, verniedlicht, "passend gemacht". Je nach dem, in welcher Zeit man sie wem erzählt. Und es wird dem "gemeinen Volk" viel erzählt. Von den "Führern". In dem genannten Buch werden Mythen entzaubert und so manche aktuelle Handlung von Vorständen und Funktionären klarer. Am Beispiel der Vergangenheit. In der es auch schon "so'ne und solche" Journalisten gab. - Auch schon "Motor-Kritik".
Wer "Blech redet" macht aus "brauner Vergangenheit" schon mal schnell eine "silberne Zukunft"
08-01 -18/03. - Ich habe noch eine Reihe von Rennfahrern, Technikern, Funktionären von "damals" persönlich erlebt, war in einer Zeit schon aufmerksam beobachtend in der Szene unterwegs, bevor ich dann mit Auto und Lizenz ausgestattet, die Unterschiede ausmachen konnte, die evtl. dazu führen, dass man evtl. "mal schnell" die Bestimmungen einer Ausschreibung nach dem Training zu einem Rennen ändert. Das gab es z.B. mal Mitte der fünfziger Jahre bei einem Langstreckenrennen für Kleinwagen in Hockenheim. Hätte man ausschreibungsgemäß gehandelt, wäre ein Werksfahrer nicht gestartet, weil es ein schnelleres Amateur-Team (auf einem Nicht-Werkswagen) gab.
Oder jetzt, nach dem Jahrtausendwechsel, wurde von einem Veranstalter-Gremium den Teilnehmern versprochen, dass die aktuellen Bestimmungen in der laufenden Saison nicht geändert würden. Versprochen. - Natürlich wurden sie für eine bestimmte Klasse, in der ein (Fast-)Werkswagen dann schon ein "kommendes Fahrwerk" (für eine andere Serie) testen sollte, auf Wunsch dieses Premium-Herstellers geändert. - Wer merkt das schon? - Und wenn: dann soll er das gefälligst für sich behalten. - So ist das Leben heute.
Und wenn z.B. ein Stuttgarter Sportwagenhersteller einer "Sportbehörde" mal wieder (ziemlich aktuell) zwei ihrer Sportwagen zur Verfügung stellt, dann ist damit zu rechnen, dass sich dann wieder etwas in der vom Hersteller angeregten Richtung bewegt. - Das passiert jetzt, in der Demokratie.
In der Diktatur war das nicht anders. In dem o.g. Buch schreibt z.B. Eberhard Reuß: "Dass Hühnlein (Anmerkung: NSKK-Führer Adolf Hühnlein) - und wohl auch die Mehrzahl der anderen ONS-Funktionäre - (Anmerkung: die ONS ist die Vorgänger-."Behörde" des heutigen DMSB) bei sportlichen Entscheidungen im Zweifelsfall die Interessen des Untertürkheimer Konzerns stärker berücksichtigen als die des Konkurrenzunternehmens aus Sachsen, hat Tradition."
In dem Buch wird auch sehr schön - durch Recherche und Dokumente belegt - dargestellt, was aus NS-Größen des Motorsports dann in der Nachkriegszeit wurde: "Mitläufer". Wie z.B. Alfred Neubauer, der legendäre Mercedes-Rennleiter. Der aber auch noch 100 Reichsmark Geldbuße zahlen musste. Und sich dagegen mit einem ausführlichen Schriftsatz wehrte: "Seine Beförderung zum NSKK-Oberscharführer sei 'ehrenhalber' erfolgt und 'hatte ihren Grund nur darin, dass sich der Werksturm des NSKK der Daimler-Benz AG, zu dem ich ohne meinen Willen als förderndes Mitglied eingereiht wurde, bemüßigt fühlte, meiner Leistungen als Rennleiter unserer jahrelang siegreichen Mannschaft besonders anzuerkennen.'"
Ich habe Alfred Neubauer in der sechziger Jahren noch persönlich erlebt, auch mit ihm gesprochen. Mein Freund, Hermann Kühne, war (als Mercedes-Werksfahrer - übrigens von der BP in England bezahlt) in Argentinien tödlich verunglückt. Der Sicherheitsgurt war gerissen. Neubauer hat es mir persönlich bestätigt und auch in seiner Grabrede eindrucksvoll dargestellt, wie sehr er nun darum bemüht sein würde, die Schuldigen auszumachen. - Man hat dann nichts mehr davon gehört. - Als ich vor einigen Jahren mal bei DB - im Archiv - nach Hermann Kühne fragte, da kannte man den nicht. Klar, woher auch? - Am Telefon war ein (aus meiner Sicht) junger Mann, der sich aber bemühen wollte. Er hat sich bemüht, hat Artikel aus der damaligen Zeit gefunden, die er dann kopieren und mir zuschicken wollte. - Bis heute habe ich nichts erhalten. - Es passte wohl nicht mehr in Zeit, nicht unbedingt zu Mercedes, dass jemand wegen eines gerissenen Sicherheitsgurtes in einem Mercedes tödlich verunglückte.
Alfred Neubauer war - aus meiner Sicht - ein überzeugender Schauspieler. Niemals zu seinem, oder dem Nachteil von Mercedes. Er wird aufgrund der gesichteten Dokumente und Recherchen in dem genannten Buch ein wenig anders (aber doch ähnlich) dargestellt.
Übrigens: Adolf Hühnlein, ein anderer Kämpfer für den deutschen Motorsport (in NSKK und ONS) wird bis heute als Ehrenbürger von Ahrweiler geführt; diese Auszeichnung wurde offiziell niemals aberkannt, "da eine Ehrenbürgerschaft laut Satzung mit dem Tode erlischt." - Wie man in dem Buch nachlesen kann. - Lesen kann man aber auch:
"Der große Rennsport mit Automobilen war vor den Nazis etwas Elitäres, ist während der NS-Diktatur popularisiert worden und kehrt nach 1945 wieder in die Hände der "besseren Kreise" zurück. Und alle sind sie sauber geblieben." - So kann man auch lesen, wer nach dem Zweiten Weltkrieg dann nicht nur AvD-Präsident wurde, sondern auch Chef des Automobilweltverbandes FIA. Und auch die Herkunft des heutigen FIA-Chef wird gelüftet. (Obwohl Max Mosley nicht für die "Denkweise" seines Vaters verantwortlich gemacht werden sollte. Wir leben zum Glück nicht mehr in einer Zeit, wo es noch "Sippenhaft" gab. - Oder?)
So, wie der Geschäftsführer einer Rennstrecke heute "Zuschüsse" zum Ausbau seiner Einflussgröße aus einer Landeshauptstadt entgegennehmen kann und auch sonst - weil es eben "politisch gewollt ist" - gefördert wird, so erhielt man "damals" von der politischen Führung (dann aus Berlin) nicht nur jede politische Unterstützung, sondern auch jede Menge Geld. Natürlich, weil es eine "andere Zeit" war, und die Reichsmark gegenüber dem Euro von anderem Wert, gab es damals für Mercedes und die Auto Union nicht so große Beträge, wie heute auf Landesebene zum Wohle einer Region (damals zum Wohle einer Nation) ausgeschüttet werden.
Und so ist "zu damals" in dem Buch zu lesen: "In der Presse soll und darf tüchtig gejubelt werden, aber allzu gründliche Recherchen sind selbst im scheinbar unpolitischen Rennsport von Staats wegen unerwünscht." - Wenn also z.B. in der "Frankfurt Zeitung" nach einem Nürburgring-Rennen irgendwelche Details stehen, die den "Oberen" nicht gefallen, dann reagiert noch am selben Tag die NS-Zensur: "Auf der täglichen Reichspressekonferenz ergeht Anweisung an alle Redaktionen: "Die Erklärung der Auto Union über das Versagen des Fahrers im gestrigen Nürburg-Rennen, die in der heutigen Frühausgabe der Frankfurter Zeitung abgedruckt worden ist, soll nicht übernommen werden."
Und wenn nicht gejubelt wurde, wenn ein Bericht im Sportteil (in diesem Fall der "BZ am Mittag") das Missfallen eines Mercedes-Direktors erregte, dann war etwas später in einem Brief des Chefs der Sportredaktion des Ullstein-Verlagshauses (in diesem Fall am 9. Dezember 1993) "sehr ergeben und mit deutschem Gruß" (wie es in dem Buch heißt) direkt an den Mercedes-Chef gerichtet, von "nicht bereinigten Differenzen" zu lesen, und weiter: "Die Direktion der Daimler-Benz AG nahm seinerzeit insofern hierzu Stellung, als sie alle Anzeigen-Aufträge an unseren Verlag bis zur Bereinigung dieser Angelegenheit sperren ließ."
Es steht dann einige Seiten weiter in diesem Buch geschrieben: "Für nicht wenige dieser Korrespondenten sind aber die Subventionen des NS-Staates wohl schon damals ein offenes Geheimnis, das von den betroffenen Unternehmen vor 1945 allerdings stets bestritten und selbst danach noch geraume Zeit verschwiegen, dann verharmlost und inzwischen klein geredet wird."
Eberhard Reuß, der das o.g. Buch schrieb, ist seit mehr als zwanzig Jahren als Reporter, Moderator und Filmautor im Studio Mannheim des SWR tätig und hat in dieser Zeit eine Reihe von Beiträgen sowohl für den SWR, als auch für die ARD, zum Alltag während der NS-Diktatur produziert. Seine Aussagen zu Personen und Geschehnissen sind gut recherchiert und dokumentarisch belegt. Dieses Buch ist eine saubere Arbeit, in der man als Geschichte von "damals" auch lesen kann, dass es heute nicht viel anders ist. Nur: es wird nicht darüber gesprochen:
Als in der Schweiz 1935 (in der "Berner Tagwacht") dann eine besonders kritische Geschichte über die Basis für den deutschen Formel-Sport unter dem Titel erscheint, "Deutschland, Deutschland über alles! Ein Rennwagen soll Europa erobern", da schaltet "Adolf Hühnlein höchstpersönlich ... seinen engsten Kontaktmann im Daimler-Benz-Vorstand ... ein."
Aber die monatelange Suche nach dem Autor der Geschichte, der von der Zeitung nicht preisgegeben wurde, bleibt erfolglos. Es bleibt nur ein Verdacht, den der Chef der Mercedes-Benz-Automobil AG in Zürich so formuliert: "Ich habe deshalb auf Herrn Bielefeld, den früheren Mitarbeiter der Motor-Kritik geraten, jedoch steht dies nicht fest."
Bei dieser Gelegenheit erfahren meine Leser auch, dass es "Motor-Kritik" schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg gab. Ich habe diesen Titel dann in den 80er Jahren wieder aufleben lassen. Er ist seit dieser Zeit für mich geschützt. - Und ist offenbar heute (noch oder wieder?) von der gleichen Art.
So, wie heute bei mir in "Motor-KRITIK" über alle Firmen und Vorkommnisse dann berichtet wird, wenn es im Interesse der Öffentlichkeit wichtig scheint, so hat auch der Buchautor nicht nur über solch' wichtige Firmen wie Daimler-Benz und die Auto Union geschrieben, sondern es wird auch das Verhalten der damaligen BMW-Verantwortlichen eindrucksvoll geschildert.
Wenn heute der Geschäftsführer der Nürburgring GmbH sehr kostengünstig von BMW einen "Dienstwagen" (z.Zt. ein BMW M5) zur Verfügung gestellt bekommt, dann wurde das mir von BMW schon vor einiger Zeit damit erläutert, dass diese GmbH aufgrund ihrer Basis (90 Prozent Land Rheinland-Pfalz, 10 Prozent Landkreis Ahrweiler) praktisch einen "Behördenstatus" genießen würde. Und als Behörde... -
"Damals", in der NS-Zeit, gab es dann für - zumindest eine der beiden Hühnlein-Töchter - schon mal einen Neuwagen von BMW mit "Behördennachlass". - Also alles schon mal da gewesen. - Auch bei BMW.
Selbst die aktuell existierende "Motorsport-Akademie Nürburgring" ist wohl keine Schöpfung des umtriebigen GmbH-Geschäftsführers, der gegen Jahresende in persönlichen Besuchen dann nicht nur um kostenlose Präsente für die Weihnachtsfeier seiner Firma bittet, sondern gleichzeitig nach einer "kleinen Spende" (So um 5.000 Euro vielleicht?) für seine "Rennfahrer-Akademie" fragt.
Adolf Hühnlein hatte bereits im Juni 1933 die "Motor-SA-Schule Nürburgring" aus der Taufe gehoben. Nur lief deren Finanzierung noch etwas anders. Da hätte Hühnlein von Dr. Kafitz noch lernen können. - Aber Hühnlein war auch ein ganz anderes Kaliber. Ich will für die Leser, die von dieser Zeit wenig wissen, hier einmal ein paar Informationen (aus dem genannten Buch) kurz zusammen fassen:
Adolf Hühnlein war Träger vom "Blutorden" bis zum "Goldenen Parteiabzeichen", nicht nur Chef des NSKK (Nationalsozialistische Kraftfahrkorps), war auch Chef aller Automobilclubs, die (einschl. des ADAC) im DDAC zusammen gefasst waren. Hühnlein war praktisch der "Oberste" im damaligen deutschen Kraftfahrzeugwesen, da er gleichzeitig als Präsident der ONS (Oberste Nationale Sportbehörde für die deutsche Kraftfahrt) den Motorsport lenkte. So verschickte die ONS schon im Sommer 1933 neue Antragsformulare: "Für Juden und andere Nichtarier gibt es künftig keine Rennlizenz mehr." - Und der ONS-Präsident und NSKK-Chef forderte: "Deutscher Fahrer auf deutscher Maschine!"
Da nahm die Politik schon eindeutig Einfluss auf das, was auf den Rennstrecken geschah. So beschickte z.B. das NSKK gemeinsam mit der BMW AG die letzte "Mille Miglia", die 1940 dann auf einem Rundkurs bei Brescia ausgetragen wurde. "Eine politische Entscheidung", ist in dem Buch zu lesen, da die SS "bei dem spektakulären Auslandseinsatz gebührend vertreten sein will." Auf der Rennmontur des Siegers, SS-Hauptsturmführer Fritz Huschke von Hanstein "prangen tatsächlich die SS-Runen", erfährt man, und dem mit siegenden Walter Bäumler verpassen Fotoretuscheure später beim Siegerfoto ein prächtiges NSKK-Abzeichen.
Es ist interessant, das "Damals" mit dem "Heute" zu vergleichen. - Sie sollten sich dieses Buch gönnen. Nach dem Lesen hat sich Ihr Horizont erweitert. Und so manche - auch aktuelle - Begebenheit erhält einen anderen Stellenwert.
Und wenn es das Interview (vom 1. Januar 2008) in der "Süddeutschen Zeitung" mit Johannes B. Kerner zum "Fall" Eva Hermann ist. -
So nebenbei erfahren Sie auch, wie es wahrscheinlich zu der Bezeichnung "Silberpfeile" kam. Also so ganz genau... - Und stünde dieser Begriff eigentlich nicht der Auto Union bzw. deren Nachfolger Audi zu? - Oder doch Daimler bzw. Mercedes?
Die Leser des o.g. Buches, das ich übrigens an der Tankstelle "Döttinger Höhe" - hier in der Eifel, an der B 258 gelegen - mitnehmen konnte - wissen nach dem Lesen mehr. (Sie erhalten das Buch natürlich auch in jeder Buchhandlung. Innerhalb von wenigen Tagen. Aber selbst "Amazon" benötigt für dieses Buch 5-7 Tage zum Versenden.) - An der o.g. Tankstelle können Sie es mitnehmen. Nach Zahlung des Betrages von Euro 24,90. - Ein wichtiges Buch, meine ich! - Übrigens schon 2006 erschienen. -
Und es gab auch einige Buchbesprechungen nach dem Erscheinen:
SPIEGELonline, im Mai 2006: "Reuß´geht es darum, die Geschichte der Silberpfeile von Mercedes-Benz und Auto Union in der NS-Zeit darzustellen. Er lässt dabei vor allem einen Schluss zu: Rennsport war in diesen Jahren niemals unpolitisch."
Der SWR, im Juli 2006: "Ein Stück bisher ausgeblendeter Heimatkunde."
Der "Oldtimer Markt", im August 2006: "Ein äußerst lesenswertes, gut geschriebenes Buch."
Darum konnte ich meine Darstellung, die das Buch in meiner obigen Geschichte erfahren hat, auch nur mit der Einschätzung überschreiben:
"Es wäre fast eine Buchbesprechung geworden."