EU: Aus „D-Day“ am N-Ring wird „Tag X“

Die Brüsseler Korrespondentin der „Wirtschaftswoche“, Silke Wettach, hatte den besten Kontakt zum „Flurfunk“ der EU-Kommission in Brüssel und war per Saldo nicht nur besser, sondern auch schneller. Während Motor-KRITIK immer noch auf die bewährten „Brieftauben“ setzt, nutzte die Mitarbeiterin der „wiwo“ die modernen, digital arbeitenden Kommunikationsmittel. - Motor-KRITIK kann aber immerhin darauf verweisen, dass man schon in 2010 die EU-Kommission darauf aufmerksam gemacht hat, dass es in Sachen Nürburgring noch zu Ärger kommen wird. Das wurde in Brüssel unter CHAP(2010)00207 registriert und der Akte CP93/2009 beigefügt, wo sich nicht nur kritische Anmerkungen zur „Arbeit“ der rheinland-pfälzischen Landesregierung am Projekt „Nürburgring 2009“ befinden, sondern auch solche zum ARP-Museum in Remagen und „Fritz-Walter-Stadion“ in Kaiserslautern . - Auf dem Weg zum jetzt bevorstehenden Crash hat Motor-KRITIK immer wieder darauf hingewiesen, dass das Bieterverfahren in seiner immer wieder von seinen Schöpfern dargestellten Art von „ „offen, transparent und diskriminierungsfrei“ eigentlich eine Farce war – und ist. Wie auch die überstürzt angesetzte „Verkaufsveranstaltung“ der Insolvenz-Sachwalter am 11. März 2014 in Koblenz, auf dem Niveau von „Kaffeefahrten“ für die Mitglieder des Gläubigerausschusses durchgeführt, dessen „Gewinner“ von mir noch vor der offiziellen Bekanntgabe – gegenüber den dort auch wartenden Kollegen – richtig vorhergesagt wurde. - Noch am 5. Juni hatte ich – in meiner letzten Geschichte auf diesen Seiten – die EU-Kommission vor einer vorschnellen Entscheidung, die eigentlich für den 11. Juni vorgesehen war – gewarnt. - Bei der EU hat man wohl den Ernst der Lage erkannt und die Entscheidung verschoben.

EU: Aus „D-Day“ am N-Ring wird „Tag X“

Tatsächlich ist „D-Day“ im Englischen eine allgemein verwendete Bezeichnung für einen öffentlich noch nicht bekannt gemachten Termin, genauso wie der im Deutschen mit „Tag X“ bezeichnet wird. Das war nicht unbedingt allen Lesern klar, die z.T. beanstandeten, dass ich in meiner Geschichte, in der ich Details zum Verkündungstag einer EU-Entscheidung beschrieb, den Tag der Landung der Allierten in der Normandie „missbraucht“ hätte.

Um Missverständnisse auszuschließen, werde ich jetzt nur noch davon sprechen, dass die EU-Kommission den „Tag X“, der eigentlich mit 11. Juni 2014 festgelegt schien, nun aufgrund von ernsthaft vorhandenen Bedenken auf einen noch unbestimmten Tag, den “Tag X“ eben, verlegt hat.

Ich hatte bereits in meiner Geschichte vom 5. Juni (Thema: Rockfestival am Nürburgring) davon geschrieben, was auch in den Unterlagen der EU für die Entscheidungsträger (s. Zitat aus den EU-Unterlagen in „fett“) als Warnung zu lesen war:

„Die EU sollte es sich nicht zu einfach machen. Auch ihr Ansehen könnte Schaden nehmen. Die EU hat das wohl begriffen wenn sie selber schreibt:

'...infolgedessen könnten aus der Sicht der Beschwerdeführer Möglichkeiten zur Klage bestehen.'

Dem ist nichts hinzu zu fügen.“

Man hat in Brüssel begriffen, das vorschnelles Handeln in einer Entscheidung für den Käufer Capricorn die Gefahr einer Klage in sich birgt. NeXovation, ein amerikanischer Bieter, der fast 100 Prozent mehr für das Projekt Nürburgring geboten hatte, als Capricorn, ist eigentlich zu einer Klage fest entschlossen, sollte es zu einer Entscheidung der EU für Capricorn kommen.

Die immer wieder von den Insolvenz-Sachwaltern vorgetragene Argumentation weist – bezogen auf die Gesamtabwicklung – zu viele Fehler auf. Da können sich weder die Dame Malu Dreyer, noch der Herr Roger Lewentz davon freisprechen, in die vorgeplanten Detaillösungen eingeweiht gewesen zu sein. Auch wenn beide das weit von sich weisen.

Im Falle einer Klage müssten sie aber vor Gericht aussagen – nachdem ihre Immunität aufgehoben worden wäre – und es ist kaum zu erwarten, dass sich die Herrschaften zu einer falschen – wenn auch uneidlichen Aussage – durchringen würden.

Vor diesem Hintergrund wird übrigens eine Regierungsumbildung in Mainz immer realistischer, die hier auf diesen Seiten schon angedeutet wurde. So wie es derzeit in Mainz ausschaut, sitzt die Dame Malu Dreyer (noch) fest im Sattel, während der für den Nürburgring verantwortliche Innenminister, Roger Lewentz, wohl auch seine Bedeutung als Landesparteivorsitzender der SPD in die Waagschale zu werfen versucht, um in seiner bisherigen Position zu überleben.

Die EU kann nicht übersehen, was bei Motor-KRITIK zum neuen Fünfjahres-Vertrag der Bitburger Brauerei mit der NBG und CNG als Aussage eines Verantwortlichen der Bitburger Brauerei hier in Motor-KRITIK zu lesen war:

„Die Vertragsverhandlungen haben bereits im August 2013 begonnen. Im Januar 2014 haben wir uns auf die genauen Inhalte des Vertrags verständigt. Seit dem 1. März 2014 ist Bitburger am Nürburgring wieder im Ausschank.“

Zu diesem Vertrag nimmt dann auch in der offiziellen Presseerklärung Robertino Wild, als potentieller Käufer (ab 11. März durch die Entscheidung des Gläubigerausschusses dazu geworden!) Stellung.

Und in einem Interview mit SPIEGELonline sagt Marek Lieberberg, dass er bereits im Januar 2014 mit Capricorn (!) über die Weiterführung von „Rock am Ring“ verhandelt habe. - Auf eine entsprechende Anfrage von Motor-KRITIK blieb er stumm. - Aber wenn man weiß, dass der SPIEGEL ein Interview ohne ein Gegenlesen des Interview-Partners nicht veröffentlichen würde, wird aus dieser Aussage mehr als deutlich, was schon bei der Aussage der Bitburger-Manager eigentümlich klang:

Capricorn scheint als Käufer des Nürburgrings von den Politikern in Mainz „gesetzt zu sein“. Weil dieser deutsche Bieter mit seinem automobilen Hintergrund nicht nur die Erwartungen der Landesregierung zu erfüllen scheint, sondern sich auch gegenüber der Öffentlichkeit „gut verkaufen lässt“.

Weil vieles beim Verkauf des Nürburgrings mit dem Schleier „Vertraulich“ bedeckt wurde, blieb z.B. auch – selbst dem „Bieter“ Capricorn mit Zugang zum „virtuellen Datenraum“ - verborgen dass die Insolvenz-Sachwalter die Anteile der insolventen Nürburgring GmbH am Fahrsicherheitszentrum am Nürburgring (wohl auch ohne Wissen des Gläubigerausschusses!) verkauften, was in irgendeine Kasse dann den Betrag von um 800.000 Euro einfließen ließ. - In welche?

Genauso wurde wohl auch aus der Beteiligung der insolventen Nürburgring GmbH an der VLN Geld gemacht. - Werden die Gläubiger davon profitieren? - Auch hier war offenbar der Gläubigerausschuss nicht informiert.

Aber die Mitglieder des Gläubigerausschusses sind zum Schweigen verpflichtet. Erst eine Klage der NeXovation könnte sie – vor Gericht – von der Klammer befreien. - Aber sie sind gerichtlich für die Entscheidung für Capricorn verantwortlich zu machen!

Es wäre tragisch, wenn das „Drehbuch“ der Landesregierung, das mit der Insolvenz der Nürburgring GmbH gestartet wurde, nun „außerplanmäßig“ eine Änderung erfahren müsste. So muss man es wohl in Mainz, in Koblenz und in Düsseldorf empfinden.

Nun gilt es Schaden abzuwenden. - Von wem?

Silke Wettach, die „Wirtschaftswoche“-Korrespondentin in Brüssel ist nicht mit den Geschehnissen um „Nürburgring 2009“ so vertraut, als dass sich in ihrer Geschichte nicht kleine Ungenauigkeiten eingeschlichen hätten.

So hat es z.B. „private Geldgeber“ beim Nürburgring-Projekt niemals gegeben. So konnte auch keiner abspringen. Und ein schöner Satz in ihrem Bericht ist auch:

„Weil der Freizeitpark rote Zahlen schreibt, diskutieren rheinland-pfälzische Politiker dessen Schließung.“

Aber wichtig ist dass sie weiß:

„Das Votum der EU zum Verkauf des Nürburgrings an den Düsseldorfer Autoteilehersteller Capricorn verzögert sich.“

Das lässt hoffen. - Dass man bei der EU nicht den „Drehbuchanweisungen“ der deutschen Politiker und ihrer Berater folgt, sondern die objektiven Geschehnisse um den Verkauf des Nürburgring so bewertet, wie sie – rein sachlich – bewertet werden müssen.

Das würde eine Klage von NeXovation überflüssig machen. Käme es dazu, würde vor Gericht ein ganzes Kulissen-Panorama zerbrechen, das mit großer Intelligenz und Durchsetzungsvermögen für die Öffentlichkeit aufgebaut wurde.

Und Capricorn-Chef Robertino Wild müsste sich sicherlich von seiner neuesten automobilen Errungenschaft wieder trennen. Denn das „geile Geschäft“, der Kauf des Nürburgrings für 77 Millionen Euro, würde sich zerschlagen. - Die „Kuh“ Nürburgring stünde nicht mehr zum Melken bereit.

MK/Wilhelm Hahne
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