Journalismus heute: Ein aktuelles Beispiel

Es ist Zufall, dass mir gerade nach Erscheinen meines „historischen Beispiels“ für den „Journalismus heute“, die Vorlage für ein aktuelles Beispiel geliefert wird. Ich hatte am 12. Juni in einer Geschichte zu einer Aktion in Brüssel am 11. Juni (bei der EU) geschrieben: „Deren Verschiebung einer Entscheidung – mit bisher unbestimmtem Ausgang (!) - hat zu erheblichen Störungen im – nach Drehbuch – geplanten Verkaufs-Ablauf des Nürburgrings geführt. So hat man z.B. Gespräche über einen Vertrag für das 24-Stunden-Rennen 2015 von dieser Woche auf Juli 2014 verschoben. Man scheint sich also durchaus nicht so sicher zu sein, wie die „Rhein-Zeitung“ vorgibt zu wissen.“ - Das hat die „Rhein-Zeitung“ wohl zu einem Beitrag in der Samstag-Ausgabe angeregt, der ein wunderbares Beispiel für „modernen Journalismus“ ist. Man stellt fest: „ADAC hat noch keine Verträge für 2015“ und lässt „Verantwortliche“ zu Wort kommen. - Man multipliziert durch diese Geschichte modernes PR-Geplapper und erweckt so den Eindruck, dass alles auf einem guten Weg ist. - Leider nicht. - Die Geschichte ist aber eine wunderbare Vorlage für...

Journalismus heute: Ein aktuelles Beispiel

Eigentlich zeigt der Redakteur mit einem Kommentar, dass er einen guten und richtigen Ansatz hat. Er stellt fest – und verweist damit auf den zwanghaften Abgang eines Marek Lieberberg vom Gebiet des Nürburgrings:

„Ein Experiment am Anfang reicht“

Natürlich möchte er sich nicht festlegen und schreibt:

"Wer sich im Fall 'Rock am Ring' verpokert hat - ob Lieberberg oder Capricorn - wird sich 2015 zeigen."

Ich dagegen meine – und ich lege mich hier in diesem Fall gerne heute schon fest:

„Capricorn hat sich verpokert!“

Man erhält zwar in 2015 vom neuen Partner DEAG einen höheren Anteil am Gewinn in Prozenten gerechnet, aber in Euro wird dieser Anteil deutlich kleiner ausfallen, als man ihn in diesem Jahr bei 10 Prozent weniger in Euro von Lieberberg erhalten hat. - Gier ist noch niemals der richtige Antrieb für sachlich überzeugende Entscheidungen gewesen.

Nach Recherchen von Motor-KRITIK dürfte der Kostenanteil an der aktuellen Lieberberg-Veranstaltung – bezogen auf die Gesamteinnahmen – bei 55 Prozent gelegen haben. Das ist sehr viel. Aber Marek Lieberberg hatte auch immer wieder betont, das „Rock am Ring“ zu seinen kostenintensivsten Veranstaltungen gehört.

Geht man von diesem Kostenanteil in diesem Jahr aus, dann wird klar, dass sich die Kosten für ein neues Konzert in 2015, veranstaltet durch die DEAG nicht deutlich senken lassen. Lediglich die Einnahmen werden sinken, so dass man davon ausgehen kann, dass der Kostenanteil in 2015, bezogen auf die dann zu erzielenden Einnahmen bei 75 Prozent liegen werden.

Die Herrschaften um Capricorn haben sich durch das Einschlagen eines „harten Kurses“, den sie u.a. mit der von der EU geforderten „Diskontinuität“ argumentieren, selbst „ins eigene Fleisch geschnitten“.

Die Aussagen von PR-Leuten zu einer bestimmten Situation, auch wie sie gegenüber dem Mitarbeiter der „Rhein-Zeitung“ geäußert wurden, entsprechen leider nicht der Realität. Das muss man als Journalist eigentlich wissen. Darum macht es auch wenig Sinn, den Pressesprecher des Veranstalters vom 24-Stunden-Rennens am Nürburgring zu fragen, wie man denn die derzeitige Situation zum Abschluss eines Vertrages für 2015 einschätzt. - Der äußert sich dann so:

„Die Gespräche mit Capricorn sind sehr weit vorangeschritten. Es gibt keinen Grund für Zweifel. Beide Seiten wissen: Sie möchten miteinander.“

Tatsache ist: Es gibt noch keinen Vertrag. Wie – nur – bei Motor-KRITIK zu lesen: Die Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH mit ihrem „Doppelkopf“-Geschäftsführer Carsten Schumacher (weil auch für Capricorn tätig) hat einen aktuell angesetzten Verhandlungstermin mit dem ADAC praktisch auf Juli verschoben, weil man offensichtlich bestrebt ist, nur mit Rückendeckung der EU-Kommission (in dem die Capricorn als ein Käufer akzeptiert wird, der nicht für die Sünden der Landesregierung RLP in Regress genommen wird) weitere Verhandlungen zu führen.

Zumal auch die Landesregierung RLP ob der Auseinandersetzung mit Lieberberg – und dem daraus folgenden Verlust der Veranstaltung „Rock am Ring“ - mehr als nur verwundert, sondern geradezu entsetzt ist. So hatte man sich die „Einführung“ von Capricorn nicht vorgestellt. Dieser Käufer war doch geradezu deswegen ausgewählt worden, weil man hier auf eine besondere Akzeptanz durch die Öffentlichkeit hoffte. - Eine deutsche Firma, mit einer Filiale in der Eifel, mit automobilem Bezug. - Alles schien (fast) ideal. Und dann kommt es gleich bei der ersten Verhandlung zu einem Crash. (Politiker haben – anders als Capricorn – zum Geld keinen Bezug!)

Und ein Crash mit dem ADAC ist auch vorprogrammiert. Denn der ADAC weiß was er will. Und er weiß auch, dass er nach dem erlebten „Gau“ durch öffentlich gewordene „verlogene Aktionen“ dieses Bild nicht verstärken darf, indem er noch mehr Geld in den Motorsport pumpt. - Denn nicht alle Beitragszahler im ADAC sind Motorsport-Fans. - Aber wohl Anhänger des „Gelben Engel“. - Man möchte nicht noch mehr Beitragszahler verlieren.

Nachdem aber Capricorn einen Blick in den virtuellen Datenraum der (insolventen) Nürburgring GmbH werfen durfte, hat man dort mehr als eine Ahnung davon bekommen, was der ADAC-Regionalklub in Köln an der Veranstaltung 24-Stunden-Rennen verdient. - Und wie wenig dabei (in Relation) für eine Nürburgring Betreibergesellschaft herum kommt, wenn man sich an den Vertragsdaten „von gestern“ orientiert. Da möchte man dann schon bei einem neuen Vertrag beim Kassieren besser eingebunden sein.

Übrigens nicht nur da, sondern bei allen Veranstaltungen die in Zukunft am Nürburgring laufen. Man möchte beteiligt sein. Am Gewinn. Man sieht sich weniger als Dienstleister – obwohl man diese Funktion zu betonen versucht - sondern als als eine Art „Promotor“. Wobei man dabei wohl an die lateinische Ausgangsbasis denkt, in der „promotor“ mit „Vermehrer“ übersetzt wird. - Man möchte den Gewinn „vermehren“. Den eigenen.

Und wenn nun der nette Redakteur der „Rhein-Zeitung“ die in nächster Zeit betroffenen Veranstalter am Ring abfragt, ob sie irgendwelche Schwierigkeiten sehen, dann antworten die natürlich so, dass sie nicht schon Spannungen im Vorfeld verdeutlichen oder gar provozieren.

  • Karl Mauer von der VLN „befürchtet nicht, dass Capricorn die VLN selbst ausrichten könnte."
  • Der Pressesprecher des ADAC-Regionalklubs Mittelrhein sagt: „Wir sind in guten Gesprächen.“
  • Michael Kramp, Sprecher des Veranstalters des 24-Stunden-Rennens meint: „Es ist unwahrscheinlich, dass andere das Rennen sofort organisieren könnten.“

Alles taktisch kluge Aussagen. Meinen die, die sie machen. Dabei werden alle, wenn sie mit Capricorn ins Geschäft kommen wollen, „Federn lassen müssen“. - In dem Beispiel für „modernen Journalismus“ (in der „Rhein-Zeitung“) ist jedoch zu lesen:

„Veranstalter von 24-Stunden-Rennen und Truck-Grand-Prix: Sind in guten Gesprächen mit Betreibern.“

Die „Betreiber“ warten auf eine positive Entscheidung der EU-Kommission in Brüssel, weil sie die mit ihren aggressiv vorgetragenen Forderungen nicht auch vergraulen wollen. Noch ist man der „Wolf im Schafspelz“. Die Verzögerung in Brüssel war nicht einkalkuliert. Nun hofft man auf eine Entscheidung – positiv natürlich – zum 25. Juni. - Für diesen Termin ist eine Entscheidung angemeldet, aber eigentlich unwahrscheinlich, weil bis zu diesem Zeitpunkt nicht die neuen Unterlagen für eine Entscheidung vorbereitet sein können. Zumal auch die Mitglieder der Kommission die Möglichkeit haben müssen, sie durchzuarbeiten.

Brüssel wird sich sicherlich nicht zu zeitlichen Abläufen zwingen lassen, die mit denen vergleichbar sind, die dann zu der bekannten – vorsichtig formuliert: unglücklichen - Entscheidung des Gläubigerausschusses führten. - Der – und darauf sei noch einmal hingewiesen – für eine fehlerhafte Entscheidung regresspflichtig gemacht werden kann.

Doch die Insolvenz-Sachwalter hoffen auf ein schnelles „closing“ des mit Capricorn abgeschlossenen Vertrages, obwohl auch ihnen sicherlich – und das ist durch „NeXovation“ schon geschehen – auf dem Weg dahin auch eine Reihe von Fehlern im sogenannten „Bieterverfahren nach EU-Recht“ nachgewiesen werden kann.

Die Insolvenz-Sachwalter haben schon mal – um einen Herrn Lieberberg zu verunsichern – dem als „Bremsklotz“ eine „Enstweilige Verfügung“ beim Landgericht Koblenz vor die Füße geworfen, dem der allerdings rechtzeitig mit einer „Schutzschrift“ eine schnelle Wirkung genommen hat, weil so nun in jedem Fall eine mündliche Verhandlung (wahrscheinlich auch am 25. Juni) erfolgen muss.

Es wird interessant sein zu beobachten, wer da wem eine zusätzliche Honorareinnahme ermöglicht hat. Wobei solche Kosten insgesamt, für Rechtsanwälte, Notare und Berater für das Projekt „Nürburgring 2009“ insgesamt inzwischen deutlich siebenstellig sind. - Eine immer sinnvolle Ausgabe? - Wenn man das Ergebnis betrachtet: Nein!

Wir sind weit davon entfernt eine Situation erreicht zu haben, die von Michael Kramp, Pressesprecher des ADAC Nordrhein in Köln, gegenüber dem Reporter der „Rhein-Zeitung“ so geschildert wird:

„Wenn die Situation am Ring wieder konstanter wird, können wir uns vorstellen, auch wieder längerfristige Verträge abzuschließen.“

Motor-KRITIK ist geneigt zu fragen: Wovon träumt dieser Mann denn? - Aber diese Sätze gehören eben heute zum Pflichtprogramm eines guten PR-Mannes. Genauso wie „damals“ ein „Alles wird gut“ als Schlusswort zu den jeweiligen Sendungen von Nina Ruge „normal“ war.

Oder wie Beiträge der geschilderten Art heute den „modernen Journalismus“ dokumentieren: Jedes Zitat stimmt, aber insgesamt tendiert der Informationswert einer solchen Geschichte gegen Null.

MK/Wilhelm Hahne
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