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Ich sitze mit einem Rennfahrer zusammen und wir unterhalten uns über den Motorsport „damals“ und den von heute. Mein Gesprächspartner kann die Unterschiede beurteilen. Er ist jetzt 50 Jahre alt und kommt gerade von Monte Carlo, wo er einen Formel 1 bewegt hat. - Sagt er. - Aber der Große Preis ist doch erst... - Marco Werner – um den handelt es sich – lacht: „Ich war beim 10. Historique Monaco Grand Prix am letzten Wochenende dort“. Er hat einen Ferrari Formel 1 des Jahres 1973 gekonnt zwischen den Leitplanken des Stadtkurses bewegt. „Aber ich durfte nicht über 8.000 drehen.“ - Wir haben uns über seine Erlebnisse dort, aber auch über die Unterschiede unterhalten, die den modernen Motorsport von dem von „damals“ unterscheiden. - Marco Werner ist eigentlich froh, dass er sich neben seinen Aufgaben, die er gerne für Audi übernimmt – u.a. die Betreuung des neuen Audi TT-Cups – nun ab und an noch Zeit findet, alte Rennfahrzeuge auf interessanten Strecken zu bewegen. Beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring wird er nicht dabei sein, aber er wird eines der interessanten Rahmen-Rennen, eben den Audi TT-Cup betreuen. - Mit einem treuen Blick zu mir hinüber: „Du hättest da keine Chance mehr. Wir nehmen nur Leute bis 24.“ - Da beschränke ich mich dann auf eine nette Unterhaltung mit ihm und auf die Informationen, die er mir – und den Motor-KRITIK-Lesern – aus Monte Carlo mitgebracht hat.
F1-GP: „Rennen fahren und Spaß haben!“
Marco Werner hat für Audi drei Mal Le Mans gewonnen; 2003. 2005 und 2007. Er ist einer der wenigen internationalen Rennfahrer der alle großen 24-Stunden-Rennen schon gewonnen hat, nicht nur Le Mans, sondern auch Sebring – z.B. 2003, 2005 und 2007 und der – das war 1995 – mit einem Kremer K8, also einem Sportwagen auf Porsche-Basis, in Daytona siegte.
Nicht zu vergessen: Er ist in den Jahren 2003, 2004 und 2008 – also insgesamt drei Mal – in den Amerika ALMS-Champion (American Le Mans Series) gewesen. Immer mit Audi, aber 2003 mit „Infineon Team Joest“, 2004 mit „Champion Racing“ und 2008 mit "Audi Sport North America“.
Da ist es fast logisch, dass er jetzt im Jahre 2016 mit einem Ferrari Formel 1 aus dem Jahre 1973 unterwegs war, der inzwischen dem Ex-Infineon-Chef gehört, der sich gerne an die fahrerischen Qualitäten eines Marco Werner erinnerte.
Marco Werner sollte im Vorfeld von Monte Carlo den Ex-Lauda-Ferrari schon mal in Oschersleben zum Eingewöhnen bewegen. Leider hatte er keine Zeit, so dass Ralph Bohnhorst – auch „Einer von früher“, bekannt aus dem Seitenwagensport – das „Prüfen“ dann übernehmen musste.
Nach diesem Test hatte man eine Ölanalyse vorgenommen, um – leider - metallische Rückstände zu finden, die offenbar von Chromlegierungen stammten. Die konnten eigentlich nur vom Ventiltrieb des Zwölfzylinder-Formel-1-Motors stammen, wo das Ventilspiel... - Aber verlieren wir uns nicht in technische Details eines „alten“ Zwölfzylinder-Ferrari-Formel 1-Motors.
Eigentlich sollte darum dieser Ferrari auch in Deutschland bleiben, nicht in Monaco starten. Sein Besitzer hatte für Monaco aber auch noch einen Maserati-Sportwagen in einem Sportwagenrennen genannt, dessen Motor bis zu diesem Termin generalüberholt sein sollte. Leider wurden aber die speziellen Kolben mit einem falschen Übermaß geliefert, so dass der Motor auch nicht rechtzeitig fertig wurde. Marco Werner hätte eigentlich – statt des F1 – diesen Sportwagen fahren sollen.
So hat man sich dann nach gemeinsamen Überlegungen entschlossen, statt des Sportwagens den Ferrari nach Monaco zu verladen, denn man wollte sich mit einer Teilnahme in diesem Jahr, in jedem Fall die Teilnahme dann wieder in zwei Jahren sichern. Denn längst nicht alle die, die über einen Oldtimer-Sportwagen oder -Formel 1 verfügen, werden vom Veranstalter in Monaco angenommen.
Beim „Historique Grand Prix“ startet nur die „Cremé de la Cremé“. Und das nur alle zwei Jahre. Der erste Grand-Prix wurde am 3. - 4. Mai 1997 durchgeführt, in diesem Jahr war das so – nachdem die zweite Veranstaltung erst im Jahre 2000 stattfand – der „10. Grand Prix Monaco Historique“, wie er exakt benannt ist.
Motor-KRITIK war nur durch Zufall (der keiner war) in den Besitz eines Programmheftes zur Veranstaltung in diesem Jahr gekommen, die vom 13. - 15 Mai stattfand.
So haben wir dann mit Marco Werner telefoniert und da der gerade für Audi zu einem Lehrgang in die Eifel musste, war es einfach, kurzfristig einen Termin zu vereinbaren.
So saßen wir uns dann schon am letzten Sonntag - gestern -, kurz nach Mittag gegenüber. Da, wo Marco Werner glaubte, ein Modellauto vom Typ Formel 1 aus dem Jahre 1973, gefahren von Niki Lauda zu finden, im Tankstellen-Shop an der „Döttinger Höhe“ in der Eifel.
Marco und ich kennen uns seit Jahrzehnten, ich habe seine Motorsport-Karriere nicht nur als Journalist begleitet, sondern wir waren auch schon mal bei VLN- und 24-Stunden-Rennen als Team-Kollegen auf dem gleichen Automobil unterwegs. - Marco war natürlich immer schneller.
Nun plaudern wir über die automobilen Werte, die Rennfahrzeuge von „damals“, heute als Oldtimer darstellen. Da wurde z.B. gerade in Monaco ein March 711 des Jahres 1971 mit der Chassis-Nr. 02 von Sotheby's für rd. 850.000 Euro verkauft und war zu diesem Preis geradezu ein „Schnäppchen“, wenn man an die Preise denkt, die für andere Rennsport-Antiquitäten verlangt wurden:
- Jagar C-Type, Baujahr 1953, zwischen 4 und Millionen Euro
- Ferrari 275 GTS, Baujahr 1965, zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro
Da fragt man dann auch, was denn so ein Lauda-Ferrari F1, Baujahr 1973, wert ist, den Marco Werner in Monaco bewegte. „So um 2,5 Millionen“, lächelt Marco. „Oder drei? - Aber ich musste ganz vorsichtig mit ihm umgehen, durfte nicht über 8.000 Umdrehungen drehen und du kannst dir vorstellen, wie ein Motor, der eigentlich für 12.000 U/min ausgelegt ist, dann noch 'hustet'.“
So belegte Marco Werner im ersten Training unter 28 Startern nur Platz 18. Im Regentraining beim 2. Training ging es dann – mit neuen Regenreifen – schon besser. „Beim Herausbeschleunigen aus der Hafen-“Chicane“ oder aus der „Rascasse“ (exakt: „Virage de la Rascasse“) kam der dann hinten schon ganz schön und du musstest richtig gegenhalten“. - Das hatte ihm offensichtlich richtig Spaß gemacht. - Ergebnis: Platz 4 im F1-Regentraining
Und wie war es mit dem Überholen zwischen den Leitplanken in Monaco? - „Och, das ging eigentlich mit diesem Ferrari ganz gut. Du weißt doch, dass ich 1991 mit dem Formel 3 auch mal als Letzter gestartet bin – auch weil ich das Fahrzeug beim Start abgewürgt hatte – und ich bin dann noch 11. geworden.“
„Und wie ist denn so ein Ferrari Formel 1 des Jahres 1973, verglichen meinetwegen mit einem Audi R 10-Sportwagen, mit dem du ja eine Reihe von Siegen errungen hast?“ - „Eigentlich enttäuschend, weil du mit einer gewissen Erwartungshaltung in so einen Lauda-Ferrari steigst. Und dann musst du erleben, dass du geträumt hast. Die Formel 1 'von damals' ist nicht mit einem Sportwagen 'von heute' zu vergleichen. Bei einem modernen Sportwagen hört die Beschleunigung bis zum nächsten Bremspunkt nicht auf. So ein 'alter Formel 1' ähnelt mehr von der Dynamik her einem modernen Formel 3.“
Marco Werner erzählt mir von seinen Begegnungen in Monte Carlo. Da standen drei Formel 1 in der Box. Alle drei Ferrari. Der von Emanuele Pirro, auch ein „Audi-Kollege“ und Freund, der Ferrari eines italienischen Teams und seiner, der mal von Niki Lauda gefahren wurde. An dem des italienischen Teams arbeiteten u.a. zwei Mechaniker, die Marko Werner „von früher“ kannte. Es waren mal die Mechaniker (Techniker) von Niki Lauda und Jacques Villeneuve gewesen. Einer von ihnen erkannte in Marco Werner den mehrfachen Le Mans-Sieger und bat um ein gemeinsames Foto.
Marco Werner akzeptierte diese Bitte nur, wenn sie ihm auch ein gemeinsames Foto mit ihnen genehmigen würden. Weil sie doch schließlich die „alten „Mechaniker“ aus dem Ferrari-Team „von damals“ wären. - Man freute sich, dass sich Marco Werner noch erinnerte und schaute sich dessen Ferrari F1 an.
„Nix gut!“ - Das bezog sich auf die Heckflügeleinstellung. „Für Monza!“ - Und man schraubte ihn – nach Gefühl – für die richtige Funktion auf die Strecke von Monte Carlo zurecht. Und dann auch gleich noch den Frontflügel. - Marco war begeistert. - Und was wäre mit der Standhöhe? - Der Ferrari-Spezialist schob seinen Schuh an verschiedenen Stellen unter den Formel-Wagen und schüttelte den Kopf. Er holte seinen Werkzeugkasten und schraubte das Fahrzeug auf die richtige Höhe, indem er die Federteller verstellte.
Und weil er gerade mal dabei war, machte er Marco Werner darauf aufmerksam, dass dieser Ferrari-Motor zum Warmlaufen eine andere Gaspedalstellung erforderte, als z.B. im Rennen.
Unten am Pedal gibt es die sechsfache Möglichkeit, die Bewegung des Gaspedals und seinen Einfluss auf die Gasannahme zu beeinflussen. Eine Art von Beeinflussung, die man heute, im digitalen Zeitalter bei den modernen Motoren (ähnlich) als „Mapping“ bezeichnet.
Es sicher heute unvorstellbar, dass sich die Mechaniker eines Konkurrenz-Teams um die Perfektion eines Automobils des direkten Konkurrenten beschäftigen. In der Oldtimer-Szene gibt es das. - Wie das Beispiel zeigt.
Marco war beeindruckt. Aber leider wurde sein Automobil trotzdem dadurch nicht unbedingt konkurrenzfähig. „Die Bremsbeläge waren sicherlich noch aus der Lauda-Zeit. Und mit den Reifen ist man sicherlich schon vor Jahren in Goodwood gefahren.“ Nur das Benzin (102 Oktan) war frisch. Aber auch die ganze Atmosphäre. - „Das findest du heute bei den Rennen in den aktuellen Serien nicht mehr.“
„Retti“, wie wir den Besitzer der Tankstelle „Döttinger Höhe“, Hans-Joachim Retterath, nennen, kommt durchs Bistro und begrüßt lautstark „seinen alten Freund“ Marco Werner. Die sechs Japaner am Nebentisch blicken zu uns hinüber. Und „Retti“ zeigt mit dem Finger auf Marco und erklärt: „The triple winner of Le Mans!“ - Die Japaner, Monteure von Toyota, die schon mit der Vorbereitung der Einsatzfahrzeuge für das vor uns liegende 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife beschäftigt sind, lächeln freundlich nickend hinüber – um dann mit ihrem Essen fortzufahren.
Marko Werner erzählt von anderen Oldtimer-Veranstaltungen, wo man zusammen im Team und mit Konkurrenten bis weit nach Mitternacht im Fahrerlager um einen Kessel mit Suppe und einen Grill mit Würstchen gesessen und sich unterhalten hat. Es gibt menschliche Kontakte vor und nach den Rennen, auch wenn es in den Rennen selbst Blechkontakte gibt. - „Du bist wie in einer anderen Welt. - Das Rennen fahren macht wieder richtig Spaß, ist nicht nur getreue Pflichterfüllung eines Arbeitnehmers gegenüber dem der zahlt.“
Marco Werner hat im Rennen in Monaco nach 6 Runden aufgegeben, weil die Bremse am Ferrari F1 keinen Druck mehr aufbaute. „Du kannst doch nicht hinauf zum „Casino“ vom Gas gehen, weil du die Bremse 'hochpumpen' musst. Da fährt dir doch ein anderer in die 'Kiste'.“
Und er erzählt – objektiv berichtend: „Der Pirro ist mit 'seinem' Ferrari F1 – der war ein Jahr jünger als meiner – toll gefahren und 4. geworden.“
Es war ein „fliegender Start“ und rauf zum „Casino“ gab es schon einen Auffahrunfall, weil dort ein McLaren, der schon in der Einführungsrunde einen Motorschaden erlitt, mit dem Kran von der Strecke gehievt werden musste. - Und dann aus sechs Meter Höhe 'vom Haken fiel'. „Ein Totalschaden“, sagt Marco nüchtern und zeigt mit ein paar Handbewegungen, wie das Fahrzeug zunächst auf die Hinterachse fiel und das Alu-Chassis dann einknickte.
Von mir befragt erklärt er die Situation in der Oldtimer-Szene so: „Eigentlich kannst du mit einem Ferrari F1 nicht gewinnen. Die anderen, nicht so „imagestarken“ englischen Fabrikate mit „alten“ Cosworth-Motoren sind meist überlegen. Die sollen zwar – und waren damals – mit einem Dreiliter-Motor ausgerüstet. Heute gibt es in England aber schon Cosworth-Motoren mit 3,5 Liter Hubraum. - Wer soll die mit einem Original-Ferrari mit unverändertem Motor schlagen?“
Wobei noch etwas auffallend ist: Die Mehrzahl der Teilnehmer an diesen hochkarätigen Oldtimer-Rennen sind Engländer. Und die fahren – sagt Marco Werner - „als wenn's kein Morgen geben würde“. Er stellt fest: „Wir Deutschen denken immer an den Wert, den die Fahrzeuge besitzen, die wir bewegen. Die Engländer tun das nicht. Das ist noch richtiges Racing. Mit den Millionen teuren Dingern!“ - Und fügt erkennend hinzu: „Aber eigentlich wurden sie auch dafür mal gebaut und entwickelt.“
Wir reden noch kurz über die Situation in der aktuellen Formel 1. Und ich verstehe, dass Marco lieber einen Ferrari von 1973 fährt, als dass er die Möglichkeit hätte, mit einem modernen Mercedes zu siegen. „Wilhelm, es ist doch entscheidend, dass man Spaß an dem hat, was man macht. - Beruflich macht.“ - Seine Arbeit bei Audi, z.B. das „Anlernen“ der jungen Fahrer, macht ihm Spaß. - Und nach einer gedanklichen Pause: „Meinst du, dass der Hamilton Spaß hat?“
Wir grinsen uns an, denken wohl beide dasselbe.
Ich kann ihm – und seiner Meinung - innerlich nur zustimmen. Marco Werner hat hier am Nürburgring nur einen kurzen Zwischenstop eingelegt. Morgen wird er im Ruhrgebiet sein, um für sich und einen „alten“ Lola-Sportwagen eine Sitzschale anmessen zu lassen. Er fährt demnächst zusammen mit dem Besitzer dieses Lola in Spa ein Dreistunden-Sportwagen-Rennen. In den letzen zwei Jahren hat er dieses Rennen jeweils – zusammen mit dem Besitzer des Autos – gewonnen.
„Es wäre doch schön, wenn uns in diesem Jahr der Hattrick gelingen würde.“
Warum sollte jemand, der dreimal in Le Mans erfolgreich war, das nicht auch in Spa schaffen?
Und wir unterhalten uns darüber, wie man sich aus Respekt vor der „Eau Rouge“ in Spa, „die Linie kaputt machen kann.“ - Und über andere Details der Strecke in Spa, die ich auch - z.B. aus einem 24-Stunden-Rennen - als Fahrer gut kenne.
Um dann wieder von „modernen Rennautomobilen“ zu sprechen, wozu Marco Werner z.B. einen Audi Cup-TT rechnet. Und er schwärmt mir vor, wie man mit dem Cup-Auto welche Fabrikate alle während der Taxifahrten z.B. bei DTM-Veranstaltungen in Verlegenheit bringen kann. „Vor allen Dingen – du wirst es nicht glauben – in der Bremszone!“
Als ich mich davon begeistern lasse, dämpft er das lächelnd mit der Bemerkung, die in dieser Geschichte schon weiter oben zu lesen war:
„Wir nehmen nur Leute bis 24!“
Einen Lauda-Ferrari F1 als Modellauto hat Marco übrigens an der „Döttinger Höhe“ nicht bekommen. „Retti“: „Das ist schwierig. Du erkennst den an der roten Lufthutze. Ich habe zwar noch einen im Keller. - Aber das ist meiner! - Versuch's doch noch mal irgendwo anders. Wenn's nicht klappt: Komm' einfach noch mal vorbei." -
Und mit einem vielversprechenden Lächeln: „Wir reden!“
2 Kommentare
Lob !!!
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tolle Geschichte
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