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Über das laufende Insolvenzverfahren bei der Nürburgring GmbH lohnt es sich schon ein paar Gedanken zu machen. Man nutzt die Vorzüge eines „modernen“ Insolvenzverfahrens, das in Eigenverwaltung. Aber nur in einer bestimmten Hinsicht. In einer anderen nutzt man es nicht. Wie Motor-Kritik gerade durch eine entsprechende Anfrage beim zuständigen Insolvenzgericht in Erfahrung bringen konnte. - Wie soll es unter diesen Umständen jemals zu einer Entschuldung kommen? - Oder zu einem Ende des Insolvenzverfahrens? - Offensichtlich ist die gewählte Form der Insolvenz – der in Eigenverwaltung – für die Landesregierung nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt interessant. - Aber vielleicht kann Motor-KRITIK durch einen sachkundigen Leser geholfen werden, der das „moderne“ Insolvenzrecht beherrscht. - So kann man hier nur die – vielleicht naive - Frage stellen:
Ohne Insolvenzplan – mit Plan?
Eigentlich waren es die einfältigen Feststellungen eines Rechtsanwalts (und Mitglieds der Landesregierung) Hoch, die bei Motor-KRITIK zu neuen Ansätzen beim Begreifen von Entscheidungen der Landesregierung von Rheinland-Pfalz führten. Und es lohnte sich offensichtlich, sich noch einmal mit dem Thema Insolvenz in Eigenverwaltung zu beschäftigen.
Motor-KRITIK hatte das zwar schon vor Kurzem getan (s. hier), aber einige Lücken beim Denken konnten ohne fremde Hilfe nicht geschlossen werden.
So spielt bei der Insolvenz in Eigenverwaltung der so genannte Insolvenzplan eine wichtige Rolle. War bei der bisherigen Art der Abwicklung einer Insolvenz immer der notwendige „Zwangsvergleich“ ein Schreckgespenst, so können nun – wenn sie vernünftig sind – Schuldner und Gläubiger als die Beteiligten bei einer Insolvenz, die Sache irgendwie flexibel und wirtschaftlich effektiv abwickeln.
Das Zauberwort heißt „Insolvenzplan“. Damit soll vermieden werden, dass bei einer Insolvenz ein eigentlich funktionierendes Unternehmen, das durch besondere Einflüsse in Schieflage gerät, einfach „zerschlagen wird“. Denn so ergibt sich auch meist ein wirtschaftlicher Vorteil für die Gläubiger.
So ein Insolvenzplan ist in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil (s. § 219 InsO) gegliedert. Der darstellende Teil soll alle wichtigen Daten zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, da dieser Plan auch die Grundlage für die notwendige Zustimmung der Gläubiger und des Insolvenzgerichts bilden soll. Es ist vor allen Dingen darzulegen, wie das Unternehmen „verwertet werden soll“. Das kann sowohl eine Liquidation, eine Sanierung als auch ein Verkauf sein.
Also wäre es doch interessant zu erfahren, wie sich die Insolvenz-Sachwalter eine vernünftige Lösung im Interesse der Gläubiger vorstellen und wie sie diese Lösung in die Realität umsetzen wollen.
Sie sollten auch in einem solchen Insolvenzplan z.B. die Gläubiger nach sachlichen Kriterien in bestimmte Gruppen einteilen. Das wären im Fall der Nürburgring GmbH:
- „normale“ Gläubiger, die lt. Gutachten der Sachwalter Forderungen von rd. 15 Mio Euro haben
- und ein „nachrangiger“ Gläubiger, dessen Forderung – s. Gutachten - 330 Mio Euro beträgt.
Lt. § 226 Abs. 1 InsO sind innerhalb dieser Gläubigergruppen die Beteiligten hinsichtlich ihrer Rechte gleich zu behandeln.
Über so einen Insolvenzplan müssen die Gläubiger entscheiden. Und das Gericht. Unter normalen Umständen ist es so, dass um drei bis vier Monate nach Verfahrenseröffnung über ein Sanierungskonzept wie es im Insolvenzplan dargestellt ist, abgestimmt werden kann und es – wie in den meisten Fällen – so rechtskräftig bestätigt wird.
Sobald die Bestätigung des Insolvenzplanes rechtskräftig ist, beschließt das Insolvenzgericht dann die Aufhebung des Insolvenzverfahrens und der bisherige Sachwalter überwacht die Erfüllung der mit dem Insolvenzplan gemachten Zusagen weiter.
Wie weit ist man damit inzwischen bei der Insolvenz in Eigenverwaltung bei der Nürburgring GmbH? - Eine Anfrage beim zuständigen Insolvenzgericht in Bad Neuenahr-Ahrweiler ergab:
Bis heute – rd. 15 Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung – haben die Insolvenz-Sachwalter noch keinen Insolvenzplan erstellt. „Eine zwingende Verknüpfung zwischen der Eigenverwaltung und der Vorlage eines Insolvenzplans besteht nicht“, teil das Insolvenzgericht emotionslos aber informativ mit.
Warum hat man dann bei der Einleitung des Verfahrens bei der Landesregierung in Mainz wohl eine Insolvenz in Eigenverwaltung gewählt?
Am 21. Februar 2014 verkündete der Sprecher der Insolvenz-Sachwalter auf einer Pressekonferenz der Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH, einer „Tochter“ der insolventen Nürburgring GmbH, die deren Geschäfte weiter führt, dass diese Tochter im Kalenderjahr 2013 ein deutlich besseres Ergebnis „als eine Schwarze Null“ erzielen konnte. - Also gibt es doch eine Basis für eine vernünftige Weiterführung der Geschäfte auf der Basis des ursprünglichen GmbH-Vertrages, in dem keine Achterbahn, kein Vergnügungsviertel, kein Hotel vorgesehen war.
Es wird so deutlich, dass die Möglichkeit der Insolvenz in Eigenverwaltung durch den Eigner der Nürburgring GmbH, die Landesregierung von Rheinland-Pfalz offensichtlich nur ergriffen wurde, damit sie nach wie vor – über den von ihr bestimmten Insolvenz-Geschäftsführer - den vollen Durchgriff zum operativen Geschäft und die von ihr favorisierte Verkaufsabwicklung der GmbH hatte.
Der an der Bauchspeicheldrüse erkrankte und deshalb (??) aus der Regierungsverantwortung ausgeschiedene Kurt Beck (SPD) äußerte sich am 12. Juni 2013 vor Studenten in Marburg ganz eindeutig, dass der Nürburgring-Verkauf von der EU vorgeschrieben wäre. - Ist man wirklich gezwungen?
Damit wollte er wohl die Aussagen der Insolvenz-Sachwalter – z.B. die vom 28. Februar 2013 - unterfüttern, die zu diesem Termin bereits die Medien informiert hatten, dass der Verkauf der Nürburgring-Rennstrecken zwingend sei. - Zwingend!
Lassen wir noch einmal kurz die skandalöse Entwicklung um die Insolvenz in Eigenverwaltung zeitlich Revue passieren:
März 2012: EU eröffnet offiziell ein Beihilfeverfahren in Sachen Nürburgring.
Juli 2012: Nürburgring GmbH meldet Insolvenz an
Okt. 2012: Gutachten der Insolvenz-Sachwalter geht beim Insolvenzgericht ein.
Nov. 2012: Lt. Insolvenzgericht ist das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung offiziell eröffnet.
Febr. 2013: Insolvenz-Sachwalter verbreiten: Verkauf des Nürburgrings sei zwingend.
April 2013: Gläubiger-Ausschuss entscheidet: Nürburgring soll zum Verkauf ausgeschrieben werden.
Mai 2013: Insolvenz-Sachwalter schalten Verkaufsanzeigen. KPMG wird eingeschaltet.
Dez. 2013: Eigentliches Ende des normalen Bieterverfahrens.
Febr. 2014: Bieterverfahren wird – nach Verlängerung – abgeschlossen. (Aber nicht definitiv!)
Febr. 2014: Pietro Nuvoloni erklärt im Auftrag der Insolvenz-Sachwalter auf einer Pressekonferenz der NBG (einer 100%-Tochter der insolventen NG): „Das 2013er- Ergebnis war deutlich besser als eine '“Schwarze Null'“.
Damit bestätigt sich eigentlich die Einschätzung der Insolvenz-Fachleute, dass bei der Nürburgring GmbH die Zuordnung der Insolvenz in eine „in Eigenverwaltung“ richtig war. Die Nürburgring GmbH verfügt offensichtlich über eine gesunde Basis zur Fortführung der Geschäfte. „Krank“ war nur die so genannte „Beihilfe“ der Landesregierung und die sich daraus ergebenen Zinslasten.
Mit diesen Fakten hatte Motor-KRITIK auch das Insolvenzgericht bei seiner Anfrage informiert, deren Chef eigentlich mit seiner Antwort nur bestätigte, dass die Abwicklung der Insolvenz – unter dem direkten Zugriff der Landesregierung - der Inszenierung in einem „Schmierentheater“ gleicht.
Auch die Neugründung der NBG, der neuen Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH, erscheint bei normaler Betrachtungsweise vollkommen überflüssig, da ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung von Außenstehenden, also auch von den bisherigen Geschäftspartnern der Nürburgring GmbH, nicht als ein „klassisches Insolvenzverfahren“ betrachtet und empfunden wird, also ein solches, dass auf eine „Zerschlagung“ ausgerichtet ist. Eine Insolvenz in Eigenverwaltung wird meist – und sehr stark - mit den Begriffen „Sanierung“ und “Neustart“ verbunden.
Was auch so sein könnte. - Wie das Betriebsergebnis in 2013 (lt. Pietro Nuvoloni) beweist. Aber wie es die Durchsetzung der Pläne der Landesregierung derzeit unmöglich macht, die nur die Vorteile einer bestimmten Partei, bestimmter Gruppen und Personen im Auge haben.
Hier wird eine Region um ihre wirtschaftliche Basis gebracht. Und sie muss noch für die Fehler der Politik zahlen. - Bis hin zu den Honoraren der Berater.