F1-Ausfallgrund: NGK oder Magneti Marelli?

Je aufwändiger die Technik wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch versagt. Wenn das aber bei einem Ferrari-Formel 1 passiert – und dann auch noch beim Wagen des Sebastian Vettel – dann entfacht das eine heftige Diskussion. Die trifft zunächst das Ferrari-Team. - Aber hier bei Motor-KRITIK war schon zu diesem Thema zu lesen, dass der aufgetretene Fehler mit hoher Wahrscheinlichkeit Magneti Marelli zuzuschreiben ist, während sich die Mehrheit der Fachleute, der F1-Spezialisten und Technik-Analysten inzwischen auf NGK kapriziert hat. - Und man verweist darauf, dass ab den neuen V6-Motoren – also ab 2014 – eine Entwicklung einsetzte, die z.B. die Zündkerzen in einem F1-Motor einer besonderen, einer höheren Belastung aussetzte. Das alles ist so gut erklärt und erscheint so logisch, dass es auch inzwischen Motor-KRITIK-Leser gibt, die mein einfaches Deuten auf ein Magneti Marelli-Teil nicht hinnehmen. Inzwischen wurde sogar der Verdacht geäußert, dass ich „ziemlich genau 30 Jahre falsch informiert“ sei. - Ich hätte nämlich in meiner Geschichte zu diesem Thema von „Zündkabeln“ geschrieben und die gäbe es schon lange nicht mehr, da inzwischen – nicht nur in der Formel 1 – auf der Zündkerze direkt eine so genannte „Stabzündspule“ im Kerzenlochschacht sitzen würde und es darum auch kein „Zündkerzenkabel“ mehr geben würde. - Richtig! - Ich habe auch nur diese Bezeichnung gewählt, weil sie den meisten meiner Leser vertraut ist, sie sich darunter etwas vorstellen können und weil so ein Kabel dann zwar nicht direkt, sondern via Stabzündspule zur Zündkerze führt. - Es ist aber auch unglaublich, dass jemand in so einem kleinen Eifeldorf, der zuletzt vor ein paar Jahren mal auf dem Nürburgring ein Formel 1-Rennen besucht hat, nun diesen beim Ferrari-Motor aufgetretenen Technikfehler richtig deuten soll. - Kann das sein? - Ich möchte darum noch mal den Versuch unternehmen, meine „Deutung“ etwas auführlicher mit mir bekannten Fakten zu unterfüttern.

F1-Ausfallgrund: NGK oder Magneti Marelli?

Michael Schmidt, ein wirklicher Intimkenner der Formel 1, weltweit in Diensten des Motor-Presse-Verlages in Stuttgart unterwegs, schrieb am gleichen Tag, an dem auch auf diesen Internetseiten die Motor-KRITIK-Darstellung erschien:

„Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Sebastian Vettel die Weltmeisterschaft auf dem Asien-Trip verloren.“

Er bezog sich damit auf die dort in der Realität von Vettel und Hamilton erzielte WM-Punktzahl:

  • Vettel holte sich hier 12 WM-Punkte.
  • Hamilton errang hier 68 WM-Punkte.

Dazu schreibt Schmidt in seinem „F1-Blog“ kommentierend:

„Jetzt muss sich Ferrari die Prügel abholen. Dem Herausforderer wird Schlampigkeit vorgeworfen, es mit der Entwicklung übertrieben zu haben, im entscheidenden Moment der WM eingeknickt zu sein.“

Im weiteren Verlauf seiner informativen Darstellung ist Schmidt davon überzeugt:

„Wenn Sergio Marchionne von einem 59 Euro-Artikel spricht, dann ist er von seinem Team offenbar nicht richtig informiert worden.“

Denn auch Michael Schmidt geht davon aus, dass der Ausfallgrund eine Zündkerze war, die er bei einem Formel 1-V6 eingesetzt, als eine „Hightech-Komponente“ empfindet. - Diese Zündkerze wurde vom japanischen Hersteller NGK zugeliefert.

Wir bei Motor-KRITIK sind der Meinung, dass man den Fehler gar nicht so tief im Motor suchen muss. Der Fehler liegt nach unserer Auffassung beim Elektronik-Zulieferer Magneti Marelli. Beide Namen – Magneti Marelli & NGK – zieren, dicht nebeneinander stehend, die Flanken des Ferrari-Formel 1-Renners. Sie sind auch unter der Motorabdeckung eng miteinander verbunden.

Die Stabzündspule von Magneti Marelli steckt direkt auf der NGK-Zündkerze. Aber warum sollte die am Renn-Sonntag in Suzuka ausgefallen sein? - Nur weil man weiß, dass bei Hamilton auch eine Zündkerze ausgewechselt wurde?

Wenn in einer gleichen Arbeitsgruppe von 20 Leuten am Morgen zwei nicht erscheinen, einer davon eine ärztliche Entschuldigung einreicht, nach der er mit einer Lungenentzündung das Bett hüten muss, dann bedeutet das doch nicht, dass auch der andere Fehlende eine Lungentzündung hat, nur weil man glaubt, ihn vorher „ungesund“ husten gehört zu haben!

Genauso ist das im Fall von Mercedes und Ferrari.

Die Zündspule beim Ferrari wird von einem Kabel, das von Magneti Marelli gefertigt wurde, (u.a.) mit Strom versorgt. Dieses Kabel kann dann nicht mehr – und da haben meine Leser recht – mit Kerzenkabel bezeichnet werden, weil es die Zündspule, nun  direkt auf der Zündkerze sitzend, mit Strom versorgt.

Was mich verwundert ist, dass man dazu bei Magneti Marelli ein „Stahlkabel“ nutzt, d.h. ein Kabel, das aus vielen gedrehten Stahlfäden besteht, während man sonst in einem solchen Fall eigentlich ein „Kupferkabel“ erwarten würde. Kupfer verfügt über die bessere Leitfähigkeit, ist außerdem „elastischer“.

Ein Stahlkabel – um bei dieser Bezeichnung zu bleiben – weist nicht nur einen höheren Widerstand auf, sondern verhält sich auch bei mechanischer Beanspruchung relativ spröde, bricht relativ schnell.

Dieser Fehler ist deshalb auch bei einem Rennmotor schwer zu finden – und ich habe das schon in meiner ersten Geschichte zu diesem Thema erklärt – weil ein so gebrochenes Kabel dann „wieder zueinander findet“, wenn der Motor – wie beim Anfahren der Box oder vor dem Start - „gegen den Begrenzer läuft“.

Und exakt das ist in Suzuka – nach meiner Meinung – passiert. Vielleicht hat also Sergio Marchionne doch recht, wenn er von einem „59 Euro-Artikel“ spricht; denn ein Stahlkabel ist billiger als ein vergleichbares Kupferkabel!

Alles was sonst zur Erklärung in der Fachpresse für diesen Technikfehler als Erklärung heran gezogen wird, stimmt. Wobei ich schon lächeln muss, wenn nun auch das bei den neuen V6-Formel 1-Motoren verwendete Vorkammersystem als besondere technische Innovation geschildert wird.

Für den Dieselmotor wurde sie von Rudolf Diesel im Jahre 1909 erfunden. Beim Ottomotor hat sie allerdings andere Auswirkungen, da sie eine effizientere Verbrennung in der „Hauptkammer“ sicherstellt und dadurch eine höhere Motorleistung möglich wird. Jeder Kartfahrer weiß, dass „mager“ laufende Motoren eine höhere Leistung haben. Warum sollten das die Motorenkonstrukteure in der Formel 1 nicht wissen?

Nur können die ihre Fahrer nicht anweisen, bei längeren Vollgas-Strecken mit „Lachgas“ zu fahren, wie das die Kartfahrer nennen, wenn sie auf langen Geraden dann durch kurzes „Handauflegen“ (auf den Ansaugtrichter) den „Motor kurz anfetten“, damit er nicht festgeht.

Michael Schmidt schildert das Umfeld der aktuellen Formel 1-Motoren sehr schön, wenn er schreibt, dass…

„man vor lauter Kabeln, Leitungen, Elektronikboxen, Hitzeschildern und Abdeckplatten den Motor gar nicht mehr sieht.“

Der ist heute auch in den meisten Serienfahrzeugen unter einer Kunststoffabdeckung verborgen und hat den Wagenbesitzer auch gar nicht zu interessieren – bzw. interessiert ihn auch nicht – so lange der Motor läuft.

Wenn er das dann nicht mehr tut, weil – wie ich meine – ein Kabel nicht mehr „ein“ Kabel war, dann hat auch – wie in Suzuka geschehen – ein Sebastian Vettel ein Problem, über dessen Herkunft und Entstehung man dann auch munter streiten kann.

Für die Fachleute und Spezialisten lag der Fehler bei der „Hightech-Komponente“ Zündkerze, die in diesem Fall von NGK zugeliefert wurde.

Für Motor-KRITIK war es der eigentlich zu erwartende Bruch eines nicht gerade ideal gefertigten Kabel von Magneti Marelli. (Die persönliche Meinung eines alten Mannes!)

Der Effekt bleibt gleich!

Da sollte sich jetzt Sebastian Vettel damit trösten, dass er nun einen Grund gegenüber seinem Arbeitgeber Ferrari hat, in 2017 nicht F1-Weltmeister zu werden.

MK/Wilhelm Hahne
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