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Eigentlich scheint dieser Titel so wirr wie das Leben. Es gibt auch im Leben immer eine Weiterentwicklung, wobei die aber in den seltensten Fällen gradlinig und ohne Auf- und Abschwung verläuft. Heinz-Harald Frentzen habe ich als einen Menschen erlebt, der immer sehr gradlinig seinen Idealen zustrebte, dabei die notwendigen Zwischenschritte gar nicht so ernst nahm, wie es sein Umfeld tat. Er wollte Formel 1 fahren! Er hat dieses Ziel erreicht. Ohne Kniffe, Tricks und irgend jemand anders dabei zu schädigen. Er war immer – wie man so schön sagt – „wahrhaftig“! - Da musste er dann aus der Sicht derer, die sich für clever hielten, wie ein „Fremdkörper“ wirken, weil das auf die wie „dumm“ wirkte. Heinz-Harald war – und ist – einfach „normal gut“, jemand der sich und seine Fähigkeiten nicht verkauft hat. Entweder man begreift diesen Heinz-Harald Frentzen oder nicht. - Umgekehrt wurde diese „Normalität“ des Heinz-Harald dann von denen, die sich für besonders clever hielten, auch ausgenutzt. Darum gibt es z.B. das „Apollo“ im Titel zu dieser Geschichte. Nachdem Heinz-Harald Frentzen sein erstes Ziel, Formel 1 zu fahren erreicht hatte, hat er – mit seinem Geld – versucht, sein nächstes Ziel auch anderen zu verdeutlichen. Mit einem Rennsportwagen, mit dem er die Möglichkeiten der Elektrizität im Motorsport aufzeigen wollte. Dabei wurde er – aus meiner Sicht – richtig „über den Tisch gezogen“. Er hat sich darüber niemals beschwert, sondern „sein Ding gemacht“, indem er dann sein Privatleben entsprechend ausrichtete. Er lebt mit seiner Familie nun in direkter Nähe des Rheins im Umfeld von Neuss/Düsseldorf, mit Frau, drei Töchtern, zwei E-Automobilen in einem Haus, das seinen Vorstellungen entspricht, die schon vor Jahren anderen „sehr modern“ erschienen. Für ihn war es aber normal und selbstverständlich, dass er den Strom für den Eigenverbrauch – Haus und Automobile – selber erzeugte. - Heinz-Harald Frentzen ist ein Typ, der, wenn man seine Entwicklung über ein paar Jahrzehnte beobachtet hat, scheinbar „über Wasser gehen konnte“, um seine persönlich angestrebten Ziele zu erreichen. - Darum auch der Titel, der nur scheinbar unverständlich ist:
Apoll – Apollo – Heinz-Harald Frentzen: Ein Mensch!
Ich stand auf dem „Genfer Salon“ des Jahres 1994 ein paar Schritte abseits des Trubels, um mich mit einem netten und kundigen Kollegen über Dieses und Jenes auszutauschen, als die damals neue Team-Chefin (!) des Sauber-Formel 1-Teams uns erblickte. Weil sie meinen Kollegen – inzwischen leider verstorben – gut kannte, kam sie auf uns zu, um so nebenbei auch die Frage zu stellen, ob man mit der Verpflichtung von Heinz-Harald Frentzen wohl die richtige Entscheidung getroffen habe. - Sie war da wohl – noch – unsicher!
In mir hatte sie zufällig jemanden getroffen, der vom Talent des Heinz-Harald Frentzen zu 100 Prozent überzeugt war. Nicht nur, weil er mal in Kerpen bei einem Kart-Rennen einen Michael Schumacher besiegt hatte, der in Kerpen bis dahin unbesiegt war.
Ich hatte Heinz-Harald in einigen Stationen seiner Karriere erlebt, hatte auch mit Jochen Mass schon über ihn gesprochen, der ein sehr gutes Gefühl für Talente hatte, aber auch das „Warum“ besonderer Leistungen eines Fahrers – für mich verständlich – erklären konnte. - Ich kenne Jochen Mass auch schon aus der Frühzeit seiner Karriere. Ein Typ, der immer normal geblieben ist. - Wenn man von seiner Gewichtszunahme in den letzten Jahren absieht!
Mir war schon in der Zeit des Heinz-Harald Frentzen im Opel-Team von Jochen Mass aufgefallen, mit welcher Selbstverständlichkeit er, ganz unverbissen, mit einer gewissen Leichtigkeit schnell fuhr. Eine andere „Entdeckung“ von Jochen Maas, Marco Werner, war da von anderer Art. Man merkte ihm an, dass er „nach oben“ wollte. Auch beim Fahren. Aber er fuhr auch mit einer geradezu unbändigen Freude!
Ich bin mit beiden zusammen mal in einem Team – und einem Opel-Tourenwagen – beim 24h-Rennen 1988 auf dem Nürburgring gestartet. Ich war da schon älter als die Beiden zusammen. Heinz-Harald war 21, Marco 22, ich 55 Jahre alt. - Da habe ich mir im Vorfeld da schon Gedanken gemacht, hatte mich aber – auch gedanklich – gut vorbereitet.
Da ich der Älteste war, habe ich – wie selbstverständlich - in unserem Team die Führung übernommen und so auch unsere Einsatzzeiten im Training bestimmt. Im ersten Training habe ich Marco Werner und dann Heinz-Harald Frentzen fahren lassen. Marco war richtig schnell, Heinz-Harald – aus meiner Sicht – enttäuschend langsam. Ich hatte mir dann das erste Nachttraining – bewusst (!) ausgesucht, weil es da kühler, die Luft sauerstoffreicher ist und damit der Motor auch mehr Leistung entwickeln kann.
Die Überraschung für mich war dann, dass ich zwar Marco’s Zeit nicht erreichte, aber deutlich schneller als Heinz-Harald Frentzen war. Der wirkte auf mich – nicht nur dadurch – ziemlich lustlos. Als ich ihn daraufhin ansprach, dass er so deutlich langsamer wäre, als ich, ein Journalist, wo er doch wohl ein richtiger Rennfahrer sei, da sagte der zu mir:
„Aber Wilhelm! - Das ist mir doch so egal. - Ich will Formel 1 fahren!“
Das werde ich nie vergessen, weil das im Jahr 1988 war, ein paar Jahre vor seiner F1-Zeit. Wir waren mit unserem Opel Kadett GSi (mit Kat!) Gr. N natürlich nicht gesamtsiegfähig. Von 183 Startern kamen damals 110 ins Ziel. Wir wurden 61. im Gesamtklassement!
Ich habe Heinz-Harald auf dem Weg zu seinem Formel 1-Ziel weiter beobachtet, den er locker, unverkrampft beschritten hat. Er wusste was er wollte, er schätzte sich richtig ein, hat sich aber niemals auf das Niveau anderer Rennfahrer begeben, die auch auf dem Weg „nach oben“, sich nicht zu schade waren, die dreckigsten Tricks und Kniffe anzuwenden. - Heinz-Harald sagte da – als ich ihm das mal während eines Tests mit den Mercedes C11 und seinem Team-Kollegen Michael Schumacher zu erklären versuchte:
„Lass’ mal! - Ich halte mich an die Anweisungen. Ich habe das nicht nötig!“
So war Heinz-Harald Frentzen auch im „normalen Leben“. Als er mal für seinen Vater, der ein Bestattungsunternehmen in Mönchengladbach hat – das inzwischen von Heinz-Haralds Schwester geführt wird – in Spanien einen Toten abholen musste, der nach Deutschland überführt werden sollte, da hat er das mit dem Mercedes-Leichenwagen seines Vaters auf dem schnellsten Weg umzusetzen versucht. Er wollte so schnell wie möglich wieder zurück sein.
So ist er mal schnell nach Spanien, hat den Toten eingeladen und sich auf den Weg zurück gemacht. Heinz-Harald erzählte mir:
„Aber auf der Rückfahrt habe ich gemerkt, dass ich das nicht Non-Stop schaffe. Da bin ich auf einen Parkplatz an der Landstraße gefahren, habe den Sarg im Laderaum zur Seite geschoben und mich daneben für einige Zeit zum Schlafen hingelegt.“
Mich hat geschaudert! - Neben einem Toten sich zum Schlafen hinlegen… - Heinz-Harald war da ganz pragmatisch! - Noch ein anderes Beispiel aus dem unserem gemeinsam erlebten 24h-Wochenende.
Wir hatten für das Team in einem kleinen Dorf in Nürburgringnähe Zimmer reserviert und ich hatte Heinz-Harald nach dem Training gebeten, sich dort doch schon am frühen Abend einzufinden, da unsere Frauen dann dort die Sponsor-Aufnäher auf die Rennkombis nähen wollten. Wir waren also alle da – nur Heinz-Harald nicht. Und als ich gegen 23 Uhr mit meiner Frau das kleine Hotel verließ, war Heinz-Harald immer noch nicht da.
Am Samstagmorgen habe ich ihn dann – wie zufällig – im „Alten Fahrerlager“ des Nürburgrings schon um 8 Uhr in der Frühe getroffen:
„Heinz-Harald, wo warst du denn gestern Abend?“
„Du, ich habe das Dorf und Hotel nicht gefunden!“
„Aber das war doch einfach zu finden! - Wo bist du denn über Nacht gewesen?“
„Ich bin nach Mönchengladbach gefahren!“
Das ist so ein Moment, wo man einfach sprachlos ist. Heinz-Harald war mit dem MINI seiner Freundin nach Mönchengladbach gefahren – und morgens um 8 Uhr wieder am Nürburgring. Seinen Porsche, den sein Vater – es war ein gebrauchter Porsche – ihm geschenkt hatte, den hatte er gerade Tage vorher abseits einer Landstraße „im Acker versenkt“. - Darum der MINI seiner Freundin!
Die damalige Freundin von Heinz-Harald ist übrigens die heutige Frau von Michael Schumacher. Wie man so schön sagt: Eine Nette! - Die saß dann z.B. am Samstag des 24h-Rennens bei meiner Frau in der Küche unseres Hauses. Während meine Frau bügelte, hat man sich über Dies und Das ausgetauscht.
Heinz-Harald hat danach mit seiner Tanja auch „eine Nette“ gefunden, mit der er nicht nur drei Töchter hat, sondern immer noch zusammen lebt. Tanja war auch schon dabei, als Heinz-Harald noch in Monte Carlo seinen Wohnsitz hatte.
Auch damals war er so, wie er eigentlich immer war. Die Rennfahrer-Kollegen haben sich in Monte Carlo darüber amüsiert, dass Heinz-Harald mit Tanja auch zum Essen in einem Restaurant immer im karierten Hemd erschien. Man kannte ihn in Monte Carlo schließlich nur noch als „den, mit dem karierten Hemd“. - Irgendwie typisch für Heinz-Harald.
Typisch auch, als ich ihn vor Jahren – seit Jahrzehnten ohne Kontakt zu ihm – mal anrief, dass er überhaupt nicht überrascht war, sondern ganz normal – weil es die Situation erforderte – entschuldigend bemerkte:
„Wilhelm, ich muss gerade noch etwas erledigen. Ich rufe dich dann gleich zurück.“
Darauf konnte ich mich verlassen. Und wir haben miteinander geplaudert, als hätten wir erst gestern zusammen gesessen. Und ich habe jede Auskunft von ihm erhalten, die mir wichtig war. Er war sich bei mir auch aufgrund seiner Erfahrungen mit mir auch wohl sicher, dass ich seine Informationen „richtig“ verwenden würde. - Eine Auszeichnung! - Er vertraute mir!
Warum ich das alles erzähle? - Bei der gedanklichen Vorbereitung einer Geschichte, die ich – mit hoher Wahrscheinlichkeit – in den nächsten Wochen schreiben muss, bin ich darauf gestoßen, dass man „Apollo“ zum Ausgangspunkt dieser Geschichte machen könnte, die dann aber schon um die Welt führen wird.
Bei „Apollo“ ist mir dann auch Heinz-Harald Frentzen eingefallen. Er war - aus meiner Sicht und Einschätzung – das größte Fahrtalent, das jemals zum deutschen F1-Rennfahrer wurde! - Nur passten seine Charakter-Eigenschaften, die ihn zu einem „perfekten Rennfahrer“ gemacht hätten, nicht in das dortige Umfeld von „Talenten“, die „mit allen Mitteln“ um einen „Platz an der Sonne“ kämpften.
- Ein erfolgreicher Formel 1-Rennfahrer besteht nicht nur aus Talent, sondern muss auch Charaktereigenschaften mitbringen, die ihn nicht unbedingt zu einem „guten Menschen“, aber zu einer perfekten Rennfahrer-Persönlichkeit machen.
Hier nenne ich dann keine Namen! - Heinz-Harald Frentzen hatte das nicht nötig. Er war ein „Apoll“, ein „Apollo“, sozusagen ein „Sonnengott“, der das nicht notwendig hatte. Er hatte sein Ziel erreicht. Darum ist er auch ohne jeden Groll wieder aus der F1 ausgestiegen. Er hatte erlebt, was er erleben wollte. Und er hat es genossen!
Und die Erinnerungen daran, die Pokale? - Die hat er irgendwo gelagert, weil die doch nicht so wichtig sind, ja, eine Erinnerung, die aber nicht recht zur Einrichtung seines Hauses passen würde!
- So ist Heinz-Harald Frentzen eben. - In der Hauptsache Mensch!
Es gab – und gibt – also insgesamt viele Gründe, sich – und andere – an Heinz-Harald Frentzen – nicht nur als Rennfahrer - zu erinnern.
Toll, dass es in unserer Zeit noch solche Menschen gibt! - Noch toller, dass ich einen solchen Menschen näher kennen lernen durfte! Heinz-Harald ist in diesem Jahr 56 Jahre alt geworden und versteckt sich inzwischen hinter einem Vollbart!
Und ist inzwischen – auf Anregung einer seiner Töchter – auch auf Twitter zu erreichen. - Aber wahrscheinlich nicht lange!
Heinz-Harald braucht das alles nicht!