9. Juni 2014: Lieber Leser!

Eigentlich unterscheiden sich Feiertage von Werktagen für einen Journalisten nur dadurch, dass das Telefon weniger klingelt. Wenn man Glück hat: Deutlich weniger. - Obwohl Telefonate von mir nicht unbedingt als Störung, sondern überwiegend als Anregung empfunden werden. Aber an so einem Feiertag wie Pfingsten kann man sich auch anders anregen lassen. Zum Beispiel dadurch, dass man einen Blick in aktuelle Motorzeitschriften wirft. Oder durch im Internet verbreitete Ergebnisse nachdenklich wird. Einer der wenigen Telefonanrufe an Pfingsten war dann schon eine Überraschung. Und ich will Ihnen gerne mal an diesem Beispiel darstellen, was einem dann dazu alles einfällt, wenn man schon ein paar Jahre länger auf der Welt ist als seine jungen Kollegen.

9. Juni 2014: Lieber Leser!

Ein Leser ist am Telefon, der sich entschuldigt, mich an einem Feiertag zu stören. „Sie werden es nicht glauben“, sagt er, „Herr Licht hat auf 'facebook' Ihre Geschichte 'geteilt'“. - „Dann wird sie ihm sicherlich gefallen haben“, sage ich. - „Ja“, sagt mein Gesprächspartner, „und er hat auch noch ein paar Anmerkungen dazu gemacht.“

Ich habe mir das dann nach diesem Gespräch schon interessiert angeschaut. Da ist dann – sozusagen als Ergänzung zu meiner Geschichte – zu lesen:

„Auch dieser Bericht kann/könnte noch durch wichtige Details (Capricorn zahlt keine 77 Millionen €, wieso waren Dreyer, Lemke, Lewentz gemeinsam auf einer "Nichtpressekonferenz" zum Verkauf in Koblenz etc.) ergänzt werden.“

Diese Anmerkung betrifft meine Geschichte, „EU: Aus „D-Day“ am N-Ring wird „Tag X“.

Alexander Licht hat recht: Ich hätte mehr dazu schreiben können als dort steht. Aber wie soll ich beweisen, dass Capricorn weniger bezahlen wird, als im sogenannten Kaufvertrag vereinbart? - Nach meiner Kenntnis wird man bis Ende Dezember 2014 insgesamt 15 Millionen bezahlt haben. Wie es dann weiter geht – mit dem Bezahlen – weiß ich leider nicht präzise. (Die Deutsche Bank gibt keine Auskunft!) - Aber ich kenne natürlich unbestätigte (!) Aussagen von Beteiligten. - Danach würde die Meinung des Herrn Licht schon stimmen.

Dass Dreyer, Lewentz und Lemke an jenem geschichtsträchtigen 11. März 2014 in Koblenz waren weiß ich auch. Und es steht jedem frei sich dazu seine Gedanken zu machen. Ich habe sie mir gemacht. Alexander Licht hat sie sich auch gemacht. - Ich, du, er, sie, es denken – wir, ihr sie denken. - In Erinnerung an meine Schulzeit muss ich lächeln.

Dabei fällt mir dann auch ein, wie mein Vater - lang, lang ist's her - im „Herrenzimmer“ steht. Er steht vor einem runden Couchtisch, dessen gebogenen Beine unten in so etwas wie einer Tatze und oben in einem Löwenkopf enden, die eine Mamorplatte tragen. Das Licht fällt gedämpft durch eine Bleiverglasung farbig ins Zimmer und mein Vater hält ein Glas Wein gegen das Licht, nimmt eine „Nase voll“ des Buketts, dann einen genussvollen Schluck und sagt: „Ein wunderbarer Riesling!“

Ein „Brauneberger Juffer“. Alexander Licht, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der rheinland-pfälzischen CDU kommt aus Brauneberg, einer Stadt an der Mosel, in deren Umfeld die bekanntesten „Steillagen“ an der Mosel liegen, die – auch - für ihren herausragend guten Riesling bekannt sind.

Ich habe aktuell mal ins Internet geschaut und einen Riesling (Spätlese, 2011) aus Brauneberg gefunden, der pro Flasche (0,75l) mit 49 Euro angeboten wird. Da kommt Alexander Licht her. Und er ist Winzer. Ihm muss ich nicht erzählen, dass die Böden einer „Steillage“ durch die Sonner besser „gewärmt“ werden (durch die optimale Stellung zueinander), als die in einem flachen Feld. Oder dass der Geschmack eines Rieslings in einer Steillage je nach Bodenzusammensetzung anders ist. Die Trauben nehmen die Mineralien auf und beeinflussen so den geschmacklichen Eindruck. - Riesling ist nicht gleich Riesling. -

Wie ein „Bieter für den Nürburgring“ nicht ein „Bieter für den Nürburgring“ ist. Oder zumindest nicht so behandelt wird. - Da gibt es auch solche, die erst gar nicht wahrgenommen wurden. Oder man hat ihr Angebot „abgewürgt“. - Indem man schnell zum Verkauf aufgerufen hat.

Rien ne va plus! - No more bets! - Nichts geht mehr! - Auch in der Eifel? - Am Nürburgring!

Das sind so Pfingstgedanken in der Eifel. - Oder man liest lächelnd auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe der „Auto-Bild“: „Wir saßen schon drin“. Die Hamburger Fachleute scheinen auf Seite 22 über die ersten Eindrücke von einem viertürigen MINI zu schreiben. - Toll! - Hat man nicht gemerkt, dass man mit so einer Veröffentlichung der Industrie weitere kostenlose Werbeseiten zur Verfügung stellt?

Was sagt eine solche Geschichte über ein Auto, ein Fortbewegungsmittel aus, von dem man auch noch nicht einmal den Preis kennt? - Eigentlich ist das nur eine Art von „Selbstbeweihräucherung“: Wir waren die Ersten! - Um dann auf Seite drei am Beispiel des Alfa Romeo 4C zu der Erkenntnis zu kommen: „Messwerte und Punktetabellen allein reichen nicht.“

Schön gesagt! - Und was hat der Leser davon wenn er erfährt, dass VW in den nächsten Jahren (bis 2017) 18 neue Modelle vorstellt?

Besonders schön wird es dann, wenn man auf „Ein Special von MICHELIN in AUTO BILD MOTORSPORT“ stößt. Und im Anschluss gibt’s dann eine Geschichte über den „Breitensport“, wo man zu Anfang lesen kann: „Alle Topfavoriten starten auf Reifen des gleichen Herstellers. Erstmals hier eine Chancengleichheit“, und die dann mit dem Satz endet: „Doch 2015 will Dunlop wieder angreifen“.

Es geht darum, dass die Mehrheit der „Favoriten“, die um den Gesamtsieg beim kommenden 24-Stunden-Rennen am Nürburgring (21./22. Juni) fahren, nach dieser Darstellung auf MICHELIN-Reifen unterwegs sind. - Natürlich gibt es auch BMW Z4, Audi R8 LMS ultra, McLaren und Nissan GT—R Nismo GT3 die auf Dunlop, Kumho und Pirelli unterwegs sind. - Also was soll dann dieser MICHELIN-Artikel?

Und dann gibt es noch die Reifen – nicht nur von MICHELIN – die man nicht für Geld kaufen kann!

Und was soll die Entwicklung eines „autonomen Autos für den Massenmarkt“, die mit „Das Auto ohne Lenkrad“ betitelt ist? - Schön wäre doch auch: Ein Klavier ohne Tasten. - Oder eine Gitarre ohne Saiten. - Oder ein Redakteur ohne Hirn. - Alles machbar. Es geht dann freihändig zur Arbeit. - Zu welcher Arbeit? - Die verrichten doch dann Roboter besser! - Man versucht eben den „Risikofaktor Mensch“ auszuschalten. - Und schaltet sich selber aus? - Irren ist menschlich!

Ab Seite 72 gibt’s dann eine Reifengeschichte, bei der man dann auch der Denk-Dimension der Reifenhersteller folgt. Es geht um neue EU-Richtlinien und stellt die Frage: „Bleibt deshalb bei den Eco-Gummis die Sicherheit auf der Strecke?“ - Mit Sicherheit!

Hier, auf den Seiten von Motor-KRITIK, wurde schon recht oft beschrieben, welchen grundsätzlichen Unterschied die Reifenindustrie in all den Jahren ihrer Entwicklungsarbeit übersehen hat: Dass es schon einen Unterschied zwischen Reifen für Vierrad- und Zweiradfahrzeuge gibt, weil sie auch unterschiedlich beansprucht werden, unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben. - So sollte es sich auch um unterschiedliche Konstruktionen handeln. - Tut es aber nicht!

Die Reifenindustrie begreift das nicht, will das nicht begreifen, weil man mit der bisherigen Art der „Einheitsreifen“ doch auch gut Geld verdient. Und die Fachpresse doch auch. - Wenn sie sich an die Regeln unserer Gesellschaft hält. Da bestimmt der, der das Geld hat, auch das was gefertigt wird und lässt es – gemeinsam mit „Medienpartnern“ - auch auf die richtige Art als „das Richtige“ verkaufen. Die Argumentation muss nicht stimmen, aber sie muss glaubhaft sein. - Schließlich kann man das Rad nicht neu erfinden. - Sagt man. - Basta!

Und so lehnt sich denn ein nachdenklicher, alter Journalist, an Pfingstmontag auf seinem Stuhl zurück, und greift zu einem Glas, in dem ein trockener Riesling schimmert. Eine Steillage aus der Gegend um Poltersdorf an der Mosel. Und das Glas ist – bei den Außentemperaturen – leicht beschlagen. - Zum Wohl!

Fortsetzung folgt!
Wilhelm Hahne
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