„Moderner Motorsport“ in Silverstone

Motor-KRITIK hatte seinen Lesern empfohlen, mal besonders aufmerksam die Abläufe beim britischen Grand Prix in Silverstone zu verfolgen. Auch die Kommentare. Denn es hatte im Umfeld des österreichischen Grand-Prix eine Reihe von Informationen zu bestimmten Abläufen beim „Großen Preis von Europa“ in Baku (!) gegeben, die verwunderten. Wie eben (zu) viele Dinge im „modernen Motorsport“ verwundern. Das verwundert dann wieder die Sport-Funktionäre und „Insider“: Schließlich weiß man doch, dass z.B. alles teurer geworden ist. Oder dass gelogen wird. Oder dass man im im „Werksinteresse“... - Warum sollte in der heutigen Zeit, wo ganze Konzerne des Betrugs überführt werden, wo Steuerhinterziehung „normal ist“, wo mit eindeutigen Statistiken zweideutige Leistungen kaschiert werden, der Motorsport eine Ausnahme sein? Und man findet es „normal“, dass eindeutige Reglements für zweideutige Entscheidungen sorgen, die das rein sportliche Ergebnis evtl. auch mal verfälschen. Man findet es z.B. ganz i.O., dass Zuschauer erst lange nach einem Rennen erfahren, wer denn nun – unter Berücksichtigung des geltenden Reglements – eigentlich der Sieger war. Was  „live“ erlebt wurde, war evtl. nur die Basis für eine Bearbeitung durch das Reglement. - So ist dann auch der britische Grand-Prix anders ausgegangen, als das Millionen Zuschauer an den Fernsehschirmen miterlebt haben. - Rosberg ist wegen einem Regelverstoß der Boxenmannschaft in der Wertung des Rennens um einen Platz nach hinten verrutscht. - Mercedes hatte sofort Einspruch eingelegt. Und schon nach wenigen Wochen würden wir wissen, wie denn die Platzierung auf den ersten drei Plätzen beim britischen Grand Prix definitiv lautet. - Normal? -

„Moderner Motorsport“ in Silverstone

Um das Unverständliche noch unverständlicher zu machen: Mercedes hat aktuell seinen Einspruch zurück gezogen. - Ganz im Sinne des Sports. -  Nico Rosberg ist also – jetzt schon (!) - unwiderruflich Dritter im Endergebnis zum britischen F1-Grand Prix.

Das allein ist schon ein „wunderbares“ (?) Beispiel für die derzeitige Situation im Motorsport.

Für Bernie Ecclestone kam der Regen vor dem Start in Silverstone „zu früh“. - Eigentlich hatte man auch gar nicht mit Regen gerechnet. - Und dann noch zum „falschen Zeitpunkt“! - Also startete man dann hinter dem Safety-Car. Und 22 Starter fuhren Runde für Runde hinterher. Und die Reifen kühlten ab. So würde man das Risiko nach einem Rennstart vergrößern. - Meinte nicht nur Lewis Hamilton.

Aber es wurde so auch die Verantwortung der Verantwortlichen verringert!

Und jede hinter dem Safety-Car gefahrene – zu langsame – Runde wurde auf die Renndistanz von 52 Runden angerechnet. - Dafür fiel dann die „Inspektionsrunde“ weg, wie sie sonst vor dem Start gefahren wird. - Ist doch klar! - Und so ein Start ohne „Rennstart“ schont auch die Kupplungen, das Getriebe und spart Kraftstoff. - Und Sparen ist in der Formel 1 schon ein Thema.

Oder ist das nur etwas für Fachleute? Die Entscheidungen im Motorsport richtet man nach den möglichen Argumenten der „breiten Masse“ (ohne Detailkenntnisse) aus. Oder vielleicht doch nach den Ansprüchen der Industrie? - Wie dem auch sei: Da muss eben alles so verlaufen, wie es z.B. ein „Ehrenkodex“ vorsieht. „Berührungen“ sind zu vermeiden.

Lewis Hamilton hat sich in Silverstone daran gehalten. Er hat sich so deutlich von Nico Rosberg abgesetzt, dass es keine kritische Situation geben konnte. Der „Ehrenkodex“ hatte also – zumindest in Silverstone – schon seine Bedeutung. Nämlich Hamilton deutlich weg von Rosberg zu halten.

Rosberg hat dann auch noch dem Herrn Max Verstappen eine Chance gegeben, sein Fahrtalent deutlich zu machen. Als die Strecke dann abtrocknete, hat er versucht, dank deutlich überlegener Motorleistung die alte Reihenfolge (wie nach dem Qualifying) wieder herzustellen. - Zumindest optisch.

Lewis Hamilton wird bei den nächsten Rennen keine Rücksicht mehr auf Nico Rosberg und dessen  Marketing-Fans in der Stuttgarter Firma nehmen. - Wenn Nico Rosberg weit hinter ihm unterwegs ist, kann wirklich nichts passieren.

Dafür gibt sich aber Hamilton entsetzt über die Äußerungen in einer Fernseh-Diskussion von Niki Lauda in Österreich. Er versteht sie nicht. - Sagt er. - Weil er doch weiß, für welche Firma er unterwegs ist. Darf Niki Lauda da wirklich sagen – bzw. bestätigen – was der Realität entspricht? - Wo bleibt da der „Ehrenkodex“?

Nur Motor-KRITIK-Leser haben die Möglichkeit mit einem Klick in die Diskussion zu schalten, in der Niki Lauda – so liest man anderswo – Äußerungen machte, die er dann später durch sein Team dementieren ließ. - Jedenfalls ist es so auch einer Presse-Info des Mercedes-Teams zu entnehmen.

Aber Motor-KRITIK-Leser können sich davon überzeugen, dass dieser Vorfall in Baku, Lewis Hamiltons „gutes Verhältnis“ zu Nico Rosberg betreffend, gar nicht von Niki Lauda in die Diskussion eingebracht wurde.

Man plauderte zunächst über die „Weichmacher“-Aussagen eines Lewis Hamilton, von der Niki Lauda sagte: "Sie sind gelogen." Lewis hatte nach dieser Aussage sein gutes Verhältnis zu Nico nur ins Gespräch gebracht „um Ruhe zu haben“ vor den Medien.

Vom Schweizer Diskussionspartner der Gesprächsrunde kam dann der Hinweis auf die Hamilton-Aktion. Die dann von Niki Lauda mit deŕ Aussage bestätigt wurde: „Ich war dabei.“

Wobei Dr. Marko dann die vielleicht zunächst etwas missverständlichen Aussagen der anderen Gesprächsteilnehmer richtig stellte, indem er die „Zimmer-Zertrümmungesaktion“ (was sicherlich ein wenig übertrieben ist) auf einen Aufenthaltsraum an der Rennstrecke (kein Hotelzimmer!) konkretisierte.

Es waren also in dieser Diskussionsrunde zumindest drei Personen, die diese Wut-Reaktion eines Lewis Hamilton auf seinen eigenen Fehler kannten, davon wussten. Aber Hamilton, jetzt durch einen „Ehrenkodex“ unter Druck, möchte nun nichts davon wissen. - Eine solche Aktion wäre eben nicht „mercedes-like“.

Roger Benoit, F1-Experte und Schweizer, fand, dass so etwas, wie das aktueller Zerwürfnis zwischen den zwei Mercedesfahrern (und seine Folgen!) „auch in die digitalen Medien gehört“. Dr. Marko, der österreichische Berater des „Red Bull-Teams“, korrigierte diese Meinung, dass das deshalb nicht geschieht, weil man damit – und er hat das sehr vorsichtig formuliert - „kein Geld verdienen kann“. - Er kennt offensichtlich die dann zu erwartenden Mercedes-Reaktionen.

Also lügt Hamilton? - Immerhin wird er von Mercedes mit Millionen dafür bezahlt keine eigene Meinung zu haben. - Er hat das Verhältnis zu seinem Arbeitgeber  auch selbst so dargestellt.

Mit so einer Reaktion zeigt er aber eigentlich auch, was er von seinen „Chefs“ hält. Er passt sich ihnen an, lächelt still in sich hinein und zeigt einem Nico Rosberg was eine Harke ist.

Da hat ihn dann ein 18jähriger Jüngling im Formel 1-Cockpit durch seinen fahrerischen Einsatz in der Regenphase des Rennens unterstützt. Max Verstappen hat Nico Rosberg mit einem unterlegenen Fahrzeug überholt, geschlagen, erniedrigt. (Auf dessen fahrerische Qualitäten bezogen.)

Nico Rosberg hat zwar – dank des überlegenen Mercedes-Materials – den jungen Verstappen wieder überholt, aber er muss seine Leistung an der von Hamilton messen lassen.

Der Presse ist zu entnehmen, dass Rosberg nach dem Überholen von Verstappen wieder „auf dem Weg nach vorne“ war, als ihn ein Getriebefehler einbremste. - Und er erhielt „Tipps“ von der Box!

Verboten! - Reglementsgerecht wurde Rosberg nach stundenlangem Hin und Her (!) um 10 sec (= einen Platz) nach hinten versetzt. „Auf dem Weg nach vorne“ konnte Rosberg in dieser Situation nur sein, weil Hamilton sich praktisch schon in einer „Auslaufphase“ befand, längst entspannt seine letzten Runden, ohne jeden Druck fuhr.

Mit dieser Presseinfo hat Mercedes das derzeitige Rennergebnis von Silverstone akzeptiert. „Toto“ Wolff hat dazu intern noch die Feststellung getroffen:

„Wenn man gar nicht kommunizieren soll, kann man auch das Radio abschalten und es aus dem Wagen werfen.“

Eine gute Idee! - Das hilft auch Kosten zu senken. Auch die Moto GP muss z.B. ohne Funk auskommen, sich mit den Positionsanzeigen aus der Box begnügen und bietet einen hervorragenden Sport.

Die F1-Fahrer könnten wieder aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung und ihrem Eindruck von Reifen- und Fahrbahnzustand (z.B. feucht oder nass) ihre Entscheidungen zum Reifenwechsel selber  treffen. Sie könnten z.B. durch Handheben bei der Vorbeifahrt an den Boxen ihr Hereinkommen für das Ende der Runde ankündigen.

„In den kommenden Wochen werden wir die Gespräche über die empfundene Überregulierung des Sports mit den relevanten Beteiligten aus der F1 fortführen.“

Werten wir also diesen Abschnitt aus der aktuellen Presseerklärung einmal positiv, als einen möglichen Schritt nicht nur zum Sparen, sondern auch dem Fahrer wieder eine größere Bedeutung zu geben und dem Zuschauer z.B. jeden Reifenwechsel als eine Fahrerentscheidung zu verdeutlichen.

Lewis Hamilton würde eine solche Änderung im Reglement sicherlich als Verbesserung begrüßen.

Die Zuschauer übrigens auch.

MK/Wilhelm Hahne
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