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Zugegeben: Ich bin ein Japan-Fan! Im Jahre 1970 war ich z.B. zum ersten Male auf der „Tokio Motor-Show“, die es heute in dieser Form nicht mehr gibt. Was mich zunächst verwirrte: Auch am Flughafen sprach jeder Taxifahrer nur Japanisch. Ich konnte dort mein Reisegepäck nicht in den Kofferraum laden, weil der mit Gasflaschen gefüllt war. - Ja, man nutzte 1970 in Japan schon Gas zur Fortbewegung! - Und Taxifahrer nahmen kein Trinkgeld! - Alles Überraschungen für einen Europäer. - Dieser erste Eindruck setzte sich fort: Saubere Bahnhöfe, die man wirklich nicht am Geruch erkennen konnte. Die Züge waren pünktlich und schnell. Die Ausstattung der Züge war komfortabel und der Service perfekt. Es gab keine Reisende mit „großem Gepäck“. - Dieser erste Eindruck hat sich bei weiteren Japan-Reisen verfestigt! - Aber ich war auch schon 1970 begeistert von den so genannten „Kei-Cars“. Vernünftige Verkehrsmittel zu vernünftigen Preisen, die jeweils nur eine kleine Verkehrsfläche belasteten. - Ich glaubte persönlich alles richtig gemacht zu haben, wenn ich „damals“ als Honda-Händler in Deutschland die Honda N 360 und N 600 verkaufte. - Diese kleinen Automobile fanden auch Käuferinteresse. - Aber in „auto motor und sport“ war in Heft 15/1968 dann ein 5-seitiger Test mit dem Titel „Der kleine Rappelrutsch“ erschienen, der die Stimmung der Öffentlichkeit für diese Auto-Kategorie mit bestimmte. - Schließlich war „ams“ „Meinungsmacher“!
„Rappelrutsch“ und die europäische Mobilitätswende!
Es gibt einen Anlass sich zu erinnern: Aktuell plant die EU-Behörde in Brüssel eine neue Kleinwagenklasse für Europa, die sich an den japanischen „Kei-Cars“ orientieren soll. Aber man muss noch die technischen Standards und die politischen Rahmenbedingungen festlegen.
- Da bleibt mir nur, einmal ganz tief durchzuatmen!
Da höre ich seit Jahrzehnten nur politisches Geschwätz, dass sich im Wesentlich darauf beschränkt, aller Welt deutlich zu machen, welche Bedeutung nicht nur die deutsche, sondern die gesamte europäische Automobilindustrie für die Welt hat.
Dann hat man dann aber „auf’s falsche Pferd gesetzt“ und möchte nun kleine Automobile forcieren, die auch der Stärkung der heimischen Industrie dienen sollen. - Schließlich gibt es in Brüssel tausende Lobbyisten, die auch von der Industrie bezahlt werden! - Weil sie keinen Einfluss haben?
Nun müssen, um die Bedeutung der Brüssler Behörde zu unterstreichen, neue technische Grenzwerte entwickelt, steuerliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um eine „neue Klasse“ von Automobilen zu schaffen, die es in Japan seit 1949 gibt!
Die Auswahl dort ist vielfältig. Aber diese kleinen japanischen Automobile sind so vernünftig, dass es aus Sicht der EU-Behörde einfach unvernünftig wäre, sie „günstig“ nach Europa zu importieren.
Da müssen nun „unauffällig“ Import-Schranken aufgebaut werden, um die „heimische Industrie“ zu schützen. Man hat schließlich schon lange genug gemeinsam geschlafen. Da wird man sich doch wohl gemeinsam zu einem „Abfrühstücken“ der Verbraucher an einen gemeinsam gedeckten Tisch setzen dürfen?
Bei uns in Europa hat man eben strenge Sicherheits- und Emissionsvorschriften geschaffen. Die werden nicht unbedingt von allen japanische „Kei-Cars“ erfüllt. - Richtig! - Dabei wird aber nicht danach gefragt, ob alle europäischen Vorschriften sinnvoll sind.
- In Japan gibt es aber die „Kei-Cars“ dafür schon seit mehr als 75 Jahren. Seit 75 Jahren hat diese Fahrzeugklasse einen hohen Zulassungsanteil in Japan. Aktuell liegt er bei 30 Prozent!
Diese „Kei-Cars“ belasten seit mehr als 75 Jahren die Umwelt weniger in Japan, sie verlangen nach weniger Verkehrsfläche, belasten den Geldbeutel ihrer Nutzer kaum, bringen also eigentlich nur Vorteile für den Verbraucher. Für die Hersteller sind sie das, was man hier als „Volumenmodelle“ bezeichnen könnte.
Dass man solche Volumenmodelle braucht, wenn am als Automobilhersteller überleben will, beweist gerade Mercedes, indem man – weg von Luxus-Modellen – nun wieder zurück zur A-Klasse findet!
- In Deutschland hatten „Kei-Cars“ – „auto motor und sport“ sei Dank! - „Rappelrutsch“-Niveau. Eine Zuordnung auf „Wirtschaftswunder“-Niveau!
Ich persönlich bin 1969 schon mit einem „Rappelrutsch“ eine Vorstufe zum 24h-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife – eine Art „Zuverlässigkeitsfahrt – mit gefahren. Ich habe die übrigens mit einem Satz Kleber-Reifen auf dem Honda N 360 durchfahren können!
Am Montag nach dieser Dauerprüfung, habe ich dann mal Ernst Leverkus – wir nannten ihn „Klacks“ – (Test-Redakteur der Zeitschrift „MOTORRAD“) in das Fahrzeug gebeten und habe mit ihm eine Runde Nürburgring Nordschleife gedreht. Mit den gleichen Reifen, mit denen ich zuvor die 24 Stunden-Dauerprüfung beendet hatte. - Übrigens: Der Honda N 360 wurde damals als einziges Fahrzeug im Wettbewerb mit „Normalbenzin“ betankt! - (Das gab es „damals“ noch!)
- „Klacks“ war beeindruckt und begeistert, hatte sich vorher überhaupt nicht vorstellen können, dass das mit einem Automobil mit einem Motor von nur 360 ccm Hubraum überhaupt möglich ist.
Auch manche Journalisten haben sich damals wie Hauptdarsteller in einer Wohlstandsgesellschaft gefühlt. Da war dann eine Entwicklung hin zum SUV „normal“. Und die Automobile wurden immer „sicherer“. Damit ging bei einer neuen Autofahrer-Generation auch mehr und mehr das Gefühl für Gefahren im Straßenverkehr verloren.
Wenn jetzt sozusagen von einer „Behörde“ eine neue Automobil-Klasse vorgegeben wird, dann soll das natürlich zunächst mal ein e-Automobil sein. Also nicht nur klein, sondern – als besondere europäische Lösung – dann ein e-Kei-Car auf europäischem Niveau! - Mit allen „Sicherheitseinrichtungen“!
- BYD, ein inzwischen auch in Europa – und Deutschland - nicht unbekannter großer chinesischer Automobilhersteller, hat gerade in Japan ein e-Kai-Car für den japanischen Markt vorgestellt. Damit ist BYD der erste Nicht-Japaner, der in Japan ein Kei-Car auf den Markt bringt.
In Brüssel wird man – gut beraten - noch einige Zeit an Details feilen, mit denen man die europäischen Automobilhersteller schützen kann, während man bei VW, Fiat, Renault & Co. auch mal die effektivere Zusammenarbeit zwischen Staat, Politik und Industrie in außereuropäischen Ländern zur Kenntnis nehmen sollte.
- In asiatischen Ländern denkt und handelt man pragmatischer, wie ich auf meinen Reisen in Asien gelernt habe!
Man sollte sich von dem Gedanken trennen, dass Automobile nur Luxus sein müssen. Automobile sollten eigentlich „Nutztiere“ sein, den Menschen die Möglichkeit geben, günstig von „A“ nach „B“ zu kommen.
Wir können nicht nach einem möglichst „günstigen“ Deutschlandticket und gleichzeitig nach hubraumgroßen und PS-starken Verbrenner-Automobilen verlangen. Die Fortsetzung findet diese „falsche Strömung“ in dem aktuellen Angebot von „konkurrenzfähigen“ e-Automobilen mit möglichst vielen „PS“ – und „Auspuff-Tongenerator“!
- Schon aus dieser Real-Situation ergibt sich, dass Automobile in unseren Landen eben auch der Repräsentation dienen müssen! - Das ist in Japan anders.
Natürlich gibt es dort auch Mittel und Möglichkeiten zur Selbstdarstellung! - Aber die erfolgt nicht über die Darstellung mit einem „tollen“ Automobil!
Wofür die „Kei-Cars“ in Japan dann seit 1949 beispielhaft sind!
MK/Wilhelm Hahne
Fast vergessen: Heute würde selbst ein Honda N 360 bei „auto motor und sport“ wahrscheinlich eine realistischere Beurteilung erfahren. Die Wirtschaftswunder-Jahre sind vorbei! Der ehemals „fette Anzeigen-Schlüssel“, der den Anteil des redaktionellen Inhalts bestimmte, ist auch in Stuttgart Vergangenheit. - Da muss einem um eine positive Bewertung der von der EU-Behörde initiierten „Kei-Cars der Zukunft“ nicht bange sein.



