Ist § 15 StGB auch in der „Corona-Welt“ anwendbar?

Die Frage tauchte zunächst nicht bei mir, sondern bei einem meiner Leser auf, nachdem er meine letzte Geschichte zu der Frage, „Wer verantwortet die vielen Ausnahmegenehmigungen?“, gelesen hatte. - Leider kann ich diese Frage auch nicht beantworten, da das Gesundheitsamt in Ahrweiler – die zuständige Genehmigungsbehörde, wie man hört - meine Fragen zu dem Thema auch nicht beantwortet hat. - Wir können aber nach diesem Wochenende feststellen:  Einmal durften – wie in Silverstone, beim Formel 1-Grand-Prix – keine Zuschauer vor Ort sein, in Portimao, beim Super-Bike, dann 250. Auch in Brünn – bei der Moto-GP - gab es mit Rücksicht auf die derzeitige Corona-Situation keine Zuschauer. Wie auch in Berlin bei der Formel E! - Am Nürburgring durften pro Veranstaltungstag an diesem Wochenende  aber gleich 5.000 Zuschauer scheinbar unbekümmert sein. - 15.000 Zuschauer an einem Wochenende! - Genießt die Eifel weltweit einen Sonder-Status? - Hat der auch seine Berechtigung? - Wer hat da etwas schriftlich (!) genehmigt? - Man hört mal von hier, mal von da „ganz oben“, vorsichtige Einwände, aber man muss nun tatsächlich einmal die Frage stellen, die sich bei dieser unterschiedlichen Einschätzung der Gefährlichkeit der akuten Corona-Situation aufdrängt:

Ist § 15 StGB auch in der „Corona-Welt“ anwendbar?

Bis zum Ende des Samstag (8. August 2020, 0 Uhr) gab es in Deutschland 9.196 Tote, die man offiziell dem Corona-Virus zurechnet. In Rheinland-Pfalz wurden bis zu diesem Zeitpunkt 239 Corona-Tote gezählt. Damit liegt Rheinland-Pfalz in dieser Statistik, in der die Zahlen aller 16 Bundesländer erfasst werden, bisher auf Platz 6. - Rheinland-Pfalz wird eben auch von der relativ geringen Bevölkerungsdichte begünstigt, wo man in Deutschland auf Rang 11 liegt.

Daran gemessen ist dann wieder 7. Platz, den Rheinland-Pfalz mit 220 registrierten neuen Corona-Erkrankungen in den letzten 7 Tagen in der Reihe der Bundesländer einnimmt, relativ hoch!

In dieser Phase, in der manche von einer „2. Welle“ sprechen, die aber normalerweise zu diesem Zeitpunkt nicht erwartet wurde – sondern erst im Herbst – da macht man am Nürburgring den „großen Ausfallschritt“, aber wahrscheinlich nur deshalb, um einen weiteren „Riesenschritt“ im Hinblick auf das 24h-Rennen im September vorzubereiten. (Motor-KRITIK informierte bereits.)

Der Formel 1-Grand-Prix soll dann – so die noch nicht öffentlich gewordenen Vorab-Absprachen für Oktober – vor 12.000 Zuschauern stattfinden dürfen. - Aber das ist noch „die Zukunft“! - Aktuell wurde erst mal der AvD Oldtimer Grand-Prix mit insgesamt genehmigten 15.000 Besuchern abgewickelt.

Der Pressesprecher der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG, Alexander Gerhard, meinte dazu:

"Wir haben alles dafür getan, dass mit einem Veranstaltungsbesuch das Risiko so gering wie nur irgendwie möglich zu halten.“ … „Ich glaube, dass wir als strukturierte und professionelle Veranstaltungslocation einen Beitrag leisten können, dass die Menschen ein Stück Normalität erleben dürfen".

Der rheinland-pfälzische Innenminister – obwohl nicht direkt verantwortlich – macht darauf aufmerksam, dass die Kreisverwaltung in Ahrweiler das so entschieden habe und damit auch die volle Verantwortung trage. - Das Gesundheitsministerium habe dies anders gesehen, aber immerhin 1000 Zuschauer für möglich gehalten. - Roger Lewentz:

"Veranstaltungen mit so vielen Zuschauern haben wir derzeit noch nicht wieder in Rheinland-Pfalz.“

Das ist die Feststellung des Innenministers von Rheinland-Pfalz! Er hat das unangreifbar – eigentlich intelligent - formuliert! - Eigentlich sollte er die Bestimmungen des Landes exakt kennen. Danach sind...

  • in Rheinland-Pfalz sind derzeit nur 350 Zuschauer bei Veranstaltungen unter freiem Himmel erlaubt.

Natürlich unter der Voraussetzung, dass auch sonst alle Hygiene-Voraussetzungen eingehalten werden!

„Wir setzen alles daran, eine zweite Corona Welle nach den Sommerferien zu verhindern. Die Corona-Testung ist ein wichtiger Baustein. Entsprechend der aktuellen Infektionsrate ergänzen wir daher die Teststrategie durch zusätzliche Angebote. Es ist wichtig, das Risiko zu minimieren, Corona praktisch im Urlaubsgepäck einzuschleppen.“

„Es ist wichtig, das Risiko zu minimieren.“ - Das sagte z.B. Ministerpräsidentin Malu Dreyer in diesen Tagen zur allgemeinen Corona-Situation. - Man hat den Eindruck: Jeder weiß, was jetzt zu tun ist! - Aber das geschieht nicht, sondern es geschieht das, was eigentlich überhaupt nicht ins aktuelle Bild der Corona-Situation passt!

Da ist dann schon interessant, was man direkt aus dem Gesundheitsministerium – exakt: Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz – zur Ausnahmegenehmigung für die gerade hinter uns liegenden Wochenendveranstaltung am Nürburgring hören kann.

Die Ministerin Sabine Bätzing-Lichtentäler hat sich – soweit ich das ermitteln konnte – nicht öffentlich dazu geäußert. Dafür kann aber die Aussage des Staatssekretärs aus ihrem Ministerium, Alexander Wilhelm, hier angeführt werden, der u.a. zur „Genehmigung“ für den Nürburgring sagte:

"Wir hätten uns in der Tat gewünscht, dass die Zahl deutlich niedriger angesetzt wird."

Man muss sich fragen, ob die Zahlen für eine solche Ausnahmegenehmigung so eine Art „Wunschprogramm“ der Landesregierung sind, wenn Alexander Wilhelm betonte, dass die Landesbehörde, „sein“ Gesundheitsministerium, der Kreisverwaltung Ahrweiler (!) empfohlen hätte, nur maximal 1.000 Personen pro Veranstaltungstag zu erlauben.

Aber es scheint überall nur das „gesprochene Wort“ zu gelten, von keiner Seite ist irgendetwas von einer schriftlichen Genehmigung zu erfahren und wer sie – ausgewiesen durch seine Unterschrift – erteilt hat!  

  • Wer übernimmt die Verantwortung?

Im Gesundheitsministerium des Landes Rheinland-Pfalz gibt es zwar ein Referat, das mit „Öffentlicher Gesundheitsdienst, Hygiene und Infektionsschutz“ ausgewiesen ist. (Referat 167 unter Leitung von Dr. Klaus Jahn) Wie man hier in der Eifel hört, soll auch hier – entgegen aller öffentlichen Aussagen – das Konzept des Nürburgring-Pächters – ganz im Sinne des AvD als Veranstalter - „abgenickt“ worden sein. - Von einer schriftlichen Zusage ist nirgendwo die Rede.

Nach Darstellung des Ministeriums hat dieses Referat auch die:

„Fachaufsicht über die kommunalen Gesundheitsämter als untere Gesundheitsbehörden und über die Abteilung Gesundheit des Landesuntersuchungsamtes mit seinen drei Instituten für Hygiene und Infektionsschutz in Koblenz, Trier und Landau.“

Da Motor-KRITIK bei seiner Nachfrage bei dem (lt. Staatssekretär Wilhelm) verantwortlichen kommunalen Gesundheitsamt innerhalb der Kreisverwaltung Ahrweiler bisher keine Antwort erhielt, entsteht der Eindruck, dass das Genehmigungsverfahren vielleicht  insgesamt – natürlich aus Corona-Gründen – nur in Telefon-Meetings abgewickelt wurde.

Um dann später – vielleicht – die Verantwortung für negative Auswirkungen nach Belieben delegieren zu können?

Vielleicht fürchtet man auch den § 15 des Strafgesetzbuches, wo zwar geschrieben steht:

"§ 15 Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln
Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht."

Man hat vielleicht aber auch die Möglichkeit – wenn sich nun die Corona-Zahlen im Gebiet der Eifel negativ entwickeln sollten - auf einen „Erlaubnistatbestandsirrtum“ hinzuweisen oder hat man vielleicht – aus welchen Gründen auch immer die Entwicklung „billigend in Kauf genommen“…? - Aber hätte man sich damit nicht schon wieder strafbar gemacht?

Diese Überlegungen sollen an dieser Stelle nicht weiter geführt werden. Denn der §15 kann sich aufgrund der möglichen Argumentation – und Auslegung -  so doch noch zu einem Bumerang entwickeln.

Aber das ist Sache der Staatsanwaltschaften und Gerichte. - Man kann diese eigenartige Form von Genehmigung auch simpel auslegen, wenn man – wie ich das schon im Schluss-Satz zu meiner letzten Geschichte zu diesem Thema getan habe - darauf hinweist:

„Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen!“

Der AvD scheint mit der von der Politik geschaffenen Lösung sehr zufrieden gewesen zu sein. In einer aktuellen Pressemeldung zur abgelaufenen Veranstaltung ist zu lesen:

„Dank eines umfangreichen Hygiene- und Gesundheitskonzepts konnten bis zu 5.000 Zuschauer am Tag auf den Tribünen das Geschehen live vor Ort genießen – eine weit kleinere Kulisse als in den Vorjahren und doch weitaus mehr, als in diesem Jahr bislang möglich. Denn das Oldtimer-Festival am Nürburgring war die erste deutsche Sportveranstaltung des Jahres, bei der Zuschauer in nennenswertem Umfang auf den Rängen mitfiebern durften.“

Aber die Zahlen der Zuschauer vor den Bildschirmen waren lt. AvD-Darstellung noch besser:

„Viele positive Reaktionen bestätigen dieses Urteil – nicht zuletzt auch von jenen Fans, die nicht live vor Ort dabei waren. Sie konnten den Livestream verfolgen, der durch die Hilfe zahlreicher Partner ermöglicht wurde und in Zusammenarbeit mit Nürburgring TV erstmals in diesem Umfang und Format ausgestrahlt wurde. Über 350.000 Abrufe am Wochenende verzeichneten die Streaming-Experten der Veranstaltung auf den verschiedenen offiziellen Kanälen von AvD und Nürburgring sowie vielen Partnerkanälen.“

Motor-KRITIK-Leser werden aufgrund ihrer besseren Informationsbasis den Hintergrund zur Bewertung durch den Geschäftsführer der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG, Mirco Markfort gut verstehen, der am Ende dieser „Ausnahme“-Veranstaltung ausführte:

„Zum ersten Mal gab es 2020 unter Corona-Bedingungen Zuschauer am Nürburgring. Ein besonderer Moment, den die Kreisverwaltung Ahrweiler auf Basis unseres Konzepts mit einer Ausnahme­genehmigung ermöglicht hat. Die Organisatoren des AvD-Oldtimer-Grand-Prix, die Teams, die Fahrer sowie die Fahrzeuge und insbesondere das vorbildliche Publikum haben am Wochenende zu einer gelungenen Premiere beigetragen. Fest steht: Das Konzept hat in der Praxis funktioniert. Nun müssen wir schauen, welche Möglichkeiten dies für die kommenden Veranstaltungen eröffnet.“

Aber leider ist unsere Welt wohl inzwischen etwas komplizierter – oder einfacher? - geworden. Ob das „Konzept funktioniert hat“ wird man erst in  rd. 14 Tagen aufgrund der dann veröffentlichten offiziellen Zahlen zur Entwicklung der Corona-Erkrankungen in der Eifel sagen können.

Aktuell kann man nur feststellen:

  • Richtig und gut ist wohl nur, was den Richtigen schnelle Vorteile bringt!

Vorteile kann man sofort in Euro messen! - Corona-Tests sind erst später möglich – und dauern etwas länger!

MK/Wilhelm Hahne
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