RLP: „Geht alles den Bach runter“?

Man kann wirklich nicht sagen, dass die Mainzer Landesregierung nicht immer offen mit ihren Bürgern kommuniziert hat. Schon 1991 hat man sie mit einer Anzeige in der „Wirtschaftswoche“ informiert. - Wenn man das „damals“ richtig verstanden hat. Es war nämlich anders gemeint. - Anders gemeint als jetzt deutlich wird, war auch ein Schreiben von Malu Dreyer nach Brüssel. Gut gemeint war es dann wohl, wenn ein Tarifvertrag, stolz von der Gewerkschaft ausgehandelt, dann nicht zum Tragen kommt. - Was uns bei Motor-KRITIK nachdenklich zu Recherchen veranlasste. Wobei wir – so nebenbei – dann auch darauf gestoßen sind, dass Eveline Lemke manchmal auch „ein Rad ab hat“. (Wir zeigen Fotos.) - Wir zeigen auch, wie die Politik Arbeitsplätze vernichtet. Natürlich unauffällig und sozialverträglich. - Und was den Titel betrifft, so haben wir uns den bei der „Wirtschaftswoche“ entliehen. - Da kann man den Redakteuren der Zeitschrift keinen Vorwurf machen. Florian Zerfaß, der dort so hervorragend recherchierte Nürburgring-Geschichten schreibt, besuchte 1991 noch die Grundschule (2. Schuljahr). - So muss Motor-KRITIK dann daran erinnern, was schon „damals“ - allerdings ohne Fragezeichen – von der Landesregierung deutlich gesagt wurde.

RLP: „Geht alles den Bach runter“?

Exakt war die Anzeige überschrieben: „In Rheinland-Pfalz geht alles den Bach runter.“ - Wer würde da 23 Jahre später widersprechen? (Sie finden die Anzeige als pdf-Datei im Anhang.) Damals war gerade die CDU von der SPD an der Regierungsspitze abgelöst und Rudolf Scharping, exakt jener Regierungspräsident hatte das Sagen, der auch seinen Radler-Freund, Dr. Walter Kafitz, an die Spitze der Nürburgring GmbH gebracht hat. - Auch mit dem ging dann alles „den Bach runter“. - Im Team kommt man eben immer zu besseren Leistungen.

Aber natürlich war diese Anzeige anders gemeint. Man wollte auf die vielen Flüsse des Landes als Transportwege verweisen. Was stimmt. - Motor-KRITIK hat dafür auch nach einem passenden Beispiel gesucht und es auch gefunden. Und es hat sogar einen aktuellen Bezug, spannt den Bogen bis hin zu den „erneuerbaren Energien“ und dem Kraftakt einer Eveline Lemke auf diesem Gebiet, die für die Umsetzung ihrer Visionen in die Realität sogar tiefe, breite Schneisen in bisher erholsame Eifelwälder schlagen lässt. - Von den notwendigen vielen Tonnen Beton in den Waldböden wollen wir hier gar nicht sprechen.

Wer die Eifel mit Windrädern zustellen will, der freut sich auch darüber, dass es so viele Wasserwege als Transportwege gibt. Wer sich nicht freut, sind die Bewohner der Orte, deren Bürgermeister gerne die Pacht für den für den Bau von Windkrafträdern zur Verfügung gestellten Boden kassieren, die aber die Optik, die Geräusche und den Schattenschlag der Windräder nicht mögen.

Wobei es Motor-KRITIK bei den Recherchen zu dieser Geschichte auffiel – und unverständlich blieb – warum eigentlich die Betreiber von Windrädern niemals Land kaufen, sondern immer pachten. Weil Bürgermeister und Gemeinderäte leichter mit regelmäßigen Pachtzahlungen zu locken sind?

Aber nun kommen wir zur der Verbindung Anzeige von 1991 - Wasserwege – Windkraftanlagen – Eifel – aktuelle Wirtschaftspolitik.

Als der Windkraftanlagen-Hersteller „Nordex“ im Jahre 2003 bei dem kleinen Eifelort Zilsdorf drei Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 100 Meter errichten wollte,  da bedeutete das z.B., dass das unterste Turmsegment einen Durchmesser von 5,7 Meter hatte und 70 Tonnen wog. Nun weisen Straßenbrücken meistens eine Durchfahrtshöhe von 4,2 Meter auf und da ist man froh, wenn man Wasserwege nutzen kann.

Im Fall Nordex wurden die Teile für Türme und Flügel der Anlagen vom dänischen Esbjerg nach Rotterdam verschifft. Per Binnenschiff ging es dann über den Rhein und Mosel bis nach Trier. Nur noch die letzten Kilometer bis Zilsdorf mussten auf der Straße zurückgelegt werden.

Aber auch Windkraftanlagen altern. Sie müssen evtl. überholt, nachgebessert – oder wenn alles nicht mehr hilft – entsorgt werden. Das wäre inzwischen bei den drei Windkraftanlagen bei Zilsdorf notwendig. Der Betreiber zahlt zwar noch seine Pacht, aber bei zwei der drei Windkrafträder dreht sich nichts mehr und bei der dritten Anlage wurde schon vor langer Zeit der Propeller abmontiert, weil wohl das Getriebe defekt ist. - Und nichts ist es mit „erneuerbaren Energien“!

Frage an die Wirtschaftsministerin des Landes:

Wer stellt letztlich die Entsorgung solcher defekten Windkraftanlagen sicher? - Es müssen ja nicht immer Atomkraftwerke sein.

Zur Information meiner Leser – nicht nur Frau Ministerin Lemke – füge ich hier drei Fotos an, die alle in dieser Woche entstanden:

 

 


 

(Was da am „Propeller“ der stillgelegten Windkraftanlage lehnt, ist ein Mountainbike, um die Größe und Mächtigkeit des „Windrades“ zu verdeutlichen. - Das übrigens auch nicht verrotten wird – wenn sich Frau Lemke nicht persönlich um die Beseitigung dieses „Windmülls“ bemühen wird.)

Damit kämen wir zu einer anderen Dame der aktuellen Landesregierung, die auch alles tut, um in Sachen Nürburgring einen guten Eindruck zu machen. So schrieb Malu Dreyer am 30. April 2013 einen Brief an den „sehr geehrten Vizepräsidenten“, Herrn Joaquin Almunia, Rue de la Loi 200,B 1040 Brüssel, in dem es gegen Ende hieß:

„ ...Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf ein weiteres Thema eingehen, dass für die Region und die Beschäftigten der NG und NB von erheblicher Bedeutung ist:

Die Beschäftungssicherung für den Fall einer Veräußerung.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihre Familien, aber auch die von der lokalen Kaufkraft abhängigen kleinen Unternehmen sind in großer Sorge, dass ihre wirtschaftliche Existenz durch die Auswirkungen des Verkaufprozesses bedroht sein könnte. Aus diesem Grund hat die zuständige Gewerkschaft mit der NG und der NBG eine tarifvertragliche Regelung ausgehandelt, die eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2016 vorsieht, um die schlimmsten Härten einer Veräußerung der Unternehmenswerte ein wenig abzumildern.

Den Wortlaut dieser Passage des paraphierten Tarifvertrags darf ich wie folgt zitieren:

'§ 6 Beschäftigungssicherung

Betriebsbedingte Kündigungen sind bis zum 31.12.2016 ausgeschlossen, es sei denn, die Vertragsparteien einigen sich aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf einen Sozialtarifvertrag. … Leistungen des Sozialtarifvertrags werden mit evtl. Leistungen eines Sozialplans verrechnet.

§ 6a Klarstellung

Die vorgenannten Regelungen des § 6 bezüglich der wirtschaftlichen Schwierigkeiten gelten auch, wenn Arbeitnehmer einem Betriebsübergang widersprechen und beim Unternehmen keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht.

§ 12 Künftige Umstrukturierungen

Falls es über die Übertragung der Aufgaben von der NAG auf die NBG hinaus zusätzliche gesellschaftsrechtliche Veränderungen (Verkauf, gesellschaftsrechtliche Umwandlungen, Neugründung, Folgegesellschaften und Ähnliches) oder sonstige erhebliche Auswirkungen auf das Personal (Fremdvergabe, Outsourcing, Verpachtung) geben sollte, wird für die von der jeweiligen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vor Umsetzung der personellen Maßnahmen ein Tarifvertrag (ggf. in Verbindung mit der Regelung des § 6 und § 6a zum Sozialtarifvertrag) mit dem jetzigen (Verkäufer) oder zukünftigen (Käufer)Eigner abgeschlossen. Dabei gelten die Regelungen dieses Tarifvertrags als Grundlage.

Wenn bei der Eignerin (derzeit die NG) in Form eines Asset- oder Share Deals eine Eigentumsveränderung eintritt, haben die zugehörigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der NBG und NG das Recht, im Rahmen des § 613a BGB und den Regelungen dieses Tarifvertrags und des neu zu vereinbarenden Tarifvertrags mit überzugehen.

Sollte es zu einer Veräußerung kommen und die NBG unter die Regelungen des § 613a BGB fallen, haben alle Arbeitnehmer der NG das Recht, zur NBG - unter Wahrung ihrer bestehenden Besitzstände - zu wechseln.'

Ich bin der festen Überzeugung, dass eine solche Vorgabe, die der in Deutschland verfassungsrechtlich garantierten Tarifautonomie entspricht, einem beihilfekonformen Verwertungsprozess nicht im Wege steht.“

Motor-KRITIK hatte 2013 schon über diesen Brief berichtet und kannte auch die Bemühungen der Gewerkschaft ver.di in Sachen Nürburgring. Danach, nach einer Reihe von „Runden Tischen“ und anderen öffentlichkeitswirksamen Aktionen, war allerdings von der Gewerkschaft nur noch wenig zu hören. - Na ja, wenn sie schon alles getan hatte... -

Im Januar 2014 wurde ich wieder an die Arbeit der Gewerkschaft erinnert, als ich von dem Duo Robertino Wild/Dr. Axel Heinemann in Sachen „Übernahme von Arbeitskräften“ hören musste, was ich in meiner „alten“ Geschichte auf diesen Seiten so zusammengefasst habe:

„ In unserem Gespräch am Montagabend, dem 27.1. machten die kommenden Besitzer (?) des Nürburgrings keinen Hehl daraus, dass sie die Fülle von Mitarbeitern, die eigentlich lt. „Teaser“ der KPMG mit übernommen werden müssten, nicht mit zu übernehmen gedenken. - Basta!

Diese Absicht ist zwar verständlich (weil kaufmännisch vernünftig!), aber auch unverständlich, da man – glaubt man den Darstellungen der KPMG im „Teaser“ - als Käufer quasi verpflichtet ist, die vorhandenen Mitarbeiter zu übernehmen. Nicht, weil es dafür Arbeit geben würde, sondern deshalb, damit sich die Gewerkschaft in der Öffentlichkeit positiv darstellen kann. Sie hat dazu auch eine vertragliche Basis geschaffen. - Dachte ich.“

Ich habe die Aussage der evtl. „neuen Käufer“ (damals am 29.1.2014) mit in meine Geschichte aufgenommen, weil ich sie für bedeutsam hielt, aber – ehrlich – sie nicht verstanden habe.

Denn ich kannte ja die tariflichen Festlegungen, wie Sie von Frau Dreyer auch der EU-Kommission in Brüssel vermittelt worden waren.

Inzwischen – vor ein paar Wochen – habe ich dann gehört, dass größere Entlassungen bei der Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH geplant sind. „Planer“ ist hier der neue Geschäftsführer der NBG, der gleichzeitig auch Geschäftsführer bei der capricorn NÜRBURGRING GmbH ist. - Das war schlüssig, weil man bei Capricorn offensichtlich so auf den Termin 31.12.2014 hin arbeitet, zu dem man dann lt. Vertrag die Leute übernehmen muss, die zu diesem Zeitpunkt noch da sind. - Je weniger, je besser.

Auf Seite 24 des KPMG-Teaser ist dazu zu lesen:

„Die Mitarbeiter der Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft gehen gemäß § 613a BGB mit den Vermögenswerten im Rahmen der Transaktion über.“

So weit, so gut – und verständlich. Aber was ist mit der ergänzend zwischen den Gewerkschaften und der Gesellschaft abgeschlossenen tariflichen Vereinbarung, die von unserer Ministerpräsidentin in Ihrem Schreiben an die EU so beschrieben wird:

'§ 6 Beschäftigungssicherung
Betriebsbedingte Kündigungen sind bis zum 31.12.2016 ausgeschlossen, es sei denn, die Vertragsparteien einigen sich aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf einen Sozialtarifvertrag. … Leistungen des Sozialtarifvertrags werden mit evtl. Leistungen eines Sozialplans verrechnet.

Bis ich – schon ein wenig fassungslos – darauf stoße, dass diese Vereinbarung, von allen Seiten immer wieder betont herausgestellt, niemals Gültigkeit erlangt hat. Der Gläubigerausschuss hat sie abgelehnt, weil damit gegen Europäisches Recht verstoßen und eine solche Vereinbarung durch die EU-Kommission niemals anerkannt worden wäre.

Und die Beschlüsse des Gläubigerausschusses sind nun mal vertraulich und damit geheim. Und darum habe ich so manche Bemerkung – auch die der Herren Wild und Heinemann – nicht verstanden. - Wobei ich heute davon ausgehen muss, dass diese Herren, damals am 27. Januar 2014, diese Ablehnung durch den Gläubigerausschuss schon kannten. Darum auch ihre für mich so unverständlich klaren Aussagen, die ich dann nur in meiner Geschichte mit einem „Basta!“ kommentieren konnte.

Nachdem ich so ein wenig die Übersicht wieder erlangt hatte, konnte ich in der Sache dann weiter recherchieren und kann per heute – vor dem 24-Stunden-Rennen – folgendes Ergebnis präsentieren:

Der neue Doppel-Geschäftsführer, Carsten Schumacher, wird die Organisation der Betreiberfirma (NB) etwas straffen und von fünf auf drei Bereiche verkürzen, was natürlich auch bedeutet, dass „Leiter“ ihre Kündigung bekommen werden, wenn sie nicht schon „das Weite gesucht haben“ und aus eigenem Antrieb verschwinden.

Insgesamt soll die erste Kündigungswelle (nennen wir sie einmal so), die zum 31. Juni 2014 ausgesprochen wird, um 70 Mitarbeiter betreffen.

Natürlich sollen die Kündigungen sozial verträglich abgewickelt werden. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, erhalten die Gekündigten pro Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit eine Abfindung von einem Monatsgehalt brutto.

Weil dann automatisch bei mir die Frage auftaucht, woher dann das Geld für eine solche Aktion kommt:

Diese Beträge sollen – wie zu hören – aus der Kaufsumme gezahlt werden, die das Land für den Gesamtkomplex Nürburgring mit 77 Millionen Euro erhält. - Wenn es diesen Betrag jemals insgesamt erhält! - Es könnte ja sein – wie sogar Politiker in Mainz vermuten – dass es praktisch bei einer „Anzahlung“ bleiben wird. Und für den „Rest“ wird man eine Verrechnungsformel finden.

Wenn man jetzt berücksichtigt, dass das nicht die einzige Kündigungsaktion bis zum Jahresende bleiben kann, dann muss man sich fragen, was überhaupt noch am Ende von einem Kaufpreis übrig bleibt, der bezogen auf den Gesamtwert der Anlage, praktisch einem Trinkgeld gleich kommt.

Habe ich das Projekt „Nürburgring 2009“ bisher als Skandal und eine Affäre bezeichnet, so muss ich inzwischen die Geschehnisse und Abläufe zu diesem Projekt als ein Drama empfinden und werten.

Und ein Ende ist noch nicht abzusehen.

MK/Wilhelm Hahne
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