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Wenn der SPIEGEL in seiner fast aktuellen Ausgabe (von letzter Woche) den 6. Juni als „D-Day“ bezeichnet, dann hat er Recht, so er dieses Datum durch die Jahreszahl 1944 ergänzt. - Historie. - Unvergessen, blutig, entscheidend. - Der 11. Juni wird auch zu einem D-Day werden, wenn man dieses Datum um die Jahreszahl 2014 ergänzt. Dann gibt die EU-Kommission ihre Entscheidung in Sachen Nürburgring bekannt. In Düsseldorf scheint man sie schon zu kennen und empfindet den Kauf des Nürburgrings als „geilen Deal“, den man – obwohl man eigentlich genug Baustellen hat - einfach mitnehmen musste. Denn man hat inzwischen schon schriftlich, was eine breite Öffentlichkeit erst später erfahren wird: Die EU-Kommission wird den Kauf des Nürburgrings als „gesetzeskonform“ durchwinken. Capricorn ist durch die Fehler einer Landesregierung nicht belastet. - „Nur“ eine ganze Region und - der Steuerzahler. - Das macht dann andere Entscheidungen für Capricorn, wie die in Sachen „Rock am Ring“, ein wenig leichter. - Man ist auf der Siegerstraße, fühlt sich so, wie die Allierten nach dem 6. Juni 1944, als es – quer durch Frankreich und die Eifel - in Richtung Endsieg ging. Da störten die Toten am Straßenrand genauso wenig, wie demnächst die rund 150 Arbeitslosen, die durch eine weitere Entscheidung „der neuen Herren am Ring“, nach dem 24-Stunden-Rennen, gezählt werden können. - Die taktischen Entscheidungen sind schon – wie auch im Fall „Rock am Ring“ - längst getroffen. Doch hier geht es um den...
11. Juni 2014: „D-Day“ am Nürburgring
Man hat in Brüssel lange gebraucht, um all das zusammenzutragen, zu notieren und zu werten, was irgendwie „dafür“ oder „dagegen“ spricht. Gegen europäische Gesetze zum Beispiel. Da ist dann in einer Zeit, die gerne als eine „Zeit des papierlosen Büros“ bezeichnet wird, doch viel Papier zusammen gekommen.
Alle Für und Wider nehmen – was das Thema „verbotene Beihilfen“ durch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz an die Nürburgring GmbH betrifft, insgesamt 60 DIN-A4-Seiten ein. In klarem, verständlichen Deutsch. Denn solche Vorgänge – und Vorwürfe – sind nach den EU-Richtlinien immer in der Sprache des betroffenen Landes aufzuzeichnen.
Was dazu führt, dass diese Vorlage, die die Basis für die Entscheidung einer Europäischen Kommission ist, dann ins Englische übersetzt werden muss, damit die Kommissionsmitglieder, aus aller Herren Länder kommend, das dann überhaupt lesen können. - Aber ob sie das auch richtig verstehen?
Leute die ein Blick in die englischsprachigen Vorlagen werfen konnten, sprechen von einem schwer verständlichen Handels-Englisch. Was andere verneinen. Alles wäre in normalem Umgangs-Englisch notiert und sehr gut zu verstehen.
Motor-KRITIK möchte sich in solche Bewertungen nicht einmischen, sondern hat einfach mal einen Blick in die deutsche Version geworfen. In der englischen Übersetzung wird übrigens klar darauf hingewiesen, dass im Fall von Unklarheiten immer die deutsche Version zur Klärung herbeigezogen werden muss. - Werfen wir also einen Blick auf dort stehende wichtige Punkte. - In Deutsch.
Da interessiert natürlich, was man zum Nürburgring-Käufer Capricorn meint. Da ist dann zu lesen:
„Die KOM kommt in Erwägungsgrund 204 (sowie 198 - 213) zu dem Schluss, dass zwischen dem angestrebten Geschäftsmodell von Capricorn und dem bisherigen insolventen Modell von NG, MSR und CMHN keine wirtschaftliche Fortsetzung („economic continuity“) besteht, weshalb Capricorn nicht für unrechtmäßig gezahlte staatliche Beihilfen haftbar gemacht werden kann.
In Bezug auf die vier Beschwerden (Ergänzungsgründe 96 ff.), die bezüglich des Bieterverfahrens eingereicht wurden, ist von Bedeutung, dass die Kommission in Erwägungsgrund 182 zu dem Schluss kommt, dass die Anteile im Rahmen des Bieterverfahrens offen, transparent und diskriminierungsfrei verkauft wurden.
In den Erwägungsgründen 208 – 212 nimmt die Kommission Stellung zu den vier Beschwerden und begründet, warum diese nicht erfolgreich sind (infolgedessen könnten aus der Sicht der Beschwerdeführer Möglichkeiten zur Klage bestehen).
Nach dem aktuellen Zeitplan ist davon auszugehen, dass die KOM am 11. Juni die vorgeschlagene Entscheidung annimmt und damit den vorliegenden Text endgültig an Deutschland (respektive RLP) übermitteln wird.“
Das ist sicherlich die Darstellung und Argumentation, die im Moment eine Reihe von Anwälten – nicht nur in Deutschland – interessiert. Sie können schon mal vorab mit dem Diktat einer Klageschrift beginnen. - Aus Motor-KRITIK-Sicht mit Aussicht auf Erfolg!
Besonders schön lachen den Leser die Vokabeln...
„offen, transparent und diskrimiernungsfrei“
...in der obigen Darstellung aus der Argumentation der „KOM“ an.
In Sachen „verbotener Beihilfen“ ist dagegen eigentlich Vieles verständlich. Da ist z.B. zu lesen, was für Motor-KRITIK-Leser nicht neu ist, weil hier die Situation auch immer so geschildert wurde:
„Verfahren und Entscheidung bezüglich staatlicher Beihilfen richten sich formal immer an/gegen den betroffenen Mitgliedsstaat. Dieser reicht die Entscheidungen und mögliche Forderungen an das betroffene Bundesland, in diesem Falle Rheinland-Pfalz, weiter.“
Motor-KRITIK möchte sich hier nicht in Details verlieren, sondern darf aus der Zusammenfassung des EU-Papiers zitieren:
„Insgesamt beurteilt die Kommission 19 verschiedene Maßnahmen im Zeitraum von 2002 bis 2012. Von diesen Maßnahmen werden 18 als unrechtmäßig und inkompatibel mit Artikel 108(3) AEUV eingestuft.
Die vorgeschlagene Entscheidung wäre – wird sie so gefällt – ein vernichtendes Zeugnis für die Arbeit der LR von 2002 bis 2012 und würde belegen, wie vielfältig und vielschichtig gegen geltendes europäisches Recht verstoßen wurde.“
Dem ist eigentlich wenig hinzuzufügen und wird übrigens auch von den jetzt in Mainz agierenden Politikern so empfunden. Man ist im Hinblick auf die Entscheidung am 11. Juni 2014 – aber auch unter dem Eindruck der Abläufe zum Thema „Rock am Ring“ - sehr nervös in der Landeshauptstadt und es gibt Stimmen die nicht ausschließen, dass es zu einer Regierungsumbildung kommen kann.
„D-Day“ am Nürburgring war schon öfter und wird noch öfter sein. - Nur: Wer hier als Sieger vom Platz geht, das ist noch nicht so klar. Zu den bisher eindeutig „Geschlagenen“ gehören die Bewohner der Region, die zum Spielball von selbstgefälligen Politikern und Spekulanten wurden.
MK/Wilhelm Hahne